Stationen
Geboren in Hamburg. Vater Architekt, evangelisch-lutherisch. 1920 bis 1924 Studium an der Christian-Albrechts-Universität Kiel (Nationalökonomie, Staatswissenschaften, Soziologie und Zeitungskunde). 1924 Promotion bei Ferdinand Tönnies. 1924 Lokalberichterstatter der Ostpreußischen Zeitung in Königsberg. 1925 Hauptgeschäftsführer der Fichte-Gesellschaft Hamburg. 1925 Assistent am Seminar für Publizistik und Zeitungswesen an der Universität Freiburg. 1927 wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am Deutschen Institut für Zeitungskunde der Universität Berlin. 1932 Abteilungsleiter, 1933 stellvertretender Direktor. 1932 Mitglied der NSDAP. 1933 Vertretungsprofessur für Zeitungswissenschaft an der Universität Leipzig. 1934 Lehrstuhl und Direktor des Instituts für Zeitungswissenschaft. 1935 Leiter der Pressestelle der Universität Leipzig. 1935 bis 1937 Dekan der Philologisch-Historischen Abteilung der Philosophischen Fakultät, zugleich Gesamtdekan der Philosophischen Fakultät. 1945 bis 1948 Internierung im Kriegslager Ludwigsburg. 1950 Lehre am Werbewissenschaftlichen Institut München. 1959 bis 1963 Herausgabe der Fachzeitschrift Verlags-Praxis. Verheiratet mit Melanie Schott (1927 bis 1946) und Ruth Göldner (1948 bis 1963), drei Stiefsöhne aus erster Ehe, eine Tochter und ein Sohn aus zweiter Ehe.
Publikationen
- Die öffentliche Meinung in Johann Joseph Görres’ politischer Publizistik. Berlin: Staatspolitischer Verlag 1926 (Dissertation).
- Jugend und Zeitung. Berlin: C. Duncker 1932.
- Zeitung und Politik. Eine Einführung in die Zeitungswissenschaft. Leipzig: Noske 1935.
- Publizistik. Menschen – Mittel – Methoden. Leipzig: Bibliographisches Institut 1939.
- Die Presse – Trumpf in der Werbung. Eine kritische Analyse. Stuttgart: Forkel 1963.
Hans Amandus Münster gehört zusammen mit Karl Kurth zu den Zeitungswissenschaftlern, die während der Diktatur das Fach ganz maßgebend im nationalsozialistischen Sinne zu prägen versuchten. Dabei bediente sich Münster der nationalsozialistischen Ideologie nicht nur als Instrument, sondern vertrat diese, 1932 in die NSDAP eingetreten, aus echter Überzeugung (vgl. Averbeck/Kutsch 2002: 61). Als Nachfolger von Erich Everth (von den neuen Machthabern beurlaubt und emeritiert) war Münster an der Universität Leipzig Inhaber der einzigen ordentlichen Professur, über die die Disziplin damals verfügte. In den Wirren der „nationalsozialistischen Revolution“ 1933 zunächst zum Inhaber einer Vertretungsprofessur erkoren, wurde Münster 1934 endgültig zum Lehrstuhlinhaber und Institutsdirektor ernannt und unternahm fortan den Versuch, das Leipziger Institut zu einem nationalsozialistischen Vorzeigeinstitut aufzubauen (vgl. Jedraszczyk 2011: 189).
Sein Studium hatte Münster bei Ferdinand Tönnies in Kiel mit einer Promotion über die öffentliche Meinung in Görres’ Publizistik erfolgreich abgeschlossen (Münster 1926), um schließlich zwei Jahre als Assistent bei Wilhelm Kapp in Freiburg zu arbeiten. Entscheidend für Münsters weiteren Weg wurde der Wechsel an das Deutsche Institut für Zeitungskunde in Berlin, wo er von 1927 bis 1933 als Referent arbeitete und bis zum stellvertretenden Direktor aufstieg. Dabei kann der dort von Münster betriebenen Rezipientenforschung ein methodisch innovativer Charakter nicht abgesprochen werden. In einer von Ideen der Reformpädagogik inspirierten empirischen Großstudie wurden so 100.000 Jugendliche hinsichtlich ihrer Zeitungsnutzung befragt (vgl. Kutsch 2009: 753). Neben seiner Tätigkeit am Berliner Institut wirkte Münster medienpädagogisch als Schriftleiter der Halbmonatsschrift Der Zeitspiegel und gab zeitungskundliche Kurse für Lehrer (vgl. Starkulla 1997: 538-539).
Münster brachte bereits in seiner Leipziger Antrittsvorlesung zum Ausdruck, dass ihn die nationalsozialistischen Machthaber nicht zu Unrecht als einen ihrer Repräsentanten ausgewählt hatten, und verwies auf die „volkserzieherische Aufgabe“ als erste Funktion der Zeitungswissenschaft, die „aus echtem nationalsozialistischem Geist betrieben werden“ müsse (Münster 1934: 241). Fortan entwickelte Münster ein eigenes Publizistik-Modell, das sich dem Zusammenspiel und der Wirkung der verschiedenen „publizistischen Führungsmittel“ mithilfe einer Zeichentheorie widmete (vgl. Hachmeister 1987: 52). Des Weiteren ließ Münster durch seine Studenten empirische Mediennutzungsstudien durchführen – letzten Endes alles mit dem Ziel, die Wirkung der nationalsozialistischen Propaganda einerseits zu untersuchen, um sie andererseits entsprechend zu optimieren. Sowohl mit seinem Plädoyer für eine publizistische Wissenschaft als auch mit seinen empirischen Studien befand sich Münster, der 1944 zum Leiter des Fachkreises Publizistik in der Reichsdozentenführung berufen wurde, in Opposition zur vom Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verband betriebenen Fachpolitik, die die Disziplin ganz auf die Erforschung der Presse und die Journalistenausbildung ausrichten wollte (vgl. Averbeck/Kutsch 2002: 60-61).
