Geboren am 31. Mai 1929 in Dortmund. Vater SPD-Mitglied und Mitarbeiter des Wolffschen Telegraphenbüros. 1949 bis 1951 Studium in Münster (Publizistikwissenschaft, Germanistik, Anglistik). 1950 Term in Oxford, ab Mai 1951 Studium in München. 1953 Promotion (Doktorvater: Karl d’Ester) und Journalist bei der Westfälischen Rundschau in Dortmund. 1957 Leiter des Instituts für Zeitungsforschung in Dortmund (bis 1977). Ab 1964 Lehraufträge am Institut für Publizistikwissenschaft in Berlin. 1968 Habilitation an der Freien Universität Berlin. 1969 Professor für Publizistik und Kommunikation an der Ruhr-Universität Bochum (bis 1974). Ab 1975 Aufbau des Diplomstudiengangs Journalistik in Dortmund. 1977 Professor am Institut für Journalistik in Dortmund (bis 1992). 1984 Ruf auf eine C4-Professur in München (abgelehnt).
Als Sie von Münster nach München gekommen sind, war Karl d’Ester 70 Jahre alt. Wie lief das Studium der Zeitungswissenschaft in München? Was gab es für Lehrveranstaltungen? Was war anders als heute?
Es war stark historisch orientiert. Meine Interessen waren schon in der Schule historische, aber ich habe nicht Geschichte studiert, obwohl hier (blättert im Studienbuch) eine Vorlesung von Schnabel steht. Den habe ich mindestens zweimal gehört, 17. Jahrhundert und 19. Jahrhundert. Eine große Vorlesung, im Audimax, voll.
Und bei Karl d’Ester? Wie viele Leute waren da?
Das war kein so großer Hörsaal. Ich würde sagen 100, 150. D’Ester hat auch Seminare gemacht. Ich kann nur das reproduzieren, was ich hier eingetragen habe. Sie müssen bedenken, das ist jetzt über 50 Jahre her. Ein Seminar „Die Nachricht im Weltverkehr”, dann „Presse und Völkerfriede”. Da habe ich sogar eine Seminararbeit geschrieben. Noch eins? Ja, „Führende Persönlichkeiten des internationalen Journalismus”, also biografische Studien. Habe ich ja selbst später auch gemacht (vgl. Koszyk 1999).
Karl d’Ester hat also den Samen gelegt.
Das war einfach mein Interesse. Das macht ja jeder Student, wenn er auswählen muss. So groß war das Angebot bei der Zeitungswissenschaft nicht. Ich weiß noch, dass ich Film- und Theaterkritik gemacht habe. Ich war sehr oft im Theater, laut Kalender jede Woche zweimal.
Sie haben geschrieben, dass Sie sowohl bei Hagemann als auch bei d’Ester die methodische Ausbildung vermisst haben (Koszyk 1997: 243).
Die Historiker hatten ja nie eine Methode, wenn man davon absieht, dass sie Quellen sammeln, erschließen und dann interpretieren. Hermeneutik, wenn sie das als Methode bezeichnen. Ich habe bei Benno von Wiese die Interpretationsschule erlebt. Das Werk im Mittelpunkt, völlig unabhängig von der Person des Dichters. Wiese wandelte auf und ab und schwafelte über irgendwelche Texte von Goethe oder wem auch immer. Da fehlte mir etwas Greifbares. Was Benno von Wiese erzählt hat, war seine Sache, aber es war nicht nachvollziehbar. Jeder konnte eine neue Interpretation liefern. So war d’Ester überhaupt nicht. Er ist bei den harten Fakten geblieben. Hagemann hat versucht, das zu systematisieren, was sich bis dahin entwickelt hatte (vgl. Hagemann 1947). Und Dovifat hat im Grunde journalistisch beobachtet, wie der amerikanische Journalismus funktioniert (vgl. Dovifat 1927). In seiner Zeitungslehre hat er gesagt, wie es sein muss, aus seiner katholischen Ethik heraus, normativ (vgl. Dovifat 1937).
Sie haben dann bei Karl d’Ester promoviert …
In meinem Kalender steht, dass ich am 23. und 24. Juni Rigorosum gemacht habe, 1953. Man musste alle drei Prüfungen innerhalb von 24 Stunden machen. Immer im Privathaus, beim Professor. Ich bin also nach Geiselgasteig gefahren, wo Borcherdt wohnte, hinter Grünwald. Dann musste ich zu d’Ester, hier in Obermenzing, in die Verdistraße. Und dann noch zu Clemen in die Universität.
