Journalisten brauchen Forschung und Statistik

Veröffentlicht am 16. Dezember 2015

Günther Rager hat das Fach in Hohenheim aufgebaut und dann zweieinhalb Jahrzehnte in Dortmund Journalisten ausgebildet. Thomas Wiedemann und Michael Meyen haben mit ihm am 1. Juli 2015 auch über den langen Arm der Politik gesprochen und über die Neugründung in Leipzig.

 Stationen

Geboren am 11. Mai 1943 in einem Vorort von Kempten. Ab 1964 Studium in Tübingen und München (Germanistik, Philosophie, Geschichte und Kunstwissenschaft). Freiberuflicher Journalist. 1974 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hohenheim. 1982 Promotion in Tübingen. 1984 C3-Professor für Journalistik (Schwerpunkt Produktion) an der TU Dortmund (bis 2010). 1991 Mitglied der Leipziger Gründungskommission. 1993 Gründung der media consulting team Dortmund GmbH (mit Bernd Weber). 2005 Ehrenprofessor, Lomonossow-Universität, Moskau. 1999 bis 2010 Mitglied der Grimme-Preis-Jury.

Könnten Sie zu Beginn etwas über Ihr Elternhaus erzählen, Ihre Kindheit, Ihre Jugend?

Ich war der fünfte von fünf Söhnen.

Dann sollten Sie wahrscheinlich ein Mädchen werden.

Richtig. In der Familie geht die Mär um, dass einer meiner Brüder nach meiner Geburt heulend auf der Treppe saß. Schon wieder ein Junge. Wichtiger war, dass ich mit Abstand der Jüngste war. Sieben Jahre Abstand. Ich war in meinem Elternhaus der Erste, der das Gymnasium beendet hat.

Haben Sie noch etwas vom Krieg mitbekommen?

Unbewusst. Mir wurde erzählt, ich sei auch noch einige Zeit nach dem Krieg in den Keller gerannt, wenn ein Flugzeug kam.

Was haben Ihre Eltern beruflich gemacht?

Meine Mutter war Hausfrau. Es gab damals weder Spül- noch Waschmaschine, und wir hatten auch keinen elektrischen Herd. Mein Vater war nach dem Krieg kleiner Verwaltungsangestellter bei der Stadt Kempten. Mit wirklich kleinem Gehalt.

Hatte er einen Beruf gelernt?

Er war ungelernt. In seiner Familie gab es zwölf Kinder. Der Vater war Käsemeister im Allgäu, ist aber früh gestorben. Die Kinder haben dann auf Bauernhöfen gearbeitet.

Was hat Ihr Vater im Krieg gemacht?

Er war in einem Sanitätszug und wurde von einem Arzt gefördert, als eine Art Sekretär. Nach dem Krieg kamen Leute wie er dann bevorzugt in den öffentlichen Dienst. Eigentlich hatte er die Qualifikation ja nicht.

Trotzdem war Ihre Familie richtig arm.

Ja. Meine Mutter war aber hochintelligent und extrem fleißig. Und meine vier Brüder waren mindestens so begabt wie ich. Sie mussten aber zum Familieneinkommen beitragen. Der Mittlere hat zum Beispiel in der Höheren Handelsschule den besten Abschluss in ganz Bayern gemacht. Das Hundhammer-Stipendium hat er ausgeschlagen.

Dann hatten Sie Glück, dass Sie der Jüngste waren.

Zwei Brüder haben mich auch während des Studiums noch finanziell unterstützt.

Haben Politik oder Religion in Ihrem Elternhaus eine Rolle gespielt?

Beides. Meine Eltern waren neuapostolisch und sehr religiös. Das hat die beiden auch zusammengeführt. Beide waren sicher keine Widerstandskämpfer, aber definitiv kein Nazis.

Woran machen Sie das fest?

Sie haben sich geweigert, in die Partei einzutreten, obwohl der älteste Sohn die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium locker geschafft hatte. Wer nicht in der Partei war, musste Schulgeld bezahlen. Das konnte sich die Familie nicht leisten, also musste mein ältester Bruder wieder vom Gymnasium. Mein Vater war schon durch die Religion der Politik fern. Wer in Bayern einer Minderheitenkirche angehörte, war aber auch politisch eine Minderheit.

CSU, katholische Kirche.

Ich habe selbst erlebt, wie der Pfarrer gesagt hat, was man zu wählen hat. Mein Vater war in einer Wohnungsgenossenschaft. Wir bewohnten dadurch ein Reihenhäuschen, mit großem Garten. Das Milieu war eher sozialdemokratisch und gewerkschaftlich. In der Gemeinde wusste man, wo die zehn Nicht-CSU-Stimmen herkamen. Wir hatten eine gebührende Distanz zu den Profiteuren der Nazi-Zeit und auch zur Herrschaft.

Waren Sie selbst in der Schule entsprechend aktiv?

Im Gymnasium habe ich bei der Schülerzeitung mitgemacht und war immer dabei, wenn es etwas Kritisches gab. Wir haben erbittert über Politik gestritten. Heute unvorstellbar.

Wissen Sie noch, warum Sie in Tübingen studieren wollten?

Na klar. Ich war politisch interessiert und sprachlich interessiert. Und ich war ein Zeit-Leser. Die großen Stars waren dort Walter Jens, Theodor Eschenburg, Joseph Vogt, Hans Rothfels oder Ralf Dahrendorf. Die saßen alle in Tübingen.

Sie sind dann aber schnell nach München.

