Werner Früh (Foto: IfKMW)

Werner Früh

4. März 1947 bis 15. Mai 2023

Lexikoneintrag von Thomas Wiedemann am 17. Juli 2023

Werner Früh prägte die Kommunikationswissenschaft theoretisch und methodisch. Sein Name ist untrennbar mit Medienwirkungs- und Rezeptionsforschung sowie mit Medieninhaltsanalyse verbunden.

Stationen

Geboren in Gönnheim an der Weinstraße. Ausbildung zum Fernmeldemonteur. Studium der Publizistikwissenschaft, Soziologie, Germanistik und Deutschen Volkskunde in Mainz. 1978 Promotion und Abteilungsleiter am Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) in Mannheim. Lehraufträge an verschiedenen Universitäten. 1987 Professur für empirische Kommunikationsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1994 Inhaber des Lehrstuhls für empirische Kommunikations- und Medienforschung am Leipziger Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft. 2013 Emeritierung.

Publikationen

  • Lesen, Verstehen, Urteilen. Untersuchungen über den Zusammenhang von Textgestaltung und Textwirkung. Freiburg im Breisgau: Alber 1980 (Dissertation).
  • Inhaltsanalyse. München: Ölschläger 1981. Acht Auflagen bis 2017.
  • Der dynamisch-transaktionale Ansatz. Ein neues Paradigma der Medienwirkungen. In: Publizistik 27. Jg. (1982), S. 74-88 (mit Klaus Schönbach).
  • Der dynamisch-transaktionale Ansatz II. Konsequenzen. In: Rundfunk und Fernsehen 32. Jg. (1984), S. 314-329 (mit Klaus Schönbach).
  • Realitätsvermittlung durch Massenmedien. Die permanente Transformation der Wirklichkeit. Opladen: Westdeutscher Verlag 1994.
  • Unterhaltung durch das Fernsehen. Eine molare Theorie. Konstanz: UVK 2002.

Werner Früh war Generationen von Studierenden der Kommunikationswissenschaft als Autor des Standardwerks zur Inhaltsanalyse und Begründer des dynamisch-transaktionalen Ansatzes der Medienwirkungsforschung ein fester Begriff. Er selbst lernte das Fach kennen und schätzen während seines Studiums am Institut für Publizistik in Mainz, vor allem in den empirischen Forschungsseminaren von Elisabeth Noelle-Neumann, deren studentische Hilfskraft er war. Nach der Promotion bei Winfried Schulz (mit einer Experimentalstudie, welche den Einfluss journalistischer Textmerkmale auf die Verständlichkeit und Attraktivität dieser Texte für die Leserinnen und Leser untersuchte; vgl. Früh 1980) heuerte er 1978 beim Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA, heute GESIS) in Mannheim an, wo er die Abteilung für Textanalyse, Medienanalyse und Vercodung leitete. In diesem Umfeld entstand das Inhaltsanalyse-Lehrbuch (Früh 1981), ein Verkaufsschlager über mehrere Jahrzehnte, und in dieser Zeit entwickelte Früh auch gemeinsam mit seinem Freund und einstigen Kommilitonen Klaus Schönbach den dynamisch-transaktionalen Ansatz, ein Medienwirkungsmodell, das den Dualismus von kommunikator- bzw. medien- und rezipienten- bzw. publikumszentrierter Perspektive überwinden sollte (vgl. Früh/Schönbach 1982; Schönbach/Früh 1984). Ebenso war er in den 1980er Jahren Teil des einflussreichen, von Winfried Schulz initiierten und koordinierten DFG-Schwerpunktprogramms „Publizistische Medienwirkungen“ (vgl. Früh 1994). Mehr als genug wissenschaftliches Kapital, um 1987 auf eine C3-Professur für empirische Kommunikationsforschung an die LMU München berufen zu werden.

Sieben Jahre später gehörte Werner Früh zur ersten Berufungswelle am neu ausgerichteten Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Als Inhaber des Lehrstuhls für empirische Kommunikations- und Medienforschung vertrat er in der Folge zusammen mit Hans-Jörg Stiehler die „Abteilung Empirie“, war verantwortlich für die Methodenausbildung am Institut und zuständig für die Medienwirkungs- sowie die Nutzungs- und Publikumsforschung. Zudem firmierte er bis zu seiner Emeritierung 2013 wiederholt als geschäftsführender Direktor des Instituts und war lange Jahre Mitglied und Vorsitzender der Promotionskommission der Fakultät.

