Foto: Andreas Klaer (PNN)

Dieter Wiedemann

16. März 1946

Lexikoneintrag von Michael Meyen am 31. Oktober 2019

Dieter Wiedemann ist ein Medienwirkungsforscher aus der DDR, der das dort gesammelte wissenschaftliche Kapital für eine Karriere im vereinten Deutschland nutzte und als Langzeit-Präsident maßgeblich für die Profilierung der Babelsberger Filmuniversität sorgte.

Stationen

Geboren in Liebschitz im Sudetenland. Schule und Abitur (1964) in Suhl. 1967 Studium an der Theaterhochschule in Leipzig. 1969 Wechsel an die Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam (HFF). 1971 dort Diplomdramaturg. Postgraduales Studium an der Universität Leipzig (Pädagogische Psychologie 1975). 1980 Promotion, 1988 Habilitation. 1971 wissenschaftlicher Mitarbeiter und später Leiter der Abteilung Kultur- und Medienforschung am Zentralinstitut für Jugendforschung in Leipzig. 1990 Wechsel an die HFF. Bis 1993 Direktor des Instituts für Medienforschung, 1993 Gründungsbeauftragter des Studiengangs „AV-Medienwissenschaften“, 1995 dort Professor für AV-Medienwissenschaft. 1995 zunächst Rektor, ab 2000 Präsident (bis 2012). 1999 bis 2005 Vorsitzender der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur. Verheiratet, eine Tochter, ein Sohn.

Publikationen

  • Filmkommunikation und Persönlichkeitsentwicklung Jugendlicher. Empirische Ergebnisse und theoretische Aussagen zur Entwicklung des Verhältnisses Jugendlicher zum Film. Berlin: Humboldt-Universität 1980 (Dissertation A).
  • Wechselbeziehungen der Künste und Persönlichkeitsentwicklung Jugendlicher. Berlin: Akademie der Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED 1988 (Dissertation B).
  • Kinder, Kunst und Kino. Grundlagen zur Filmbildung aus der Filmpraxis. München: kopaed 2008 (Herausgeber, mit Claudia Wegener).

Dieter Wiedemann gehört zu den wenigen DDR-Medienforschern, die nach 1989 im Wissenschaftssystem bleiben konnten und dort auch noch erfolgreich waren. Wie der etwas jüngere Hans-Jörg Stiehler, der 1993 Professor für empirische Kommunikations- und Medienforschung an der Universität Leipzig wurde, hat Wiedemann das Handwerk am Leipziger Zentralinstitut für Jugendforschung gelernt (vgl. Friedrich et al. 1999). Sein wichtigstes Arbeitsfeld an diesem Institut: empirische Studien zur Nutzung und Wirkung von Theater, Film und Kunst (vgl. neben den beiden Qualifikationsschriften exemplarisch Wiedemann 1973, 1983, 1987 sowie Wiedemann/Stiehler 1990). Die entsprechenden Ergebnisberichte wurden nicht nur von den Auftraggebern aus Politik und Wirtschaft wahrgenommen, sondern auch im sozialistischen Ausland sowie in der Bundesrepublik (vgl. Wiedemann 2019).

In einem biografischen Interview hat Dieter Wiedemann diese grenzüberschreitende Rezeption als wichtigen Grund für seine Karriere im vereinigten Deutschland genannt. Neben dem wissenschaftlichen Know-how brachte er Erfahrungen in der Akquise von Forschungsmitteln sowie ein weit verzweigtes Netzwerk mit, zu dem Künstler, Wissenschaftspolitiker und Kollegen aus der Bundesrepublik gehörten (vgl. Wiedemann 2019). An der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf steht der Name Dieter Wiedemann für die Sicherung des Hochschulstandorts, die inhaltliche Profilierung und den Neubau, der im Jahr 2000 eingeweiht wurde. Als Rektor und Präsident ist es Dieter Wiedemann gelungen, die Potsdamer Einrichtung stärker wissenschaftlich auszurichten (Promotionsrecht im Fach Medienwissenschaften seit 2001) und in den Kreis der Kunsthochschulen zu integrieren.

Literaturangaben

  • Walter Friedrich/Peter Förster/Kurt Starke (Hrsg.): Das Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig 1966–1990. Geschichte, Methoden, Erkenntnisse. Berlin: edition ost 1999.
  • Dieter Wiedemann: Würden Sie mit Edgar Wibeau befreundet sein wollen? In: Forum 27. Jg. (1973), Heft 8, S. 15.
  • Dieter Wiedemann: Zur sozialen Funktion des Kinos in den achtziger Jahren. Empirische Tatsachen und theoretische Überlegungen zur gesellschaftlichen Bedeutung des Films im Kino. Unter Mitarbeit von Hans-Jörg Stiehler. Potsdam: Betriebsakademie des VEB DEFA-Studios für Spielfilme 1983.
  • Dieter Wiedemann: Ich war neunzehn – Intention und Wirkung. In: Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft 28. Jg. (1987), Nr. 29, S. 46-61.
  • Dieter Wiedemann: Forschen und leben in zwei Gesellschaften. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2019.
  • Dieter Wiedemann/Hans-Jörg Stiehler: Kino und Publikum in der DDR – der kurze Weg in eine neue Identität? In: Media Perspektiven 1990, Nr. 7, S. 417-429.

Weiterführende Literatur

  • Hans Jörg Stiehler/Lothar Mikos (Hrsg.): Die Kunst des Betrachters: Jugendsoziologie, Kinderfilm und Medienkompetenz. Festschrift für Dieter Wiedemann. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2006.

Weblink

Empfohlene Zitierweise

Michael Meyen: Dieter Wiedemann. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2019. http://blexkom.halemverlag.de/dieter-wiedemann/ (Datum des Zugriffs).