Vom zweiten bis zum vierten Semester, aus privaten Gründen. In München waren fast alle meine Schulfreunde. Für mich war das aber nicht so das gelobte Land.

Otto B. Roegele (Quelle: Fotoarchiv Rheinischer Merkur)

Otto B. Roegele (Quelle: Fotoarchiv Rheinischer Merkur)

Haben Sie dort das Institut für Zeitungswissenschaft wahrgenommen (vgl. Meyen/Löblich 2004)?

Wahrgenommen schon. Dort habe ich aber nicht studiert. Damals war das ja ganz anders als heute. Natürlich bin ich auch in interessante Vorlesungen von Roegele gegangen oder zu den brillanten Juristen-Vorlesungen. Dort hat uns einer erzählt, wir würden noch erleben, dass man betrunken nicht Radfahren dürfe. Wir haben alle gelacht.

Hatten Sie damals schon eine Berufsidee?

Sehr vage. Lehrer war natürlich immer möglich. Ich wollte eher in den Journalismus. Wir waren ja privilegiert. Wir wussten, dass wir uns beruflich keine Sorgen machen mussten, wenn wir das Studium schaffen.

Gibt es jemanden, den Sie als Ihren akademischen Lehrer bezeichnen würden?

Ernesto Grassi in München. Und später in Tübingen dann Hermann Bausinger, meinen Doktorvater. Beeindruckt hat mich auch Walter Jens, bei dem ich Tutor war. Jens hat mir eine andere Welt geöffnet.

Was haben Sie bei Ernesto Grassi gelernt?

Lesen.

Lesen?

Sein Seminar war eine harte Schule. Es gab ein Aufnahmegespräch. 15, 20 Leute. Mehr waren wir dann nicht. Er gab uns Texte in verschiedenen Sprachen. Man musste 30, 40 Zeilen lesen. Wie lautet der erste Gedanke, wo fängt der nächste an? Ist das schlüssig oder wird etwas übersprungen? Grassi war freundlich, aber sehr streng. Wer zweimal nicht antworten konnte, durfte gehen. Zur Vorlesung kam er in feinstem Zwirn und hat frei geredet, sehr gewählt. Bei aller Genauigkeit konnte man mit ihm aber diskutieren, wenn man Argumente hatte.

Haben Sie einen Abschluss gemacht, Magister oder Staatsexamen?

Nein. Walter Jens hat mir geraten, direkt zu promovieren. Das ging damals noch. Für das Staatsexamen hatte ich alle Scheine zusammen, aber ich wollte ja nicht unbedingt Lehrer werden. Ich bekam ein Graduiertenstipendium, obwohl ich formal gar nicht graduiert war.

Wie das?

Meine Leistungen waren gut, und die Professoren haben das unterstützt. Das Bewerbungsverfahren war hart. Viele haben das nicht bekommen. Ich war damals auch schon Lehrbeauftragter an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Dort wurde jemand für ästhetische Theorien gesucht, und Walter Jens hat mich empfohlen.

Henk Prakke (Zweiter von links) mit Michael Schmolke (links) und Winfried B. Lerg (ganz rechts) sowie Franz Dröge (Quelle: Privatarchiv Joachim Westerbarkey)

Henk Prakke (Zweiter von links) mit Michael Schmolke (links) und Winfried B. Lerg (ganz rechts) sowie Franz Dröge (Quelle: Privatarchiv Joachim Westerbarkey)

Von welcher Zeit sprechen wir gerade?

Späte 1960er, frühe 1970er. Eine bewegte Zeit in Tübingen. Walter Jens war sehr präsent in der Stadt. Auch mit Ralf Dahrendorf konnte man reden. Viele andere waren nicht bereit, mit politisch engagierten Studierenden zu diskutieren. Es gab selbstorganisierte Seminare, die zum Teil als Studiennachweise anerkannt wurden und zum Teil nicht. Theoriearbeitskreise mit guten Referaten. Dort wurde diszipliniert an Texten gearbeitet. Bei uns die Frankfurter Schule. Adorno, Benjamin, Habermas. Vorwärts, rückwärts. Später auch Dröge und Holzer (vgl. Dröge 1972, Holzer 1969).

Schwere Kost.

Angefangen haben wir mit der Dialektik der Aufklärung (vgl. Horkheimer/Adorno 1969). Ich saß mit dem Lexikon da, um die Fremdwörter zu verstehen. Dröge war eigentlich unlesbar.

Wie war Ihr Verhältnis zur Studentenbewegung?

Richtig politisiert worden bin ich in München, da spürte man noch die Nachwehen der Schwabinger Krawalle. Ich war in Arbeitskreisen, bei Demonstrationen und gelegentlich mit Flugblättern vor Fabriken, aber nie führend.

Und in Tübingen?

Dort haben uns Alt-Nazis beschäftigt, die es (wieder) auf Lehrstühle geschafft hatten. Manchmal war das verlorene Zeit. Man hat Texte gelesen, nur um Leute zu entlarven. Ich glaube aber, dass die Bewegung der Universität und auch der Gesellschaft insgesamt gut getan hat. Ich habe das vorher als sehr lähmend erlebt. Wie unter einer Glasglocke.

Wie sind Sie zum Thema Massenmedien gekommen?

In der Volkskunde gab es eine Tradition, die sich mit Wandschmuck beschäftigt hat oder mit sogenannten Schundheften und Märchen. Da war es nicht mehr weit bis zum Fernsehen. Bausinger hat uns machen lassen und sich selber intensiv eingearbeitet.

