Ein Beitrag von Michael Meyen
Eine Studentin aus Adelsberg
Ingeborg Schmidt war dabei, als es losging, im Herbst 1954 an der Fakultät für Journalistik. Sie kam direkt von der Schulbank aus Stollberg im Erzgebirge, auf halbem Wege zwischen Zwickau und Chemnitz, das seit 1953 Karl-Marx-Stadt hieß. Dort hatte sie für die Freie Presse geschrieben, das Regionalblatt der SED. Als Volkskorrespondentin. Über das, was in der Schule so los war. Einmal auch über einen Talsperrenwärter. Als ich Ingeborg Schmidt im Januar 2017 in Leipzig besuche, mehr als 60 Jahre später, weiß sie noch genau, wie das damals war (1). „Ich bin dort ganz naiv hingegangen, unangemeldet.“ Was haben die Lehrer gesagt? „Gar nichts. Es gab keine Resonanz. Auch sonst nicht.“ Zur Freien Presse war sie über ihren Freund gekommen, der vier Jahre älter war und schon auf dem Sprung zum Studium nach Leipzig. „Er hat mich mitgenommen, wenn er zur Anleitung der Volkskorrespondenten gegangen ist. Ich war vielleicht 15. Für mich war das keine Sensation. Ich bin gar nicht sicher, ob ich das zu Haus überhaupt erzählt habe.“
Ingeborgs Vater war Lehrer, Jahrgang 1897. Im ersten Krieg schwer verwundet und im zweiten mit der letzten Reserve nach Stalingrad. „In der DDR galt er als Altlehrer und wurde erst 1953 wieder in einer Schule eingestellt. Zur Überbrückung hat er am Anfang als Knecht bei einem Bauern gearbeitet, für 50 Mark. Später war er dann in der Fettchemie. Er musste ja seine drei Kinder ernähren.“ Ingeborg ließ er gewähren. Als sie und ihre Schwester, die eine Schule für Kindergärtnerinnen besucht, 1950 zum Deutschlandtreffen nach Berlin wollen, klingelt der Pfarrer umsonst. „Mein Vater hat gesagt, das sind Erlebnisse, die nicht wiederkommen. Er hatte keine Aversionen gegen die DDR. Er wusste, dass ich empfindlich bin und politisch gläubig war. Wenn er etwas kritisiert hat, hat er immer gesagt: Ich will dir nicht wehtun.“
Wie kommt eine Achtklässlerin zu einem so „emotionalen politischen Bekenntnis“, dass sie unbedingt in die Hauptstadt möchte, damals kein Katzensprung, um dort gegen den Willen des Pfarrers für die DDR zu demonstrieren? Die Schule in Adelsberg, einem Stadtteil von Chemnitz, sagt Ingeborg Schmidt heute. „Ich hatte einen wunderbaren Direktor. Auch die Klassenlehrerin war ganz hervorragend. Sie war nicht viel älter als wir und gerade bei der Lehrerausbildung in Hellerau, als die Bomben auf Dresden fielen. Ihr Vater war Kommunist. Nie wieder Krieg, alles dagegen tun: Diese Einstellung ist hier gewachsen. In Adelsberg waren meine Schwester und ich mit die ersten FDJler.“ Für die Reise der beiden nach Berlin haben die Lehrer gesammelt.
Ingeborg Schmidt ist ein wenig jünger als die DDR-Bürger, die in der Literatur als Aufbaugeneration beschrieben werden – Menschen aus einfachen Verhältnissen, geboren meist in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren, die aus dem Krieg zurückkamen oder wenigstens in der Hitlerjugend waren und einen Neuanfang wollten, dafür zunächst in Antifa-Gruppen oder in der FDJ mitmachten, bald in eine der Parteien eintraten und im Osten eine Aufstiegschance bekamen, von der sie vorher nicht einmal geträumt haben dürften (vgl. Schüle/Ahbe/Gries 2006, Niethammer 1994, Langwagen 2016: 52-58). Den Wunsch, eine Gesellschaft ohne Faschismus und Krieg, gab es natürlich auch im anderen Teil Deutschlands, gerade für Kinder von Arbeitern und Angestellten aber muss das Angebot verlockend gewesen sein, das die DDR ihnen machte.
Dass Ingeborg Schmidt und ihre etwas älteren Genossinnen und Genossen diesen Staat bis zu seinem Ende trugen, war dabei fast zwangsläufig. Zwischen 1949 und 1961 verließen rund drei Millionen Menschen die DDR, vor allem junge, gut ausgebildete Männer. An allen Ecken und Enden fehlten qualifizierte Kräfte, zumal die Entnazifizierung das Gros der alten Eliten getroffen hatte. Hunderttausende Menschen aus der Aufbaugeneration qualifizierten sich in einem „kollektiven Bildungsroman“ für die entleerten Führungsetagen (Niethammer 1994). Heinz Halbach zum Beispiel, der 1951 zum Studium nach Leipzig kam, wurde schon ein Jahr später Hilfsassistent und Seminarleiter, musste gleich nach seinem Abschluss eine Vorlesungsreihe anbieten und kurz darauf das Fernstudium leiten (vgl. Halbach 2017). Diese Erfahrung war für die nächsten Generationen nicht wiederholbar, da die neuen Eliten wie eine „Bleiplatte“ auf der Gesellschaft lagen (Vester 1995: 29). Halbach war 1989 immer noch da, Ende 50 jetzt, Professor für Theorie und Methodik des sozialistischen Fachjournalismus. Wenn die Aufstiegskanäle verschlossen sind, gärt es im Kessel. Folgerichtig flohen und demonstrierten vor allem die Hineingeborenen – die Kinder der Aufbaugeneration, zur Welt gekommen in den 1950er- und 1960er-Jahren, hineingewachsen in eine geschlossene Gesellschaft, je jünger, desto weniger berührt von den Ereignissen im Juni 1953 und im Sommer 1968 und deshalb desto eher in der Lage, der SED entweder die Stirn zu bieten oder das Land zu verlassen (vgl. Meyen/Fiedler 2011). Ingeborg Schmidt hat nach dem Studium zunächst für eine Dorfzeitung und eine Betriebszeitung gearbeitet, dann aber promoviert (an einer anderen Fakultät) und später als Dozentin an der Universität gelehrt.
Auf der Oberschule in Stollberg war das nicht abzusehen, trotz Stipendium (60 Mark), trotz guter Leistungen, die das Schulgeld wegfallen ließen, und obwohl der Direktor im Zuchthaus war und ebenfalls Kommunist. „Ich habe kein Wort Englisch und Französisch gesprochen. In Adelsberg hatten wir keine Sprachausbildung.“ Außerdem war das Geld immer knapp. „Übernachtung und Essen haben 45 Mark gekostet. Und die Klavierlehrerin fünf Mark die Stunde. Ich weiß noch, wie ich immer am Schaufenster gestanden und die Limonade angesehen habe. So etwas konnte ich mir nicht leisten.“ Ingeborg hat die Klavierstunde halbiert und ist immer schon in Chemnitz-Süd ausgestiegen und nach Adelsberg gelaufen, um zehn Pfennig zu sparen. In Stollberg gingen zwar viele Arbeiterkinder zur Schule, aber auch Kinder von Anwälten, Pfarrern, Fabrikanten. Ingeborg Schmidt erzählt von „den entsprechenden Zusammenstößen“ und von ihrem Eintritt in die SED. „Im Sommer 1952 hat die Parteigruppe jemanden geschickt und gefragt. Ich habe das als Anerkennung von Leuten empfunden, die mir wichtig waren.“
Der „Amerikaner“ in Leipzig
Ingeborg Schmidt spielt auch in dem Bestseller Das rote Kloster von Brigitte Klump mit, in dem Buch, das das Bild von der Leipziger Journalistenausbildung geprägt hat wie keine zweite Veröffentlichung. Klump kam aus einer Bauernfamilie in Glöwen, hatte ihr Abitur 1953 in Havelberg gemacht, ein Jahr in Berlin beim Wochenblatt Der Freie Bauer als Volontärin gearbeitet und war von dort zum Studium an die Leipziger Fakultät delegiert worden, obwohl sie eigentlich Kritikerin werden und Theaterwissenschaft studieren wollte. Ihren Vater beschreibt sie als überzeugten Genossenschaftsbauern, der sehr früh für die Kollektivierung der Landwirtschaft gewesen und deshalb auch LPG-Vorsitzender geworden sei. Beim Aufnahmegespräch im Presseverband habe sie das erste Mal Hermann Budzislawski gesehen, den Dekan der Fakultät für Journalistik. „Ein Mann mit einem Gesicht aus Stein. Einen Querbinder um den Hals.“ Budzislawski habe gefragt, worin sie die Aufgabe der Zeitung sehe, und erwartet, „das hat er mir später erzählt, ich würde mit den Leninschen Begriffen operieren, die Zeitung habe kollektiver Agitator, Propagandist und Agitator zu sein, Sprachrohr der Partei“. Da ihr „die Pressetheorie“ nicht „geläufig“ gewesen sei, habe sie kurz überlegt und dann berichtet, wie die Bauern Zeitungen nutzen. Als Brotpapier, auf dem stillen Örtchen. „Alles lachte“, und Brigitte Klump hatte ihren Studienplatz (Klump 1993: 27, 35f.).
Wie das so ist mit solchen Erinnerungen: Die anderen Beteiligten sind längst tot. Hermann Budzislawski wusste bei diesem Gespräch im Sommer 1954 vielleicht noch nicht einmal, dass er wenig später erster Dekan der neuen Fakultät werden würde. Franz Knipping, seit 1951 Student am Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaft in Leipzig, ab 1954 wissenschaftlicher Assistent und dann 1965 selbst Dekan, hat in einem biografischen Interview kurz vor seinem Tod erzählt, dass ein anderer Professor (Wilhelm Eildermann) damals „schon seine Antrittsrede als Dekan vorbereitet“ hatte. „Die lag fix und fertig in seinem Schreibtisch. Plötzlich wurde entschieden, den Amerikaner an die Spitze zu stellen. So nannte man Budzislawski damals. Das war für alle total überraschend“ (Knipping 2017).
Eildermann oder Budzislawski: Im Rückblick ist das eigentlich keine Frage. Der „Amerikaner“, Jahrgang 1901, brachte nicht nur einen Doktortitel mit (erworben 1923 in Tübingen), sondern die Aura eines berühmten und weitgereisten Journalisten. Er hatte für Ossietzkys Weltbühne geschrieben, im Exil die Neue Weltbühne geleitet und dann in den USA Karriere gemacht (vgl. Schmidt 2017). Seine Rückkehr in den Osten Deutschlands war für die SED eine Prestigefrage. Budzislawski habe „als antifaschistischer Publizist einen großen Namen“, schrieb Willi Lehmann, Personalchef der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, am 22. April 1948 in seiner Berufungsempfehlung. In der Emigration seiner Gesinnung treu geblieben, einer „der ganz wenigen fortschrittlichen Spezialisten für internationales Pressewesen, die für die Besetzung eines Lehrstuhls an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät in Frage kommen“ (2). Friedrich Behrens, in Leipzig Dekan dieser Fakultät, hatte in seinem Antrag an das sächsische Volksbildungsministerium am 12. Februar 1948 auch auf die Konkurrenz verwiesen. Budzislawski würden zwei weitere Angebote vorliegen – aus Berlin „und von einer anderen deutschen Universität“ (3).
Der Umworbene wusste um seinen Wert. Ernst Bloch und Julius Lips: Das war die Liga, in der Budzislawski spielte. Das Trio bekam ein „Sondergehalt für Rückkehrer“ (damals 13.600 Mark im Jahr) (4), und als Budzislawski im Herbst 1948 tatsächlich als Erster der drei neuen Stars aus den USA in Leipzig eintraf, schaffte er es mit diesem Argument, die Miete für das „sehr schöne“ Haus in der Lenaustraße in Eutritzsch von 300 auf 200 Mark im Monat zu senken (5). Aus dem Journalisten wurde trotzdem kein Akademiker. Er hielt zwar Vorlesungen (zunächst über die „Geschichte der öffentlichen Meinung in Europa“ und die „Technik des Journalismus“), bot Seminare und Übungen an und baute das (noch sehr kleine) Institut für Publizistik auf, zu dem im Herbst 1949 ein Assistent (Hans Meergans) und eine Sekretärin gehörten, machte aber zugleich das weiter, was er am besten konnte. Sein Radiokommentar, ausgestrahlt an jedem Donnerstag, sei „der meistgehörte“ im Leipziger Sender, schrieb er im November 1949 an Helmut Holtzhauer, Minister für Volksbildung in Dresden, um den Wunsch nach einem Dienstwagen zu untermauern. Außerdem in der Waagschale: die vielen „Vorträge und Ansprachen“ sowie die Provisorische Volkskammer, wo Budzislawski seit 7. Oktober 1949 Abgeordneter war und, glaubt man seinem Selbstzeugnis, „mehr oder weniger“ die Kulturbund-Fraktion leitete (6). Vorsitzender war nominell Klaus Gysi.
Das Auto hat Hermann Budzislawski bis zum Ende nicht bekommen. Im Universitätsarchiv Leipzig füllt der Schriftwechsel in Sachen Kfz eine ganze Akte. Ein Dokument der Schwierigkeiten, die ein Mann der alten Schule, mit viel Tamtam in die DDR geholt, mit den neuen Verhältnissen hat. Es geht ihm keineswegs nur um die Fahrten nach Berlin, zu den Sitzungen im Verband der Journalisten der DDR, im FDGB-Bundesvorstand oder in der Volkskammer, wo er ab 1958 wieder Abgeordneter ist (jetzt in der FDGB-Fraktion). Budzislawski will morgens zur Universität gebracht werden und zur Mittagsruhe wieder nach Hause. In der jungen DDR sind nicht nur Autos, Fahrer und Benzin knapp, sondern auch das Verständnis für Allüren, mit denen man doch aufräumen will im Sozialismus. Die Universitätsverwaltung jedenfalls wehrt sich, auch weil sie weiß, dass sie anderen schlecht abschlagen kann, was sie dem einen erlaubt. Man erschwert den Weg zur Fahrbereitschaft, lässt den Wagen zu spät kommen, verweist auf die üppige Besoldung des Professors, stellt Rechnungen zum Taxipreis. Weil Budzislawski nicht zahlt, wird ihm der ausstehende Betrag im August 1959 schließlich vom Gehalt abgezogen. Für die Universität war die Angelegenheit damit erledigt (7), und der Dekan der Fakultät für Journalistik ließ sich von der Leipziger Volkszeitung fahren (vgl. Röhr 2015). Sein Einzelvertrag mit dem Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen, unterschrieben am 3. August 1961 und rückwirkend gültig ab 1. April, nennt ein Monatsgehalt von 4000 Mark (der DDR-Durchschnitt lag damals bei knapp 600) sowie eine Zulage für die Institutsleitung (750 Mark im Jahr). Außerdem wird versprochen, dass Budzislawski „bei der Erlangung eines angemessenen Wohnraums in jeder Weise unterstützt wird“ (8).
