Walter Hömberg (Foto: privat)
Walter Hömberg (Foto: privat)

Ein Freund fröhlicher Wissenschaft

Veröffentlicht am 16. Dezember 2014

Walter Hömberg hat in Eichstätt mehr als 20 Jahre Journalisten ausgebildet. Mit Thomas Wiedemann und Michael Meyen hat er am 22. Oktober 2014 auch über die Amerikanisierung der DGPuK gesprochen und von Kursen im Aktzeichnen berichtet.

Stationen

Geboren am 11. August 1944 in Meschede (Sauerland). Eltern Kaufleute. Ab 1960 freie Mitarbeit für Zeitungen und Zeitschriften. 1964 Abitur am Gymnasium der Benediktiner in Meschede. Studienbeginn an der Universität Kiel (Germanistik, Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaft). 1965 Wechsel an die Freie Universität Berlin, Besuch publizistikwissenschaftlicher Veranstaltungen. Ab Wintersemester 1965/66 Tübingen. In den Semesterferien Volontär (1965: Die Glocke, 1967: WDR). 1970 Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien (Deutsch, Politikwissenschaft). Publizistik-Studium in Salzburg. 1973 dort Promotion (Die Kommunikationsstrategie des Jungen Deutschland). 1974 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaft (Zeitungswissenschaft) der Universität München. 1977 wissenschaftlicher Assistent. 1984 Akademischer Rat an der Katholischen Universität Eichstätt. 1986 Professor für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Bamberg, 1988 Ordinarius für Journalistik in Eichstätt (bis 2010). Rufe nach Hohenheim (1985) und Dortmund (1993) abgelehnt. 1990 Gründer des DGPuK-Informationsdienstes Aviso. 1992 bis 1995 Vorsitzender der DGPuK. 1996 bis 2011 Sprecher des Münchner Arbeitskreises öffentlicher Rundfunk. Seit 1999 Gastprofessor an der Universität Wien. Seit 2000 Mitherausgeber des Jahrbuchs für Marginalistik. 2003 Mitherausgeber von Communicatio Socialis (bis 2010). Verheiratet, ein Sohn, zwei Töchter.

Könnten Sie zu Beginn etwas über Ihr Elternhaus erzählen, Ihre Kindheit, Ihre Jugend?

Meine Eltern waren Kaufleute. Sie hatten ein Geschäft im Zentrum von Meschede. Es gab Abteilungen für Lederwaren, für Geschenkartikel, für Spielzeug. Für mich war der Eingangsbereich am interessantesten.

Wegen der Süßwaren?

Nein. Dort war ein großes Regal mit Zeitungen und Zeitschriften. Ich habe schon mit 13, 14 Jahren jeden Tag mehrere Zeitungen gelesen. Einmal pro Woche kam Der Spiegel dazu.

Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?

Meine Mutter fand das nicht gut. Die Begründung, dass ich mal Zeitungswissenschaft studieren wolle, hat sie als Alibi gesehen.

Kannten Sie damals schon den Begriff Zeitungswissenschaft?

Vage. Das war eher ironisch gemeint. Beim Abitur habe ich als Berufswunsch Publizistik angegeben. Da wollte ich Journalist werden.

Was gab es damals in Meschede zu lesen?

Natürlich die Lokalpresse. Also die Westfalenpost und die Westfälische Rundschau, für die ich als Schüler ja auch gearbeitet habe. Dann Die Welt und den Mittag, ein Blatt mit Boulevardelementen. Und die FAZ natürlich.

Viel Auswahl für einen Schüler.

In meinem Elternhaus spielten auch Bücher eine große Rolle. Zur Kommunion habe ich 21 Bücher geschenkt bekommen.

Das wissen Sie noch?

Ich erinnere mich sogar an einzelne Titel aus dieser frühen Lektürephase. Zum Beispiel an die Försterhaus-Serie von Erich Kloss. Damals ein heimlicher Bestseller. Oder an die spannenden Abenteuerbücher von Herbert Kranz über die Gesellschaft Ubique Terrarum.

Das müssen wir erst mal googlen.