Neben dem dynamisch-transaktionalen Ansatz, den er zeit seines Lebens weiter vorantrieb und der von der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft breit rezipiert wurde (vgl. Früh 1991; Früh/Schönbach 2005; Wirth et al. 2007), legte Früh eine Vielzahl empirischer Studien und Publikationen vor. Themenfelder waren etwa Gewalt in den Medien (vgl. Früh 2001), Infotainment (vgl. Früh/Wirth 1997) und Unterhaltung (vgl. Früh 2002; Früh/Stiehler 2003), Narration bzw. Storytelling im Journalismus (vgl. Früh/Frey 2014) sowie die Darstellung von Ostdeutschland im Fernsehen und die Fernsehnutzung der Ostdeutschen (vgl. Früh et al. 1999; Früh/Stiehler 2002). Als Hochschullehrer habe Früh, so hielt Felix Frey im Nachruf des Leipziger Instituts fest, „mit seinen hohen Ansprüchen die Studierenden herausgefordert“. In den höheren Semestern bzw. in den gemeinsam durchgeführten Forschungsprojekten habe er jedoch ebenso Eindruck hinterlassen mit seiner „Faszination für die großen und schwierigen Themen“, seinem „Willen zur Komplexität“, aber auch seiner „Offenheit für das bessere Argument“ und seiner „Entschlossenheit, so lange weiter zu machen, bis es ‚gut‘ war“. Zu den Schülern von Werner Früh zählen unter anderem Werner Wirth und Carsten Wünsch.

Literaturangaben

  • Werner Früh: Lesen, Verstehen, Urteilen. Untersuchungen über den Zusammenhang von Textgestaltung und Textwirkung. Freiburg im Breisgau: Alber 1980.
  • Werner Früh: Inhaltsanalyse. München: Ölschläger 1981.
  • Werner Früh: Medienwirkungen: Das dynamisch-transaktionale Modell. Opladen: Westdeutscher Verlag 1991.
  • Werner Früh: Realitätsvermittlung durch Massenmedien. Die permanente Transformation der Wirklichkeit. Opladen: Westdeutscher Verlag 1994.
  • Werner Früh: Gewaltpotentiale des Fernsehangebots. Programmangebot und zielgruppenspezifische Interpretation. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2001.
  • Werner Früh: Unterhaltung durch das Fernsehen. Eine molare Theorie. Konstanz: UVK 2002.
  • Werner Früh/Felix Frey (Hrsg.): Narration und Storytelling. Theorie und empirische Befunde. Köln: Herbert von Halem 2014.
  • Werner Früh/Uwe Hasebrink/Friedrich Krotz/Christoph Kuhlmann/Hans-Jörg Stiehler (Hrsg.): Ostdeutschland im Fernsehen. München: Kopäd 1999.
  • Werner Früh/Klaus Schönbach: Der dynamisch-transaktionale Ansatz. Ein neues Paradigma der Medienwirkungen. In: Publizistik 27. Jg. (1982), S. 74-88.
  • Werner Früh/Klaus Schönbach: Der dynamisch transaktionale Ansatz III: Eine Zwischenbilanz. In: Publizistik 50. Jg. (2005) S. 4-20.
  • Werner Früh/Hans-Jörg Stiehler: Fernsehen in Ostdeutschland. Eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Programmangebot und Rezeption. Berlin: Vistas 2002.
  • Werner Früh/Hans-Jörg Stiehler (Hrsg.): Theorie der Unterhaltung. Ein interdisziplinärer Diskurs. Köln: Herbert von Halem 2003.
  • Werner Früh/Werner Wirth: Positives und negatives Infotainment. Zur Rezeption unterhaltsam aufbereiteter TV-Information. In: Günter Bentele/Michael Haller (Hrsg.): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure – Strukturen – Veränderungen. Konstanz: UVK 1997, S. 367-381.
  • Klaus Schönbach/Werner Früh: Der dynamisch-transaktionale Ansatz II. Konsequenzen. In: Rundfunk und Fernsehen 32. Jg. (1984), S. 314-329.
  • Werner Wirth/Hans-Jörg Stiehler/Carsten Wünsch (Hrsg.): Dynamisch-transaktional denken. Theorie und Empirie der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2007.

Weiterführende Literatur

Weblinks

Empfohlene Zitierweise

Thomas Wiedemann: Werner Früh. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2023. http://blexkom.halemverlag.de/werner-frueh/ (Datum des Zugriffs).