Ingeborg Schmidt hätte sicher nichts dagegen gehabt, wenn sie damals gefragt worden wäre. „Vor Budzislawski hatten wir alle Respekt“, sagt sie heute. „Wir waren stolz, dass wir ihn bei uns hatten. Er hat jede Woche zwei Stunden Vorlesung gehalten, zwei Jahre lang. Es gab zwei Hörsäle. Das waren eigentlich Gesellschaftsräume. Vorne hatten sie ein Podest aufgebaut. Er marschierte dort oben entlang. Er trug ja immer eine Fliege und stand selten still.“ Und die anderen Professoren? „Heinrich Bruhn und Wilhelm Eildermann waren verdiente Genossen, die man unterbringen musste. Ich habe dort kein Wort gelernt, aber ich schimpfe heute auch nicht darüber.“ Die Aufbaugeneration brauchte die alten Kämpfer (die „misstrauischen Patriarchen“) als „politische Ersatzväter“ (Schüle 2002, Schüle et al. 2006). Die Kommunisten, die oft schon in der Weimarer Republik und dann vor allem in der Zeit des Dritten Reiches gegen den Faschismus gekämpft und persönliche Opfer wie Gefangenschaft oder Exil gebracht hatten, waren auch deshalb über jeden Zweifel erhaben, weil viele der Jungen selbst irgendwie ‚mitgemacht‘ hatten und erst durch den Eintritt in die FDJ auf die Seite des Siegers gekommen waren.
Zu Bruhn und Eildermann gleich mehr. In Sachen Budzislawski liegen die Zeitzeugen nicht weit auseinander (vgl. Meyen/Wiedemann 2016: 226-227). Heinz Halbach, Jahrgang 1930, kurz vor Kriegsende als Hitlerjunge in Prag in den Volkssturm verpflichtet, kannte ihn schon aus dem Radio, als er sich noch um junge Landarbeiter kümmerte. „Ich hörte seine geschliffene Redeweise. Aber vor allen Dingen imponierten mir seine Argumente. Das las man woanders so nicht. Etwas völlig Eigenes. Als ich hörte, dass er bei den Publizisten unterrichtet, habe ich mich gefreut, bei ihm studieren zu dürfen“ (Halbach 2017). Respekt und Stolz (Ingeborg Schmidt), das ja. Teilweise sogar Verehrung wie bei Karl-Heinz Röhr, der 1956 bis 1960 Journalistik studierte und dann als „eine Art Adjutant“ von Budzislawski an der Fakultät einstieg. „Budzislawski ist die Brücke vom klassischen Akademiker zum Publizistik-Lehrer. Belesen, analytisch, kreativ, anregend, mehrsprachig.“ Röhr erinnert sich mit Nachsicht an das Häuschen, das Auto und andere Privilegien wie „die ganzen Westzeitungen, die er intensiv las“, gelernt aber hat er von seinem Professor etwas genuin Journalistisches: „redigieren“ (Röhr 2015). Als wissenschaftliches Vorbild fiel Budzislawski schon deshalb aus, weil er selbst kaum noch wissenschaftlich arbeitete. Das Buch Sozialistische Journalistik, 1966 unter seinem Namen erschienen, war eher ein Werk seiner Mitarbeiter. Karl-Heinz Röhr, der im Vorwort auch entsprechend gewürdigt wird (Budzislawski 1966: 10): „Da ist nur wenig auf seinem eigenen Mist gewachsen. Wir mussten vorarbeiten. Er hat das dann in der Luft zerrissen, etwas diktiert und auch geschrieben. Am Ende stand ein Budzislawski. Er konnte formulieren, jenseits vom Funktionärsdeutsch“ (Röhr 2015).
Dass Budzislawski von Brigitte Klump im Sommer 1954 Lenins Presseformel hören wollte, passt nicht zu dem, was sonst von ihm überliefert ist. Hans Poerschke, 1983 bis 1990 selbst Journalistik-Professor in Leipzig, hat die beiden Fronten herausgearbeitet, die sich am Vorläuferinstitut der Fakultät schon 1952 gegenüberstanden: auf der einen Seite verdiente KPD-Kämpfer wie Wilhelm Eildermann, die die Presse ganz im Sinne der „Lenin-Stalinschen Lehre“ ausschließlich als Instrument der Partei sahen, und auf der anderen Budzislawski, Dietrich Schmidt und (später) Willy Walther, für die Zeitungen mehr waren als politische Institutionen – verwandt mit der Literatur und Kinder der modernen Gesellschaft (Poerschke 2010: 159f.).
Kampfinstrument der Partei vs. Spiegel der Realität: Das ist die Formel, auf die Hans Poerschke diesen Konflikt verdichtet hat. Schiedsrichter habe nach dem 13. August 1961 die Universitätsparteileitung gespielt, in Versammlungen zum Skandal um das Studentenkabarett Rat der Spötter, in denen die „bedingungslose Unterwerfung unter die Medienpolitik der Parteiführung“ gefordert worden sei (Poerschke 2010: 176; vgl. Röhl 2002). Informationen unterdrücken, Informationen so zurechtbiegen, dass sie den eigenen Interessen dienen, eine Welt erfinden, die die eigenen Bürger für den Sozialismus begeistern soll und dem Westen keinen Angriffspunkt bietet (vgl. Fiedler 2014): Mit Budzislawskis Widerspiegelungs-Theorie hatte das nichts zu tun. Als der Dekan 1957 aufgefordert wird, ein Konzept für die Leipziger Volkszeitung vorzulegen, empfiehlt er, sich an Welt und FAZ zu orientieren, und plädiert dafür, dass der Chefredakteur oder andere profilierte Schreiber im Blatt ihre eigene Meinung vertreten – im Zweifel jenseits der Vorgaben der Parteispitze (Schlimper 2000: 367). Dies erklärt, warum er sich im November 1962, schon nicht mehr Dekan, sofort bei Horst Sindermann, Leiter der Abteilung Agitation im ZK der SED, beschwert, als die LVZ einen seiner Beiträge ablehnt, „weil er nicht 100 %ig den zentralen Weisungen und der Auffassung entspricht, dass die Spiegel-Affäre ihren Ausgang in unseren Maßnahmen vom 13. August 1961 und in der westdeutschen Notstandsgesetzgebung findet“ (9).
Die Erfolgsgeschichte dieses „Amerikaners“ in Leipzig hat noch einen anderen dicken Schönheitsfleck – wie die Geschichte vieler Emigranten, die nach Kriegsende aus dem Westen (aus den USA, aus Frankreich, aus Großbritannien) in den Osten Deutschlands gingen. Schon im August 1949, nicht einmal ein Jahr nach Budzislawskis Ankunft in Leipzig, bekommt Willi Lehmann in der Deutschen Verwaltung für Volksbildung ein eher zurückhaltendes Zeugnis aus der Universität. Budzislawski sei zwar in die Partei eingetreten, „eine besondere Beteiligung an der Betriebsgruppenarbeit war jedoch nicht festzustellen“, schreibt Ernst Eichler, der seit Oktober 1948 „Kurator“ ist, eine Art politischer Aufpasser für die Unispitze. Eichler war 1927 in die KPD eingetreten und ab 1946 für die Entnazifizierung des Schulwesens in Leipzig zuständig. 1950 wird er an der Universität Professor für Pädagogik, ohne dafür akademisch ausgewiesen zu sein. Über Budzislawski schreibt dieser Kurator Ende 1949 weiter: „Ein klares Urteil kann weder in politischer noch in wissenschaftlicher Hinsicht über ihn abgegeben werden“ (10). Auch die erste Zwischenbilanz, die Albert Norden, Leiter der Hauptabteilung Presse im Amt für Information, im Januar 1950 vorgelegt wird, klingt eher ernüchternd. Nur zehn Absolventen im Sommer 1949, die Prüfungen „nicht voll befriedigend“. Für den Herbst 1950 erwarte man zwar 30 Absolventen, aber die „Verbindung der Institutsarbeit zur demokratischen Presse ist Budzislawski noch nicht gelungen“ (11).
Sonderlich überrascht gewesen sein dürfte der „Amerikaner“ folglich nicht, als ihm am 22. November 1950 mitgeteilt wird, das ZK der SED habe beschlossen, das Institut für Publizistik ohne ihn umzugestalten. Hinter Budzislawski liegt ein Kampf gegen Windmühlen. „Ich hatte meine Berufung nach Leipzig als einen Auftrag angesehen, mich zu einem großen Maße um die Ausbildung praktischer Publizisten zu kümmern, da ich selbst ja aus der Praxis komme“, schreibt er am 13. April 1950 an die Abteilung Hochschulwesen im Ministerium für Volksbildung in Berlin. Nur: Es fehle an Personal und vor allem an Orientierung. Kein Signal von Albert Norden, den Budzislawski aus den USA kennt, und keins von Hermann Axen, noch ein Westemigrant, seit 1949 Abteilungsleiter für Massenagitation im Parteivorstand. Budzislawski spricht mit Gerhart Eisler, Georg Stibi, Hans Mahle, Kurt Heiß (12). Das Who‘s Who der neuen Medienwelt im Osten Berlins. Er entwirft eine Studien- und Prüfungsordnung (13) und schickt dieses Papier am 16. Juni 1950 auch an Paul Wandel, den Minister für Volksbildung, als der Parteivorstand wochenlang nicht reagiert (14). Alles vergeblich, obwohl Budzislawski auf die Erfahrungen verweist, die die Sowjetunion mit der Journalistenausbildung gemacht hat, und sogar anbietet, sich „mehr auf das Gebiet der Theorie zurückzuziehen“ (15). Er darf zwar seinen Titel behalten, weiter im Radio sprechen und darauf hoffen, irgendwann auch wieder vor Studenten zu stehen, sein Institut aber wird Ende 1950 geschlossen.
Eine Sternschnuppe an der Universität
Als Hermann Budzislawski im Sommer 1954 die Bewerberin Brigitte Klump interviewt und wenig später auch Ingeborg Schmidt an der Universität begrüßt, haben der „Amerikaner“ und die Leipziger Journalistenausbildung dreieinhalb turbulente Jahre hinter sich. Vom 27. bis 29. November 1950 überprüft eine Kommission aus Berlin alle Studenten. Im Hintergrund schon aktiv: Eduard Schulz, der eine Sternschnuppenkarriere hinlegt, wie sie nur in Zeiten radikaler Machtwechsel möglich ist und so vielleicht auch nur in den Babytagen der DDR. In den Akten taucht dieser Schulz das erste Mal am 20. November 1950 auf – in einem Schreiben an das Ministerium, das den Briefkopf der Friedenspost trägt, der Wochenzeitung der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, wo Schulz seit 1949 Redakteur ist. Kein Zweifel: Hier spricht der neue starke Mann in Leipzig. Budzislawski? Solle den Betrieb noch fortführen, bis das Ministerium sein Institut schließt, und künftig über die „Geschichte der Presse in den kapitalistischen Ländern“ sprechen. „Weitere Vorlesungen kommen für ihn, soweit wir sehen, nicht in Frage.“ Schulz selbst kündigt Vorlesungen über die „Geschichte der sowjetischen und der volksdemokratischen Presse“ an, fordert eine „Dozentur für Praktische Journalistik und Zeitungswissenschaft“ und erwähnt beiläufig, dass Hermann Axen dafür Georg Krausz vorgeschlagen habe, seit Oktober Redakteur beim Neuen Deutschland und vorher im Parteiapparat (16). Krausz, später Vorsitzender des Journalistenverbandes, war dann an der Universität immer präsent (über Gastvorträge und Veröffentlichungen) und bekommt im Oktober 1959 zum zehnten DDR-Geburtstag von der Fakultät den Ehrendoktor (17).
Wie viele Studenten die Überprüfung Ende 1950 überstehen, sagen die Unterlagen nicht zweifelsfrei. Als Eduard Schulz im November seinen Brief schreibt, sollen 101 eingeschrieben gewesen sein, davon 55 Erstsemester (18). In einer Anweisung des Ministers für Volksbildung vom 8. Januar 1951 ist dann von 80 die Rede (19). Das stimmt in etwa mit den Zahlen überein, die das neue Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaft Anfang 1952 vorlegt (78 übernommen, elf exmatrikuliert). An den ersten Budzislawski-Studenten und an ihrem Professor lässt dieser Bericht kein gutes Haar. „Bürgerliche und kleinbürgerliche Elemente“ seien das gewesen. Berufsziel: unklar, Vorlesungsbesuch: zufällig. „Was den Studenten in diesen Vorlesungen dargeboten wurde, war zumindest unmarxistisch. Grundlage bildeten die Methoden der Schools of Journalism. Es wurde versucht, diese ‚Theorien‘ auf unsere Aufgaben und Verhältnisse anzuwenden.“ Namentlich genannt wird zum Beispiel Carl N. Warren, der 1934 ein Buch über Nachrichtenfaktoren vorgelegt hatte (vgl. Warren 1934) (20).
Eduard Schulz ist da schon wieder Geschichte. Wer war dieser Mann, der zum 8. Dezember 1950 als Professor ernannt wird, Ende Februar 1951 noch vehement fordert, dass weder Hermann Budzislawski noch Gerhard Menz, immerhin seit 1922 Hochschuldozent und von 1946 bis 1949 Leiter eines „Instituts für Publizistik“ an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, Abschlussexamen oder gar Promotionen in Publizistik und Zeitungswissenschaft abnehmen (21), und im ersten Halbjahr 1951 etliche prominente Gastredner an die Universität holt, dann aber zum 30. Juni fristlos entlassen und fortan in der hausinternen Geschichtsschreibung mit einem Mantel des Schweigens verhüllt wurde? In dem Fragebogen, den Schulz am 6. Dezember 1950 ausfüllt, erwähnt er eine Promotion von 1940. Das Bild des Tanzes in der christlichen Mystik (Schulz 1941), wie so viele Kriegsdissertationen nicht veröffentlicht. Er kreuzt keine der NS-Organisationen an, erwähnt aber im Lebenslauf Probleme während des Studiums, „da ich den Nachweis der ‚arischen Abstammung‘ nicht erbringen konnte“. Weiter im Text: Kriegsdienst ab Mai 1940, Ostfront, EK II. Im März 1944 Gefangenschaft, Antifa-Schule, ab Anfang 1945 Sender Freies Deutschland, Antifa-Lehrer. Am 1. September 1949 schließlich Redakteur im Verlag Kultur und Fortschritt, wo sowjetische Bücher übersetzt werden und auch die Friedenspost erscheint. Ein Mann, der alles mitzubringen scheint, was die neue Zeit verlangt: akademische Weihen, Wissen aus dem gelobten Land, erworben auf einem langen Weg der Läuterung, Praxiserfahrung. Privat: geschieden und Vater von zwei Kindern. Die Ex im Westen, jetzt aber zum zweiten Mal verheiratet (mit einer ehemaligen Sekretärin der Friedenspost) und erneut in guter Hoffnung (22).
