Paul Walter Schöne (Quelle: Volz 1931)
Paul Walter Schöne (Quelle: Volz 1931)

Paul Walter Schöne

5. Juni 1885 bis 27. April 1943

Lexikoneintrag von Thomas Lietz am 21. Juni 2013

Schönes wissenschaftliche Arbeiten lassen sich drei Gebieten zurechnen, wobei seine theoretischen Ansätze zur Zeitungswissenschaft eine Schnittmenge der Arbeiten zur Pressegeschichte, kommunaler Öffentlichkeit und Statistik darstellen.

Stationen

Geboren in Dresden. Vater Eisenbahninspektor, evangelisch-lutherisch. 1902 Akzessist der Dresdner Amtshauptmannschaft. Studium in Tübingen und Leipzig (Nationalökonomie, Verwaltungs-, Staats- und Völkerrecht sowie Geschichte). 1912 Promotion bei Johannes Fuchs in Tübingen. 1912 bis 1914 wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Statistischen Amt der Stadt Leipzig und der Handelskammer in Plauen. 1922 Habilitation bei Karl Bücher in Leipzig. Privatdozentur bis 1923. 1914 bis 1922 Stadtamtsrat im Statistischen Amt der Stadt Leipzig. 1922 bis 1933 Wirtschafts- und Presseamt der Stadt Leipzig. 1928 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit an der Universität Leipzig. Wahl zum Vorsitzenden der „Arbeitsgemeinschaft der städtischen Nachrichten- und Presseämter“. Ab 1933 mit der wissenschaftlichen Vorbereitung der (dann ausgefallenen) Gutenberg-Reichsausstellung 1940 betraut. 1934 Berufung in den städtischen Nachrichtenausschuss des Deutschen Gemeindetages. 1939 Leiter der Leipziger Forschungsstelle für Frühgeschichte der Zeitung im Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verband. 1940 Ernennung zum außerordentlichen Professor. Im gleichen Jahr Lehrauftrag zur Frühgeschichte der Presse. Verheiratet mit Henriette Schöne-Rieck, ein Sohn.

Publikationen

  • Die Anfänge des Dresdner Zeitungswesens im 18. Jahrhundert. Dresden: Buchdruckerei der Wilhelm und Bertha von Baensch Stiftung 1912 (= Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, Bd. 23) (Dissertation).
  • Zeitungswesen und Statistik. Eine Untersuchung über den Einfluss der periodischen Presse auf die Entstehung und Entwicklung der staatswissenschaftlichen Literatur, speziell der Journalistik. Jena: Gustav Fischer 1924 (Habilitation).
  • Die Statistik als Grundlage der empirischen Soziologie. Ein Beitrag zur Ausgestaltung der amtlichen Statistik. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 111. Bd. (1918) [III. Folge, Bd. 56], Nr. 3, S. 257-290.
  • Leipzig. Illustrierte Monatsschrift für Kultur, Wirtschaft und Verkehr. 1. Jg. (1924) bis 7. Jg. (1931) (Hrsg.).
  • Die Zeitung und ihre Wissenschaft. Leipzig: H.F.A. Timm 1928.
  • Die städtischen Nachrichtenblätter. In: Der Städtetag 22. Jg. (1928), Sp. 45-50.
  • Drei Jahrhunderte Leipziger Presse. In: Zeitungswissenschaft 11. Jg. (1936), Nr. 11 (= Sonderheft zum 20-jährigen Bestehen des Leipziger Institut für Zeitungswissenschaft an der Universität Leipzig), S. 506-568.