Alles ohne Beisitzer?
Das gab es damals nicht. Man war ihnen völlig ausgeliefert. Keine Kontrolle. Ich wüsste nicht, dass man irgendwelche Einspruchsmöglichkeiten hatte. D’Ester saß locker da, so wie ich jetzt, das vergisst man nicht. Es war sehr heiß, Ende Juni. Als ich von 18 bis 19 Uhr bei Clemen war, hat es draußen gewittert und ich hatte den Schwerpunkt Shakespeare.
Warum überhaupt die Promotion? Sie haben geschrieben, dass Sie sich auf eine Journalistenlaufbahn vorbereiten wollten (Koszyk 2000: 13, 17). War die Dissertation nötig, um eine Stelle im Journalismus zu bekommen?
Ich habe ja studiert! Und es gab keinen anderen Abschluss als die Promotion. Es gab noch keinen Magister. Man hätte das Staatsexamen machen können. Was sollte man damit? Lehrer werden, Beamter? Natürlich gab es Journalisten, die nicht akademisch vorgebildet waren. Ich kann mich an einen Kollegen erinnern, der jeden Akademiker weggebissen hat. Aber für uns Studenten spielte das keine Rolle. Wir wollten einen Abschluss, möglichst rasch. Wir hatten ja kein Geld, wir mussten noch Studiengebühren bezahlen. Hier in meinem Studienbuch steht, was ich jedes Semester bezahlen musste. 100 Mark, manchmal mehr. Promotionsgebühren 200 Mark. Der Doktor hat mich 200 Mark gekostet.
Woher kam das Geld?
Ich habe in den Ferien gearbeitet, in Redaktionen (vgl. Koszyk 2003). Dazu von den Eltern im Monat vielleicht 150 Mark, manchmal mehr. Und dann war da noch eine Tante, die mir hin und wieder einen Fünfziger rübergeschoben hat.
Was hat Ihr Vater zu der Wahl des Fachs gesagt?
Ich sollte Jurist werden. Vater war ja ursprünglich Handlungsgehilfe bei einem Rechtsanwalt und ist erst später in den Journalismus gewechselt. Zur Zeitungswissenschaft hatte er keine Beziehung. Für uns Studenten war das einfach eine Möglichkeit, in den Journalismus zu kommen. Das Fach hatte keinen negativen Klang. Ich glaube, auch für meine Kollegen nicht. Obwohl es im Dritten Reich eine seltsame Rolle gespielt hat (vgl. Kutsch 1984). Aber die meisten Journalisten hatten ja auch irgendwie eine „schöne” Vergangenheit.
Aber die Studieninhalte hatten doch offenbar nicht viel mit dem Berufsalltag zu tun?
Bei Hagemann schon. Seine Seminare waren stark an der journalistischen Tätigkeit orientiert. Man musste Nachrichten formulieren, hat Artikel geschrieben (vgl. Wiedemann 2012). Bei d’Ester nicht. Er war ja Laie. Da mussten wir zu Lehrbeauftragten gehen.
War der Journalismus das Berufsziel all Ihrer Kommilitonen?
Ja. Die weitaus größte Zahl. Eine akademische Laufbahn war überhaupt nicht möglich bei den wenigen Stellen. Wir hatten doch nur ein paar Institute. Berlin, München und Münster. Alles andere war kassiert worden.
In biografischen Arbeiten wird immer wieder der Mensch d’Ester herausgestellt, der Lehrer d’Ester. Sie selbst haben von einem „väterlichen Naturell” gesprochen (Koszyk 2000: 16).
Das sieht man hier (zeigt auf ein Foto). Wie er dasteht, in Pantoffeln. Man hatte keine Scheu vor ihm. Er war nicht wie Clemen oder Benno von Wiese in Münster. Der hat gesagt, mich versteht man erst ab dem fünften Semester. Solche Rituale schrecken junge Menschen ab. Ich war damals knapp über 20. D’Ester wirkte väterlich, spielte nicht den wilden Mann. Er war ja Lehrer gewesen, Oberlehrer am Gymnasium in Hörde.
Er fühlte sich der Jugendbewegung verbunden (vgl. Kindt 1974).
