Wilfried Scharf (Foto: privat)

Wilfried Scharf

23. September 1945

Lexikoneintrag von Martina Thiele am 9. Mai 2015

Wilfried Scharf hat das Göttinger Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft vier Jahrzehnte geprägt und am Laufen gehalten. Umso tragischer, dass er am Ende auch dessen Schließung mittragen musste.

Stationen

Geboren in Delmenhorst, Vater Handwerksmeister, Mutter Hausfrau. Abitur in Delmenhorst, 1965 bis 1968 Bundeswehr, danach Studium der Sozialwissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen. 1969 Volontariat bei Radio Bremen. 1972 Diplom-Sozialwirt. 1971 bis 1973 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik in Göttingen. 1973 bis 1975 Studienleiter für Gesellschaftspolitik bei der Evangelischen Akademie Oldenburg. Ab 1975 wissenschaftlicher Assistent in Göttingen, später akademischer Rat und Oberrat. 1980 Promotion bei Jörg Aufermann und Wilmont Haacke. Vertretungs- und Gastprofessuren an den Universitäten Hamburg und Leipzig. 2005 bis 2008 Verwalter der Stelle eines Universitätsprofessors für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. 2007 bis 2010 Direktor des Zentrums für interdisziplinäre Medienwissenschaft. Verheiratet, zwei Kinder.

Publikationen

  • Objektivität oder Parteilichkeit in der Berichterstattung. Die Auswirkungen des Prinzips der Trennung von Nachricht und Meinung auf die Nachrichtengebung der „Tagesschau“ und die Auswirkungen des Prinzips der marxistisch-leninistischen Parteilichkeit auf die Nachrichtengebung der „Aktuellen Kamera“. Dissertation, Universität Göttingen 1980. In gekürzter Form als Buch publiziert: Nachrichten im Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Objektivität oder Parteilichkeit in der Berichterstattung. Frankfurt/Main: Fischer 1981.
  • Das Bild der Bundesrepublik in den Massenmedien der DDR. Eine empirische Untersuchung von Tageszeitungen, Hörfunk und Fernsehen. Frankfurt/Main: Peter Lang 1985.
  • Deutsche Diskurse. Die politische Kultur von 1945 bis heute in publizistischen Kontroversen. Hamburg: Academic Transfer 2009.

Wilfried Scharfs Leben und Werk sind eng verbunden mit dem Göttinger Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Wer in Göttingen den interdisziplinären Studiengang Diplom-Sozialwirt gewählt hatte, entschied sich meist sehr schnell für die publizistikwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen von Wilfried Scharf. Denn hier konnten die an Medien und Kommunikation Interessierten etwas lernen. Scharf, immer bestens vorbereitet und unglaublich belesen, erschien vielen als der eigentliche Professor am Institut. Seine Studierenden schätzen ihn bis heute als ausgezeichneten Lehrer, der sie zum eigenständigen, kritischen Denken angeregt hat. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre reichten von Kommunikationspolitik und dem Mediensystem der DDR über Film bis hin zu publizistischen Kontroversen. Legendär waren die donnerstäglichen Filmseminare in Kooperation mit dem Göttinger „Lumière“ und die DDR-Exkursionen in den 1980er-Jahren.

Elisabeth Klaus, die von 1996 bis 2003 mit Wilfried Scharf in Göttingen zusammengearbeitet hat, erwähnt in der Festschrift zum 60. Geburtstag auch seine „manchmal unverständliche Loyalität“ (2005: 5) gegenüber Wilmont Haacke, bei dem Scharf in den 1970er-Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war (vgl. Scharf 2006). Sie schließt mit dem Wunsch, „dass er nicht zu demjenigen wird, der als Letzter das Licht der Göttinger Kommunikationswissenschaft ausknipsen muss“ (Klaus 2005: 7). So ist es dann aber gekommen – und es bleiben, um den von Scharf verehrten Dichter Gottfried Benn zu zitieren, am Ende „Nur zwei Dinge“.

Literaturangaben

  • Elisabeth Klaus: „Göttinger Urgestein“. Wilfried Scharf zum 60. Geburtstag. In: Martina Thiele (Hrsg.): Konkurrenz der Wirklichkeiten. Wilfried Scharf zum 60. Göttingen: Universitätsverlag 2005, S. 5-7.
  • Wilfried Scharf: Wilmont Haacke: Wissenschaftliche Karriere und Bedeutung für das Fach. In: Christina Holtz-Bacha/Arnulf Kutsch/Wolfgang R. Langenbucher/Klaus Schönbach (Hrsg.): 50 Jahre Publizistik. Wiesbaden: Vs Verlag 2006, S. 113-143.

Weiterführende Literatur

  • Elisabeth Klaus: Wilfried Scharf 60 Jahre. In: Publizistik 50. Jg. (2005), S. 354-355.
  • Stefan Matysiak: Medien und Medienwissenschaft in Göttingen. In: Ders. (Hrsg.): Von braunen Wurzeln und großer Einfalt. Südniedersächsische Medien in Geschichte und Gegenwart. Norderstedt: bod 2014, S. 7-16.

Weblink

Empfohlene Zitierweise

    Martina Thiele: Wilfried Scharf. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015. http://blexkom.halemverlag.de/wilfried-scharf/ ‎(Datum des Zugriffs).