Hanns Braun (Quelle: Publizistik 8. Jg.)
Hanns Braun (Quelle: Publizistik 8. Jg.)

Hanns Braun

17. September 1893 bis 25. September 1966

Lexikoneintrag von Maria Löblich am 27. August 2014

Der Theaterkritiker und Journalist Hanns Braun wurde 1954 zum Professur am Institut für Zeitungswissenschaft der Universität München ernannt. Als Nachfolger von Karl d'Ester erfand er das Fach zwar nicht neu, doch gelang es ihm, den Münchner Standort in der Krisenzeit zu konsolidieren.

Stationen

Geboren in Nürnberg. Vater Buchhändler. Kultursinniges, evangelisch-lutherisches Elternhaus. 1912 Studium der Germanistik, Anglistik und Neueren Geschichte in München, Berlin und Kiel. Theaterkritiker für die Frankfurter Zeitung. 1916 Promotion in München (bei Franz Muncker und Hermann Paul). Feuilleton-Autor für die Münchener Zeitung. Heirat mit der Amsterdamer Kinderbuchillustratorin Beatrice Fock, zwei Kinder. 1942 bis 1945 Lehrauftrag für Theaterwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1943 nach Einstellung der Münchener Zeitung Arbeiten für die Frankfurter Zeitung und die Münchner Neuesten Nachrichten. 1944 Schreibverbot. 1946 Redaktionsmitglied der Süddeutschen Zeitung. Arbeiten für Die Zeit und den Rheinischen Merkur. Sommersemester 1947 Lehrauftrag am Institut für Zeitungswissenschaft der Universität München, Vertretung von Karl d’Ester. 1949 Honorarprofessor für Theaterkritik. 1954 außerordentlicher Professor für Zeitungswissenschaft in München. 1961 Emeritierung, bis 1963 kommissarische Institutsleitung.

Publikationen

  • Grillparzers Verhältnis zu Shakespeare. Nürnberg: Lotter 1916 (Dissertation).
  • Theater in Deutschland. München: Bruckmann 1952.
  • Wandlungen des Begriffs „Öffentliche Meinung“ in Deutschland. In: Publizistik 2. Jg. (1957), S. 3-9.
  • Journalismus im Miteinander der Gesellschaft. In: Publizistik 3. Jg. (1958), S. 3-14.
  • Der Leserbrief im Lichte zeitungswissenschaftlicher Theorie. In: Publizistik 5. Jg. (1960, = Festschrift für Emil Dovifat), S. 330-340.

Hanns Braun kam nach 1945 in ein Fach, das durch die politische Belastung im Nationalsozialismus und durch den Krieg ein Nachwuchsproblem hatte (Bohrmann 2002). Die Berufung von angesehenen Journalisten auf Lehrstühle der Zeitungs- und Publizistikwissenschaft war deshalb typisch bis Ende der 1960er-Jahre, als die ersten kommunikationswissenschaftlichen Habilitationen akzeptiert wurden (vgl. Meyen/Löblich 2006). Nach Auffassung von Heinz Starkulla (1922 bis 2005), seit 1952 Assistent in München, galt der bekannte Münchner Theaterkritiker auch nur als „Interimslösung“: „Die Fakultät war der Meinung (…): bis dahin hat sich der Starkulla habilitiert und mit dem kann man was anfangen“ (Starkulla 2004: 164). Der neue Institutsleiter hat das Fach in den nur sieben Jahren seiner Tätigkeit nicht neu erfinden können, auch weil der mit über 60 Jahren Berufene wegen Krankheit häufig ausfiel. Inhaltlich führte er die Ära d’Ester fort. In einigen wenigen Aufsätzen und Vorträgen setzte er sich für die Bewahrung der Münchner Zeitungswissenschaft gegenüber der in Berlin und Münster vertretenen Publizistikwissenschaft ein (Braun 1957, 1958, 1960; vgl. Glotz 1963; Meyen/Löblich 2006).