Was genau haben Sie gemacht?

Zunächst ein Kompaktseminar mit 60 Leuten, mit ihm als Teilnehmer. Rudolf Schenda war da und eine Reihe von anderen Assistenten und Doktoranden, die sich mit Lesen beschäftigt haben (vgl. Schenda 1970). Ich selbst kam ja eher vom Fernsehen. Es gab eine umfassende Literaturliste und viele Referate. Danach kannten wir wesentliche Teile der Forschungsliteratur. Wir haben dann eine Vorabendserie untersucht.

Bei Bausinger?

Ja. Ich war mit ihm bei Hans Bausch und habe Geld vom SDR bekommen, für einen Tutor und für Technik. Wir hatten keine Bandmaschine. Die Studie war dann verdammt kritisch.

Haben Sie das auch dem Intendanten präsentiert?

Bausch wollte schon sehen, wofür sein Geld verwendet worden war.

Ist der Kontakt zu Hans Bausch der Schlüssel zu dem Auftrag, den Aufbaustudiengang in Hohenheim aufzubauen?

Nein. Das ist eine andere Geschichte. Ich hatte einen Lehrauftrag am Institut für Politikwissenschaft in Stuttgart. Bei Martin Greiffenhagen gab es eine Studentengruppe, die sich mit Medien beschäftigen wollte. Dort entstand die Idee für einen Studiengang. Die Gruppe hat das bis ins Ministerium gebracht, wo dann eine Stelle freigegeben wurde.

Für die Universität Stuttgart?

Ursprünglich schon. Die Universität wollte das aber nicht. Also ging die Stelle nach Hohenheim, zu Hartmut Albrecht, der dort einen Lehrstuhl für Kommunikationsforschung und landwirtschaftliches Beratungswesen hatte. Dort habe ich mich beworben.

Sie waren aber noch nicht promoviert.

Nein. Ich war freier Mitarbeiter beim Süddeutschen Rundfunk und habe aktuelle Filme für die Abendschau gemacht. Das Ministerium wollte, dass es einen Förderverein gibt. Mit dem SDR, mit dem Verlegerverband. Ziel war Berufsorientierung. In der Kommission waren dann Hans Bausch, Johannes Binkowski, Hartmut Albrecht, Heinrich Bechtholdt, der Politologe in Hohenheim, und Otto Wolfgang Bechtle. Für uns damals ein sehr Konservativer und ein Feindbild. Bei dem hatten wir vor den Verlagstüren demonstriert, weil bei ihm die Bild-Zeitung gedruckt wurde.

Und diese fünf haben sich dann für Sie entschieden?

Warum auch immer, ja. Ich weiß nur, dass Bechtle nicht für mich war. Binkowski war zwar konservativ (vgl. Steindl 1983, Terheyden 1988), aber Bechtle, Bausch und er waren oft unterschiedlicher Meinung. Bausch hat mir später erzählt, er habe für mich gestimmt, obwohl er mich ja kannte. Als Wissenschaftler war er liberal und hat andere Meinungen gelten lassen.

Politisch haben Sie nicht gepasst.

Ich habe aus meiner Gesinnung aber auch kein Hehl gemacht. Ich konnte ja nicht plötzlich Kreide fressen. Da es den Förderverein gab, dachte man sicher, ich sei unter Kontrolle.

Gab es inhaltliche Vorgaben für den Studiengang?

Nein. Es gab die Stelle, den Förderverein und diese Projektgruppe, die wir nach Hohenheim überführt haben. Ich hatte die Aufgabe, ein Curriculum zu entwickeln.

Woher haben Sie die Ideen genommen?

Das ist eine interessante Frage. Ich habe mich hingesetzt, mich damit beschäftigt und recherchiert, welche Journalistikstudiengänge es im In-und Ausland gab. Und welche Inhalte Volontärskurse hatten. Wir haben dann mit Seminaren angefangen und mit Lehrbeauftragten wie Hansjoachim Schlüter, der sich unglaublich engagierte. Es war ja unklar, was genau da entstehen sollte. Studiengang als Hauptfach, Nebenfach, Aufbaustudiengang. Irgendwann kam ein Herr aus dem Ministerium und sagte, wir brauchen ganz schnell ein Curriculum. Das hatte mir vorher keiner rechtzeitig gesagt.

Günter Kieslich (Foto: privat)

Günter Kieslich (Foto: privat)

Wissen Sie noch, was Sie damals dafür gelesen haben?

Natürlich. Es gab das Memorandum zur Journalistenausbildung (N.N. 1971). Das war die Bibel. Ich habe nach Dortmund geschaut und nach München. Vorlesungsverzeichnisse. Dann habe ich Kieslich gelesen (vgl. Kieslich 1974) und Curricula aus dem In- und Ausland. Es gab aber kein Vorbild, das ich einfach kopieren konnte. Auch die Praktiker hatten Ideen. Es musste ja alles immer durch den Förderverein. Der war in diesen Punkten sehr hilfreich.

Hilfreich?

Weil über ihn viel Sachverstand eingeholt werden konnte. Sehr hilfreich waren auch die Medienforscher des SDR: Gerhard Maletzke und Hansjörg Bessler.

Was ist mit den USA und mit Leipzig?

