Henk Prakke (Hemels et al. 2000: Titel)

Henk (Hendricus) J. Prakke

26. April 1900 bis 14. Dezember 1992

Lexikoneintrag von Christoph Wiesel am 1. Februar 2018

Als Institutsleiter in Münster und Mitgründer der DGPuK hat Henk Prakke die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft in den 1960er-Jahren aus einer Krise geführt. Die inhaltliche Leistung des Niederländers (und hier vor allem seine Theorie der „funktionalen Publizistik“) ist aber umstritten.

Stationen

Geboren in Alphen (Niederlande). Vater Beamter. 1917 Lehre im Buch- und Kunsthandel. 1925 Einstieg beim Verlag Van Gorcum in Assen (ab 1939 Mitinhaber und Verleger, bis 1970). 1942 Studium in Groningen (Jura, ab 1947 Hauptfach Soziologie). 1945 Inhaftierung durch die Gestapo. 1951 Promotion. 1956 Privatdozent für Publizistik in Groningen. 1960 bis 1969 Vertretung des außerordentlichen Lehrstuhls für Publizistik, Zeitungswissenschaft und Neueste Geschichte in Münster. 1961 Ernennung zum Honorarprofessor und Institutsdirektor. Gastprofessuren in Bologna (1963 bis 1964) und Iowa (1971). 1964 bis 1965 erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Zeitungswissenschaft. 1965 Bundesverdienstkreuz. 1982 Ehrenmitglied der DGPuK. Verheiratet, ein Adoptivsohn. Gestorben in Roden.

Publikationen

  • Deining in Drenthe. Historisch-sociografische speurtocht door de ‘Olde Lantschap’, ’de achtste der Zeven Provincien’. Een studie in acculturatie. Assen: Van Gorcum 1951 (Dissertation).
  • Publicistische Publicaties. Assen: Van Gorcum 1954-1960 (vier Ausgaben).
  • De samenspraak in onze samenleving. Inleiding tot de Publicistiek. Assen: Van Gorcum 1957.
  • Kommunikation der Gesellschaft. Einführung in die funktionale Publizistik. Münster: Regensberg 1968 (mit Franz Dröge, Winfried B. Lerg und Michael Schmolke).

Obwohl Henk Prakke nur einen sehr kurzen und späten Abstecher in die deutsche Kommunikationswissenschaft machte, hat der Niederländer das Fach wie kaum ein anderer institutionell geprägt. Besonders gilt dies für den Standort Münster. Als Prakke 1960 an das Münsteraner Institut für Publizistik gerufen wurde (mit 60 Jahren seine erste und einzige Anstellung im Fach in Deutschland), war der Standort in einer regelrechten Existenzkrise (Stoll 1965: 150). Der Institutsleiter Walter Hagemann war für seine Äußerungen zur deutschen Außenpolitik vorläufig suspendiert worden (vgl. Wiedemann 2012). In Deutschland gab es „keinen unbelasteten und qualifizierten Hochschullehrer-Nachwuchs“ (Meyen/Löblich 2006: 240).

So fiel es schließlich dem unter Fachvertretern weitgehend unbekannten Verleger und Privatdozenten Henk Prakke zu, den Fortbestand des Instituts zu sichern (Schmolke 2000: 8, Stoll 1965: 149). Zunächst nur als kurzfristige Vertretung für Hagemann aus Groningen berufen, gelang es dem Niederländer, den Standort in knapp zehn Jahren aus der personellen „Krise“ zu führen (Stoll 1965: 150). Die drei Habilitationen von Winfried B. Lerg, Franz Dröge und Michael Schmolke (1969 bis 1970), mit denen Prakke das Nachfolge-Problem in Münster löste, wurden auch über das Institut hinaus als „Durchbruch“ gewertet (Schmolke 1985: 65). In den Jahrzehnten davor waren Habilitationsverfahren in der deutschsprachigen Publizistikwissenschaft stets gescheitert (Meyen/Löblich 2006: 245). Als Prakke Münster 1969 wieder verließ, hatte er zudem erreicht, die außerordentliche Publizistik-Professur des Instituts in ein Ordinariat umzuwandeln (ebd.).

Auch mit der Gründung der deutschen Fachgesellschaft ist der Name Henk Prakke fest verbunden. Nach seiner Ernennung zum Honorarprofessor und Institutsdirektor im Jahr 1961 regte der Niederländer auf einer Konferenz „die Organisation einer wissenschaftlichen Fachvereinigung an“ (Lerg 1969: 324). Diese wurde im Oktober 1963 in München als Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Zeitungswissenschaft e.V. (später DGPuK) gegründet. Prakke übernahm den vorläufigen Vorsitz und war später erster Vorsitzender der Gesellschaft. Prakke schaffte es, die zerstrittenen Vertreter der deutschsprachigen Publizistikwissenschaft „an einen Tisch zu bringen“ (Meyen/Löblich 2006: 240). Damit gelang dem Neuling aus den Niederlanden etwas, „was die Zeitgenossen nach vielen gescheiterten Versuchen kaum noch für möglich gehalten hatten“ (ebd.). 1982 wurde Prakke DGPuK-Ehrenmitglied.