Markant gezeichnete Charaktere. Ideal für die Identifikation. Noch mehr beeindruckt hat mich Draußen vor der Tür von Wolfgang Borchert. Das hat uns erschüttert. Im Gymnasium habe ich darüber mein erstes Referat gehalten. Es endete mit dem verzweifelten Ruf des Protagonisten Beckmann: „Gibt denn keiner, keiner Antwort???“

Sie haben als Schüler auch schon geschrieben.

Lesen und schreiben gehören zusammen wie einatmen und ausatmen. Mit 16 wurde ich Redaktionsmitglied der Schülerzeitschrift Wir und dann bald Feuilletonleiter, Chefredakteur und Herausgeber.

Eine richtige Karriere.

Beispiellos, ja. Das ist offenbar nur im Journalismus möglich. Wir haben auch einen Preis des damaligen Kultusministers Paul Mikat bekommen. Ich bin dafür nach Düsseldorf in die Staatskanzlei gefahren.

Mussten Sie gar nicht im Geschäft der Eltern helfen?

Doch, doch. Ich habe Waren ausgefahren und in der Weihnachtszeit an der Kasse gestanden. Sonst wäre das nicht gegangen. Das hat die Menschenkenntnis trainiert.

Welche Rolle hat die Religion in Ihrer Familie gespielt?

Ich war Messdiener und Mitglied in einer katholischen Jugendgruppe. Durchaus engagiert, aber nicht fanatisch.

Und Politik?

Die hat mich sehr interessiert. In der Schülerzeitung haben wir zum Beispiel einen offenen Brief an Walter Ulbricht veröffentlicht, in dem es um die Freilassung eines politischen Häftlings ging. Auch mit Hermann Flade haben wir uns befasst. Flade war in der DDR zum Tode verurteilt worden und kam erst 1960 frei.

Also eher die deutsche Frage als das Dritte Reich.

Die Nazizeit spielte als Hintergrund eine Rolle. Zum Beispiel in der Debatte um die Kriegsdienstverweigerung. Da gab es in der Schülerzeitung sehr unterschiedliche Positionen.

Was haben Ihre Eltern zum Berufswunsch Journalist gesagt?

Sie wollten lieber, dass ich erst etwas „Vernünftiges“ studiere.

Sind Sie deshalb 1964 nach Kiel gegangen, um dort mit Germanistik anzufangen?

Meine Eltern haben mir das völlig freigestellt. Ich wollte möglichst weit weg von Meschede, um Neues zu erkunden. In den Ferien waren wir oft an der Nordsee und an der Ostsee. Seitdem hatte ich ein Faible für das Meer.

Am Ende stand das Staatsexamen. Wollten Sie jetzt Lehrer werden?

Das war Plan B. Ich wollte immer noch Journalist werden. Die Situation war ganz anders als heute. Damals war der Flaschenhals am Anfang des Studiums. Es haben ja nur fünf Prozent aus einem Jahrgang studiert. Wer ein Examen hatte, konnte eigentlich werden, was er wollte. Ich habe die Zeit auch genutzt, um sehr breit zu studieren.

Was heißt das genau?

Ich habe das Pädagogikum abgelegt und das Philosophikum. Auch eine Vorlesung zur Kriminologie habe ich gehört und sogar einen Kurs im Aktzeichnen besucht.

An der Universität?

Ja, im Uni-Hauptgebäude, im Studio unter dem Dach.

Und die Modelle?

Die waren beeindruckend. Man hatte damals ja noch nicht so viele Nacktbilder wie heute. Auch das Medienverhalten war anders. Studenten besaßen kein Fernsehgerät, sondern bestenfalls ein Kofferradio. Wir haben in Tübingen abends Gastvorträge von Wissenschaftlern und Publizisten gehört.

Bei ihrem Intermezzo in Berlin haben Sie die Publizistikwissenschaft kennengelernt. Wenn Sie dieses Fach mit Ihren anderen Studienfächern vergleichen müssten: Wie würden Sie das machen?

