Stationen
Vater Isidor (Fleischermeister/Kaufmann), Mutter Jenny (Hausfrau). 1919 Studium in Berlin, Würzburg und Tübingen (Nationalökonomie und Staatswissenschaften). 1923 Promotion in Tübingen. 1924 freier Schriftsteller, Buchkritiker und Mitarbeiter des Wirtschaftsmagazins Industrial and Trade Review for India. 1926 Redakteur eines Zeitungsdienstes für rund 400 Blätter in Deutschland und Österreich sowie freier Mitarbeiter von Nachtexpress und Weltbühne. 1933 Flucht nach Zürich (jüdischer Intellektueller und Gegner des Nationalsozialismus). 1934 Prag. Herausgeber und Chefredakteur, Die neue Weltbühne. 1938 Paris, dort 1939 nach Verbot der Neuen Weltbühne verhaftet. Internierungslager in Frankreich, danach Flucht über Portugal in die USA. 1940 New York. Mitarbeiter und Ghostwriter von Dorothy Thompson sowie Kommentator und Kolumnist der Overseas News Agency New York; Beteiligung an der Gründung des Council for Democratic Germany (1944). 1948 Berufung an die Universität Leipzig als Professor für Internationales Pressewesen. 1954 bis 1962 Dekan der Leipziger Fakultät für Journalistik. 1967 Herausgeber und Chefredakteur der Weltbühne.
Publikationen
- Eugenik. Ein Beitrag zur Ökonomie der menschlichen Erbanlagen. Universität Tübingen 1923 (Dissertation).
- Die Ausbildung der Journalisten und die Erforschung der Presse: Öffentlicher Rechenschaftsbericht vor der Fakultät für Journalistik am Tag der Universität am 15.10.1958. Leipzig: Verlag Enzyklopädie 1959.
- Der imperialistische Propagandaapparat im Dienste des Neokolonialismus. In: Zeitschrift für Journalistik 2. Jg. (1961), H. 2, S. 1-5.
- Über die Journalistik als Wissenschaft. In: Zeitschrift für Journalistik 3. Jg. (1962), H. 2, S. 43-49.
- Sozialistische Journalistik. Eine wissenschaftliche Einführung. Leipzig: Bibliographisches Institut 1966.
Hermann Budzislawski hat die Anfänge der akademischen Journalistenausbildung in der DDR entscheidend geprägt. Er wurde 1954 erster Dekan der Fakultät für Journalistik an der Universität Leipzig und war für viele seiner Studenten sowohl Respektsperson als auch kompetenter Ausbilder (vgl. Meyen 2017), zumal sein Fokus eher auf der journalistischen Ausbildung lag (und nicht so sehr auf wissenschaftlicher Forschung).
Budzislawski brachte drei Dinge mit, die ihn für eine Professur in Leipzig zum idealen Kandidaten machten: Er hatte in der Weimarer Republik promoviert (wenn auch in einem ganz anderen Fach, vgl. Schmidt 2017), Erfahrungen und Ruhm im bürgerlichen Journalismus gesammelt (Weltbühne, Neue Weltbühne, Dorothy Thompson) und sich dabei einen Ruf als überzeugter Linker erarbeitet. Zumindest die ersten beiden Punkte hoben ihn deutlich von den meisten Kollegen aus der ersten Generation von DDR-Journalistik-Professoren ab (vgl. Meyen/Wiedemann 2017) und erklären die sehr positiven Erinnerungen, die einstige Studenten selbst nach einem halben Jahrhundert noch hatten (vgl. Meyen 2015 sowie die Gegenposition in Klump 1991).
Der Name Hermann Budzislawski ist untrennbar mit dem Begriff der „Sozialistischen Journalistik“ verbunden. Das gleichnamige Buch von 1966 (erschienen im Jahr vor der Emeritierung) gilt als sein Hauptwerk (auch wenn es größtenteils von seinen Studenten verfasst wurde; vgl. Meyen 2017). Es zeichnet ein Bild des journalistischen Berufsverständnisses, das Budzislawski zeitlebens vertrat: ein Journalist, der pflichtbewusst und im Dienste der Wahrheit und des Volkes aktiv an der Verbesserung der Gesellschaft arbeitet (vgl. Budzislawski 1966). Im Westen wurde und wird ihm dagegen vorgeworfen, den Fachgegenstand eher über eine „willkürliche Aufzählung von Gegenständen bzw. Themen“ definiert zu haben (Weischenberg 2013: 32).
Auch in der DDR war Budzislawskis Position nicht unumstritten. Streitobjekt war dabei das Verhältnis zur Wahrheit (vgl. Poerschke 2010): Soll der Journalismus Realität spiegeln und dokumentieren oder in erster Linie den Interessen der führenden Partei dienen? Im Rückblick scheint dieser Konflikt wichtiger als die kurze Phase der beruflichen Unsicherheit, die Budzislawski wie viele Westemigranten in der DDR zu Beginn der 1950er-Jahre erleiden musste (vgl. ausführlich Meyen 2017, Schmidt 2017), oder als sein vorzeitiger Rückzug aus dem Amt des Dekans (vgl. Meyen 2017).
Literaturangaben
- Hermann Budzislawski: Sozialistische Journalistik. Leipzig: Bibliographisches Institut 1966.
- Brigitte Klump: Das rote Kloster. Als Zögling in der Kaderschmiede des Stasi. München: Herbig 1991.
- Michael Meyen: Journalistik in der DDR. Leipziger Biografien. Feature. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015.
- Michael Meyen: Studieren im Roten Kloster. Die Anfänge der Journalistenausbildung in der DDR. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2017.
- Michael Meyen/Thomas Wiedemann: Journalism Professors in the German Democratic Republic (GDR): A Collective Biography. In: International Journal of Communication 11. Jg. (2017), Feature, S. 1839-1856.
- Hans Poerschke: Journalistik als Bewusstseinsform. Zum Werdegang eines theoretischen Ansatzes. In: Kultursoziologie. Aspekte, Analysen, Argumente. Nr. 2/2010, S. 159-185.
- Siegfried Schmidt: Hermann Budzislawski und die Leipziger Journalistik. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2017.
- Siegfried Weischenberg: Journalistik: Theorie und Praxis aktueller Medienkommunikation. Band 1: Mediensysteme, Medienethik, Medieninstitutionen. Wiesbaden: Springer 2013.
Weiterführende Literatur
- Heinrich Bruhn: Hermann Budzislawski. Zu seinem sechzigsten Geburtstag. In: Zeitschrift für Journalistik 2. Jg. (1961), Heft 1, S. 1.
- Journalismus und Gesellschaft. Hermann Budzislawski zum 65. Geburtstag. Festschrift der Fakultät für Journalistik. Leipzig: Karl-Marx-Universität 1966.
- Erik Koenen (Hrsg.): Die Entdeckung der Kommunikationswissenschaft. 100 Jahre kommunikationswissenschaftliche Fachtradition in Leipzig: Von der Zeitungskunde zur Kommunikations- und Medienwissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2016.
- Winfried B. Lerg: Hermann Budzislawski (1901-1978). Eine biografische Miszelle zur Exilpublizistik. In: Publizistik 23. Jg. (1978), S. 106-113.
- Toralf Teuber: Ein Stratege im Exil. Hermann Budzislawski und „Die neue Weltbühne“. Frankfurt/Main: Peter Lang 2004.
Empfohlene Zitierweise
Gabriel Wonn: Hermann Budzislawski. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2018. http://blexkom.halemverlag.de/hermann-budzislawski/ (Datum des Zugriffs).