Im Gegensatz zu seinen institutionellen Leistungen werden Prakkes inhaltliche Impulse für das Fach kontrovers diskutiert. So konnte er mit der „Funktionalen Publizistik“ einerseits eine eigene Kommunikationstheorie vorlegen, die aus Sicht seines Schülers Franz Dröge (1970: 96) die „Initialzündung“ für die Entwicklung der Kommunikationswissenschaft zu einer empirischen Wissenschaft gab. Andererseits war Prakkes Ansatz schon in den 1960er-Jahren im Fach „wenig akzeptiert“ (Schmolke 2000: 8), wurde nur verhalten rezipiert und konnte sich in der Fachdiskussion letztlich „nicht durchsetzen“ (Meyen/Löblich 2006: 244). Begründet wird dies unter anderem damit, dass Prakke begrifflich „an den deutschen Gewohnheiten vorbei“ formulierte und sein Ansatz nicht zur Fixierung des Fachs auf die Massenmedien passte (ebd.: 243).

Prakkes Theorie zufolge, die er 1968 mit Dröge, Lerg und Schmolke in dem Buch Kommunikation der Gesellschaft veröffentlichte, ist Massenkommunikation im Prinzip nicht von zwischenmenschlicher Kommunikation zu unterscheiden (Hardt/Lerg 1975: 619). Auch die Kommunikation über Massenmedien ist bei ihm ein dialogischer Prozess, bei dem es Wechselbeziehungen zwischen Kommunikator, Aussage und Rezipient gibt (ebd.). So würden etwa die Aussagen des Kommunikators durch die Bedürfnisse der Rezipienten beeinflusst (Kriterien: Information, Kommentierung, Unterhaltung). Darüber hinaus ist Kommunikation bei Prakke durch soziale Faktoren außerhalb des eigentlichen Kommunikationssystems geprägt (Meyen/Löblich 2006: 253). Wegen dieser Annahme kann Prakkes Ansatz auch als „vielfach übersehene Antizipation späterer Wirkungsmodelle, namentlich des dynamisch-transaktionalen Paradigmas“ gesehen werden (Westerbarkey 2002: 353).

Außerhalb des Universitätsalltags engagierte sich Prakke für die Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden. Unter dem Motto „Entgrenzung der Grenze“ setzte er sich in Vorträgen und Besuchen für die „wissenschaftlichen und kulturellen Verbindungen“ beider Länder ein (Lerg 1969: 324). 1963 gründete er die deutsch-niederländischen Filmtage (Hardt/Lerg 1975: 620). Für sein Engagement verlieh ihm die Stadt Bentheim die Ehrenbürgerwürde, 1965 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet (Lerg 1969: 324).

Literaturangaben

  • Franz Dröge: Der Funktionalismus in der Kommunikationswissenschaft. Henk Pranke zum 70. Geburtstag am 26. April 1970. In: Publizistik 15. Jg. (1970), S. 93-97.
  • Hanno Hardt/Winfried B. Lerg: Entgrenzung der Grenze: Henk Prakke zum 75. Geburtstag. In: Publizistik 20. Jg. (1975), S. 618-620.
  • Winfried B. Lerg: Henk Prakke verläßt Münster. In: Publizistik 14. Jg. (1969), S. 324-325.
  • Michael Meyen/Maria Löblich: Klassiker der Kommunikationswissenschaft. Fach- und Theoriegeschichte in Deutschland. Konstanz: UVK 2006.
  • Michael Schmolke: Henk Prakke vollendet die 85. Runde. In: Communicatio Socialis 18. Jg. (1985), S. 64-66.
  • Michael Schmolke: Vorwort. In: Joan Hemels/Arnulf Kutsch/Michael Schmolke (Hrsg.): Entgrenzungen. Erinnerungen an Henk Prakke. Mit einer Bibliografie. Assen: Van Gorcum 2000, S. 7-9.
  • Gerhard E. Stoll: Henk Prakke zum 65. Geburtstag. In: Publizistik 10. Jg. (1965), S. 149-150.
  • Joachim Westerbarkey: Henk Prakke: Kommunikation der Gesellschaft. In: Christina Holtz-Bacha/Arnulf Kutsch (Hrsg.): Schlüsselwerke für die Kommunikationswissenschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002, S. 352-353.
  • Thomas Wiedemann: Walter Hagemann. Aufstieg und Fall eines politisch ambitionierten Journalisten und Publizistikwissenschaftlers. Köln: Herbert von Halem 2012.

Weiterführende Literatur

  • Joan Hemels/Arnulf Kutsch/Michael Schmolke (Hrsg.): Entgrenzungen. Erinnerungen an Henk Prakke. Mit einer Bibliografie. Assen: Van Gorcum 2000.
  • Petra Klein: Henk Prakke und die funktionale Publizistik. Über die Entgrenzung der Publizistik- zur Kommunikationswissenschaft. Berlin: Lit 2006.
  • Michael Schmolke: Henk Prakke 90 Jahre alt. In: Communicatio Socialis 23. Jg. (1990), S. 85-86.
  • Michael Schmolke: Dank an Henk Prakke. In: Communicatio Socialis 26. Jg. (1993), S. 77-80.

Weblinks

Empfohlene Zitierweise

Christoph Wiesel: Henk (Hendricus) J. Prakke. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2018. http://blexkom.halemverlag.de/henk-prakke/ (Datum des Zugriffs).