Nach 1945 entlassen, betrieb Münster, der neben seinen offiziellen Aktivitäten als Leipziger Institutsleiter im Rahmen der antisemitischen und rassistischen Gegnerforschung mit Gestapo, Sicherheitsdienst der SS und Reichssicherheitshauptamt zusammengearbeitet hatte (vgl. Kutsch 2009: 754), erfolglos seine Rückkehr an die Universität und befasste sich nun mit den Themengebieten Marktforschung und Werbung. Darüber hinaus veröffentlichte er zum Zeitungs- und Zeitschriftenwesen, bearbeitete seit 1956 das Sachgebiet Werbung in der Publizistik und gab von 1959 bis zu seinem Tod 1963 die Fachzeitschrift Verlags-Praxis heraus (vgl. Starkulla 1997: 538-539). Mit Walter Hagemann, dem Gründer der Fachzeitschrift Publizistik, war Münster befreundet (Kutsch 2006: 83). Maria Löblich (2009: 247) hat auch deshalb eine Verbindung zwischen seinen empirischen Rezeptionsstudien in den 1930er-Jahren und den Forschungsprojekten gesehen, die von Hagemann in den 1950er-Jahren in Münster angeregt und geleitet wurden.
Literaturangaben
- Stefanie Averbeck/Arnulf Kutsch: Thesen zur Geschichte der Zeitungs- und Publizistikwissenschaft. In: Medien & Zeit 17. Jg. (2002), Nr. 2/3, S. 57-66.
- Lutz Hachmeister: Theoretische Publizistik. Studien zur Geschichte der Kommunikationswissenschaft in Deutschland. Berlin: Spiess 1987.
- Jochen Jedraszczyk: Hans Amandus Münster und die Ideologisierung des Leipziger Instituts für Zeitungswissenschaft im Dritten Reich. In: Jahrbuch für Universitätsgeschichte 14. Jg. (2011), S. 189-204.
- Arnulf Kutsch: Verdrängte Vergangenheit. Darstellungstechniken und Deutungen der Fachgeschichte im „Dritten Reich“ in den Personalien der „Publizistik“. In: Christina Holtz-Bacha/Arnulf Kutsch/Wolfgang R. Langenbucher/Klaus Schönbach (Hrsg.): 50 Jahre Publizistik. Wiesbaden: VS Verlag 2006, S. 73-112.
- Arnulf Kutsch: Kommunikations- und Medienwissenschaft. In: Ulrich von Hehl/Uwe John/Manfred Rudersdorf (Hrsg.): Geschichte der Universität Leipzig 1409-2009, Bd. 4/1. Leipzig: Universitätsverlag 2009, S. 741-759.
- Maria Löblich: Die empirischen Studien am Institut für Publizistik in Münster in den 1950er-Jahren. In: Stefanie Averbeck-Lietz/Petra Klein/Michael Meyen (Hrsg.): Historische und systematische Kommunikationswissenschaft. Festschrift für Arnulf Kutsch. Bremen: Lumière 2009, S. 239-258.
- Hans Münster: Die drei Aufgaben der deutschen Zeitungswissenschaft. In: Zeitungswissenschaft 9. Jg. (1934), S. 241-249.
- Heinz Starkulla junior: Münster, Hans Amandus. In: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 538-539 [Onlinefassung].
Weiterführende Literatur
- Ute Ehrich: Die Judenfrage in der Presse. Forschung und Denunziation am Institut für Zeitungswissenschaft an der Universität Leipzig. In: Werner Röhr (Hrsg.): Faschismus und Rassismus. Kontroversen um Ideologie und Opfer. Berlin: Akademie-Verlag 1992, S. 86-95.
- Jochen Jedraszczyk: Zeitungswissenschaft an der Universität Leipzig in der Zeit des Dritten Reiches (1933 bis 1945). Magisterarbeit. Leipzig: Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft 2005.
- Carsten Schreiber: Elite im Verborgenen. Ideologie und regionale Herrschaftspraxis des Sicherheitsdienstes der SS und seines Netzwerkes am Beispiel Sachsens. München: Oldenbourg 2008.
- Sylvia Straetz: Hans A. Münster (1901-1963). Sein Beitrag zur Entwicklung der Rezipientenforschung. Frankfurt/Main: Haag + Herchen 1984.
- Sylvia Straetz: Das Institut für Zeitungskunde in Leipzig bis 1945. In Rüdiger vom Bruch/Otto B. Roegele (Hrsg.): Von der Zeitungskunde zur Publizistik. Biographisch-institutionelle Stationen der deutschen Zeitungswissenschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Frankfurt/Main: Haag + Heerchen 1986, S. 75-103.
Weblink
Empfohlene Zitierweise
- Hendrik Wagner: Hans Amandus Münster. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2013. http://blexkom.halemverlag.de/hans-amandus-munster/ (Datum des Zugriffs).