Diese Details sind wichtig, weil es dann in Leipzig um das Intimleben des neuen Professors gehen wird. Die Vorwürfe sind für die Zeitgenossen so unglaublich, dass sie in ihren Briefen und bei offiziellen Anlässen allenfalls Andeutungen wagen. In Leipzig seien „Gerüchte im Umlauf“, die „die Person des Professors Eduard Schulz zum Gegenstand hätten“, sagt Erwin Jacobi, Dekan der Juristenfakultät, am 9. Juni 1951 im Senat. Rektor Georg Mayer schreibt anderthalb Wochen später an Gerhard Harig, den zuständigen Staatssekretär, dass diese Gerüchte geeignet seien, „das Ansehen der Universität Leipzig in der Öffentlichkeit zu schädigen“. In Berlin wisse man ja Bescheid, und die Staatsanwaltschaft sei bereits aktiv (23). Hermann Budzislawski hat den Staatssekretär schon am 14. Mai wissen lassen, dass er „Dinge“ über Schulz erfahren habe, die „eine Zusammenarbeit ausschließen“ würden. „Ich will sie nicht brieflich darlegen; aber sie sind moralischer Art, sehr gravierend, und machen einen Menschen, der damit sogar von feindlicher Seite unter Druck gesetzt werden könnte, zu einem labilen, unsicheren, unzuverlässigen und unsauberen Charakter“. Anlass dieses Briefes ist die Situation des „Amerikaners“. Das Gehalt kommt zwar nach wie vor, „aber meine Professur schwebt im luftleeren Raum“. Er wisse nicht, ob er im Sommersemester, das längst begonnen hat, überhaupt lese und was er dann vorbereiten oder ankündigen solle (24). Zwei Monate später, als Budzislawski erneut an Gerhard Harig schreibt, hat sich an seiner Lage nichts geändert. Er war aber inzwischen bei Fred Oelßner, Sekretär für Propaganda im ZK, und vermutet, dass seine Angelegenheit „mit der Erledigung der Affäre Eduard Schulz“ zusammenhängt. Oelßner habe ihm am 25. Juni bestätigt, „dass im vorigen Herbst“ an der Leipziger Universität „Dinge geschehen seien, die falsch waren“, dass die Partei ihn weiter als akademischen Lehrer sehe und dass „eine Neuordnung der Institutsangelegenheiten unmittelbar“ bevorstehe. „Also warum nicht mit mir Fühlung aufnehmen, bevor endgültige Anordnungen getroffen werden“ (25).
Ganz so kurz, wie Budzislawski hier in seinem Urlaubsort Ahrenshoop offenbar hofft, waren die Wege der Begnadigung in der SED dann doch nicht, nicht einmal für jemanden wie ihn, der direkten Zugang zu den innersten Zirkeln der Macht hatte. Die „Neuordnung“ wird am Ende dieses heißen Sommers Wilhelm Eildermann anvertraut, einem der beiden Professoren, bei denen Ingeborg Schmidt „kein Wort gelernt“ hat. Der andere, Heinrich Bruhn, ist schon seit Februar 1951 Professor und wird das bis zum 1. Januar 1977 bleiben. Mit der Universität hatten beide vorher nichts zu tun.
Bruhn, 1913 als Sohn eines Tischlers und einer Arbeiterin in Holstein geboren und damit einer der jüngsten „misstrauischen Patriarchen“ im Generationengefüge der DDR (vgl. Schüle/Ahbe/Gries 2006), hat früh Kontakt zur Arbeiterbewegung, wächst über den Jungspartakus und den Jugendverband in die KPD hinein und wird 1936 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu zweieinhalb Jahren verurteilt. Abgesessen unter anderem im KZ Fuhlsbüttel, mit Frau und Mutter. 1939 eingezogen und Anfang 1945 von den US-Amerikanern gefangen genommen. Nach der Freilassung im Mai wird Heinrich Bruhn zunächst Polizist in den Mansfeld-Betrieben, dann Funktionär (Sekretär im SED-Kreisvorstand Hettstedt) und 1948 schließlich Redakteur bei der Tageszeitung Freiheit. Genau wie bei Eduard Schulz geht plötzlich alles sehr schnell: 1949 zur Landesparteischule delegiert, gleich als Lehrer dabehalten, im Juni 1950 Leiter der Nachwuchsschule für Redakteure beim ZK der SED in Kleinmachnow, von dort nach einem einzigen Lehrgang an die Universität berufen, „mit vollem Lehrauftrag für das Fach ‚Geschichte der KPdSU (B)‘“. Auch der Einkommenssprung ist gewaltig: von 720 Mark in Kleinmachnow auf 2800 in Leipzig. Ein Blick in Bruhns Personalakte zeigt, dass diese Entscheidung Hals über Kopf fiel. Als die Universität das Staatssekretariat in Berlin am 1. März 1951 um eine Berufung zum 1. Februar bittet (also rückwirkend), liegen in Leipzig noch nicht einmal die Personalunterlagen vor (26).
Ob Heinrich Bruhn diese Blitzkarriere genießen konnte? Mit dem „Fall Schulz“ im Nacken (der gleich aufgelöst wird) und später dann mit Studentinnen wie Ingeborg Schmidt oder Brigitte Klump, die sehr genau registrierten, dass er keinen Doktortitel führte? „Ich habe mir meine Professur nicht erschlichen“, sagt Bruhn bei Brigitte Klump (1991: 59) in einem persönlichen Gespräch mit der Studentin, vermutlich noch in ihrem ersten Studienjahr, 1954/55. „Ich habe sie für Verdienste in der Arbeiterbewegung bekommen.“ In den Akten bittet Bruhn im Frühjahr 1955, zur Kasernierten Volkspolizei gehen zu dürfen. Kaderinstrukteur Schöne schreibt, der Professor habe „große Schwierigkeiten, den Anforderungen der Universität gerecht zu werden“. Seine „umfangreiche politisch wichtige Tätigkeit“ mache es ihm schwer, „sich wissenschaftliche Arbeitsmethoden und Kenntnisse anzueignen“ (27). Bruhn ist seit Oktober 1954 Abgeordneter der Volkskammer, in der Fraktion des FDGB, wie eine Wahlperiode später Budzislawski. Die Partei braucht Bruhn aber an der Universität und delegiert ihn 1956 an die Parteihochschule nach Moskau, wo er 1959 ein Diplom als Gesellschaftswissenschaftler bekommt. Das ist noch keine Promotion, aber auch nicht mehr der „Professor ohne Abitur“, bei dem Brigitte Klump (1991: 59) und Ingeborg Schmidt studiert haben.
Auch Wilhelm Eildermann, 1897 in Bremen geboren, die Eltern Tabakarbeiter und Hausfrau, bringt kein Abitur mit nach Leipzig, dafür aber jahrzehntelange Praxiserfahrung. Schon mit 15 Volontär bei der Bremer Bürger-Zeitung, arbeitet er in den 1920ern bei zahlreichen KPD-Blättern, wird 1929 Chefredakteur der Tribüne in Magdeburg und wenig später zu 21 Monaten Festungshaft verurteilt. Ein „Wanderredner“ (der alte Eildermann 1977 über den jungen), gestählt durch Illegalität, Gefangenschaft und Flucht, die ihn 1944 in die Redaktion der Zeitung Freies Deutschland nach Moskau führt und schließlich in die Antifa-Schulen. Dass dieser Mann nach seiner Rückkehr in den Osten Berlins den Pressedienst der SED-Führung leitet, passt in seinen Lebenslauf. Die Professur in Leipzig tut das nicht.
Die Partei schickt Wilhelm Eildermann im Spätsommer 1951 an die Universität, weil die Sternschnuppe Eduard Schulz viel zu schnell verglüht. Der Spiegel findet den einstigen Professor 1960 in einem Obdachlosenasyl im Westberliner Stadtteil Schmargendorf, auf der Suche nach einem Mann, der Martin Niemöller als Nationalsozialisten und Judenfeind verunglimpft hat. Dass Schulz am 30. Juni 1951 aus der DDR geflohen ist, lag dem Nachrichtenmagazin zufolge an einem „Konflikt“ mit der Leipziger Kripo, „die ihm gewaltsamen Umgang mit seiner minderjährigen Hausangestellten“ vorgeworfen habe (18. Mai 1960, S. 16). Auf Deutsch: „Vergewaltigungsvorwürfe“ (Schemmert/Siemens 2013: 210). Für diese Version spricht ein Schreiben des Berliner Staatssekretariats an das Leipziger Rektorat vom 27. Juni 1951, das die fristlose Kündigung von Schulz zum 30. Juni 1951 mitteilt, „aufgrund der auch Ihnen bekannten Vorfälle“ (28). Der Fall hat noch zwei Nachspiele. Ende August sucht der Rat der Stadt in der Universität nach Schulz, weil seine Wohnung leer steht. Eine Aktennotiz für den Rektor spricht im Dezember von 1407,66 Mark Schulden. Und im Februar 1952 fragt die Berliner Volkseigene Wohnungsverwaltung das Leipziger Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaft nach Schulz, weil er gut ein Jahr zuvor auch die Hauptstadt „unter Hinterlassung eines nicht unerheblichen Mietrückstandes“ verlassen habe (29).
Die verspätete Fakultät am Katzentisch der Universität
Der Fehlgriff Eduard Schulz hat Folgen, die über die Berufung des Feuerwehrmanns Wilhelm Eildermann hinausgehen. Die Pläne, das Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaft zu einer Fakultät oder gar zu einer selbstständigen Hochschule auszubauen, müssen von einem Tag auf den anderen auf Eis gelegt werden. Am 2. Mai 1951 treffen sich Heinrich Bruhn und Eduard Schulz in Leipzig mit Vertretern der Universität, des Ministeriums und der Abteilungen Agitation und Propaganda im ZK der SED, um die Zukunft der Journalistenausbildung in der DDR abzustecken. Ergebnis: Personal, Geld und Zeit reichen im Moment noch nicht für eine ganz neue Einrichtung, die nur noch dem Amt für Information untersteht. Diese Idee wird Emil Dusiska anderthalb Jahrzehnte später aufnehmen und all sein soziales und symbolisches Kapital für einen Umzug nach Berlin einsetzen, fort aus der Universität, die dem Funktionär und Autodidakten Dusiska fremd bleibt, obwohl er hier Erfolge feiert und die Macht verkörpert. Der Umzugsplan scheitert, auch an Hans Modrow, der 1971 bis 1973 die Abteilung Agitation im ZK der SED leitet. Er habe Dusiska „dringend abgeraten“, sagt Modrow im Dezember 2009. „In einer Universität ist man nicht allein. Man braucht Philosophen oder die Historiker, und die Studenten haben einen richtigen Abschluss“ (Meyen/Fiedler 2011: 43).
Im Mai 1951 sind die Brötchen kleiner. Eine eigene Fakultät mit Internat in Leipzig. Frei sein von den akademischen Fesseln, die eine Philosophische Fakultät den angehenden Journalisten selbst in der sozialistischen DDR anlegt. Berufungen, Promotionen, Habilitationen: Warum die anderen Disziplinen mitreden lassen, wenn es doch um die Herolde des neuen Vaterlandes geht? Eine Zuordnung zur Philosophischen Fakultät werde „aus politischen Gründen für unzweckmäßig gehalten“, sagt die kleine Runde am 2. Mai 1951. Zwei Wochen später rudert Gerhard Harig, der Staatssekretär für Hochschulwesen, zurück. Handschriftlich notiert er auf dem Sitzungsprotokoll: „Angesichts der ungeklärten Lage in Leipzig (Prof. E. Schulz) ist die Umwandlung in eine Fakultät jetzt unmöglich“ (30).
Ziemlich genau drei Jahre später (am 14. Mai 1954) ist es dann doch so weit: Wilhelm Eildermann schreibt wieder an den Staatssekretär und beantragt die Gründung einer Fakultät für Journalistik. 1951 sei ein solcher Schritt noch nicht erwogen worden (eine glatte Lüge; auch Gerhard Harig muss es besser wissen), „weil die wissenschaftlichen Kader fehlten, weil über Umfang und Verlauf der Ausbildung noch nicht völlige Klarheit herrschte und weil man noch nicht übersehen konnte, ob das Institut die gestellten Aufgaben erfüllen würde“. Auch „die damalige Praxis in der Sowjetunion, wo die Institute für Journalistik den philologischen Fakultäten angegliedert waren“, habe dafür gesprochen, das Institut seinerzeit der Philosophischen Fakultät anzugliedern. Jetzt, drei Jahre später, sei aber klar, dass diese Konstellation „den Besonderheiten der Journalistik nicht gerecht werden konnte“. Eildermann verweist auf die sonst „nicht übliche Aufnahmeprüfung“, auf die „besondere Art der Werbung“, die durch diese Prüfung notwendig werde, auf die „praktische Ausbildung“, die „in einzelnen Fällen“ auch verlangt habe, „erfahrene Fachleute aus der Pressepraxis zu berufen, die nicht immer ein Universitätsstudium nachweisen können“, sowie auf die „besonders intensive politisch-moralische Erziehung, die unter anderem auch durch die Zusammenfassung der Studierenden in einem Internat begünstigt wird“ (31).
Der Antragsteller weiß, was er dem Zeitgeist schuldig ist. Die „einzelnen Fälle“, von denen Eildermann spricht, sind in Leipzig die Regel. Von den Professoren hat nur Wieland Herzfelde eine höhere Schule besucht. Von ihm wird gleich noch zu sprechen sein. Karl Jakobi, der ab September 1951 anderthalb Jahre „zeitgenössisches Pressewesen“ lehrt, kommt wie Bruhn und Eildermann aus der alten KPD. Er ist Chefredakteur der Landes-Zeitung in Schwerin, als ihn der Ruf der Universität ereilt, und wird im Mai 1953 vom Sekretariat des ZK der SED als Chefredakteur zur Volksstimme nach Magdeburg geschickt (32). Hedwig Voegt, seit Herbst 1953 Dozentin für Literaturgeschichte, hat bei der Telegraphen-Union gelernt, ist 1925 in die kommunistische Partei eingetreten und wurde von den Nationalsozialisten unter anderem im Zuchthaus Lübeck-Lauerhof und in Fuhlsbüttel eingesperrt. Im Februar 1954 trifft außerdem Wladimir Andrejewitsch Ruban aus Kiew ein und bringt, folgt man Wilhelm Eildermann, „die Erfahrungen der Sowjetwissenschaft nach Leipzig“ (33). Ruban bleibt bis Ende Juli 1956. Sein Thema ist die Geschichte der Presse daheim. „Eigentlich waren das keine akademisch ausgebildeten Lehrer“, sagt Heinz Halbach ein halbes Jahrhundert später. „Von systematischer Forschungsarbeit hatten alle keine Ahnung. Sie hatten Lebenserfahrung und waren politisch aktiv gewesen. Mehr nicht. Deshalb pickten sie aus dem Kreis der Studenten Leute heraus, von denen sie meinten, das könnten vielleicht mal Wissenschaftler werden. Alle Seminare wurden damals von Hilfsassistenten wie mir geleitet. Es gab einfach nicht so viele Assistenten“ (Halbach 2017).