Zum Beispiel paddelte er mit den Studenten auf Flüssen und machte mit ihnen Wanderungen. Das war damals ziemlich ungewöhnlich. Von Schnabel, dem Historiker, hat man solche Dinge nicht gehört, obwohl er auch Gymnasiallehrer war. D’Ester hat das Spaß gemacht. Er hielt das für richtig.
War d’Ester mehr Lehrer als Forscher? Kann man das so sagen?
Er hat viel geschrieben, aber meist kleinere Beiträge. Bis auf die beiden Bände über Trenck von Tonder und vielleicht seine Erinnerungsbücher (vgl. d’Ester 1936, 1937, 1951, 1957). Aber das sind keine wissenschaftlichen Werke. Und dann seine Dissertation über das Pressewesen in Westfalen (vgl. Stöber 2004). Die besitze ich sogar. Was soll ich sonst dazu sagen? Es war ja nicht so, dass ich jeden Tag Kontakt mit ihm hatte. Persönlich näher bin ich ihm gekommen, als er einen Teil seiner Privatsammlung nach Dortmund verkauft hat. Der damalige Leiter des Instituts für Zeitungsforschung in Dortmund, Albert Wand, hat mich veranlasst, zu d’Ester zu gehen und zu fragen, ob ich beim Versand helfen könne. Ich habe dann ein paar Tage im Institut gearbeitet und die Bände in Kisten gepackt. Riesige Mengen. Als ich dann 1957 Nachfolger von Wand in Dortmund wurde, standen die von mir verpackten Dinge teilweise immer noch herum. Durch diese Verpackungsaktion bin ich d’Ester persönlich näher gekommen. Er kam und hat mit mir über diesen Versand gesprochen. Er wollte die Sammlung verkaufen, weil die Uni nicht seinen Wünschen für den Nachfolger gefolgt war.
Wie war das Verhältnis zum Doktorvater, wenn man nicht das Glück hatte, Kisten packen zu dürfen? Wie viel Kontakt gab es?
Nur in den Lehrveranstaltungen. Man konnte nach der Veranstaltung zu ihm hingehen. Aber wer machte das schon in dem Alter? Sonst nur im Seminar. Da hat man diskutiert oder seine Referate abgeliefert.
Haben Sie Ihr Promotionsthema mitgebracht (vgl. Koszyk 1953)?
Ich wollte eigentlich über Karl Marx und die Neue Rheinische Zeitung schreiben. Albert Wand hat mir das ausgeredet. Ich hatte einmal zwei Monate bei ihm im Institut gearbeitet. Wand hat gesagt, machen Sie das bloß nicht. Dann müssen Sie sich mit dem ganzen Marxismus beschäftigen. Das dauert Jahre, bis Sie fertig werden. Ich wollte ja schnell fertig werden. Wand hat dann auf seinen Bestand SPD-Presse verwiesen und gemeint, das wäre im Augenblick viel wichtiger für Dortmund. Ich wusste zwar nicht, wie viel Zeit es kostet, alle Zeitungen durchzusehen, bin damit aber zu d’Ester gegangen.
Karl d’Ester wurde an der Universität vorgeworfen, zu viele Studenten zu promovieren. Im Senat soll einmal das Wort von der „Doktorfabrik” gefallen sein. Haben Sie von diesem Problem etwas mitbekommen?
Nichts. Zu meinem Prüfungstermin hatte Borcherdt, der Germanist, fünf Kandidaten und d’Ester zwei. Clemen hatte nur mich und hat sich dann sehr stark auf diesen einen Kandidaten konzentriert. Er mochte die Zeitungswissenschaftler überhaupt nicht.
Aus frühen Promotionsakten geht hervor, dass die Zweitgutachter d’Ester immer wieder vorgeworfen haben, er würde nur sammeln und beschreiben, aber nicht analysieren.
Er war ja noch im Stadium des Sammelns. Albert Vigoleis Thelen (1953) hat sich in seinem Schelmenroman darüber amüsiert, dass der d’Ester auch das Butterbrotpapier seiner Studenten gesammelt hat, wenn es Zeitungen waren. Der Roman erschien, als ich studiert habe, und d’Ester war höchst sauer. An diesen Makel „Doktorfabrik” kann ich mich nicht erinnern, jedenfalls fühlte ich mich nicht betroffen.
In den genannten Akten steht, dass d’Ester damals, in den 1920ern und frühen 1930ern, alle Abstimmungen um Noten in der Fakultät verloren hat.