Die USA kaum. Leipzig kannte ich auf dem Papier. Was von dort kam und greifbar war, habe ich gelesen. Hermann Bausinger hatte ja immer versucht, Kontakt mit DDR-Wissenschaftlern zu halten. Mit Jürgen Kuczynski zum Beispiel. Schon bei unserem Kompaktseminar zum Fernsehen hatten wir DDR-Literatur. Lothar Bisky unter anderem (vgl. Bisky 1976). Aber zentral war natürlich, was sich in den westlichen Ländern bewährt hatte.

Als Professor kam dann Manfred Rühl nach Hohenheim (vgl. Rühl 2007). Wie lief die Zusammenarbeit?

Das war zunächst für beide Seiten schwierig. Ich war ja schon lange da und habe selbst auf die Professur gehofft. Dann kam der Landtagswahlkampf, wo Filbinger Brandt als Verräter bezeichnet hat. Es war schrecklich. Ich habe mit Studierenden eine Analyse gemacht. Auszüge sind im Spiegel gelandet (Nr. 14/1976, S. 26-30). Wie das dahin gekommen ist, weiß ich nicht. Im Spiegel stand, dass Filbinger die Bürger mit dem Schlachtruf ‚Freiheit oder Sozialismus‘ in „Angst und Schrecken“ versetze (S. 26).

Starker Tobak.

George Turner, der Präsident der Universität, hat mich noch am gleichen Nachmittag angerufen. Die Landtagsfraktion wolle wissen, was ich für eine Stelle habe und ob wir das in den Räumen der Universität gemacht hätten. Kurze Zeit später war ich von Lothar Späth, dem Fraktionschef, zum Gespräch geladen. Er hat weniger die Inhalte der Studie kritisiert als die Tatsache, dass das noch vor den Wahlen öffentlich wurde.

Wie ist das ausgegangen?

Späths Pressesprecher sagte mir beim Hinausgehen, bisher habe man gedacht, dass ich gute Arbeit geleistet hätte und eine Chance auf die ausgeschriebene Professur haben könnte. Jetzt könne ich mir die Bewerbung sparen, in Baden-Württemberg würde ich nicht Professor. Ich habe mich nicht beworben und bin lieber in die Kommission gegangen. Manfred Rühl war ein herausragender Bewerber. Er hat einen sehr guten Vortrag gehalten und zu Recht den Ruf erhalten. Er war für Hohenheim die beste Lösung.

Wissenschaftlich lagen Sie weit auseinander.

Er kam eher von der Systemtheorie und ich deutlich nicht. Im Umgang war er aber immer sehr fair und angenehm und wissenschaftlich eine Bereicherung, für mich jedenfalls. Wir haben diskutiert und uns gegenseitig kritisiert, ohne dass der andere verletzt gewesen wäre. Er war zweifellos der besser ausgewiesene Wissenschaftler mit einer eigenen Forschungsagenda. Für ihn war das trotzdem nicht leicht. Das Nest war gemacht, und die Studenten hingen zunächst an mir. Er hat sich aber sehr gut eingebracht und den Studiengang weiterentwickelt.

Als Rühl 1983 nach Bamberg ging: Galt der Satz da noch, dass Sie im Ländle nicht Professor werden?

Sicher. Ich habe mich deshalb in Hohenheim erst gar nicht beworben, sondern in Hamburg und in Dortmund. Die Hamburger waren wahrscheinlich erschrocken.

Dort wollte man Dieter Roß (vgl. Roß 2007).

Unser Werdegang ist in einigen Punkten ähnlich. Ich war froh, dass es Dortmund wurde. In Hohenheim hatten wir gerade privat gebaut. Ich stand auf der Baustelle, als der Anruf kam. In Dortmund gab es all das, was wir in Hohenheim noch nicht hatten. Ein ausgebautes Fachinstitut.

Waren Sie damals in der SPD?

Ich war nie in einer Partei und auch nie wirklich SPD-nah. Wahrscheinlich war ich in Dortmund der erste Professor der Journalistik, der nicht Mitglied war, aber das ist eine Vermutung. Am Institut gab es klare Fronten. Die SPD-Nahen waren anfangs fast immer einer Meinung. Kurt Koszyk, Udo Branahl, Ulrich Pätzold. Gerd Kopper allerdings ging häufig eigene Wege. Es war oft nicht leicht, dort eine andere Ansicht zu platzieren.

Also wieder Parteieinfluss.

Aus der Ferne dachte man, Nordrhein-Westfalen sei anders als Baden-Württemberg, wo ich den Einfluss ja täglich und persönlich erlebt habe. Es war anders, aber doch gleich. Nicht nur am Institut.

Und inhaltlich? Gab es da Unterschiede?

Der Studiengang war besser ausgebaut. Vieles fand ich toll. Ich musste mich dann mit den Printmedien befassen. Die Lücke, die Siegfried Weischenberg hinterlassen hatte. Ulrich Pätzold hatte sich aufgrund seiner Vita für den Hörfunk entschieden und dann auch für die Fernsehredaktion, obwohl ich der einzige war, der dort praktische Erfahrungen mitbrachte und ja auch schon Fernsehanalysen gemacht hatte.

Das klingt nach Niederlage.

Nein. Print hat mich sehr interessiert. Über meine Berufungsverhandlungen haben wir ein ordentliches Hörfunkstudio bekommen. Die Printausstattung war schon gut. Wir hatten die Möglichkeit, selbst zu produzieren und drucken zu lassen. Ich habe daher versucht, Quartierzeitungen zu machen. Aktuelles über den Campus und die angrenzenden Gebiete. Richtig gut wurde das erst mit Bernd Blöbaum, der nach langen Kämpfen als Mitarbeiter kam und InDOpendent als Campuszeitung aufgezogen hat. Das war auch wirtschaftlich ein Erfolg. In Dortmund hatten wir aber immer das Problem, ein ausgeglichenes Verhältnis von Theorie und Praxis hinzubekommen.

