Ulrich Pätzold (Quelle: ulp)

Ulrich Pätzold

20. August 1943

Lexikoneintrag von Vera Dünninger am 7. August 2018

Ulrich Pätzold hat auch als Wissenschaftler immer journalistisch und redaktionell gearbeitet. Er trug dazu bei, die akademische Journalistenausbildung zu etablieren oder vielmehr zu reformieren, um so den „Antagonismus von Theorie und Praxis“ in der Publizistikwissenschaft zu durchbrechen.

Stationen

Geboren in Bielefeld. Besuch des humanistischen Ratsgymnasiums in Bielefeld. Im Alter von 20 Jahren, nach dem Abitur, Umzug nach Westberlin. Ab 1963 Studium der Theaterwissenschaften und Germanistik an der FU für drei Semester. Ein Wintersemester an der LMU München. Fortsetzung des Magisterstudiums in den Fächern Publizistik, Theaterwissenschaften, Philosophie bis 1969. Journalist (RIAS Berlin, Weltwoche in Zürich). 1972 Promotion bei Harry Pross, Tätigkeit als dessen wissenschaftlicher Assistent. 1973 Assistenzprofessur am Institut für Publizistik der FU Berlin. 1978 ordentlicher Professor in Dortmund, Aufbau des Modellstudiengangs Journalistik. 1998 bis 2002 Dekan der Fakultät Kulturwissenschaften der Universität Dortmund. 2008 Emeritierung. Geschieden. Fünf Kinder.

Publikationen

  • Warum Journalistenausbildung – ein wissenschaftliches Problem der Kommunikationspolitik. Berlin: Freie Universität 1972 (Dissertation).
  • Grundsätze einer wissenschaftlichen Journalistenausbildung. Lernziele und Lehrinhalte – dargestellt an Erfahrungen und Plänen des Instituts für Publizistik der Freien Universität Berlin. In: Publizistik 19./20. Jg. (1974/75), S. 495-500.
  • Medienatlas Nordrhein-Westfalen. Grundlagen der Kommunikation. Bd. 1 bis 3. Bochum: Schürmann & Klagges 1983 (mit Bernd-Peter Lange).
  • Die Anfänge in Dortmund – eine Erfolgsgeschichte mit viel Glück. In: Tobias Eberwein/Daniel Müller (Hrsg.): Journalismus und Öffentlichkeit. Eine Profession und ihr gesellschaftlicher Auftrag. Wiesbaden: Springer VS 2010, S. 313-326.

Bereits während der 1960er-Jahre als „Teil der Studentenbewegung“ setzte sich Pätzold in Publikationen des Republikanischen Clubs, eines von der APO gegründeten Vereins, sowie in seiner Magisterarbeit kritisch mit dem Journalismus auseinander. Sein wissenschaftliches Forschungsinteresse, das seit jeher die Themen Pressekonzentration, (innere) Rundfunk- und Pressefreiheit sowie die Aus- und Fortbildung von Journalisten bildeten, spiegelt sich auch noch in seinen späteren Publikationen als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Professor (vgl. Wehefritz 2008: 100-121).

Als Ahnen seiner „geistigen und wissenschaftlichen Entwicklung“ benennt Pätzold (2018) Max Weber und Karl Popper. Bezüglich Popper wird er in einem Aufsatz über die Beziehung zwischen Politik und Journalismus konkreter: „Karl Popper hat das geistige Prinzip unseres [gemeint sind Journalisten] Freiheitsanspruchs mit dem Falsifikationsanspruch in der Ausübung unseres Berufs umschrieben: Erkenntnis ist nur möglich, wenn sie fortschreitet, Information und Wissen in Frage zu stellen“ (Pätzold 1990: 93). Diesen „Skeptizismus“ bezeichnet er als methodisches Arbeitsprinzip des Journalismus, den er (anders als etwa Emil Dovifat) nicht als Begabungsberuf versteht.

Pätzold (1973: 210) bemängelte das Fehlen einer „systematischen Berufsfeldforschung“. Die Publizistikwissenschaft, die er als „kritisch-emanzipatorische Sozialwissenschaft“ (Pätzold/Schmidt 1973: 7) auffasst, müsse sich auch der Aufgabe der Journalistenausbildung widmen. „Fragt sich nur, wie soll, wie muß eine qualifizierte Ausbildung von Kommunikationspraktikern beschaffen sein“ (Pätzold 1973: 208)? Hierzu formulierte er die Grundsätze einer wissenschaftlichen Journalistenausbildung (Pätzold 1974/75) – dargestellt an Erfahrungen und Plänen einer Ausbildungskonzeption des Instituts für Publizistik der FU Berlin.

Dort half Pätzold als junger Assistent bei der Reformierung des Publizistikstudiums über einen neuen Studienplan. Dieses Berliner Modell sollte „eine praxisorientierte wissenschaftliche Ausbildung für Kommunikationspraktiker bieten, die in verschiedenen Bereichen gesellschaftlicher Kommunikation tätig werden können“ (Aufermann 1975: 212). Seinen Einsatz für die Aus- und Fortbildung von Journalisten in Berlin verfolgte Pätzold in Dortmund weiter.