Gut, nach dem Rigorosum hat d’Ester mir gesagt, er hätte mir eigentlich eine Eins gegeben, wegen Clemen sei es aber nur eine Zwei geworden. Er habe keine schlafenden Hunde wecken wollen. Er wollte seine Kandidaten schützen.
Sie haben sich als „d’Ester-Schüler” bezeichnet (Koszyk 2000), ohne dass Sie selbst je Zeitungswissenschaftler gewesen sind. Wie ist dieses Zitat zu verstehen?
Mehr ironisch. Es gibt ja die drei Großen, Hagemann, Dovifat. Und ich war eben d’Ester-Schüler. Ich wollte auch unseren Freund Bohrmann ein bisschen provozieren, der ja aus der Ecke Hagemann und Dovifat kam. Mehr nicht.
Gibt es irgend eine Gemeinsamkeit mit d’Ester?
Im Dortmunder Institut habe ich jahrelang ähnlich gearbeitet wie er. Sammeln von Zeitungsartikeln und Zeitschriften, katalogisieren. Mit der Bereitstellung von Material fängt die Wissenschaft an.
Und die Zeitungswissenschaft?
Mit Aswerus habe ich in Münster zusammen im Seminar gesessen. Wussten Sie, dass er Franziskaner war? Damals lief er noch im Talar herum, später mehr in einem schwarzen Gewand. Er redigierte ja die franziskanischen Blätter und wollte sich wohl eine Art wissenschaftliche Grundlage schaffen (vgl. Aswerus 1993). Für die Publizistik-Leute war Zeitung immer nur so ein Papierblatt. Aswerus hat versucht, das auszuweiten. D’Ester ist darauf gar nicht so viel herumgeritten. Ich kann mich nicht erinnern, dass er daraus ein Problem gemacht hätte. Aswerus hat übrigens die Schwester meiner Mutter in den Tod begleitet, in dem Krankenhaus, in dem er dann Hauskaplan war. Er hatte dort eine Sammlung von Stichlingen auf dem Dachboden und beobachtete die Kommunikation der Stichlinge. Ich musste an mich halten, als er mich da durchgeführt hat.
Für Ihre Habilitation sind Sie nach Berlin gegangen und nicht nach München. Warum?
Ich hatte in Berlin einen Lehrauftrag. Zu München hatte ich überhaupt keinen Kontakt mehr. Otto Roegele habe ich erst 1978 intensiver kennengelernt, auf einem Flug von Warschau nach Frankfurt. Wir haben nebeneinander gesessen. Nach Berlin hatte mich Fritz Eberhard eingeladen. Bei einer Sitzung, auf der die Gründung der DGPuK vorbereitet wurde, wie sie jetzt heißt, auf dieser Sitzung hat Henk Prakke gesagt, wir brauchen unbedingt eine neue Pressegeschichte. Und dann guckten alle zu mir. Ich habe mich dann gewundert, dass ich zugesagt habe (vgl. Koszyk 1966, 1972). Die Arbeit, die damit verbunden war, war gar nicht abzusehen. Über Jahre war ich auf ein Thema festgelegt. Eberhard hat sofort gesagt, Sie, Herr Koszyk, Sie machen das bei mir. Er hat mir diesen Lehrauftrag verschafft.
Sie haben im April 1984 einen Ruf auf die neue C4-Professur am Münchner Institut bekommen und hier dann zwei Semester einen Lehrauftrag gehabt. Wie kam es dazu?
Ich hatte mit Wolfgang Langenbucher vereinbart, zunächst einen Lehrauftrag zu übernehmen. Ich wollte sehen, wie der Laden lief, und habe gemerkt, welche Unmenge an Problemen es gab. Wahnsinn, allein die technischen Probleme. Das Institut war auf drei Örtlichkeiten verteilt, in der Widenmayerstraße, da sollte ich sitzen, dann die Amalienstraße und am Karolinenplatz. Da sauste man hin und her. Promotionsseminare, Fakultätssitzungen, Institutsversammlungen. Ich bin kein begeisterter Autofahrer. Schon damals gab es nicht so viele Parkplätze. Und dann die Bibliothek. Die lagerte in der Amalienstraße, im Keller. Wie zu d’Esters Zeiten. Ein Riesenberg von Zeitungen und da wurschtelte ein Koreaner herum. Ich weiß nicht, ob er überhaupt die deutsche Schrift lesen konnte.