Wie meinen Sie das?

Die Praxis lief plötzlich sehr gut, gerade auch durch dieses Projekt. Es gab aber Druck. Wir mussten wöchentlich erscheinen. Später hatten wir einen Hörfunksender und Fernsehen, immer mit Terminen. Die Studenten wollten das auch und waren sehr engagiert. Mit Theorie oder gar mit Empirie war es schwieriger, sie zu begeistern. Das ist bis heute ein Problem. Aber diese sehr gute Vorbereitung auf die Praxis war für die Studierenden im Volontariat ein großer Wettbewerbsvorteil.

Haben Sie eine Lösung?

Ich habe etwas aufgebaut, was ich so nie erwartet hätte. Empirische Rezeptionsforschung. Ein Studiengang, der Journalisten ausbildet, kann sich nicht nur auf Literatur stützen, die damals fast ausschließlich Praktiker geschrieben hatten. Wir brauchen Forschung, um aus dem Praxisdunst rauszukommen. Wir haben klein angefangen, mit wenigen Studenten. Mein größter Erfolg war dann, dass die Lehrforschungsprojekte im Grundstudium verankert wurden. Da mussten alle durch und mit sozialwissenschaftlichen Methoden arbeiten. Wenn jeder fünf Interviews mit gut ausgewählten Personen macht, bekommt man schon brauchbare Arbeitsergebnisse, ganz ohne Drittmittel. Da konnte man von den Psychologen viel lernen.

Was haben die Studenten gesagt?

Manche fanden das toll und manche ätzend.

Gibt es so etwas wie eine Dortmunder Schule der Journalistenausbildung?

Ich glaube nicht. Zu meinem Leidwesen. Wir waren zu verschieden in unseren Ansätzen und Interessen. Es ist ja kein Zufall, dass meine Stelle nicht wieder mit dem Schwerpunkt Rezeptionsforschung besetzt wurde.

Wer war Ihr Nachfolger?

Klaus Meier. Er machte natürlich auch etwas in dem Feld, aber deutlich anders. Er ist leider schnell wieder gegangen. Ich hatte ja zehn Jahre DFG-Projekte, zur Rezeptionsforschung. Was davon an Substanz da war, ist im Studiengang verschwunden. Die Ausnahme war die Arbeit von Annika Sehl, die aber jetzt in Oxford forscht. Michael Steinbrecher hat zwar bei mir promoviert (vgl. Steinbrecher 2009) und nimmt aus dieser Richtung einiges auf, aber seine Stelle ist anders gewidmet. Meine Grundidee ist nie von allen mitgetragen worden. Das war in Dortmund aber immer so.

Jetzt kommt Wiebke Möhring.

Das lässt mich wieder hoffen. Ihre Stelle hat einen Empirie-Schwerpunkt und ihre bisherige Forschung passt sehr gut in die Journalistenausbildung.

Können Sie Ihre Grundidee pointiert zusammenfassen?

Theorie und Praxis so zu verbinden, dass ich auch in der Journalistenausbildung nur Dinge behaupte, die ich empirisch belegen kann. Durch meine eigene Forschung oder durch die Forschung anderer. Das ist der eine Teil. Viel wesentlicher ist, dass niemand aus Dortmund in die Praxis gehen sollte, der keine Statistik lesen und nichts mit Umfrageergebnissen anfangen kann. Das braucht man heute im Journalismus. Dafür habe ich gekämpft und war dann ja auch erfolgreich.

Ausgerechnet jemand, der über die Frankfurter Schule kommt.

Das hat sich durch die Arbeit an meiner Dissertation ergeben (vgl. Rager 1982). Ursprünglich sollte das ja eine theoretische Arbeit werden. Dann hat sich das verzögert, durch den Aufbaustudiengang, durch die Arbeit mit den Studierenden.

Sie waren fast 40, als das Buch veröffentlicht wurde.

Eines Tages kam Hansjörg Bessler vom Süddeutschen Rundfunk und hat gefragt, ob ich nicht diese Studie machen wolle. Vielfalt im Lokalen. Das wäre doch gut für Hohenheim. Bessler war bei uns Lehrbeauftragter und ein knochenharter Empiriker. Auch Gerhard Maletzke war bei uns Lehrbeauftragter. Er war methodisch fit (vgl. Meyen/Löblich 2011). Bei Hermann Bausinger in Tübingen war das nicht so gefragt, aber an seinem Institut wurden die Grundlagen dafür gelegt.

Diskussion an der Sektion Journalistik 1990. Hans Poerschke (links) und Klaus Preisigke. Im Hintergrund: Günther Rager (Quelle: Privatarchiv Klaus Preisigke).

Diskussion an der Sektion Journalistik 1990. Hans Poerschke (links) und Klaus Preisigke. Im Hintergrund: Günther Rager (Quelle: Privatarchiv Klaus Preisigke).

Wie sind Sie zu dem Posten in der Leipziger Gründungskommission gekommen?