Groß gefragt wurden die Auserwählten nicht. Heinz Halbach: „Im Juli 1954 lud Wilhelm Eildermann sieben, acht Leute aus unserem Studienjahr ein und sagte: Ihr arbeitet hier ab dem 1. September als Assistenten. Ich meldete mich sofort und erwiderte: Nein, ich bin dagegen. Ich fühle mich nicht geeignet. Eildermann sagte: Naja, aber die Abteilung Agitation des ZK hat euch bereits bestätigt.“ Aus der Traum, „etwas Vernünftiges“ (Halbach) zu machen, richtig studieren zum Beispiel oder für die Zeitung schreiben. „Später kamen Kommissionen, die mit jedem Absolventen geredet haben“, sagt Heinz Halbach. „1954 wurde überhaupt nicht gefragt. Du wirst da eingesetzt, Schluss.“ Halbach hat „fast jedes Jahr eine neue Funktion“. Pressegeschichte, Auslandspresse, Fernstudium (vgl. Halbach 2017). Seinen gleichaltrigen Kolleginnen und Kollegen geht es nicht anders. Eine akademische Karriere ist (noch) keine Option – weil man an die Universität gekommen ist, um sich auf den Journalismus vorzubereiten, weil schon das für Arbeiterkinder mehr ist, als sich ihre Familien hatten vorstellen können, weil es keine wissenschaftlichen Vorbilder gibt, an denen man sich orientieren kann. Journalistik made in Leipzig muss erst noch erfunden werden (vgl. Meyen/Wiedemann 2016).
Ein Mix aus Jungspunden, die mehr oder weniger freiwillig vor den Studenten stehen, und aus alten KPD-Kämpen, die die Universität als Professoren das erste Mal von innen sehen: Darunter leidet die Reputation der jungen Disziplin. Genau wie in der Bundesrepublik, wo renommierte Praktiker wie Walter Hagemann (Münster), Fritz Eberhard (FU Berlin), Hanns Braun und Otto B. Roegele (München) die Publizistik- und Zeitungswissenschaft aus dem Sumpf der NS-Verstrickung ziehen, aber erst 1968 die erste Habilitation feiern können (Kurt Koszyk an der FU), wird der Neuling aus der Medienwelt von den alteingesessenen Disziplinen auch in der DDR geschnitten. Die Parteileitung der Universität ist im Juli 1954 zwar für die Fakultätsgründung mit Promotionsrecht, nimmt aber die Bedenken ernst („keine habilitierten Professoren“) und fordert die Genossen auf, enger mit der Hochschulleitung und dem Staatssekretariat zusammenzuarbeiten, statt sich „wie bisher“ zu isolieren und „nur mit der Fachabteilung im ZK“ zu verkehren (34).
Das Promotionsrecht bekommt die Fakultät für Journalistik trotzdem erst 1960 (35). Vorher entscheidet das Staatssekretariat „von Fall zu Fall“. Begründung: zu wenig Promovierte, zu wenig Professoren im Wissenschaftlichen Rat der Fakultät (36). Auch die Partei kann nicht helfen, selbst Franz Dahlem nicht, Stellvertreter des Staatssekretärs und (wichtiger) nach seiner Rehabilitierung ab Februar 1957 Mitglied des ZK der SED. Die „Hochschultradition“, selbst in einer Diktatur des Proletariats nicht von heute auf morgen zu schleifen (37). Der Plan für eine Journalistik-Hochschule in Berlin, den Emil Dusiska in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre entwickelt, wird ausdrücklich das Promotionsrecht vorsehen (38). Wenn schon selbstständig, dann richtig.
Auch Berufungen wären an dieser Dusiska-Hochschule leichter durchzusetzen gewesen als an der Leipziger Universität. Während die anderen Disziplinen auch in der DDR spätestens ab Mitte der 1950er-Jahre die Dreierlisten an das Ministerium schicken, die man aus anderen deutschen Staaten kennt (39), hat die Journalistik in aller Regel nur einen Kandidaten – und der erfüllt die üblichen Standards eigentlich nicht. Um die Personalnot nur mit einem Beispiel zu illustrieren: Als Hermann Budzislawski dem Rektor am 11. August 1959 vorschlägt, Arnold Hoffmann mit der Wahrnehmung einer Dozentur für Bildjournalistik zu beauftragen, muss er regelrecht betteln, denn der Kandidat hat gerade erst sein Diplom bekommen, im Fernstudium, als Chefredakteur der Illustrierten DDR. Ein „neues Gebiet“, schreibt Budzislawski. Folglich kaum „Fachleute“, schon gar nicht „mit entsprechender akademischer Laufbahn“. Man müsse deshalb „sehr oft auf erprobte Kräfte der Praxis zurückgreifen, um erst einmal das Fundament zu legen“. Zum Glück habe das ZK nun eine solche Kraft empfohlen (der Wink mit der Macht), und der Rektor möge schnell entscheiden, da Hoffmann „sonst anderweitig verwendet wird“. Gute Leute mit der richtigen Einstellung und einer reinen Vita sind auch im zehnten Jahr der DDR Mangelware. Budzislawskis Angebot: Arnold Hoffmann werde in zwei Jahren einen Doktortitel haben (40). Dass das dann dreieinhalb Jahre dauert, ist kein Makel, sondern bei acht Jahren Durchschnitt vom Studienabschluss bis zur Promotion (so eine Zwischenbilanz von 1965) fast ein Sprint (41). Egal ob Professur oder Dozentur: Das Problem der formalen Qualifikation bleibt den Leipziger Journalistenausbildern erhalten. 15 Jahre später wird im Dreieck Universität-Ministerium-Partei nicht mehr über die Promotion diskutiert, sondern über fehlende Habilitationen (42).
1951 ist der Graben deutlich tiefer. „Sehr reserviert, wenn nicht gar ablehnend“ habe der „Lehrkörper“ der Universität auf die Berufung von Wilhelm Eildermann reagiert, heißt es in einem Bericht, den Staatssekretär Harig über die Eröffnung des Instituts für Publizistik und Zeitungswissenschaft im September bekommt. Der Rektor nicht da, die Prorektoren nicht, auch der Dekan nicht. Von den Professoren der Fakultät sei überhaupt nur Budzislawski gekommen, „anscheinend als Beobachter“. Der Berichterstatter aus Berlin ist sich nicht einmal sicher, dass Eildermann überhaupt berufen wird. Bisher sei er lediglich mit der „Wahrnehmung der Professur“ beauftragt worden (43). Eildermann spricht in dieser Sache zwar auch mit dem Staatssekretär (44), er weiß aber, dass seine Verbündeten im ZK der SED sitzen. Gerhard Harig und Georg Mayer, der Rektor, würden Budzislawski unterstützen, schreibt er am 19. September 1951 an die Abteilung Agitation. Eildermann bittet um eine Entscheidung und denunziert den Konkurrenten: All das, was für Budzislawski spreche („seine Verbindungen in der Vergangenheit, seine einflussreiche Tätigkeit in den USA“), sei nur möglich geworden „durch seine mehr als zweifelhafte Einstellung zur Sowjetunion, wie auch seine heute noch amerikanisch gefärbte Einstellung zum Pressewesen überhaupt“ (45).
Die „misstrauischen Patriarchen“: Wenn es dieses Generationslabel nicht schon geben würde, müsste man es für die Leipziger Journalistenausbilder erfinden. Ob die Professoren dem Volk da draußen nicht trauen oder ihrem Nachwuchs, ist heute schwer zu sagen. Untereinander aber machen sie sich die Hölle heiß. Budzislawski, Eildermann, Bruhn, Herzfelde: Man mag sich nicht – vielleicht auch, weil alle vier etwas tun müssen, was sie eigentlich nicht können. Die Kritik an Eildermanns Vorlesungen schwappt schon im ersten Jahr bis in die Parteiversammlungen des Instituts. Der Direktor wehrt sich so, wie er es in seinem Kämpferleben gelernt hat: „Liegt der Verdacht nicht nahe, dass man gegen die Vorlesung Stimmung macht, weil sie sich mit Tagesfragen beschäftigt? Dass man die Behandlung von Tagesfragen und Politik als unwissenschaftlich hinstellen möchte?“ Klaus Raddatz, der Beschwerdeführer, ein Student im zweiten Jahr, später selbst Assistent an der Fakultät (1955 bis 1958) und dann unter anderem Chefredakteur der Jungen Welt (vgl. Meyen/Fiedler 2011: 167-175), wird direkt angegriffen („einigermaßen erstaunt“). Aber auch Eildermanns Studienplan funktioniert nicht wirklich. Im Dezember 1952 gibt er zu, dass das Selbststudium schlecht koordiniert sei. Die Kapital-Lektüre habe „zu einer teilweisen Lahmlegung des übrigen Studiums geführt“ und „eine förmliche Psychose unter den Studenten“ ausgelöst (46). Wovon Eildermann hier spricht, weiß jeder, der Marx je im Original gelesen hat.
Seine Dauerfehde mit Heinrich Bruhn ist aktenkundig. Ein erfahrener Genosse gegen einen sehr erfahrenen Genossen. Jahrgang 1913 gegen Jahrgang 1897. Bruhn wolle „alte Kommunisten hinausboxen“, ruft Eildermann „in der Hitze“ einer Diskussion im Sommer 1955, beklagt hinterher in einer „Erklärung“ den „überspannten Ehrgeiz“ und das „Geltungsbedürfnis“ des Rivalen und wirft Bruhn vor, bei der Abberufung von Karl Jakobi (Jahrgang 1904) „nachgeholfen“ zu haben, gegen die Berufung von Hedwig Voegt (1903) gewesen zu sein und Basil Spiru (1898) nicht zu mögen – noch so ein Parteikader, der auf seiner Reise von Funktion zu Funktion knapp vier Jahre Station auf einer Leipziger Journalistik-Professur macht (1955 bis 1958) und dort auch von Dekan Budzislawski bekämpft wird (47). Anfang 1957 gibt Eildermann auf und geht an das Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Vielleicht weil Bruhn bleiben darf und Budzislawski fest im Sattel sitzt, vielleicht weil er weiß, dass sein Plan, bis zum Sommer 1957 eine Dissertation über die Anfänge der KPD zu schreiben, für einen fast 60-jährigen Autodidakten eine Illusion ist (48), vielleicht weil der Berufsfunktionär auch in seinem Wohngebiet in Paunsdorf auf Widerstand stößt. „Radau“ vor dem Haus, „immer wieder Scherben, Ziegelsteine, Flaschen“ im Garten und sogar Kot vor der Tür. Die Volkspolizei ist sich Mitte 1955 sicher, dass das „keine dummen Jungenstreiche sind“, sondern „provokatorische Maßnahmen“ (49).
Als Nachfolger wird Hans Teubner berufen, Jahrgang 1902. KPD-Redakteur in der Weimarer Zeit, Spanienkämpfer, Noel-Field-Geschädigter und an der Fakultät seit November 1954 Lehrer im Fernstudium. Wieder kein Akademiker. Dekan Budzislawski beruft sich gegenüber Rektor Mayer auf die kurze „Geschichte des Fachs“. „In zwei Jahren war es einfach nicht möglich, den Nachwuchs schon weit genug zu bringen“ (50). Teubner wechselt im September 1959 als Chefredakteur zur Leipziger Volkszeitung. An der Universität heimst er zwar ein Lob von Brigitte Klump (1991: 278) ein („ein Mensch an dieser Fakultät. Was für ein Fund“), viel mehr war aber in zweieinhalb Professor-Jahren nicht zu schaffen: „Nachhaltige Spuren hinterließ Teubner an der Fakultät für Journalistik nicht“ (Schlimper 2000: 364).
Das größte Missverständnis in der Leipziger Gründerriege ist Wieland Herzfelde, der Hermann Budzislawski aus den USA kannte und 1949 auf dem gleichen Ticket wie sein späterer Dekan an die Universität Leipzig kam. Gründungsmitglied der KPD, vor allem aber eine Verlegerlegende. Der Malik- und der Aurora-Verlag gehören zum Schrein der deutschen Linken. George Grosz und Dadaismus. Im Exil dann Brecht, Feuchtwanger, Döblin, Heinrich Mann. Trotzdem: Ein Professor war dieser Wieland Herzfelde nicht. Gerhard Menz, jeder Parteinahme unverdächtig, zweifelte schon im August 1948 in einem Gutachten, dass eine dreiseitige Rezension (die einzige Publikation des Kandidaten, die zu finden war) reiche, um jemanden als Professor für Literatur zu berufen, „ganz abgesehen davon, dass dazu auch das akademische Lehrgeschick gehört, wofür vorläufig keinerlei Belege vorliegen“ (51). Das Ministerium in Dresden sieht das Ende 1949 ganz ähnlich, weiß aber, dass das Versprechen an den berühmten Genossen nicht „ohne Kränkung“ zurückgenommen werden kann. Vielleicht finde sich ja bald etwas in einem Verlag oder in der Verwaltung (52). Es findet sich genug in der jungen DDR, 1950 zum Beispiel die Akademie der Künste, von Daniel Siemens (2013: 34) als Zeichen des Vertrauens gewertet, das die Partei in Herzfelde gehabt hätte. Siemens muss das so sehen, weil er das Narrativ vom jüdischen Westemigranten bedienen will, der Ende 1950 in die Mühlen der Noel-Field-Affäre geriet, im März 1951 aus der Partei ausgeschlossen wurde und wie Budzislawski eine Zeitlang nicht lehren durfte (vgl. Siemens 2013: 34-36). Nur: Dieser Wieland Herzfelde will schon vorher partout Professor bleiben (53), obwohl er „aus mangelnder Qualifikation und Eignung“ (so das Ministerium in Berlin, als zumindest der Lehrbann aufgehoben ist) an der Universität nicht viel mehr tut, als sein Gehalt als Ordinarius zu beziehen (54).
Die Lösung: Herzfelde und sein Lehrstuhl wechseln zum 1. September 1952 an das Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaft. Direktor Eildermann bittet den Rektor schon ein halbes Jahr später, diese Entscheidung zurückzunehmen. Er habe überhaupt erst kurz vor Weihnachten davon erfahren und sei bis dahin davon ausgegangen, dass Herzfelde zwar Vorlesungen am Institut hält (über Weltliteratur sowie über Literatur und Kunstkritik), ansonsten aber bei den Germanisten bleibe (55). Da man dort froh ist, das Kuckucksei los zu sein, hat die Fakultät für Journalistik fortan einen Klotz am Bein. Erst im Herbst 1958 ist Herzfelde bereit, sich bis zur Pensionierung beurlauben zu lassen, obwohl sich Institutsdirektor und Dekan beim zuständigen Staatssekretariat in Berlin permanent über die Bequemlichkeit und die Unfähigkeit ihres Kollegen beklagen.