Vielleicht hätten sich diese Probleme ja lösen lassen. Sie haben damals schon in München gewohnt, lag da nicht ein Wechsel aus Dortmund nahe?
Die Perspektive Radio Free Europe gab es noch nicht. Das kam erst nach der Wende. Es gab ein Angebot für eine Zwischenstation. Bei einem Beerdigungsinstitut, Schellingstraße. Da sagte Roegele, dort sei keine Lebensqualität. Er ist ja auch ein Ironiker.
Hat es Sie nicht gereizt, das Münchner Institut gewissermaßen zu übernehmen, als letzter Karriereschritt? Otto Roegele stand kurz vor der Emeritierung.
1985 war ich 55. Man hat für mich eine Sondergenehmigung eingeholt, sonst hätte ich den Ruf gar nicht bekommen. Ich wusste, was ich in Dortmund hatte, und ich habe dieses Chaos hier gesehen. Die Masse der Studenten und die Zahl der Lehrenden. Ich musste nicht irgendwo hingehen. Frau Koch hatte einen ganz anderen Zwang, ein vitales Interesse. Sie war trotzdem enttäuscht, weil die Zusagen nicht eingehalten worden sind. Und im übrigen, das wird mit jetzt erst wieder bewusst: Ich habe damals an zwei Büchern gearbeitet. Die Pressepolitik für Deutsche, da war ich mitten in den Aktenstudien, und dann Stresemann (vgl. Koszyk 1986, 1989). Da hatte ich den Verlagsvertrag schon. Das hätte ich hier nicht geschafft. Das war einfach ein Unding. Mit 55 ist man kein Springinsfeld mehr.
Wo sehen Sie Ihre Position in der Kommunikationswissenschaft?
Heute? Schwer zu sagen. Sehr fern inzwischen. Ich weiß gar nicht genau, was da läuft. Mich stört zum Beispiel diese Terminologie, die ja weitgehend aus Amerika bezogen wurde. Mich stört alles, was von der deutschen Sprache wegführt. Ich habe ja Germanistik gehört.
Aber auch Anglistik.
Ja schon, aber aus literarischen Gründen und nicht, um meine Sprache zu verhunzen. Überall englische Begriffe, als ob die deutsche Sprache nicht mehr stattfindet. Sie dürfen das nicht missverstehen. Ich bin kein Purist, aber ich finde, unsere Sprache hat eine lange Geschichte und auch einen Eigenwert, den man nicht so einfach über Bord werfen darf. Und was uns da als die große geistige Erleuchtung gepriesen wird, ist zum Teil sehr dünn. Agenda Setting. Das sind Sachen, die schon im 19. Jahrhundert in der Literatur auftauchen. Dass der Journalismus die Themen bestimmt, die in der Gesellschaft eine Rolle spielen.
Gibt es trotz dieser Distanz eine kommunikationswissenschaftliche Leistung, auf die Sie selbst besonders stolz sind?
Den Begriff habe ich nie verwendet. Ich bin kein Kommunikationswissenschaftler.
Lassen wir Kommunikation weg.
Einfach wissenschaftlich? Also, stolz bin ich sowieso weniger. Worauf soll ich stolz sein? Meine Existenz hängt ja nicht von der Wissenschaft ab. Nein. Mich interessieren viele Dinge, die mit der Wissenschaft überhaupt nichts zu tun haben. Zum Beispiel die Malerei. Damit beschäftige ich mich mehr als mit der Kommunikationswissenschaft, muss ich gestehen.
Gibt es Wissenschaftler, die eine Vorbildfunktion für Sie hatten oder haben?
Vorbilder? Für mich ist das Menschliche viel entscheidender, der Charakter. Und da ist d’Ester für mich schon eine Identifikationsfigur. Der Umgang mit Studenten, mit anderen Menschen, das ist ganz wichtig. Man ist ja Pädagoge. Ich glaube, das vergessen die meisten Wissenschaftler.
Literaturangaben
- Bernd Maria Aswerus: Vom Zeitgespräch der Gesellschaft. Zusammengestellt und eingeführt von Hans Wagner. München: R. Fischer 1993.
- Karl d’Ester: Das politische Elysium oder die Gespräche der Todten am Rhein. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Presse und des deutschen Gedankens am Rhein. Neuwied: Strüder 1936.