Als die Grenze offen war, bin ich nach Leipzig gefahren. Ganz ohne Anmeldung. Der Pförtner wollte mich erst gar nicht reinlassen. Hans Poerschke, der damalige Institutsleiter, hat mich dann trotzdem empfangen und mit mir über den Studiengang diskutiert, obwohl wir uns nicht kannten. Trotz aller unterschiedlicher Auffassungen hat er schnell gemerkt, dass ich nicht zu denen gehörte, die alles als Ideologie abtun, was dort gemacht worden war. Er hat mich eingeladen, an der Neuorientierung des Studiengangs mitzuwirken. Später bekam ich einen Lehrauftrag und habe das auch gern gemacht.

Wie führt das zur Gründungskommission?

Dazu muss ich etwas ausholen.

Bitte.

Leipzig war ja eigentlich schon erledigt, bevor es die Kommission gab.

Der Abwicklungsbeschluss der Landesregierung vom Dezember 1990.

Bei einer Tagung kam neulich Torsten Kleditzsch auf mich zu, Chefredakteur der Freien Presse in Chemnitz. Herr Rager, Ihnen haben wir zu verdanken, dass Leipzig erhalten geblieben ist. Kleditzsch war der Erste, der das so zu mir gesagt hat.

Und: Ist etwas dran?

Ich glaube ja. Dank Noelle-Neumann war die Abwicklung beschlossen worden und ein Neuaufbau in Dresden. Plötzlich rief ein Student an und fragte, ob ich mit zum Minister komme. Vorher hatte er schon mit Klaus Schönbach gesprochen. Der wollte aber nicht. Vielleicht hat er auch noch andere gefragt. Das weiß ich nicht. Ich hatte eine Bedingung.

Welche?

Ich wollte angemeldet sein. Hans Joachim Meyer sollte wissen, dass ich mitkomme. Ich bin dann nach Leipzig gefahren und von dort sind wir in Poerschkes Trabi nach Dresden, mit zwei oder drei Studierenden. Es war kurz vor Weihnachten.

Leipzig retten.

Ja. Meyer hat uns freundlich begrüßt, mir aber gleich unmissverständlich seine Meinung gesagt. Er freue sich, dass ich gekommen sei, und wir könnten uns auch gern unterhalten, ich solle mir aber keine Illusionen machen. Die Staatsregierung habe beschlossen, Leipzig aufzulösen. Was dann passiert ist, habe ich weder vorher noch nachher so erlebt.

Sie machen es spannend.

Nach dem Gespräch schickte er Poerschke und die Studenten hinaus und sagte zu mir: Sie haben mich überzeugt. Ich weiß nicht, ob er mich meinte oder die ganze Gruppe. Das ist auch egal. Meyer wollte nichts versprechen, sich aber für uns einsetzen. Ein Minister, der nach anderthalb Stunden sagt, ich akzeptiere ihre Argumente, und dann das Nötige macht – das war eine Weihnachtsüberraschung. Er hatte aber auch eine Bedingung. Er wollte, dass ich die Gründungskommission übernehme.

Oh.

Das Ministerium hat mich dann nicht freigestellt. Sachsen gehörte zu Bayern und nicht zu Nordrhein-Westfalen. Nach Frankfurt (Oder) hätte ich gehen können. Das hatte zwar nichts mit meinem Fach zu tun, aber das war offenbar egal. Ich weiß natürlich nicht, ob ich das dann in Leipzig überhaupt geworden wäre. Als ich Meyer absagte, meinte er, ich müsse jetzt wenigstens Mitglied der Kommission sein.

Wie haben Sie die Arbeit dann erlebt?

Es war nicht ganz einfach. Ich war der Einzige, der Journalistik wollte. Karl Friedrich Reimers hatte ja eher einen breiten Ansatz. Geschichte, Kommunikationswissenschaft, Medienpädagogik, PR (vgl. Meyen 2011). Journalistik höchstens als Teilgebiet.

Leipzig stand aber für die Journalistenausbildung.

Ja. Dafür habe ich gekämpft. Hans Poerschke auch. Mit Winfried Schulz konnte man darüber sprechen. Schulz ließ sich überzeugen, obwohl er natürlich nicht der geborene Journalistikvertreter war. Sonst wäre nicht einmal dieser Rest erhalten geblieben.

Wie bewerten Sie das Verfahren im Rückblick?

Ich bedaure, dass nicht jemand wie Manfred Rühl die Kommission geleitet hat. Wenn es schon Bayern sein sollte. Wir mussten mit Kompromissen leben. Die Erstbesetzung des Journalistik-Lehrstuhls war dann leider unglücklich.

Gertraud Linz-Abich.

Sie hatte mit der Journalistenausbildung nicht viel zu tun. Ich hätte mich vielleicht sogar selbst beworben, aber in der Kommission hatten wir abgesprochen, dass das keiner von uns tut.

Barbara Baerns hat sich beworben (vgl. Baerns 2007: 278).

Das hat mich dann auch gewundert.

Waren Sie in einer der Berufungskommissionen?

Nein. Ich bin nicht gefragt worden, obwohl ich die Journalistik-Szene gut kannte. In der Gründungskommission hatte Reimers einen Erfüllungsgehilfen.

Franz Stuke?

Irgendwie waren die beiden miteinander verbandelt. Was auch immer von Reimers kam: Stuke war dafür.

Ihre höchste akademische Auszeichnung haben Sie in Moskau bekommen.

Nach der Wende habe ich viele Jahre im Freien Russisch-Deutschen Institut für Publizistik mitgearbeitet.

Jürgen Wilke 1992 mit Elisabeth Noelle-Neumann und X (Foto: privat)

Jürgen Wilke 1992 mit Elisabeth Noelle-Neumann und Heinz Maier Leibnitz (Foto: privat)

Wie Jürgen Wilke (vgl. Wilke 2015).