Ich glaube, man muss jedes Fach für sich betrachten. In Erinnerung geblieben sind mir vor allem die großen Vorlesungen. In der Literaturwissenschaft von Erich Trunz und Karl Otto Conrady in Kiel, Peter Wapnewski, Wilhelm Emrich und Eberhard Lämmert in Berlin sowie Friedrich Beißner, Gerhard Storz und Walter Jens in Tübingen. In der Philosophie von Walter Bröcker und Karl-Otto Apel, Ernst Bloch und von Walter Schulz.

Ist das alles noch so da oder haben Sie im Studienbuch nachgeschaut?

Das ist noch da. Ich erkläre das gleich, aber vielleicht erst noch die Politikwissenschaft?

Ja, bitte.

Hans-Joachim Lieber in Berlin. Dort auch Kurt Sontheimer. In Tübingen Theodor Eschenburg und Klaus von Beyme, bei dem ich Staatsexamen gemacht habe. Auch an die Vorlesungen des Kulturwissenschaftlers Hermann Bausinger erinnere ich mich gern.

Emil Dovifat (Foto: Dorothee von Dadelsen)

Emil Dovifat (Foto: Dorothee von Dadelsen)

Und in der Publizistik? Wer ist da hängen geblieben?

Fritz Eberhard und mit Abstrichen Emil Dovifat. Ich habe die berühmte Mittagsvorlesung besucht. Thema war das Feuilleton. Wenn man die Mitschriften heute anschaut, dann sieht man, dass Dovifat einen sehr selektiven Blick hatte. Das linke Weimarer Feuilleton kam gar nicht vor.

Er soll rhetorisch stark gewesen sein.

Ich fand das nicht so eindrucksvoll. Es war aber auch schon seine Spätzeit.

Und Fritz Eberhard?

Bei ihm habe ich ein Seminar besucht. In der Ankündigung stand: Eberhard mit Heilmann. Fritz Eberhard tauchte in der ersten Sitzung auf und in der letzten. Den Rest hat Peter Heilmann gemacht. Dort habe ich meine erste Seminararbeit im Fach geschrieben, über Filmselbstkontrolle.

Fritz Eberhard (Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung)

Fritz Eberhard (Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung)

Sie wollten noch erklären, warum Sie sich all die Namen gemerkt haben.

Die Vorlesungen hatten einen anderen Stellenwert als heute. Wenn man so will: frisch gezapftes Wissen direkt von der Quelle. Vorlesungen waren damals kommunikative Ereignisse und das Medium der Professoren. Die Studentenbewegung hat dieses Medium teilweise kaputt gemacht. Heute dominiert die Spezialübung und nicht mehr der große Überblick.

Das klingt nach Abrechnung.

Ich kann das noch zuspitzen: Empirische Feinmechaniker haben das Wort. Serviert wird didaktisches Hackfleisch.

Haben Sie ein Gegenbeispiel aus Ihrer Studienzeit?

Walter Schulz hat im Audimax in Tübingen aus dem Kopf Kant zitiert. Die Kritik der reinen Vernunft zum Beispiel. Die Stelle hat er nicht genannt. Also haben wir das Buch angeschaut und bei der Suche auch den Rest gelesen.

Das lassen uns die Studenten heute nicht mehr durchgehen.

Das ist richtig. Ich will die Vergangenheit auch gar nicht verklären. Aber heute sind die meisten Vorlesungen austauschbar. Vermutlich ist es egal, an welcher Universität ich eine Einführung höre. Damals gab es so gut wie keine Lehrbücher. Schon deshalb musste man in die Vorlesungen gehen.

Wie haben Sie die 68er-Zeit in Tübingen erlebt?

Einige Vorlesungen wurden abgebrochen. Die Form galt als autoritär. Einer steht vorn und verkündet das Wissen. Ohne Diskussionen, sehr repräsentativ. Nicht selten saßen 500 oder 600 Studenten im Hörsaal, und die Professoren rauschten mit ihren Assistenten heran.

Otto B. Roegele, Peter Glotz, Wolfgang Langenbucher oder Hans Wagner haben später sehr emotional von der Studentenbewegung berichtet (vgl. Meyen/Löblich 2004). Welchen Platz haben diese Ereignisse in Ihrem Gedächtnis?