Aufgrund der „schubweisen Institutionalisierung“ (Meyen 2004: 196) und dem enormen Wachstum des Fachs in den 1970er- und 1980er-Jahren (Scheu 2012: 142) erwiesen sich die Karrierechancen für Pätzold als vorteilhaft – er wurde nach seiner Assistenzprofessur in Berlin zum ordentlichen Professor nach Dortmund berufen. Ab 1978 baute er den Modellstudiengang Journalistik auf, der zwischen 1976 und 1978 entworfen wurde.

Nach seiner Emeritierung gehörte Pätzold 2009 zu den Mitgründern des Vereins Neue Deutsche Medienmacher. Zum Spätwerk zählt zudem ein 15-monatiger Ausbildungskurs für Journalisten mit Migrationshintergrund am Berliner Bildungswerk in Berlin Kreuzberg. Als Wissenschaftler, der auch immer journalistisch tätig war, interessierte sich Pätzold seit jeher weniger für die „reine“ Wissenschaft. Noch heute ist er der Meinung, „dass der ‚Erkenntniswert‘ der Kommunikationswissenschaft für den Journalismus beschränkt ist“ (Pätzold 2018: 14).

Literaturangaben

  • Jörg Aufermann: Pläne und Modelle zur Hochschulausbildung von Journalisten: München, Dortmund, Berlin, Mainz. In: Jörg Aufermann/Ernst Elitz: Ausbildungswege zum Journalismus. Bestandsaufnahmen, Kritik und Alternativen der Journalistenausbildung. Opladen: Westdeutscher Verlag 1975, S. 198-228.
  • Michael Meyen: Wer wird Professor für Kommunikationswissenschaft und Journalistik? Ein Beitrag zur Entwicklung einer Wissenschaftsdisziplin in Deutschland. In: Publizistik 49. Jg. (2004), S. 194-206.
  • Ulrich Pätzold: Ausbildung und Mitbestimmung – ein Schwerpunkt der Kommunikationspolitik. In: Ulrich Pätzold/Hendrik Schmidt: Solidarität gegen Abhängigkeit. Auf dem Weg zur Mediengewerkschaft. München: Hermann Luchterhand 1973, S. 208-218.
  • Ulrich Pätzold: Grundsätze einer wissenschaftlichen Journalistenausbildung. Lernziele und Lehrinhalte – dargestellt an Erfahrungen und Plänen des Instituts für Publizistik der Freien Universität Berlin. In: Publizistik. 19./20. Jg. (1974/75), S. 495-500.
  • Ulrich Pätzold: Die Rundfunkfreiheit und die Parteien. In: Jürgen Becker (Hrsg.): Wahlwerbung politischer Parteien im Rundfunk. Symposion zum 65. Geburtstag von Ernst W. Fuhr. Baden-Baden: Nomos 1990, S. 91-108.
  • Ulrich Pätzold: Autobiographisches Interview (Interviewer: Katharina Wischmeyer und Miriam Siemon). Berlin 2018 (Abschrift im Besitz der Verfasserin).
  • Ulrich Pätzold/Hendrik Schmidt: Solidarität gegen Abhängigkeit. Auf dem Weg zur Mediengewerkschaft. München: Hermann Luchterhand 1973.
  • Andreas Scheu: Adornos Erben in der Kommunikationswissenschaft. Eine Verdrängungsgeschichte? Köln: Herbert von Halem 2012.
  • Valentin Wehefritz (Hrsg.): Lebensläufe von eigener Hand. Biografisches Archiv Dortmunder Universitäts-Professoren und -Professorinnen, Folge 13. Universität Dortmund 2008.

Weiterführende Literatur

  • Walter Hömberg: Journalistenausbildung. Modelle, Erfahrungen, Analysen. München: Verlag Ölschläger GmbH 1978.
  • Alexander von Hoffmann: Aufbruch zur wissenschaftlichen Journalismusausbildung. Alexander von Hoffmann über seine Tätigkeit an der Freien Universität Berlin im Gespräch mit Horst Pöttker. In: Arnulf Kutsch/Horst Pöttker (Hrsg.): Kommunikationswissenschaft – autobiographisch. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1997, S. 161-183.
  • Gerhard Kothy: Journalistenausbildung am Institut für Publizistik der Freien Universität – Erinnerungssplitter aus den 70er Jahren. In: Hanno Beth (Hrsg.): Feder-Lese. Publizistik zwischen Distanz und Engagament. Harry Pross zum 60. Geburtstag. Berlin: Zerling 1983, S. 251-257.
  • Presse Arbeitskreis des Republikanischen Clubs: SPRINGER ENTEIGNEN? Westberlin 1967.

Weblinks

Empfohlene Zitierweise

    Vera Dünninger: Ulrich Pätzold. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2018. http://blexkom.halemverlag.de/ulrich-paetzold/ (Datum des Zugriffs).