Wilke kam etwas später, ja. Gegründet hat das Institut Dietrich Ratzke, Chef vom Dienst bei der FAZ und auch Gründer des F.A.Z.-Instituts. Ohne ihn hätte es das nicht gegeben. Ich kam über ein russisches Ticket hinein. Galina Woronenkowa war in Dortmund und hat mich gebeten, dort mitzumachen.

Was hieß mitmachen?

Jürgen Wilke und ich haben ein Curriculum geschrieben und beide dort gelehrt. Und dann habe ich viele Jahre eine Woche Seminar oder Vorlesung in Moskau gehabt. Ich war auch mehrmals in St. Petersburg und Rostow am Don, wo der Verein eine Außenstelle hatte. Dort konnten wir sogar eine Feldstudie machen.

Warum haben Sie sich das angetan?

Ich wollte helfen. Eine Zeitlang gab es ja die Hoffnung, dass es dort eine freie und weltoffene Journalistenausbildung geben könnte. Jetzt würde ich Leib und Leben der Studenten gefährden, wenn sie das umsetzen, was ich ihnen erzählen könnte.

Wie wichtig waren Ihnen die Firma, die Sie 1993 gegründet haben, und die Grimme-Jury?

Grimme war wichtig, weil Walter Jens ein begeisterter Fernsehkritiker war und auch kurz in der Jury. Bei Grimme und Jens gab es eine ständige Kontroverse um journalistische Qualität. Diese Tradition wollte ich weiterführen. Ich habe bei ihm viel über das Fernsehen gelernt und durfte in seiner Anwesenheit zwei Seminare über politische Information im Fernsehen halten. Das war toll, weil er dabei war und sich immer wieder eingeklinkt hat.

Wie ist es dazu gekommen?

Ich hatte im Kürbiskern einen Aufsatz über politische Information im Fernsehen veröffentlicht, als Student (vgl. Rager 1971). Ich war stolz wie Oskar. Plötzlich kam Jens auf mich zu und sagte, der Aufsatz habe ihm gefallen. Ob ich nicht in seinem Seminar vortragen wolle. Ich weiß bis heute nicht, woher er mich kannte. Nach der zweiten Sitzung war das mein Seminar.

Und die Firma?

An der Universität konnten wir vieles nicht machen. Die Verwaltung von Drittmitteln war mindestens so schwierig wie heute. Manche Verlage wollten auch nicht mit einer Universität zusammenarbeiten. Also habe ich mit einer Gruppe von Studierenden die Firma gegründet. Wirtschaftlich hat sich nur Bernd Weber beteiligt. Für mich war die Firma wichtig, weil wir so Studien machen konnten, die sich in der Lehre verwenden ließen, und gute Beziehungen zur Praxis aufbauen konnten. Ich konnte den Absolventen oft bei der Jobsuche helfen.

Wenn man die Räume hier sieht, scheint das Geschäft gut zu laufen.

Das ist Herrn Weber zu verdanken. Er hat im Nebenfach Wirtschaft studiert und kann Wirtschaft, nicht nur Journalistik. Ich fand das angenehm. In der Firma konnte ich wissenschaftlich tun und lassen, was ich wollte.

Gibt es Wissenschaftler, die für Sie eine Vorbildfunktion hatten oder haben?

Schwierig. Grassi in Sachen hermeneutische Verfahren und Genauigkeit. Auch von Bausinger habe ich viel gelernt. Er hatte eine schwäbische Gründlichkeit und ein umfassendes Wissen. Und in Hohenheim Gerd Albrecht, der menschlich und in seiner wissenschaftlichen Vielseitigkeit beeindruckend war.

Zu welchen Kollegen hatten oder haben Sie einen besonders guten Draht?

Aus dem Fach?

Ja.

Zu wenigen. Ich bin im Laufe der Jahre zu einem Einzelgänger geworden. Das muss nicht an den Kollegen gelegen haben. Mit Hans-Jürgen Weiß und Klaus Schönbach habe ich mich gut verstanden. Sie haben für mich vorbildliche Arbeiten vorgelegt. Dann Stephan Ruß-Mohl. In Dortmund Jürgen Heinrich und Gerd Kopper. Das Verhältnis zu Walter Hömberg hat etwas darunter gelitten, dass er nicht nach Dortmund kam (vgl. Hömberg 2014).

Gibt es Gegner, Konkurrenten, Feinde?

Gegner in einigen Bereichen schon. Walter J. Schütz hat sicher nie etwas Positives über mich gesagt. Das gilt wahrscheinlich auch für Michael Haller, obwohl wir inhaltlich oft übereinstimmten. Feinde wüsste ich nicht. Natürlich gab es Zeiten, wo Noelle-Neumann sehr viel Einfluss hatte. Die Dortmunder standen sicher nicht auf ihrer Förderliste. Das war aber keine Feindschaft. Sie hat mich ja gar nicht ernst genommen. Hans-Jürgen Weiß schon. Den kannte sie besser.

Gibt es etwas, worauf Sie besonders stolz sind?

Auf die Karrieren der Leute, die bei mir gearbeitet haben. Nehmen Sie allein die Chefredakteure oder die Professoren.

Bernd Blöbaum, Lars Rinsdorf, Petra Werner.

Viele können Sie gar nicht kennen, weil sie nicht im Fach geblieben sind. Karola Graf-Szczuka zum Beispiel. Auch Ulrike Röttger hat ja bei mir gearbeitet. Mit vielen habe ich bis heute Kontakt.