Tübingen war nicht die Speerspitze der Revolte. Viele Studenten waren für eine Reform der Universität – ich auch, aber mir haben nicht alle Aktionen gefallen. Klaus von Beyme wurde niedergeschrien und mit Tomaten und Eiern beworfen. Ein liberaler Intellektueller, dessen Wissen beeindruckend war.

Wann haben Sie gewusst, dass Sie Wissenschaftler werden wollen?

In Tübingen noch nicht. Ich wollte immer noch Journalist werden. Nach dem Abschluss bin ich zum Nordkap getrampt. In den finnischen Wäldern habe ich entschieden, kein Lehrer zu werden.

Wir reden von 1970.

Sommer 1970, ja. Meine Staatsexamensarbeit hatte ich über Ludolf Wienbarg geschrieben. Das Junge Deutschland. Der Vormärz, diese Zeit des Aufbruchs in Poesie, Publizistik und Politik, das hat mich fasziniert. Ich hatte die Idee, über die Kommunikationsstrategie dieser literarischen Bewegung zu promovieren und dabei zugleich das Publizistikstudium fortzusetzen. Auf dem Rückweg habe ich in Kiel in der Bibliothek recherchiert, wer sich mit solchen Themen befasst, und bin auf Günter Kieslich und Salzburg gestoßen.

Günter Kieslich (Foto: privat)

Günter Kieslich (Foto: privat)

Dort gibt es aber kein Meer.

Die Salzburger Kalkalpen werden Steinernes Meer genannt.

Also Günter Kieslich.

Ich habe mich bei ihm vorgestellt, und er war von meinem Thema sehr angetan. Bis dahin hatte ich keinen so dynamischen und motivierenden Professor kennengelernt.

Auch nicht in Tübingen? Ernst Bloch, Walter Schulz?

Das Verhältnis dort war immer distanziert. Für meine Staatsexamensarbeit war ich ein einziges Mal in der Sprechstunde von Gerhard Storz. Vielleicht eine Viertelstunde. Bei Kieslich war das viel intensiver.

Er ist dann sehr früh gestorben.

Schlimm, ja. Wir haben ihn kurz vor dem Ende noch einmal im Krankenhaus besucht. Beide Seiten haben so getan, als ob alles wieder gut werden würde. Kieslich hat aber schon Namen aufgeschrieben für die Nachfolge. Saxer, Langenbucher, Schmolke, Schulz. Alles Leute, die dann später Maßstäbe gesetzt haben. Die Dissertanten Günter Kieslichs treffen sich noch heute regelmäßig.

War für Sie dann in Salzburg klar, dass der Zug in Richtung Wissenschaft fährt?

Nicht wirklich. Ich hatte schon vor der Promotion Lehraufträge bei den Germanisten und in der Publizistik, habe aber parallel für den Rundfunk gearbeitet. Eine meiner ersten Bewerbungen ging an einen Wissenschaftsverlag. Kohlhammer in Stuttgart, als Lektor. Das Zentrum für interdisziplinäre Forschung in Bielefeld hat dann eine Studiengruppe ausgeschrieben mit dem Thema „Wissenschaft und Journalismus“. Diese beiden Stichworte haben mich gereizt.

Sie waren nur vier Monate in Bielefeld.

Wolfgang R. Langenbucher in dem Lehrfilm Einführung in die Kommunikationswissenschaft (1976, Foto: Christoph Hage)

Wolfgang R. Langenbucher in dem Lehrfilm Einführung in die Kommunikationswissenschaft (1976, Foto: Christoph Hage)

Das Projekt war auf diesen Zeitraum begrenzt. Den Kontakt nach München gab es schon in Salzburg. Ich bin Langenbucher aufgefallen in einer Diskussion und habe mich auch mit Roegele getroffen. Dann bin ich Mitarbeiter geworden in dem Medienverbundkurs „Einführung in die Kommunikationswissenschaft“. Wir haben Material für ein Fernstudium entwickelt, eine Lose-Blatt-Sammlung und ein Buch fertiggestellt. Die begleitenden Filme wurden auch im Südwestfunk gezeigt. Didaktisch war das damals zweifellos eine Innovation.

