Otto B. Roegele (Quelle: Fotoarchiv Rheinischer Merkur)

Otto B. Roegele

6. August 1920 bis 6. September 2005

Lexikoneintrag von Maria Löblich am 27. August 2014

Als Inhaber des Lehrstuhls für Zeitungswissenschaft in München gelang es dem journalistischen Seiteneinsteiger Otto B. Roegele, die Vorbehalte gegenüber der Disziplin zu überwinden und den institutionellen Ausbau des Fachs sowie die empirisch-sozialwissenschaftliche Wende voranzutreiben.

Stationen

Geboren in Heidelberg, aufgewachsen in Bruchsal. Katholisches Elternhaus, Vater Gymnasiallehrer. Humanistisches Gymnasium in Bruchsal. 1932 Mitglied im katholischen Jugendbund Neudeutschland. 1938 Studium in München, Heidelberg, Erlangen (Philosophie, Geschichte und vorklinische Fächer der Medizin). 1941 Einberufung zur Wehrmacht, Russlandfeldzug. Kriegsverwundung, Krankheit. 1945 Promotion in Philosophie in Tübingen, Staatsexamen und Promotion in der Medizin in München. 1945 bis 1949 Arzt in Kliniken in Karlsruhe und Heidelberg. 1946 Freier Mitarbeiter beim Rheinischen Merkur, 1948 Leiter des Ressorts Kulturpolitik, 1949 bis 1963 Chefredakteur, 1963 Herausgeber. 1963 Lehrstuhl für Zeitungswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1967 Gründungspräsident der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF), Leiter der Abteilung I (Kommunikationswissenschaft und Ergänzungsstudium) der HFF. 1974 Dekan der neu gegründeten sozialwissenschaftlichen Fakultät an der Universität München. 1985 Emeritierung.

Publikationen

  • Presse-Reform und Fernseh-Streit. Texte zur Kommunikationspolitik 1832 bis heute. Unter Mitwirkung von Peter Glotz. Gütersloh: Sigbert Mohn 1965 (Hrsg.).
  • Die Zukunft der Massenmedien. Osnabrück: Fromm 1970.
  • Medienpolitik – und wie man sie macht. Osnabrück: Fromm 1973.
  • Neugier als Laster und Tugend. Zürich: Edition Interfrom 1982 (= Texte und Thesen 142).

Otto B. Roegele hatte sich in der frühen Bundesrepublik Ansehen als Publizist beim katholisch-konservativen Rheinischen Merkur erworben und dieses für den Wechsel an die Universität genutzt. Als er 1963 vom Chefredakteursposten auf den Münchener Lehrstuhl wechselte, kam er in ein Fach, das sich in der Krise befand. Weder Wissenschaftsministerien, Medienpraxis noch Nachbardisziplinen innerhalb der Universität war an der Erhaltung der Zeitungs- und Publizistikwissenschaft gelegen (Bohrmann 2002). In München war das Institut unter dem Institutsgründer Karl d’Ester (1881 bis 1960) sogar als „Doktorfabrik“ verschrien (Meyen 2004). Roegeles Vorgänger, Hanns Braun (1893 bis 1966), hatte dem Neuankömmling deshalb ans Herz gelegt, sich „als nicht habilitierter ‚Praktiker‘ besondere Mühe“ zu geben, „die in der Fakultät noch bestehenden Vorbehalte gegen das ‚neue‘ Fach nicht zu nähren“ (Roegele 2004). Dem Seiteneinsteiger gelang es nicht nur, diese Vorbehalte zu überwinden, sondern auch, den institutionellen Ausbau des Fachs sowie die empirisch-sozialwissenschaftliche Wende voranzutreiben. Roegele gehört damit zu der Generation von Professoren, die in den 1960er-Jahren als Fachfremde berufen wurden und das Fach aus der Krise führten (Löblich 2010).

Ein Zeichen für die Glaubwürdigkeit, die die Kommunikationswissenschaft in München unter Roegeles Leitung erworben hatte, sind die vier Habilitationen, die Wolfgang R. Langenbucher (1974), Hans Wagner (1975), Petra E. Dorsch (1982) und Claudia Mast (1986) abschließen konnten. Sie waren die ersten erfolgreichen Qualifikationen für den Hochschullehrerberuf seit Gründung des Instituts für Zeitungswissenschaft im Jahr 1924. Ein unter Karl d’Ester unternommener Versuch war in der Fakultät gescheitert (Roegele 1997).

Otto B. Roegele (Quelle: Fotoarchiv Rheinischer Merkur)

Otto B. Roegele (Quelle: Fotoarchiv Rheinischer Merkur)

Otto B. Roegele hat die medienpolitischen Diskussionen um Journalismusausbildung in den 1960er- und 1970er-Jahren genutzt, um neue Standorte und Lehrstühle zu schaffen. Er wurde Gründungspräsident der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) und setzte dort einen Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft durch, auf den 1975 Karl-Friedrich Reimers (geboren 1935) berufen wurde (Roegele 1997). Zusammen mit Wolfgang R. Langenbucher richtete Roegele Anfang der 1970er-Jahre den Diplomstudiengang Journalistik ein, ein Versuch, in Kooperation von Kommunikationswissenschaft und Deutscher Journalistenschule Universitäts- und Praxisausbildung miteinander zu verbinden (Meyen/Höfler 2008). Roegele unterstützte außerdem die Neugründung einer Lehrkanzel für Publizistik an der Universität Salzburg (Roegele 1997).

Obwohl ihm als ausgebildetem Geisteswissenschaftler quantitative Datenerhebung und statistische Verfahren fremd blieben, schuf Otto B. Roegele Bedingungen in Forschung und Lehre, die seinen Assistenten Peter Glotz (1939 bis 2005) und Wolfgang R. Langenbucher (geboren 1938) erste Schritte in Richtung empirischer Arbeit ermöglichten und 1971 zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationsforschung (AfK) führten, einem Verein, der vor allem kommunikationspolitische Studien im Auftrag der Bundesregierung durchführte (Allwang 2008).

In seinen Publikationen beschäftigte sich Roegele mit Medienpolitik, Massenmedien und gesellschaftlichem Wandel und immer wieder mit den Themen Kirche und Publizistik sowie Verantwortung im Journalismus (Hömberg 2000). Diese Themen können biografisch rückgebunden werden. Katholische Erziehung im Elternhaus und in der Jugendbewegung Neudeutschland sowie die erfahrene Unterdrückung freier Religionspraxis im Nationalsozialismus haben Roegele ebenso geprägt wie das Milieu um den Rheinischen Merkur, dessen Gründer Franz Albert Kramer zu seinem journalistischen Vorbild wurde. Als Herausgeber und Autor für das Wochenblatt hat Roegele bis zu seinem Tod weitergearbeitet (Löblich 2004). Sein normativer Blick auf öffentliche Kommunikation, sein Interesse für die Rolle von Massenmedien für Kirche und Glauben sowie für journalistische Ethik sind aber kein Einzelfall im Fach. Eine Reihe katholischer Gelehrter mit ähnlichen Anliegen und Anbindung an die journalistische Praxis hat der jungen Kommunikationswissenschaft ihren Stempel aufgedrückt (Löblich/Meyen 2014).

Literaturangaben

Weblink

Empfohlene Zitierweise

    • Maria Löblich: Otto B. Roegele. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2014. http://blexkom.halemverlag.de/otto-b-roegele/ (Datum des Zugriffs).