Professor Hanns Braun (rechts) zusammen mit dem Assistenten Heinz Starkulla (Quelle: Privatarchiv Heinz Starkulla junior)

Professor Hanns Braun (rechts) zusammen mit dem Assistenten Heinz Starkulla (Quelle: Privatarchiv Heinz Starkulla junior)

Dafür dass er aber mehr als ein Lückenfüller gewesen sein dürfte, sprechen einige institutionelle Leistungen, die den Münchner Standort in der Krisenzeit nach 1945 konsolidierten (Bohrmann 2002). In der Philosophischen Fakultät hatte die Zeitungswissenschaft unter Karl d’Ester (1881 bis 1960) als Leichtgewicht gegolten, die Nebenfächer beschwerten sich über die „Doktorfabrik“ von Brauns Vorgänger und machten es nach 1945 zur Auflage, die Promotion in der Zeitungswissenschaft mit einer „ordentlichen Philologie“ im Nebenfach zu verbinden (Roegele 1997: 72; vgl. Meyen 2004). Bei Brauns Amtsantritt forderte die Philosophische Fakultät deshalb einen harten Kurs. Mit neuen Anforderungen im Studium und einer institutsinternen Diplomprüfung senkte der neue Professor die Zahl der Dissertationen (Peters 1988). Außerdem verbesserten sich die Arbeitsbedingungen am Institut: durch eine Etaterhöhung, neue Räume und Lehraufträge für Medienpraktiker (Rauch 1982). Vor allem die Umwandlung der außerordentlichen in eine ordentliche Professur, die mit der Berufung von Brauns Nachfolger in Kraft trat, kann als Zeichen für die gewachsene Glaubwürdigkeit der Zeitungswissenschaft innerhalb der Universität gewertet werden (Roegele 1997). Geholfen haben dürfte dabei auch Hanns Brauns Auftreten („seriös bis in die Fingerspitzen“) und seine politische Unbelastetheit (Starkulla 2004: 164). Die Nachwuchsprobleme im Fach waren zum Zeitpunkt seiner Emeritierung jedoch nicht gelöst, und so übernahm Braun noch zwei Jahre lang die kommissarische Vertretung des Lehrstuhls, bis Otto B. Roegele (1920 bis 2005) nach München berufen wurde.

Literaturangaben

  • Hans Bohrmann: Als der Krieg zu Ende war. Von der Zeitungswissenschaft zur Publizistik. In: Medien & Zeit 17. Jg. (2002), Nr. 2-3., S. 12-33.
  • Peter Glotz: Hanns Braun. Eine Bio-Bibliographie. In: Festschrift für Hanns Braun. Redaktion Günter Kieslich, Walter J. Schütz. Bremen: Heye 1963, S. 199-201.
  • Michael Meyen: Promovieren bei Karl d’Ester. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Zeitungswissenschaft in Deutschland. In: Michael Meyen/Maria Löblich (Hrsg.): 80 Jahre Zeitungs- und Kommunikationswissenschaft in München. Bausteine zu einer Institutsgeschichte. Köln: Herbert von Halem 2004, S. 28-45.
  • Michael Meyen/Maria Löblich: Klassiker der Kommunikationswissenschaft. Fach- und Theoriegeschichte in Deutschland. Konstanz: UVK 2006.
  • Christoph Peters: Starkulla 65. „Was heißt das?”. In: Hans Wagner (Hrsg.): Idee und Wirklichkeit des Journalismus. Festschrift für Heinz Starkulla. München: Olzog 1988, S. 339-348.
  • Heidrun Birgit Rauch: Hanns Braun – Schriftsteller, Kultur- und Theaterkritiker, Essayist, Journalist, Universitätsdozent und Zeitungswissenschaftler – eine Biographie. München. Diplomarbeit am Institut für Kommunikationswissenschaft (Zeitungswissenschaft) 1982.
  • Otto B. Roegele: Ausbreitung, Lähmung, Konsolidierung – München 1963-1985. In: Arnulf Kutsch/Horst Pöttker (Hrsg.): Kommunikationswissenschaft – autobiographisch. Zur Entwicklung einer Wissenschaft in Deutschland. Opladen: Westdeutscher Verlag 1997 (= Publizistik, Sonderheft 1), S. 62-109.
  • Heinz Starkulla: Es hat sich gelohnt, ein bisschen daran zu arbeiten. In: Michael Meyen/Maria Löblich (Hrsg.): 80 Jahre Zeitungs- und Kommunikationswissenschaft in München. Bausteine zu einer Institutsgeschichte. Köln: Herbert von Halem 2004, S. 155-169.

Weblink

Empfohlene Zitierweise

      Maria Löblich: Hanns Braun. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2014. http://blexkom.halemverlag.de/hanns-braun/ (Datum des Zugriffs).