Und wissenschaftlich?

Auf zwei Sachen. In der Leseforschung habe ich Dinge auf den Weg gebracht, die ich für wichtig halte. Und dann die Überlegungen zur publizistischen Vielfalt (vgl. Rager/Weber 1992). Was wir da im Vorwort machen, hat eine Struktur und eine gewisse Gültigkeit.

Gibt es etwas, was Sie heute anders machen würden?

Vielleicht hätte ich doch mal aus Dortmund weggehen sollen. Wenn man Journalistik als Kern seiner Arbeit gesehen hat, konnte man sich aber eigentlich nur verschlechtern. Wir hatten tolle Studenten, und ihre Zahl war überschaubar. Wahrscheinlich würde ich heute sehr viel früher anfangen, mit Apparaten zu forschen.

Was soll eines Tages von Günther Rager in der Journalistikwissenschaft bleiben, wenn Sie Einfluss darauf hätten, was bleibt?

Die Vielfalt habe ich ja gerade schon erwähnt. Und dann die Messbarkeit von Qualität. Das beschäftigt mich immer noch.

Literaturangaben

  • Barbara Baerns: Eine Brücke schaffen zwischen Theorie und Praxis. In: Michael Meyen/Maria Löblich: „Ich habe dieses Fach erfunden“. Wie die Kommunikationswissenschaft an die deutschsprachigen Universitäten kam. 19 biografische Interviews. Köln: Herbert von Halem 2007, S. 262-280.
  • Lothar Bisky: Massenmedien und ideologische Erziehung der Jugend. Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften 1976.
  • Franz Dröge: Wissen ohne Bewußtsein. Materialien zur Medienanalyse der Bundesrepublik Deutschland. Unter Mitarbeit von Ilse Modelmog. Frankfurt/Main: Athenäum Fischer 1972.
  • Horst Holzer: Massenkommunikation und Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Leske 1969.
  • Walter Hömberg: Ein Freund fröhlicher Wissenschaft. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2014.
  • Max Horkheimer/ Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt/Main: Fischer 1969.
  • Günter Kieslich: Der journalistische Nachwuchs in der Bundesrepublik Deutschland. Daten zur Volontärsausbildung in der Tagespresse. Köln: Bund-Verlag 1974.
  • Michael Meyen: Das Leipziger Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft: Ein Modell für die Kommunikationswissenschaft in Deutschland? In: Stefan Jarolimek/Arnulf Kutsch/Denise Sommer (Hrsg.): Großbothener Vorträge zur Kommunikationswissenschaft XI. Bremen: edition lumiere 2011, S. 107-136.
  • Michael Meyen/Maria Löblich: 80 Jahre Zeitungs- und Kommunikationswissenschaft in München. Bausteine zu einer Institutsgeschichte. Köln: Herbert von Halem 2004.
  • Michael Meyen/Maria Löblich: Gerhard Maletzke. Eine Geschichte von Erfolg und Misserfolg in der Kommunikationswissenschaft. In: Medien & Kommunikationswissenschaft 59. Jg. (2011), S. 563-580.
  • N.N.: Memorandum zur Journalistenausbildung. In: Deutscher Presserat: Tätigkeitsbericht 1970. Bonn-Bad Godesberg: Zeitungs-Verlag und Zeitschriftenverlag 1971, S. 64-85.
  • Günther Rager: Politische Information im Fernsehen. In: kürbiskern 3. Jg. (1971), S. 461-472.
  • Günther Rager: Publizistische Vielfalt im Lokalen. Eine empirische Analyse. Tübingen: TVV 1982.
  • Günther Rager/Bernd Weber (Hrsg.): Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Neue Medien – mehr Inhalte? Düsseldorf: Econ 1992.
  • Dieter Roß: Journalistik zwischen Praxis und Wissenschaft. In: Michael Meyen/Maria Löblich: „Ich habe dieses Fach erfunden“. Wie die Kommunikationswissenschaft an die deutschsprachigen Universitäten kam. 19 biografische Interviews. Köln: Herbert von Halem 2007, S. 151-166.
  • Manfred Rühl: Ermunterung zum Theoretisieren. In: Michael Meyen/Maria Löblich: „Ich habe dieses Fach erfunden“. Wie die Kommunikationswissenschaft an die deutschsprachigen Universitäten kam. 19 biografische Interviews. Köln: Herbert von Halem 2007, S. 76-100.
  • Rudolf Schenda: Volk ohne Buch. Studien zur Sozialgeschichte der populären Lesestoffe 1770-1910. Frankfurt/Main: Klostermann 1970.
  • Michael Steinbrecher: Olympische Spiele und Fernsehen – Programmgestalter im Netz olympischer Abhängigkeiten. Konstanz: UVK 2009.
  • Gertraude Steindl: Publizistik aus Profession. Festschrift für Johannes Binkowski aus Anlaß der Vollendung seines 70. Lebensjahres. Düsseldorf: Droste 1978.
  • Rolf Terheyden: Beruf und Berufung. Zweite Festschrift für Johannes Binkowski Mainz: von Hase & Köhler 1988.
  • Jürgen Wilke: Geschichte, quantitative Methoden und Theorie. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015.

Empfohlene Zitierweise

    Günter Rager: Journalisten brauchen Forschung und Statistik. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015. http://blexkom.halemverlag.de/rager-interview/ ‎(Datum des Zugriffs).