In Ihrer Münchner Zeit ist das Institut personell erheblich ausgebaut worden. Dazu kamen der Start des Diplomstudiengangs Journalistik und die Auftragsforschung im Rahmen der AfK (vgl. Meyen/Wendelin 2008). Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Zunächst gab es nur ein Ordinariat. Ich war acht Jahre bei Otto B. Roegele Assistent. Es kamen Professoren dazu, aber die Vermehrung des Personals hat nicht Schritt gehalten mit dem Andrang der Studenten. Uns Assistenten hat das viel Einsatz abverlangt, neben den Lehraufgaben vor allem bei der Betreuung von Abschlussarbeiten.

Und die Kämpfe um die Zeitungswissenschaft?

Ich habe mich keiner „Fraktion“ zugeordnet. Im Rückblick ist das für mich eine Fußnote.

Als Roegele in Pension ging und Langenbucher nach Wien, sind Sie nach Eichstätt gewechselt. Gibt es da einen Zusammenhang?

Meine Assistentenstelle lief aus und in der Zeit gab es die Ausschreibung für Eichstätt. Ich wusste erst gar nicht, wo das liegt. Bei den Gesprächen dort schien mir das Konzept sehr sinnvoll. Durch den Diplomstudiengang in München hatte ich ja Erfahrungen mit der berufsbezogenen Ausbildung für Journalisten.

Haben Sie in Eichstätt mit Jürgen Wilke gesprochen?

Zunächst mit Franz Ronneberger. Wilke war noch gar nicht da. Meine erste Aufgabe war, das interne Praktikum zu konzipieren. Eine Art Lehrredaktion in den Semesterferien.

Dann kam aber schon der Ruf nach Bamberg.

Im Herbst 1985, ja. Sogar zwei Rufe. Nach Bamberg und nach Hohenheim. Von der DFG hatte ich außerdem gerade ein Habilitationsstipendium bekommen. Das habe ich dann zurückgegeben.

Warum hat Walter Hömberg fast ein Vierteljahrhundert Journalisten in Eichstätt ausgebildet und nicht in Bamberg, Hohenheim oder Dortmund?

Zunächst kurz zu Bamberg. Das Fach gab es dort seit 1983, aber nur als Beiboot der Germanistik. Es war also eine Pioniersituation. Manfred Rühl und ich haben versucht, in diesem Umfeld eine sozialwissenschaftliche Orientierung durchzusetzen. Das Klima war gut, aber die Arbeitssituation eher unbefriedigend.

Was heißt das genau?

Es gab mehr Häuptlinge als Indianer, mehr Professoren als Mitarbeiter. Auch die technische Infrastruktur war unzureichend. Zu den Praxisübungen mussten die Studierenden ihre eigene Schreibmaschine mitbringen.

Also lieber zurück nach Eichstätt.

Das Modell dort hatte mir gleich eingeleuchtet. Ich habe eine Lehrredaktion mit einem Redaktionssystem für Print-Produktionen eingerichtet und später zusammen mit den Kollegen die Studienordnung reformiert. In Eichstätt konnte man Studenten im Wortsinn über eine lange Zeit begleiten. Im Journalistischen Kolloquium hatten wir hochkarätige Gäste. Namen sind im Journalismus ja zugleich Nachrichten. Darf ich ein paar von über einhundert Namen nennen?

Bitte.

Zunächst die Reporter: Gerhard Mauz, Herbert Riehl-Heyse, Dieter Kronzucker, Michael Graeter, Paul Sahner, Gisela Friedrichsen, Dagobert Lindlau. Dann die Intendanten: Hans Bausch, Albert Scharf, Manfred Buchwald, Ernst Elitz und Thomas Gruber. Und die Chefredakteure: Hans Werner Kilz, Wilm Herlyn, Uwe Zimmer, Charlotte Seeling, Helmut Markwort, Beate Wedekind, Sergej Lochthofen, Klaus Bresser, Uwe Vorkötter.

Eine lange Liste.

Das mag nach Namedropping klingen, ich weiß. Kleine Universitäten in der Provinz brauchen solche Kontakte nach außen. Vielleicht war für manche Gastreferenten Eichstätt als Studienort auch exotisch und deshalb interessant. Ich habe kaum einen Korb bekommen. Die örtlichen Zeitungen haben immer berichtet, und manchmal hatten wir sogar Zuhörer aus München und anderen Städten.