Daniel Siemens (2013: 32-37) hat das Porträt eines „Außenseiters“ geschrieben, den die DDR zwar gebraucht habe, um sich mit einem großen Namen zu schmücken, der dann aber an der Universität um jeden Einfluss gebracht worden sei, vielleicht sogar mit antisemitischen Motiven. Die Akten zeichnen ein anderes Bild. Hier ist Wieland Herzfelde ein Mann, der die Professur als verdienten Lohn für seine Dienste an der Sache sieht. Punkt. Anders als Bruhn oder Eildermann bemüht er sich nicht einmal darum, die Standards der Universität zu bedienen, und verärgert so die Kollegen. Wilhelm Eildermann muss dem Staatsekretariat schon im Sommer 1953 versprechen, Herzfeldes Vorlesungen durch offene Kritik zu verbessern, statt Studenten und Lehrkräfte weiter „hinter seinem Rücken munkeln“ zu lassen. Die Beteiligten wissen, dass der Professor buchstäblich „auf der Straße läge“, wenn man seinen Lehrstuhl streichen würde (56). Budzislawskis Interventionen in Berlin sind dann Legion. Zwei Kostproben: „Die Zusammenarbeit mit Prof. Herzfelde wird unmöglich, sobald von ihm die Erfüllung seiner Amtspflichten verlangt wird“ (Budzislawski am 8. Dezember 1955) (57). Und: „Herzfelde hat noch niemals Forschung betrieben und weiß gar nicht, was das ist“ (Budzislawski am 1. August 1958) (58). Glaubt man dem Dekan (und es gibt angesichts der Aktenlage wenig Zweifel), dann verteidigt sich der Professor im November 1956 im Fakultätsrat sogar mit dem Argument, „dass systematische Vorlesungen über Weltliteratur aus wissenschaftlichen Gründen überhaupt abzulehnen seien“ (59).
Selbst nach der Beurlaubung gibt es noch Stress, weil Herzfelde gegen den Willen von Fakultät und Abteilung Agitation unbedingt seinen Dienstausweis behalten und weiter als Professor im Vorlesungsverzeichnis stehen möchte (60). Sein Dekan hatte ihn schon vorher als „Kaufmann“ denunziert, der „seine Position“ ausnutzen wolle, und den „geringfügigen Beitrag“ dieses „zufällig in den Universitätsbetrieb geratenen Menschen“ auf ein Vorlesungsmanuskript zur Weltliteratur taxiert, das „für unser Fernstudium“ vervielfältigt worden sei (61). Kein gutes Abgangszeugnis nach sechs Jahren. In den „heiteren Episoden“, die Elisabeth Trepte in persönlichen Gesprächen mit Herzfelde gesammelt und zu seinem 100. Geburtstag herausgegeben hat, kommt die Fakultät für Journalistik nur indirekt vor – in einem Kapitel mit dem Titel „Parteiausschluß“. Die Universität Leipzig: Für Herzfelde waren das „ein festes, gutes Gehalt und eine schöne Wohnung“ sowie ein „Ritt über den Bodensee“ und in die Psychotherapie. Die Partei habe kritisiert, dass er nebenbei weiter im Literaturbetrieb arbeitete, und Budzislawski sei „sehr unfreundschaftlich“ gewesen. „Ich glaube, er gehörte auch zu denen, die mich beobachten sollten“ (Herzfelde 1996: 107). Ein Streit über den Tod hinaus, der an Studenten und Mitarbeitern nicht vorbeiging. „Damals verstand ich wirklich die Welt nicht mehr“, sagt Heinz Halbach im Rückblick. „Diese berühmten Professoren, berühmte Antifaschisten, beide Juden. Und bekriegen sich. Ich habe versucht zu schlichten, was mir aber nicht gelungen ist. Mit Basil Spiru war das ähnlich. Sie bekamen sich immer wieder in die Haare, die drei Alten“ (Halbach 2017).
Internat, Landluft und die Legitimität der Ordnung
Ingeborg Schmidt sagt heute, sie habe nicht viel über das Studium gewusst, für das sie sich damals auf der Oberschule in Stolberg entschied. Mit ihrem Freund, der inzwischen ihr Ehemann war und wie Heinz Halbach direkt aus dem Hörsaal in ein Assistentenbüro wechselte, habe sie „eher über die Belastungen“ gesprochen. „Über Studenten, die durchgedreht sind und ins Krankenhaus mussten.“
Ingeborgs Schmidts erster Ehemann ist längst berühmt und ebenfalls ein Kronzeuge in Sachen Rotes Kloster. Reiner Kunze, 1933 in Oelsnitz im Erzgebirge geboren und am 1. Juni 1950 an der Oberschule Stollberg Kandidat der SED geworden, kommt 1951 an das Institut von Wilhelm Eildermann und Heinrich Bruhn nach Leipzig. Sein Biograf Udo Scheer (2014: 27) schreibt: „Der Abiturient hat keine Vorstellung, was dieses Studium bedeutet.“ Kunze selbst spricht heute von „Jahren hochgradiger Indoktrination“. Die Professoren? „Unbezweifelbare Autoritäten“. Nach dem Abschluss und einem Praktikum bei der Volksstimme in Magdeburg wird der Musterstudent Assistent an der Fakultät für Journalistik. Der alte Kunze erinnert sich an „das Glücksempfinden, auserwählt zu sein“, und sagt: „Ich habe daran geglaubt. Ich habe bestimmt anderen geschadet“ (Scheer 2014: 27, 29).
Seine Frau Ingeborg wird im Sommer 1954 von Heinrich Bruhn geprüft, ohne Beisitzer. „Das Aufnahmegespräch war keine richtige Prüfung. Ich musste mein Zeugnis zeigen und wurde nach meinem Lieblingsschriftsteller gefragt.“ Bruhn habe ihr gesagt, dass man es nicht gern sehe, wenn Studenten nicht im Internat wohnen. Man wolle die Übersicht haben und wissen, was die Leute so tun. „Ich habe dann mit Reiner trotzdem in einem eigenen Zimmer gewohnt. Das Leben im Internat war leicht und einfach. Lebensmittel gab es damals nicht so leicht. Im Zimmer hatten wir keinen Wasserhahn, dazu kam die Anfahrt nach Lindenau. Wenn wir nach Hause kamen, war es kalt. Man musste erst den Kachelofen anmachen. Im Winter war das sehr unangenehm. Ich habe die Mädchen im Internat manchmal auch beneidet.“ Ingeborg Schmidt ist nicht die einzige Ausnahme. Wolfgang Ludwig, ein Leipziger, der 1952 an das Institut kommt, bleibt „Außenschläfer“. Manche seiner etwas älteren Kommilitonen ziehen nicht um, weil das neue Heim nicht im September 1951 fertig wird, sondern erst im Laufe des Studienjahres, mitten im Winter (62).
Bei Brigitte Klump (1991: 42-44) ist dieses Internat eine Mischung aus Hotel und Gefängnis. Einerseits „billig, bequem und komfortabel, in einem Jungenhaus und einem Mädchenhaus voneinander getrennt“. Als Studentin habe man sich „um nichts“ kümmern müssen. „Bettwäsche, Handtücher, alles war da und wurde häufig gewechselt.“ Eine Teeküche und ein Studienkabinett, in dem alles da war, was die Dozenten als Lektüre empfohlen hatten. Andererseits Mauern um den ganzen Komplex, „mit Glasscherben gespickt“, Pförtner am Eingang, Kontrollen rund um die Uhr, Briefe stets aus der Hand der Seminargruppensekretärin und vor allem Lautsprecher in jedem Zimmer, die Klump (1991: 59) als „Abhöranlage“ deutet und als ersten Beleg für die Stasi-Paranoia, die das ganze Buch durchzieht. Christian Schemmert und Daniel Siemens (2013: 228) haben gezeigt, dass im Ministerium für Staatssicherheit überhaupt nur drei Mitarbeiter für die gesamte Universität Leipzig zuständig waren, als Brigitte Klump dort Studentin wurde. An der Fakultät für Journalistik habe es Anfang 1955 einen einzigen „Geheimen Informator“ gegeben, wobei die Behörde seinerzeit ganz generell über die fehlende Qualifikation ihrer Leute klagte, über Unfähigkeit und über „Verzettelung“.
Auch wenn die Stasi 1955 auf keiner Ebene mit der Stasi von 1989 gleichzusetzen ist (vgl. Gieseke 2011, Kowalczuk 2013), haben die Historiker Schemmert und Siemens (2013: 231) selbst aus der Anwesenheit dieser wenigen und offenbar überforderten Mitarbeiter weitreichende Konsequenzen abgeleitet. Aus Sicht der Staatssicherheit sei es damals gar nicht so wichtig gewesen, IMs zu gewinnen oder irgendwie verwertbare Informationen. Die Studenten sollten vielmehr direkt oder indirekt „von der Aufgabe und Machtfülle des DDR-Geheimdienstes erfahren“ und außerdem lernen, „diese Rolle des Staatssicherheitsdienstes nicht öffentlich (zu) thematisieren“. Auf den Punkt gebracht: Die Stasi ist groß, die Stasi ist allmächtig, und du legst dich besser nicht mit ihr an, wenn du in diesem Land etwas werden willst.
Das ist schwer zu widerlegen. Menschen erleben jede „institutionalisierte Welt“ als „objektive Wirklichkeit“ und internalisieren die entsprechende Ordnung im Prozess der Sozialisation, um dann ihr Verhalten daran auszurichten und das „Wissen“ an die nächste Generation weiterzugeben – vor allem dann, wenn die Ordnung legitimiert ist, wenn es symbolische Sinnwelten gibt (den Sozialismus, die Kultur des Abendlandes, die westliche Wertegemeinschaft), die für Rechtfertigung sorgen (Berger/Luckmann 2016: 64f.). Ingeborg Schmidt, Reiner Kunze, Heinz Halbach, Franz Knipping, selbst Brigitte Klump: Für all diese Studenten war die „institutionalisierte Welt“ der jungen DDR weit größer als die Stasi. Studienplatz, Rundumbetreuung und Stipendium. Antifaschisten, die zwar als Professoren dilettierten, aber qua Lebenslauf unantastbar waren. Aufstiegsversprechen sowie früh Vertrauen und Verantwortung, für Seminare, für Zeitungen. Eine solche „institutionalisierte Welt“ hält man vor allem dann für legitim, wenn man erlebt, wie sie entsteht. Die Nachgeborenen brauchen mehr. Argumente und Sinn. Jede „institutionelle Ordnung“ muss „einer neuen Generation vermittelt werden“, muss auch dort die „Würde des Normativen“ bekommen (Berger/Luckmann 2016: 100). Dass die Lebensbahnen von DDR und Aufbaugeneration parallel verlaufen sind, sagt in der Sprache des Sozialkonstruktivismus: Die Legitimierung der symbolischen Sinnwelt Sozialismus ist später misslungen – auch den ersten Absolventen der Fakultät für Journalistik.
Das Studienjahr von Brigitte Klump zog vor Pfingsten 1956 hinaus aufs Land, in den Norden, zu den Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS), Dorfzeitungen machen. „Das war auch eine Übung in Selbstständigkeit“, sagt Ingeborg Schmidt heute. „Horst Sindermann hat uns in Berlin eingewiesen. Er hat gesagt, wie wir nicht schreiben sollen. Dann sind wir nach Mecklenburg gefahren, zuletzt in kleinen Lieferwagen. In jeder MTS wurden eine oder zwei von uns abgesetzt. Manche waren zu zweit. Brigitte Klump zum Beispiel hat man nicht zugetraut, allein zu arbeiten. In der MTS waren wir dann uns selbst überlassen. Es gab jeweils eine Gruppe Agitatoren für die politische Arbeit, eine Art Stab mit zwei oder drei Leuten. Ich habe gesagt: Ich will jetzt hier Zeitung machen. Wo kann man hingehen, welche Probleme gibt es, worüber kann ich schreiben. Ich bin gewandert oder habe einfach die Feuerwehr angehalten. In Demmin gab es eine Druckerei, dort habe ich die Sachen abgegeben. Ich durfte eine Schreibmaschine der Sekretärin in der MTS mitbenutzen. Reiner saß in Demmin. Ihm haben wir die Texte vorgelegt. Er fuhr auch von einem zum anderen. Ich wusste gar nicht, wie man Überschriften macht. Reiner hat gesagt: Stell dir einfach den Extrakt vor und mach ein Bild daraus. Ich habe etwas gelernt. Einen Fotoapparat gab es nicht, auch in Demmin nicht. Ich bin nach Neustrelitz gefahren und habe mir dort Bilder gesucht, um die Zeitung aufzulockern. Das waren vier Seiten, alle zwei Wochen. Alles mit Name und Hausnummer. Erfinden ging nicht. Einmal habe ich den Leiter der Leihbibliothek kritisiert, der zu früh geschlossen hatte. Beim Mittagessen in der MTS haben den dann alle madig gemacht.“
Auch Brigitte Klump (1991: 151-154) berichtet über dieses Praktikum eher euphorisch. Ein „dickes Lob“ von der Abteilung Agitation für die „ganze Liste von Bauernkorrespondenten“, die die beiden Mädels zusammenstellten, 21 neue SED-Mitglieder, ein Geben und Nehmen vor Ort. Aber auch das Thema „Gesinnungsschnüffelei“ vs. Journalismus, weil ein Lehrer angeboten habe, die Kinder in der Klasse für die Spalte „Dorfgeflüster“ auszuhorchen. „Inge Kunze“ ist bei Klump (1991: 48f.) am ersten Tag in Leipzig „ein zartes Mädchen, blond, biegsam wie eine Birke im Wind“. Die „Parteigruppensekretärin“ der Seminargruppe, zunächst mit einem Bonus versehen, weil Reiner Kunze im Sommer 1954 eine Attacke geritten hatte „gegen das Ausbildungsziel der Fakultät, Journalisten zu Parteiideologen zu erziehen“. Wolfgang Ludwig, Jahrgang 1934, ab 1952 Student am Institut und nach der Diplomarbeit 1956 dann als Assistent mit Kunze in einem Büro: „Er hat die Studenten dazu angeregt, das Beschreiben zu lernen. Das hat sie aus der Reserve gelockt. Das Besondere suchen, nicht alltäglich schreiben. Zu meiner Studentenzeit war das nicht so üblich“ (63).
Mit sich selbst geht Kunze eher hart ins Gericht, vielleicht auch, weil er auf großer Bühne als „junger ehrgeiziger Assistent“ und als „brutaler stalinistischer Einpeitscher“ gebrandmarkt wurde – 1990 von Wolf Biermann in der Zeit, Helga Novak zitierend, die im gleichen Studienjahr wie Klump und seine Frau war (Scheer 2014: 29). Kunze-Biograf Udo Scheer (2014: 39) beschreibt eine FDJ-Versammlung vom 8. Februar 1959 als Anfang vom Ende der Universitätslaufbahn. Kunze habe dort vor versammelter Mannschaft gesagt, dass die Fakultät für Journalistik „keine Fakultät der Schreibenden“ sei. Niemand schreibe „ohne Auftrag“, weil man Angst habe und keine „schöpferische Disziplin“. Und weiter: „Wer schreibt, schreibt aus sich selbst heraus.“ Da spricht der Künstler, keine Frage. Vielleicht hätten Budzislawski und Co. das ausgehalten, wenn nicht die Berliner Morgenpost am nächsten Tag berichtet hätte. Dem Klassenfeind Munition geliefert: Das kam in der DDR gleich nach Leuten wie Eduard Schulz – zumindest bei denen, die etwas werden wollten in diesem Land (vgl. Fiedler 2014). Vielleicht wäre Kunze auch von selbst gegangen. Udo Scheer (2014: 30-38) liefert dafür Indizien. Begebenheiten, die die Legitimität der Ordnung für Reiner Kunze ins Wanken bringen: Auseinandersetzungen um Ungarn 1956, Kontakte zu Ronald Lötzsch, der 1958 nach Bautzen muss, ein langes Verhör in dieser Sache, wachsende Zweifel, weil seinen Studenten „Häuser zugeteilt“ werden, „in denen sie Stockwerk für Stockwerk Bewohner agitieren müssen“.