- Karl d’Ester: Publizistische Wehr im Westen. Die Gespräche der Todten als Vorkämpfer des deutschen Gedankens am Rhein von der französischen Revolution bis Bonaparte. Ein Beitrag zur Entwicklung des deutschen Nationalgefühls und zur Geschichte der deutschen Presse und Propaganda. Neuwied: Strüder 1937.
- Karl d’Ester: Schwarz auf weiß. Ein Leben für die Jugend, die Wissenschaft und die Presse. München: Pohl & Co. 1951.
- Karl d’Ester: Der Traum eines Lebens. Ein deutsches Institut für internationale Presseforschung und ein Weltpressemuseum. Ein Beitrag zur Geschichte der internationalen Zeitungswissenschaft. Ingolstadt: Donaukurier 1957.
- Emil Dovifat: Der amerikanische Journalismus. Mit einer Darstellung der journalistischen Berufsbildung. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1927.
- Emil Dovifat: Zeitungslehre I. Berlin, Leipzig: de Gruyter 1937.
- Walter Hagemann: Grundzüge der Publizistik. Münster: Regensberg 1947.
- Werner Kindt (Hrsg.): Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. Die bündische Zeit. Köln: Eugen Diederichs 1974.
- Kurt Koszyk: Anfänge und frühe Entwicklung der sozialdemokratischen Presse im Ruhrgebiet (1875–1908). Dortmund: Fr. Wilh. Ruhfus 1953.
- Kurt Koszyk: Deutsche Presse im 19. Jahrhundert. Berlin: Colloquium 1966.
- Kurt Koszyk: Deutsche Presse 1914–1945. Berlin: Colloquium 1972.
- Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche 1945–1949. Berlin: Colloquium 1986.
- Kurt Koszyk: Gustav Stresemann. Der kaisertreue Demokrat. Eine Biographie. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1989.
- Kurt Koszyk: Wie man Kommunikationshistoriker wird. In: Arnulf Kutsch/Horst Pöttker (Hrsg.): Kommunikationswissenschaft – autobiographisch. Zur Entwicklung einer Wissenschaft in Deutschland. Opladen: Westdeutscher Verlag 1997, S. 243-250.
- Kurt Koszyk: Publizist und politisches Engagement. Lebensbilder publizistischer Persönlichkeiten. Herausgegeben und eingeleitet von Walter Hömberg, Arnulf Kutsch und Horst Pöttker. Münster: Lit 1999.
- Kurt Koszyk: Unfrisierte Erinnerungen eines d’Ester-Schülers. In: Otfried Jarren/Gerd Kopper/Gabriele Toepser-Ziegert (Hrsg.): Zeitung. Medium mit Vergangenheit und Zukunft. Eine Bestandaufnahme. Festschrift aus Anlaß des 60. Geburtstages von Hans Bohrmann. München: Saur 2000, S. 13-24.
- Kurt Koszyk: Ausbildung vor fünf Jahrzehnten. In: 10 Jahre. Eine Lesbuch der Journalistenschule Ruhr. Essen: Journalistenschule Ruhr 2003, S. 33-37.
- Arnulf Kutsch: Zeitungswissenschaftler im Dritten Reich. Sieben biographische Studien. Köln: Studienverlag Hayit 1984.
- Michael Meyen/Maria Löblich (Hrsg.): 80 Jahre Zeitungs- und Kommunikationswissenschaft in München. Bausteine zu einer Institutsgeschichte. Köln: Herbert von Halem 2004.
- Heinz Starkulla/Hans Wagner: Karl d’Ester. 1881-1960. München: Deutsche Zeitungswissenschaftliche Vereinigung 1981.
- Rudolf Stöber: Karl d’Ester und die Frühgeschichte der deutschen Presse. In: Michael Meyen/Maria Löblich (Hrsg.): 80 Jahre Zeitungs- und Kommunikationswissenschaft in München. Bausteine zu einer Institutsgeschichte. Köln: Herbert von Halem 2004, S. 20-27.
- Albert Vigoleis Thelen: Die Insel des zweiten Gesichts. Aus den angewandten Erinnerungen des Vigoleis. Düsseldorf, Köln: Diederichs 1953.
- Thomas Wiedemann: Walter Hagemann. Aufstieg und Fall eines politisch ambitionierten Journalisten und Publizistikwissenschaftlers. Köln: Herbert von Halem 2012.
Empfohlene Zitierweise
- Kurt Koszyk: Karl d’Ester wollte uns schützen. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2014. http://blexkom.halemverlag.de/koszyk-interview/ (Datum des Zugriffs).