Zu Eichstätt gehört auch das studentische Magazin Einsteins.

Ja, 1991 habe ich es auf den Weg gebracht. Inzwischen sind wir im 24. Jahrgang. Seit einigen Jahren gibt es neben der gedruckten Version auch einen Online-Auftritt und ein Fernsehmagazin.

Hat der Gestaltungsspielraum für Eichstätt gesprochen und gegen Dortmund oder Hohenheim?

Wenn solche Entscheidungen anstanden, habe ich immer vor Ort recherchiert. Ich war in der Mensa, ich war in der Bibliothek, ich habe mit Studierenden gesprochen, mit dem Dekan, mit dem Rektor. Für mich war am Ende wichtig, dass ich mich dort wohl fühle, und nicht so sehr das Gehalt oder die Ausstattung. Nach ein paar Tagen vor Ort weiß man das.

Sie haben sich in der DGPuK engagiert, waren dort drei Jahre Vorsitzender und haben den Aviso erfunden. Wie wichtig war Ihnen dieses Feld?

Seit 1975 bin ich Mitglied und war eigentlich regelmäßig bei den Tagungen. Ich habe sogar den ersten Tagungsband herausgegeben (Hömberg 1978) und dann, zusammen mit Kollegen, noch zwei weitere (Hömberg/Schmolke 1992; Hömberg/Pürer 1996). Am Anfang existierte die Gesellschaft eigentlich nur drei Tage im Jahr.

Bei der Tagung.

Genau. Sonst kam höchstens mal ein Rundbrief. Die Idee für einen Informationsdienst hatte mit dem Wachstum zu tun. Anfang der 1990er-Jahre gab es circa 350 Mitglieder, die aus ganz unterschiedlichen Berufsfeldern und Fächern kamen. Bei der Salzburger Tagung wurde das Problem auf einem Podium mit Langenbucher, Weischenberg und weiteren Kollegen diskutiert.

Also wurde der Aviso auf einem Podium geboren?

Ich habe dort diesen Vorschlag gemacht. Zunächst wurde aber eine Kommission gegründet. Diese Kommission ist dann nie zusammengekommen. Ich habe einfach eine Nullnummer produziert und dem Vorsitzenden Wolfgang Hoffmann-Riem zwei Versionen vorgelegt. Die eine optisch gräuslich, die andere attraktiv. Im Herbst 1990 erschien die erste richtige Nummer. Ich war dann sechs Jahre Alleinredakteur.

Das klingt nach Stolz.

Wir haben dort inhaltliche Debatten angestoßen. Zur Theoriediskussion, zum Rezensionswesen und zur Kritikkultur im Fach, zur Didaktik oder über neue Gegenstände, zum Beispiel diese Computerei. Heute ist der Aviso ja eher ein Ratgeber für Karrierefragen.

Sie hätten trotzdem nicht Vorsitzender werden müssen.

Das hat sich so entwickelt. Durch den Aviso hatte ich viele Kontakte. Mir erschien das als eine attraktive Aufgabe.

Was ist daran attraktiv?

Fachgesellschaften sind wichtig für die innere Organisation eines Fachs, aber auch für die Wirkung nach außen. Das Problem der Außenwirkung ist allerdings bis heute nicht gelöst. Die DGPuK wird in der Öffentlichkeit leider nicht einmal ignoriert.

Wie zufrieden sind Sie heute sonst mit dem Fach und seiner Gesellschaft?

Die Amerikanisierung sehe ich skeptisch. Ich war sehr früh Mitglied der ICA, bin aber nur bei zwei Kongressen gewesen. Die Tagungsorganisation dort hat mich nicht angesprochen. Die Themen, die da in einem Panel zusammenkamen, hatten häufig nichts miteinander zu tun. Es gab auch kaum Zeit für Diskussionen. Präsentationen für den Stellenmarkt standen im Zentrum. Die DGPuK geht inzwischen auch in diese Richtung. Das beginnt bei den kollektiven Entscheidungen, wer einen Vortrag halten darf.