Auch Kunzes damalige Frau erinnert sich an diese Einsätze. „Wir haben Familien besucht. Bei manchen durften wir wiederkommen, manche haben sich auch über den Besuch gefreut, wenn dort zwei harmlose Mädchen erscheinen, mit denen man reden konnte. Das gab es von Anfang an. Ich war immer in Kleinzschocher eingesetzt.“ Und die „Schönfärberei an der Fakultät“ (Scheer 2014: 39)? „Von Heuchelei habe ich damals nichts gemerkt. Ich war eine Streberin. Ich wollte immer ganz vorn sitzen, wollte alles mitkriegen. Im Freundeskreis waren wir alle der gleichen Meinung. Ich habe mich wohlgefühlt.“ Ihre SED-Funktion hat Ingeborg Schmidt ganz ohne eigenes Zutun bekommen. „Ich stand im Treppenhaus und habe an den Aushängen versucht, den Stundenplan abzuschreiben“, erinnert sie sich an ihren ersten Tag in Leipzig. „Jemand hat mich nach meinem Namen gefragt und gesagt: Ach, du bist unsere Parteigruppenorganisatorin. Das war ich dann vier Jahre lang. In der Seminargruppe waren vielleicht 20 Leute. Es gab dort auch Parteilose, vielleicht die Hälfte.“
Als der Jahrgang 1958 die Fakultät verlässt, sind von 87 Absolventen 37 in der Partei (64). „Die Einsatzkommission wollte mich eigentlich in die Wische schicken“, sagt Ingeborg Schmidt. Ein Jugendobjekt der FDJ in der Altmark. Land fruchtbar machen. „Da wurde ich aufmüpfig. Ich wollte nicht von meinem Mann getrennt werden. Es gab ein Gespräch in der Bezirksleitung, man wollte uns dann nach Halle verpflanzen. Bei dem Gespräch habe ich meine Unterlagen sehen können. Dort stand ‚weit weg von Leipzig‘.“ Das heißt: weit weg von Reiner Kunze, der ja noch Assistent ist an der Fakultät. Brigitte Klump (1991: 307) schreibt, dass ihr Studienjahr „hart bestraft“ worden sei, weil sie und andere in den Westen gegangen sind. Das ZK habe die Diplomanden „zur Bewährung an Dorf- und Betriebszeitungen verbannt“. Ingeborg Schmidt, die schließlich zur Dorfzeitung nach Delitzsch gehen darf und dafür jeden Morgen um 6.30 Uhr in Leipzig in den Zug steigt: „Das haben wir als politische Notwendigkeit gesehen. Das war keine Strafaktion. Wir hatten ja nichts gemacht. Die Landwirtschaft musste unterstützt werden. Das war einfach die Linie der Partei.“ Schmidt, Klump und all die anderen kannten diese Linie schon zwei Jahre vorher, als sie im Norden der DDR Dorfzeitungen produzierten. Karl-Heinz Röhr, damals gerade zum Studium gekommen und später in Leipzig Professor, hat den „Mecklenburg-Song“ aufgehoben, geschrieben von Folker Försterling und Hartmut Peters, gesungen zur Melodie von „Brennend heißer Wüstensand“ im Sommer 1956: „Dort wo die MTS mäht mit dem Stalinez, dort sind wir einmal zu Hause, dort wo das Rindvieh brüllt und sich das Schweinchen sielt, dort sind wir einmal daheim“ (65).
Handwerk, nicht sowjetisch
In der Literatur hält sich die Vorstellung, dass die Fakultät für Journalistik an der Universität Leipzig 1954 nach „Moskauer Vorbild“ gegründet worden sei (Jedraszczyk 2016: 208). An der Lomonossow-Universität gab es seit 1952 eine Fakultät für Journalistik, ausgegründet aus der Philologischen Fakultät, die seit 1947 eine Abteilung Journalistik hatte. Bis dahin war es in der Sowjetunion üblich, den Pressenachwuchs an Parteischulen zu trainieren, ohne jeden akademischen Hintergrund (vgl. Zassursky 2016). Der Journalist als Funktionär der KPdSU.
Eduard Schulz und Wilhelm Eildermann, die länger in der Sowjetunion gearbeitet haben, könnten dieses System kennengelernt haben. Genau wie Hermann Budzislawski verweisen beide in Konzeptpapieren und Briefen immer wieder auf das Mutterland des Sozialismus. Rhetorische Begleitmusik, die die Entscheider gnädig stimmen soll. Vielleicht hat zumindest Schulz tatsächlich entsprechende Pläne. Im Bericht der Leipziger Volkszeitung über seinen Antrittsbesuch heißt es am 7. Januar 1951 ausdrücklich, der neue Professor werde „die Erfahrungen der Sowjetpresse“ anwenden. „Vorbild für die Arbeit des Instituts werden die publizistischen Abteilungen an den Universitäten Moskau und Leningrad sein“ (66). Der Gedanke, eine eigene Fakultät zu gründen und dafür ein Internat zu schaffen, taucht am 30. November 1950 das erste Mal in den Akten auf – kurz nachdem Eduard Schulz auf der Bildfläche erschien und die Studenten überprüft worden waren. Material aus der Sowjetunion steht plötzlich auf der Tagesordnung: Lektionen aus Moskau und Leningrad sollen beschafft werden, Literatur, Zeitungen und Zeitschriften (67). Nach dem Abgang von Schulz sucht das Staatssekretariat im Sommer 1951 fieberhaft einen Gastprofessor, der die Vorlesung über sowjetische Publizistik übernehmen kann, und hofft, dass die Bruderpartei hilft (68). Ein echter Sowjet-Bürger (Wladimir Andrejewitsch Ruban aus Kiew) trifft aber erst im Februar 1954 in Leipzig ein.
Vorher kennen die Leipziger Professoren zwar die Studienpläne aus der Sowjetunion (69), wirklich nützlich ist das jedoch nicht. Sie wissen: Es läuft dort ziemlich anders als in der DDR. Der Journalismus ist anders, die Tradition ist anders, und die Praxis hat andere Wünsche. Auf Bitte von Wilhelm Eildermann beschreibt der Moskauer Dozent Juschin im Februar 1954 die beiden Abteilungen seiner Fakultät: Zeitung und Verlag. „Wenn ich Ihrem Brief nach urteile, unterscheiden sich die Aufgaben des Instituts ein wenig von den Aufgaben, die vor unserer Fakultät stehen. Ist es so?“ (70) Im Klartext: Selbst wenn Eildermann gewollt hätte, kann er das sowjetische Modell nicht kopieren. Es gibt dieses Modell so auch noch gar nicht. Im Juli 1954 lehnen die Moskauer ab, Vorlesungen an Eildermann zu schicken. Die beiden fraglichen Themen (Industrie und Landwirtschaft in der Sowjetunion) hätten 1953/54 Premiere gehabt und müssten nun erst einmal überarbeitet werden (71).
Im September 1954, die Leipziger Fakultät ist gerade gegründet, fährt Heinz Mießlitz nach Moskau, Sektorenleiter in der Abteilung Wissenschaft und Propaganda des ZK der SED. Ein ausführlicher Bericht aus erster Hand, jetzt erst. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die Moskauer Fakultät bildet „literarische Redakteure“ aus und „Wissenschaftler auf dem Gebiet des Verlagswesens“. Die ersten vier Semester nur Vorlesungen und die Seminare ab dem fünften dann zu Übersetzungen, zum literarischen Stil, zur „Redaktion der Massenliteratur“. Kaum Lehrbücher, nur Hilfsmaterial. Die Wissenschaft der Journalistik müsse auf „der ganzen Welt“ erst entwickelt werde. Trotzdem rät der Moskauer Dekan, „die Ausbildung redaktioneller Kader auch bei uns in ähnlicher Weise zu entwickeln“. Schließlich brauche auch die DDR „gute Fachliteratur und andere Bücher“ (72).
Das mag sein. Noch mehr brauchte die DDR Journalisten, die für die Sache sind und schreiben können. In der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre gibt es einen regen Brief- und Reiseverkehr zwischen Leipzig und den großen sowjetischen Fakultäten. Man schickt sich Lehrpläne, Literatur, Übungszeitungen. Hermann Budzislawski fährt nach Leningrad, Moskau, Kiew. Er sieht dort, dass die Kollegen mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben wie er. Alteingesessene Disziplinen, die die Journalistik vertreiben wollen. Praktiker, die sich als Künstler verstehen und nicht glauben wollen, dass man den Journalismus lernen kann. Erster Dekan in Moskau ist Jewgeni Chudjakow, vorher stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung Iswestija. Die Genossen sprechen auf Augenhöhe miteinander. Suchende, die neugierig auf das sind, was die anderen gerade ausprobieren. Wenn Budzislawski es nicht schon vorher gewusst hat, sieht er auf diesen Reisen auch den wichtigsten Unterschied: Dort wird in Philologie investiert und hier in Handwerk. Der Journalist Chudjakow wird in Moskau schnell erst inoffiziell und 1965 dann auch offiziell von Yassen Zassursky abgelöst, einem ausgewiesenen Literaturwissenschaftler aus guter Familie (schon der Vater vertrat die Sowjetunion im Ausland), spezialisiert auf amerikanische Romanciers (vgl. Zassursky 2016). Fazit der Leipziger Delegierten: In der Sowjetunion würden Universitäten, Praktiker und die „leitenden Genossen“ die „praktizistische Methode der Ausbildung, wie sie in den USA üblich ist, völlig“ ablehnen (73).
Auch der „Amerikaner“ in Leipzig führt nicht sofort Labor-Klassen ein, in denen die Studenten fast wie im richtigen Journalistenleben Artikel produzieren und redigieren. Für ein solches „Übungssystem“ braucht es gut anderthalb Jahrzehnte und den starken Arm von Emil Dusiska, der die Mitarbeiter des „Instituts für Theorie und Praxis der Pressearbeit“ gleich nach seiner Berufung im Studienjahr 1966/67 weitgehend von der Lehre befreit und das Curriculum entwickeln lässt, über das der Nachwuchs dann bis zum Ende der DDR an den Journalismus herangeführt wird (74) (vgl. Röhr 2015). In Budzislawskis erstem Studienplan von Mitte 1950 gibt es neben marxistischen Fächern, Allgemeinbildung und Fremdsprachen (also ganz viel Stoff) lediglich Praktika und Übungen in deutscher Sprache. Talent ist aber schon hier wichtig: „Die Sprachprüfung muss darüber entscheiden, ob der betreffende Student sich für das Studium der Publizistik eignet. Bei schlechter Leistung Wechsel der Fachrichtung!“ (75) Wer wie Heinz Halbach im Herbst 1951 anfängt, hat dann in den ersten beiden Jahren jede Woche vier Stunden Deutsch („Sprache und Stilistik“) und vier Stunden Praxisübungen (76).
Zu wenig, sagt die Redaktion des Neuen Deutschland im Juni 1952, weil die Praktikanten aus Leipzig nicht „in der Lage sind, in dem schnellen Tempo der Pressearbeit gut und verantwortlich zu arbeiten“ (77). Immer noch zu wenig, sagen der Verband der Deutschen Presse (VDP) und dann auch die Parteiführung 1955, obwohl bei den Aufnahmegesprächen die Eignung für den Beruf von Anfang an mindestens genauso wichtig ist wie die Gesinnung und obwohl viele Studenten nicht nur im Seminarraum schreiben, sondern in den Ferien oder zwischendurch auch in richtigen Redaktionen. Ingeborg Schmidt spricht heute von „Trockenschwimmübungen“ an der Universität, immer einen Tag in der Woche. „Dort wurden die Genres aufgeteilt und abgearbeitet. Nachricht, Bericht, Porträt, Feuilleton, Reportage. Reiner hat zum Beispiel das Feuilleton gemacht, andere Nachrichten. Das haben wir der Reihe nach gelernt. Außerdem gab es Vorlesungen dazu. Wir konnten uns dann selbst daran versuchen, vielleicht fünf Stunden lang. Und dann haben wir uns das gegenseitig vorgelesen und ausgewertet. Das war alles nicht für die Zeitung gedacht, aber trotzdem anstrengend.“ Trockenschwimmen eben. „Ich habe das bedauert. Die Nachrichten, die ich als Volkskorrespondentin geschrieben habe, sind immer veröffentlicht worden.“ Auf den Deutschunterricht lässt sie dagegen bis heute nichts kommen. „Dafür war ich dankbar. Die Stilistik war für mich ein integraler Bestandteil des Studiums. Wir hatten ja viel, was nicht unbedingt zum Beruf gehört hat. Deutsche Sprache und Stilistik: Das war unser Handwerkszeug.“
Die „Beherrschung der deutschen Sprache“ ist denn auch eine der drei Säulen der Reform von 1955, beschlossen vom Sekretariat des ZK der SED am 7. September 1955, vorbereitet durch die zentrale Delegiertenkonferenz des VDP am 12. Februar 1955, durch Interventionen aus der Praxis und durch die Abteilung Agitation. Die anderen beiden Säulen: „journalistische Fähigkeiten“ und „gediegene fachliche Kenntnis“ (78). Begabung: Dieser Wunsch zieht sich durch alle Papiere in dieser Sache. Um zu sichern, dass keine Luschen nach Leipzig kommen und tatsächlich „stilistisch begabte Journalisten“ ausgebildet werden können, wie eine Kommission im Staatlichen Rundfunkkomitee im Juni 1955 wünscht (79), müssen Bewerberinnen und Bewerber fortan mindestens ein Jahr in einer Redaktion gearbeitet haben. Noch kein Volontariat, aber ein Praktikum. Immerhin. Die Ausbilder reagieren dabei auch auf das, was sie mit dem Jahrgang von Ingeborg Schmidt und Brigitte Klump in den ersten Monaten erlebt haben. Im Herbst 1954 seien „fast nur 18jährige Oberschüler“ an die Universität gekommen, „die weder über genügende Reife noch über ausreichende Erfahrungen in gesellschaftlichen Arbeit verfügen“, heißt es im Juni 1955 in einem internen Fakultätspapier. Wenn es „eine Art Vorpraktikum“ geben würde, wäre erstens schnell klar, ob sich die Leute tatsächlich eignen. Und zweitens müsste die Fakultät ihren Studenten nicht mehr beibringen, wie man Zeitung liest, und die „primitivsten journalistischen Begriffe“ diskutieren (80).
Vier Stunden pro Woche „Presse der DDR und organisiertes Zeitungsstudium“, sagt der Studienplan für das erste Semester, als Ingeborg Schmidt und Brigitte Klump im Herbst 1954 nach Leipzig kommen. Drei Stunden Deutsch, zwei Stunden Russisch, zwei Stunden Sport. Viel Geschichte (sechseinhalb Stunden), etwas weniger Marxismus-Leninismus (vier), noch weniger Weltliteratur (zwei) und Sprachwissenschaft (eine). Je zwei Stunden Steno und Schreibmaschine freiwillig. Journalistische Übungen dann ab dem zweiten Jahr, in den Sommern Praktika (81). Ein voller Plan, immer um die 30 Stunden pro Woche, auch im vierten Studienjahr noch. Den Bachelorstudiengängen wird heute vorgeworfen, mit rund 20 Präsenzstunden einfach die Schule in die ersten Universitätsjahre zu verlängern. Journalistik in Leipzig ist Schule pur, bis hin zum Klassenverband. Bei der Studienreform von 1955, die auf einen größeren Praxisanteil zielt, wird im Fakultätsrat auch gefragt, „ob der vorgelegte Plan für die Universität tragbar ist“. Man sei schließlich keine Fachschule (82).
Ingeborg Schmidt und ihre Kommilitonen müssen den Studienplan im Herbst 1954 eigentlich nicht zu Ende lesen. In den 1950er-Jahren in Leipzig Journalistik studieren: Das hieß auch, flexibel zu sein. Beständig ist nur der Wandel. In fast jeder Sitzung des Fakultätsrats wird über die Lehre diskutiert. Wie lang sollen Referate sein, was ist die Pflichtliteratur, was wird wie geprüft? Warum kommen nicht alle Studenten zu den Vorlesungen und wie schaffen wir es, dass sie sich besser auf die Seminare vorbereiten? Was machen wir mit den Studenten, „die nicht schreiben können“? Sollen wir „die sprachliche und stilistische Seite“ auch bei anderen Seminararbeiten mitbewerten? Verhandelt wird Studentenkritik, im Oktober 1955 etwa zu den Vorlesungen „Agrarökonomik“ und „Neueste Geschichte“ oder auch ganz generell (83). Diese Kritik erreicht keineswegs nur FDJ-Gruppe, Parteigruppe und Dekan, sondern auch das Staatssekretariat für Hochschulwesen in Berlin – im Dezember 1954 zum Beispiel über den Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder und einen „VdN-Kameraden“, dessen Tochter sich in Leipzig überlastet fühlt: „Mir steht ein Nachmittag zur Verfügung, an dem ich für acht Fächer arbeiten muss. (…) Ansonsten schlagen wir uns mit Leitartikeln, Kommentaren usw. herum, alles ohne Anleitung, weil der Plan erfüllt werden muss. Proteste blieben bisher ohne Erfolg“ (84).
Wer wissen will, was diese Studentin meinen könnte, blättere einfach in den Vorlesungen von Wilhelm Eildermann, die im Leipziger Universitätsarchiv überliefert sind. „Liebe Freunde! Wir wollen uns in der heutigen Vorlesung und in den folgenden Vorlesungen mit einigen wichtigen journalistischen Formen und Genres beschäftigen“, beginnt der Professor am 2. Februar 1956. „Sie werden später Gelegenheit haben, Ihre Kenntnisse über den Leitartikel in Seminaren zu vertiefen.“ Bevor es so weit ist, geht es um den Marxismus-Leninismus, um Lenin und um ein Referat, das Albert Norden gerade gehalten hat. Es folgen Beispiele aus der sowjetischen Presse. „Studieren Sie bitte diesen Artikel als das Muster eines propagandistischen Beitrags.“ Eildermann schimpft über Goebbels, die V1 und den Imperialismus, zitiert neben den Klassikern des Sozialismus Goethe und lobt schließlich einen Leitartikel, der wenige Tage vorher in der Berliner Zeitung erschienen ist, von Karl-Heinz Gerstner, einer der Edelfedern der DDR (vgl. Gerstner 1999). „Um maximale Breitenwirkung zu erzielen, müssen wir weiter in unserer Presse bestimmte Themen und auch besonders anschauliche Beispiele öfters wiederholen“ (85).
Eine Vorlesung, die eher Appell ist als Wissenschaft und zumindest teilweise einer Lektion folgt, die so auch an der Parteihochschule der KPdSU gehalten wird (86). Dazu offenbar vom Blatt abgelesen, wenn man einem Augenzeugenbericht glauben darf, der am 1. Oktober 1955 in der FAZ erschienen ist. Dass ein 32-Seiten-Manuskript dort zu einer vom ZK der SED „zensierten Lektion“ gemacht wird (87), mag mit dem Wunsch der Fakultätsleitung zu tun haben, den Studenten die Vorlesungen zur Verfügung zu stellen. Ingeborg Schmidt zum Beispiel hat als eine Art studentische Hilfskraft die Texte von Hedwig Voegt bearbeitet. „Sie hatte ein komplett ausgearbeitetes Manuskript. Nach der Vorlesung sollte dies dann gleich ins Leninkabinett kommen. Dort sollte man alle Vorlesungen lesen können. Aktuell und sofort abzugeben. In sauberer Form. Heute sage ich, dass die einfach wissen wollten, was in der Vorlesung so gesagt wurde. Damals war das für uns Studenten eine große Hilfe. Ich habe jede Voegt-Vorlesung noch einmal gelesen und meine eigenen Mitschriften ergänzt.“ Nicht alle Dozenten befolgen die Weisung so strikt wie Eildermann und Voegt, von einer Zensur durch des ZK aber kann keine Rede sein. Dafür ist Berlin zu weit, sowohl geografisch als auch thematisch.
Das Dauerbasteln am Lehrprogramm, das sich in den Akten in zahlreichen Entwürfen für immer neue Studienordnungen niederschlägt, hat nur punktuell etwas mit Druck von oben zu tun. 1950 die Installierung von Eduard Schulz, 1955 der Reformbeschluss des ZK-Sekretariats. Im Alltag der Fakultät sind die Erfahrungen wichtiger, die Lehrkräfte und Studenten vor Ort sammeln. An den vier Eckpfeilern des Studiums wird dabei nicht gerüttelt: Marxismus-Leninismus, Pressegeschichte, deutsche Sprache und Literatur, Praxis. Die Gewichte allerdings verschieben sich in Richtung Handwerk. Sofort gefruchtet hat dabei auch die große Reform von 1955 nicht. Wie sollte sie auch, wenn auf dem Katheder Autodidakten stehen, die selbst noch nicht genau wissen, was sie den Studenten am besten anbieten, wenn diese Studenten zwar Eifer mitbringen und guten Willen, aber kaum akademischen Background und manchmal nur das, was die Neulehrer in den Nachkriegsschulen ihnen erzählt haben, und wenn die Praxis skeptisch bleibt. Ingrid Kirschey-Feix, Jahrgang 1950, hört noch 1969 als Volontärin bei der Jungen Welt, dass Leipzig für sie bestimmt „nicht die wahre Erfüllung“ werde. „Wissen, dass man in der Praxis nicht braucht“ (Meyen/Fiedler 2011: 211).
Im Dezember 1957, knapp zweieinhalb Jahre nach der Reform von 1955, zieht die Abteilung Agitation/Propaganda des ZK der SED trotzdem eine eher positive Zwischenbilanz. Zwar sei es noch nicht ausreichend gelungen, „erfahrene Journalisten aus der Praxis“ zur Mitarbeit zu bewegen, und die „politische Ausbildung und Erziehung der Studenten“ sei nach wie vor „mangelhaft“ (vor allem bei denen, die „direkt von der Oberschule zum Studium“ gekommen seien und in Leipzig keine Funktion bekleiden), „die übergroße Mehrheit der Absolventen“ aber (seit 1951 insgesamt 374 im Direktstudium) habe sich bewährt. „Nach etwa einem Jahr Praxis werden die meisten zu vollwertigen Redakteuren“ (88). Wem das zu negativ klingt, der blättere einfach in der Roten Mischung, der Zeitung für das „sozialistische Studentenlager der Fakultät für Journalistik in Naunhof“, herausgegeben im Sommer 1960. Nachdem die angehenden Journalisten 1959 auf der Leuchtenburg bei Kahla waren, sind sie diesmal drei Wochen in einem Betonwerk. Wie es sich für den Mediennachwuchs gehört, wird die Arbeit von einer eigenen Zeitung begleitet. In den fünf Ausgaben, die die Zeiten überdauert haben erfährt man, dass die Studenten satt werden („Hört, hört! Es gibt auch Wurst.“), dass sie über den „nationalen Kompromiss“ und über ihre Prüfungen diskutieren sollen, dass Willi Bredel, Lilly Becher und Georg Krausz kommen und dass einige Jugendfreunde sich verspätet haben („Ist’s an der Ostsee wirklich schöner?“). Vor allem aber ist diese Rote Mischung witzig. Gut geschrieben, ein Füllhorn an Ideen (89). An Talent zumindest kann es nicht mehr gemangelt haben.
Fazit: Die Fakultät für Journalistik in den 1950er-Jahren
Ingeborg Schmidt verdammt ihre Studienzeit heute nicht, eher im Gegenteil. Sie sagt, dass sie damals gern weitergemacht hätte. Kunsterziehung und Kunstwissenschaft vertiefen, Hans Mayer auch offiziell hören. „Ich habe gemerkt, was ich alles nicht weiß, und eine Petition an Budzislawski geschrieben, mit Jochen Petersdorf. Ich wollte ein Jahr länger studieren. Das ging natürlich nicht.“ Brigitte Klump dagegen hat es nicht bis zum Ende ausgehalten und Fakultät und DDR im November 1957 verlassen. Was beide später über diese Zeit erzählt haben, über das Internat und die Stasi, über Dozenten und Lehrveranstaltungen, ist auch im Licht der Erfahrungen zu sehen, die sie im Studium und danach gemacht haben, mit der DDR, mit dem Leben.
Natürlich war die Fakultät für Journalistik eine Schule der Partei: Hier wurde der Nachwuchs ausgebildet, der in der Presse, im Hörfunk und im Fernsehen für die SED und ihren sozialistischen Staat werben sollte. Die Parteiführung in Berlin hat den Rahmen für diese Schule gesetzt: Wie viel Personal gibt es und wer gehört dazu, wie viele Absolventen brauchen wir und was müssen diese Absolventen am Ende können. Die politische Logik wurde aber durch die Logik des akademischen Feldes gebrochen, das sich auch in der DDR nicht ausschließlich an den Vorgaben der führenden Partei ausrichtete, sondern zugleich an wissenschaftlichen Standards, die nicht zuletzt in der deutschen Universitätstradition wurzelten. Das heißt: Die Funktionäre, die an der neuen Fakultät Professor wurden, mussten sich entweder akademisch qualifizieren oder aber die Universität wieder verlassen. Dass die Pläne für eine selbstständige Hochschule immer wieder scheiterten, bedeutete langfristig die Geburt der DDR-Journalistikwissenschaft. Väter und Mütter waren die Studierenden der 1950er- und frühen 1960er-Jahre, die von der Partei auf eine Professorenlaufbahn geschickt wurden und als erste eine komplette akademische Karriere in der neuen Disziplin durchlaufen konnten, mit Promotion und Habilitation (vgl. Meyen/Wiedemann 2016).
Was in Leipzig gelehrt wurde, hatten die Beteiligten vor Ort miteinander auszukämpfen. Um im Detail mitreden zu können, fehlten der Parteiführung in Berlin Personal und Wissen. Immer präsent waren dabei die Wünsche der Praxis. Das journalistische Feld wurde in der DDR zwar weit stärker von der politischen Logik dominiert als das wissenschaftliche Feld (vgl. Meyen/Fiedler 2011), in den Redaktionen vor Ort brauchte man aber am Ende Leute, die das Handwerk beherrschten. Themen finden, schreiben und fotografieren, redigieren, Seiten und Sendungen bauen. Deshalb war Talent bei der Auswahl von Anfang an genauso wichtig wie die Gesinnung. Die Sowjetunion wiederum konnte schon deshalb kaum als Folie dienen, weil die Zeitungen anders arbeiteten und die Sprachwissenschaftler, die zum Beispiel in Moskau das Sagen hatten, Praxiskurse an der Universität ablehnten. Die Leipziger Fakultätsgründer um Hermann Budzislawski knüpften hier eher an die Tradition des Instituts für Zeitungskunde von Karl Bücher an (vgl. Schlimper 2007) sowie an die Journalistenschulen an US-Universitäten, die der Dekan im Exil kennengelernt haben dürfte.
Dass Reiner Kunze 1951 und drei Jahre später dann auch seine Frau Ingeborg nicht viel über das Studium wussten, für das sie sich da beworben hatten oder geworben worden waren, liegt in der Natur einer solchen Neugründung. Wie man am besten Journalisten für den neuen Staat ausbildet, hätten ihnen nicht einmal ihre Professoren sagen können. Die 1950er-Jahre an der Fakultät für Journalistik in Leipzig: Das ist auch eine Zeit der Suche, oft nach dem Motto Trial and Error. Hier unterscheidet sich die Ausbildung nicht sehr vom DDR-Mediensystem insgesamt. Spätere Studentengenerationen hatten es da leichter. Es gab jetzt ein Übungssystem, vor allem aber gab es in den Redaktionen Journalistinnen und Journalisten, die selbst in Leipzig gewesen waren und den Volontären erzählen konnten, was sie dort erlebt hatten. Noch so eine Irrläuferin wie Brigitte Klump war da kaum möglich.
Anmerkungen
- 1 Interview mit Ingeborg Schmidt am 27. Januar 2017 in Leipzig. Gedächtnisprotokoll. In: Privatarchiv Michael Meyen.
- 2 Bundesarchiv Berlin (BA), DR 3-B/14978 (Hermann Budzislawski), Bl. 22.
- 3 Friedrich Behrens an das Ministerium für Volksbildung, 12. Februar 1948. Ebd., Bl. 12.
- 4 Ebd., Bl. 46.
- 5 Rocholl, Landesregierung Sachsen, an Erich Zeigner, Oberbürgermeister von Leipzig, 1. Oktober 1948 (Entwurf); Zeigner an Rocholl, 14. Oktober 1948. Ebd., Bl. 64, 68.
- 6 Budzislawski an Holtzhauer, 11. November 1949. Ebd., Bl. 89.
- 7 Universitätsarchiv Leipzig (UAL), VD 267.
- 8 BA, DR 3-B/14978 (Hermann Budzislawski), Bl. 156-160.
- 9 Budzislawski an Sindermann, 24. November 1962. In: SAPMO-BA, DY 30/IV 2/9.02/67, Bl. 278f.
- 10 Ebd., Bl. 20.
- 11 Halle an Norden, 6. Januar 1950. In: BA, DR 3/5962 (nicht paginiert).
- 12 Budzislawski an Kippenhagen (sic!), 13. April 1950. Ebd.
- 13 Entwurf einer Studien- und Prüfungsordnung für Publizisten im Rahmen der Gewifa Leipzig, Mai 1950. In: BA, DR 3-B/14978 (Hermann Budzislawski), Bl. 96-100.
- 14 Budzislawski an Wandel, 16. Juni 1950. In: BA, DR 3/5962, nicht paginiert.
- 15 Budzislawski an Kippenhagen (wie Anmerkung 12).
- 16 Schulz an Kippenhahn, 20. November 1950. In: BA, DR 3/5962 (nicht paginiert).