Die anonymen Reviews.

Genau. Man erfährt nicht einmal die Gründe. Dann das Preiswesen. Ich habe in Erfurt erlebt, wie einer der schlechtesten Vorträge am Abend ausgezeichnet wurde, nur aufgrund des eingereichten Exposees. Man schaut nur noch auf die eigene Ingroup und nicht mehr in andere Disziplinen oder gar in die Berufspraxis und die Gesellschaft.

Ihr Lebenslauf ist prall gefüllt mit Mitgliedschaften in verschiedensten Gremien und Kommissionen. Wenn Sie zwei oder drei dieser Tätigkeiten herausheben müssten: Welche wären das?

In Eichstätt war ich Dekan und habe das engagiert gemacht. Auch meine Lehraufträge würde ich erwähnen. Zum Beispiel war ich zehn Jahre in München Dozent an der Hochschule für Philosophie und auch als Gastprofessor in Fribourg und – seit vielen Jahren – in Wien. Vielleicht müsste ich auch die Buchreihen erwähnen, die ich allein oder mit Kollegen herausgegeben habe. In den Schriftenreihen Forschungsfeld Kommunikation und Kommunikationsgeschichte sind insgesamt mehr als 60 Bände erschienen.

Gibt es Wissenschaftler, die für Sie eine Vorbildfunktion hatten oder haben?

Mit dem Begriff Vorbild tue ich mich schwer. Es gab viele Menschen, die mich beeindruckt haben, zunächst in der Familie, dann einige Lehrer in der Schule und manche Professoren an der Universität. Im Fach würde ich am ehesten Günter Kieslich nennen.

Was hat Sie an Kieslich fasziniert?

Die Mischung: Liebe zum Gegenstand und Zuwendung zu den Studierenden. Er war mitreißender Lehrer, hilfreicher Berater und intellektueller Anreger in einer Person.

Zu welchen Kollegen hatten oder haben Sie einen besonders guten Draht?

Bei den Älteren zu Wolfgang R. Langenbucher, Ulrich Saxer, Kurt Koszyk, Manfred Rühl und Michael Schmolke. Bei den Gleichaltrigen zu Heinz Pürer, Arnulf Kutsch, Horst Pöttker und Roland Burkart. Bei den Jüngeren zu Hannes Haas und Klaus Meier.

Und umgekehrt: Gibt es Gegner, Konkurrenten, Feinde?

Mir sind keine bekannt.

Gibt es etwas, worauf Sie besonders stolz sind?

Stolz? Stolz bin ich auf unsere drei Kinder. Das sind die wichtigsten Werke.

Und beruflich?

Stolz ist das falsche Wort, aber die Beziehung zu den Studierenden und den Absolventinnen und Absolventen war und ist mir wichtig.

Andererseits: Gibt es etwas, was Sie heute anders machen würden?

Bei grundlegenden Entscheidungen nicht. Dass ich im Leben häufig die Wahl hatte, sehe ich als großes Geschenk.

Was soll eines Tages von Walter Hömberg in der Kommunikationswissenschaft bleiben?

Das müssen die Nachgeborenen entscheiden. Es wäre schön, wenn es hieße: Er hat Anregungen gegeben in Themenfeldern wie Literatur und Journalismus, Wissenschaft und Journalismus oder in der Journalistenausbildung. Last but not least: Er war ein Freund fröhlicher Wissenschaft.

Literaturangaben

Weiterführende Literatur

  • Renate Hackel-de Latour/Christian Klenk/Michael Schmolke/Ute Stenert (Hrsg.): Vom Vorwort bis zum Friedhofsgespräch. Randlinien gesellschaftlicher Kommunikation. Festschrift für Walter Hömberg. Ostfildern-Ruit: Matthias-Grünewald-Verlag 2010. Beiheft 11 von Communicatio Socialis (Auswahlbibliografie: S. 148-173).

Empfohlene Zitierweise

    Walter Hömberg: Ein Freund fröhlicher Wissenschaft. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2014. http://blexkom.halemverlag.de/ein-freund/ ‎(Datum des Zugriffs).