- 17 Budzislawski an Krausz, 9. September 1959. In: UAL, Journ. Fak. 25, Bl. 7; Budzislawski an Krausz, 3. Oktober 1959. Ebd., Bl. 17f.
- 18 Ebd.
- 19 Minister für Volksbildung, Anweisung Nr. 81 vom 8. Januar 1951, betrifft Errichtung einer Abteilung für Publizistik und Zeitungswissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig. In: UAL, Phil. Fak. B 01_14_50, Bd. 2, Bl. 7.
- 20 Heinrich Bruhn/Horst Illmayer: Übersicht der Bedingungen für die Entwicklung von Pressekadern an der Universität Leipzig, 11. Januar 1952. In: BA, NY 5251/63 (Nachlass Eildermann), Bl. 206-224.
- 21 Schulz an Prodekan Erkes, 24. Februar 1951. In: UAL, Phil. Fak. B 01_14_50, Bd. 2, Bl. 10.
- 22 Fragebogen und Lebenslauf vom 6. Dezember 1950. In: UAL, PA 963 (Eduard Schulz), Bl. 2-5.
- 23 Mayer an Gerhard Harig, Staatssekretär, 21. Juni 1951. Ebd., Bl. 32.
- 24 Budzislawski an Harig, 14. Mai 1951. In: BA, DR 3-B/14978 (Hermann Budzislawski), Bl. 102.
- 25 Budzislawski an Harig, 11. Juli 1951. Ebd., B. 103.
- 26 Personalbogen Heinrich Bruhn vom 20. März 1951; Lebenslauf, ohne Datum; Universität Leipzig an das Staatssekretariat für Hochschulwesen, 1. März 1951. In: UAL, PA 356 (Heinrich Bruhn), Bl. 1f., 9, 30.
- 27 Schöne, Kaderinstrukteur: Beurteilung des Genossen Professor Heinrich Bruhn, 29. April 1955. Ebd., Bl. 38f.
- 28 UAL, PA 963, Bl. 33.
- 29 Ebd., Bl. 41, 42, 44.
- 30 Felix-Heinrich Gentzen: Bericht über die Besprechung am 2.5.1951 im Institut für Publizistik in Leipzig, 9. Mai 1951. In: BA, DR 3/5962 (nicht paginiert).
- 31 Eildermann an Harig, 14. Mai 1954: Antrag auf Fakultätsgründung. In: UAL, Phil. Fak. B 01_14_50, Bd. 2, Bl. 61-66, hier 62-64.
- 32 BA, DR 3-B/15062 (Karl Jakobi).
- 33 Eildermann an Rektor Georg Mayer, 4. September 1954. In: UAL, Journ. Fak. 28, Bl. 2-7, hier 4.
- 34 Parteiorganisation der SED an der Karl-Marx-Universität an das Staatssekretariat für Hochschulwesen, 22. Juli 1954. In: BA, DR 3, 5958 (nicht paginiert).
- 35 Vgl. Fakultät für Journalistik: Vorschriften für Promotionsverfahren an der Fakultät für Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig, 7. Januar 1960. In: UAL, Journ. Fak. 44, Bl. 3-10.
- 36 Schad, Staatssekretariat für Hochschulwesen, an Dr. Karras, Abteilungsleiter, 4. Dezember 1956. In: BA, DR 3/4089 (nicht paginiert).
- 37 Staatssekretär für Hochschulwesen an franz Dahlem, 1. Februar 1957. Ebd. Vgl. Karras an Georg Mayer, 30. April 1957. Ebd.
- 38 Vgl. Vorlage an das Sekretariat des ZK der SED, betr. Verlegung der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig von Leipzig nach Berlin und ihre Umbildung in eine „Hochschule für Journalistik“ der DDR, 15. Juli 1970. Ausgearbeitet von Georg Förster, unterschrieben von Werner Lamberz. Nicht im Sekretariat behandelt. In: SAPMO-BA, DY 30/5462, Bl. 203-207, hier 203.
- 39 Vgl. Budzislawski an Georg Mayer, 24. November 1956. In: BA, DR 3-B/13898 (Hans Teubner), Bl. 27f. Für die Praxis in benachbarten Disziplinen vgl. exemplarisch den Fall von Fritz Beckert, 1975 Professor an der Leipziger Sektion Journalistik. Um Anfang der 1960er-Jahre Professor für Pädagogische Psychologie an der TH Karl-Marx-Stadt werden zu können, mussten (auch mithilfe von Ministerin Margot Honecker) mehrere Außengutachten eingeholt und erhebliche Bedenken der Scientific Community an der Qualifikation des Kandidaten zerstreut werden. Berufungsakte Fritz Beckert, BA, DR 3-B/6858 (nicht paginiert).
- 40 Hermann Budzislawski an Georg Mayer, 11. August 1959. In: BA, DR 3-B/11549 (Arnold Hoffmann), Bl. 37f.
- 41 Fakultät für Journalistik, Parteileitung: Ergänzungen der Kaderanalyse vom 17.3.1965, 5. Mai 1965. In: UAL, Journ. Fak. 43, Bl. 14-19, hier 14.
- 42 Vgl. exemplarisch Protokollnotiz von Hans Piazza (Prorektor für Gesellschaftswissenschaften) über Besprechung bei Minister Schirmer am 14.9.76 zum Sekretariatsbeschluss vom 3.12.75. In: UAL, SJ 2, Bl. 3-7.
- 43 Schrickel an Harig, 10. September 1951. In: BA, DR 3/5962 (nicht paginiert).
- 44 Wilhelm Eildermann: Bericht über meine Verhandlungen mit Staatssekretär Prof. Dr. Harig und Personalleiter Wiebach am 4.9.51 in Berlin. In: BA, NY 5251/63 (Nachlass Wilhelm Eildermann), Bl. 202.
- 45 Eildermann an die Abteilung Agitation, 19. September 1951. Betrifft: Frage Budzislawski. Ebd., Bl. 203-205.
- 46 Wilhelm Eildermann: Einige Fragen zur Verbesserung der Vorlesungen und Seminare. Wissenschaftlicher Rat, 12. Dezember 1952. Ebd., Bl. 3-7.
- 47 Wilhelm Eildermann: Erklärung. 12. Juli 1955. Ebd., Bl. 29f.
- 48 Wilhelm Eildermann: Wissenschaftliche Aufgaben und Arbeitsplan, 4. März 1955. Ebd., Bl. 22-24, hier 24.
- 49 Aktennotiz Kunath, Kaderinstrukteur, 27. Juni 1955. In: UAL, PA 959 (Eildermann), Bl. 40.
- 50 Budzislawski an Mayer, 24. November 1956. In: UAL, PA 13898 (Hans Teubner), Bl. 27f., hier 27.
- 51 Gutachten von Gerhard Menz, 18. August 1948. In: UAL, PA 573 (Herzfelde), Bl. 15.
- 52 Rocholl, Landesregierung Sachsen, an das Ministerium für Volksbildung der DDR, Abteilungen Hochschulen und Wissenschaft, 15. November 1949. In: BA, DR 3-B/15048 (Herzfelde), Bl. 27.
- 53 Ministerium für Volksbildung der DDR, Hauptabteilung Hochschulen, 3. März 1950. Betr.: Prof. Wieland Herzfelde. Ebd., Bl. 66.
- 54 Ministerium für Volksbildung der DDR, Hausmitteilung. Goßens an Wiebach, 17. Juli 1952. Ebd., Bl. 70.
- 55 Eildermann an den Rektor, 28. Februar 1953. Ebd., Bl. 77.
- 56 Zeuske, Aktennotiz über ein Gespräch mit Wilhelm Eildermann, 31. Juli 1953. Ebd., Bl. 79.
- 57 Budzislawski an Nultsch, Abteilungsleiter im Staatssekretariat, 8. Dezember 1955. Ebd., Bl. 175f., hier 176.
- 58 Budzislawski an Bönninger, Stellvertreter des Staatssekretärs, 1. August 1958. Ebd., Bl. 114f., hier 115.
- 59 Budzislawski an Georg Mayer, 26. November 1956. In: BA, DR 3-B/13092 (Wolfgang Rödel), Bl. 7f., hier 7.
- 60 Budzislawski an das Staatsekretariat, 17. November 1958. In: UAL, PA 573, Bl. 48f.
- 61 Budzislawski an Bönninger, Stellvertreter des Staatssekretärs, 1. August 1958. Ebd., Bl. 114f., hier 114.
- 62 Heinrich Bruhn/Horst Illmayer: Übersicht der Bedingungen für die Entwicklung von Pressekadern an der Universität Leipzig, 11. Januar 1952. In: BA, NY 5251/63 (Nachlass Eildermann), Bl. 206-224, hier 219.
- 63 Interview mit Wolfgang Ludwig, geführt von Leipziger Studenten in einem Seminar unter der Leitung von Siegfried Schmidt, vermutlich 2009. Video. In: Privatarchiv Michael Meyen.
- 64 Hausmitteilung (Grune, Hauptreferent), 12. April 1958. In: BA, DR 3/5312 (nicht paginiert).
- 65 Mecklenburg-Song, entstanden im Dorfzeitungspraktikum von Mai bis Juli 1956 im Bezirk Schwerin. Reaktion auf Hermann Budzislawskis Ankündigung, dass viele Absolventen ihre Perspektive als Dorfzeitungsredakteure zu sehen haben. Leihgabe von Karl-Heinz Röhr. In: Privatarchiv Michael Meyen.
- 66 CL: Ein neues Institut für Publizistik. In: Leipziger Volkszeitung vom 7. Januar 1951.
- 67 Vgl. Schulz an den Leipziger Oberbürgermeister, 30. November 1950; Aktennotiz „Neues Institut für Publizistik in Leipzig“, ohne Datum (Ende 1950). In: BA, DR 3/5962 (nicht paginiert).
- 68 Gerhard Harig an die Abteilung Propaganda im ZK der SED, 8. August 1951. Ebd.
- 69 Zumindest liegen die Lehrpläne der Moskauer Abteilung Journalistik (also aus der Zeit vor der Fakultätsgründung an der Lomonossow-Universität) im Leipziger Universitätsarchiv: Journ. Fak. 59, Bl. 48-51, 52f.
- 70 Juschin an Eildermann, 10. Februar 1954. Ebd., Bl. 59-63, hier 63.
- 71 Chudjakow an Eildermann, 21. Juli 1954. Ebd., Bl. 66.
- 72 Notizen des Genossen Mießlitz, Besuch der Journalistischen Fakultät der Lomonossow-Universität am 16. September 1954. Ebd., Bl. 1-4.
- 73 Bericht über die Studienreise in die Sowjetunion, 21. Mai bis 4. Juni 1957. In: SAPMO-BA, DY 30/IV 2/9.04 /230, Bl. 1-21, hier 1f. – Neben Budzislawski gehören Sander Drobela und Basil Spiru zu der Delegation. Wer den Bericht verfasst hat, sagen die Akten nicht.
- 74 Ordnung für das System journalistischer Übungen im Direktstudium zur Ausbildung von Diplomjournalisten. Unterschrieben von Franz Knipping, 14. Juli 1967. In: UAL, Journ. Fak. 78, Bl. 1-15.
- 75 Entwurf einer Studien- und Prüfungsordnung für Publizisten im Rahmen der Gewifa Leipzig, Mai 1950. In: BA, DR 3-B/14978 (Budzislawski), Bl. 96-100, hier 97.
- 76 Studienplan für das Fach Publizistik- und Zeitungswissenschaft, ohne Datum (Ende 1951). In UAL, Phil. Fak. B_01_14_50, Bd_02, Bl. 24-26.
- 77 Bodesheim: Bericht über die Kontrolle des Berufspraktikums der Publizistik-Studenten des 2. Studienjahres in der Redaktion des ND, 28. Juni 1952. In: BA, DR 3/5962 (nicht paginiert).
- 78 Horst Sindermann: System der Qualifizierung journalistischer Kader durch den Verband der Deutschen Presse. Vorlage an das Sekretariat, 2. September 1955. In: SAPMO-BA, DY 30/J IV 2/3A, Bl. 180-183, hier 180. – Vgl. VDP: Richtlinien für die Einstellung, Ausbildung und Prüfung der Mitarbeiter der dem. Presse. Beschlossen auf der außerordentlichen Zentralen Delegiertenkonferenz des VDP am 12.2.1955. Ebd., Bl. 184-197; Abteilung Agitation: Beschluß über die Reorganisation der Fakultät für Journalistik. Vorlage für das Sekretariat, 26.8.1955. Ebd., Bl. 198-201.
- 79 Kommission für Ausbildung, 29. Juni 1955. In: BA, DR 6/288 (nicht paginiert).
- 80 Zur Immatrikulation für das Studium der Journalistik, 6. Juni 1955. In: UAL, Journ. Fak. 78, Bl. 1-3.
- 81 Studienplan für die Fachrichtung Journalistik, 1. Juni 1954, bestätigt durch Gerhard Harig, Staatssekretär. In: BA, DR 3/5958 (nicht paginiert).
- 82 Fakultät für Journalistik, Sitzung des Fakultätsrats am 13. Oktober 1955. In: BA, DR 3/5968 (nicht paginiert), S. 3, 5f.
- 83 Fakultät für Journalistik: Protokoll der Fakultätsratssitzung vom 22. September 1955, S. 2. Ebd.
- 84 Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder an das Staatssekretariat für Hochschulwesen, 1. Dezember 1954. In: BA, DR 3/5958 (nicht paginiert).
- 85 Abteilung Agitation/Propaganda: Richtlinie für die Arbeit der Fakultät für Journalistik. Entwurf vom 6. Dezember 1957. In: SAPMO-BA, DY 30/IV 2/9.04/230, Bl. 22-37, hier 22-24.
- 86 Wilhelm Eildermann: Die propagandistische Arbeit der sozialistischen Presse und propagandistische Artikel. II. Der Leitartikel in der demokratischen Presse. Vorlesung vom 2. Februar 1956. In: UAL, Journ. Fak. 112, Bl. 2, 7, 22.
- 87 Von Eildermann intensiv durchgearbeitet und zum Teil mit Zitaten, die er dann auch verwendet: Prof. L. F. Iljitschow: Der Leitartikel in der Zeitung, Moskau 1948, Übersetzung von Bruno Aßmann. Parteihochschule beim ZK der KPdSU (B), Lehrgang für Journalistik. Ebd., Bl. 132-156.
- 88 odr.: Der Volksmund spricht vom „Roten Kloster“. Ein Besuch in der Fakultät für Journalistik der Leipziger Karl-Marx-Universität. In: FAZ vom 1. Oktober 1955.
- 89 BA, DY 24/25272 (nicht paginiert).
Literaturangaben
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- Kerstin Langwagen: Die DDR im Vitrinenformat. Zur Problematik musealer Annäherungen an ein kollektives Gedächtnis. Berlin: Metropol Verlag 2016.
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- Yassen Zassursky: I Tried to Stop the Cold War Mentality. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Eds.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2016.
Empfohlene Zitierweise
- Michael Meyen: Studieren im Roten Kloster. Die Anfänge der Journalistenausbildung in der DDR. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2017. http://blexkom.halemverlag.de/studieren-im-roten-kloster/ (Datum des Zugriffs).