Schönes wissenschaftliche Arbeiten lassen sich drei Gebieten zurechnen, wobei seine theoretischen Ansätze zur Zeitungswissenschaft eine Schnittmenge der Arbeiten zur Pressegeschichte, kommunaler Öffentlichkeit und Statistik darstellen. Bereits im Vorwort seiner Habilitationsschrift formuliert er das Erkenntnisziel der akademischen Zeitungswissenschaft: „Zeitung als Ausdrucksmittel des gesellschaftlichen Bewusstseins“ (Schöne 1924: IV). Um Beeinflussung erweitert und näher ausgeführt findet sich dieses Motiv später im „ersten Lehrbuch der Zeitungswissenschaft“ (Lerg 1979: S.184), welches Schöne öffentlichkeitswirksam im Pressa-Jahr 1928 publizierte. Zeitung bilde das ausschließliche Materialobjekt des Fachs, welches über die Instanz der öffentlichen Meinung (makro-)soziale Wechselbeziehungen zwischen Staat und Gesellschaft vermittelte (Schöne 1928: 19). Auch wenn Schöne die prozesskonstituente „Vermittlung“ nicht eingehender ausführte, begründete er sie doch über das „Betroffensein“ der beteiligten Kommunikationsteilnehmer. Hier konnte er direkt an seine Erfahrungen aus der Pressearbeit für die Leipziger Stadtverwaltung anknüpfen, denn auch dort hatte er es mit ämterspezifischen Interessen zu tun, die an Vertreter einer fragmentierten Öffentlichkeit zu übermitteln waren. Dennoch kann Schöne nicht als genuiner Vertreter einer prozessorientierten Perspektive gelten (Averbeck 1999: 34-35). Sowohl die einseitige Fixierung auf das Materialobjekt Zeitung als auch das Konstrukt eines gesellschaftlichen Bewusstseins als „übereinstimmendes (gleichgerichtete) Fühlen und Urteilen“ (Schöne 1928: 19) stehen einem prozessorientierten Verständnis gesellschaftlicher Kommunikation entgegen. Schöne argumentierte auf der Mikro- und Mesoebene mit empirisch beobachtbaren dynamischen Prozessen, verband diese aber auf der Makroebene mit der deduktiv gewonnenen Annahme eines gesellschaftlichen Bewusstseins. Die Bedeutung des Lesers im Kommunikationsprozess wird so faktisch wieder relativiert.

Eine Erweiterung der materiellen Perspektive, wie sie etwa Karl Jaeger auf alle Mitteilungsformen anstrebte, lehnte Schöne vermutlich aus fachpolitischen Gründen ab (Schöne 1928: 25). Der Wirkung anderer Mitteilungsformen in unterschiedlichen Kommunikationssituationen war er sich sehr wohl bewusst (Schöne 1936: 8).

Karl Bücher (Quelle: Privatarchiv Thomas Lietz)

Karl Bücher (Quelle: Privatarchiv Thomas Lietz)

Anders als Karl Bücher wollte Schöne die Zeitungswissenschaft erkenntniskritisch fundieren, um sie in den Rang einer akademischen Disziplin zu heben. Mit der Formulierung eines Erkenntniszieles, eines spezifischen Materialobjekts und einer interdisziplinären empirisch-soziologischen Perspektive hat Schöne zur sozialwissenschaftlichen Fundierung des Fachs beigetragen (Kutsch 1997: 34). Anders als Bücher lehnte Schöne eine Konzentration auf die Journalistenausbildung ab und wollte stattdessen das Studium all jenen zugänglich machen, die im öffentlichen Leben mit der Presse in Berührung kommen (Schöne 1928: 230). Dennoch entging er selbst dem von ihm kritisierten Dualismus zwischen journalistischem Ideal und geschäftlicher Wirklichkeit, dem Büchers Reformbemühen galten, nicht völlig. Denn die Versuche wirtschaftlicher und politischer Interessensgruppen, strategischen Einfluss auf verschiedene Kommunikationsprozesse zu nehmen, beurteilte auch der kommunale Pressefachmann Schöne kritisch (1928: 136-137). In seinen Arbeiten zum kommunalen Pressedienst betonte er eine sachliche Behandlung von Tatsachen mit dem Ziel der Verständigung, weil nur so ein Ausgleich der Interessen möglich sei (1923: 508). Auf dem Gebiet der kommunalen Publizistik sah Schöne zudem die Möglichkeit, kollektives Bewusstsein und öffentliche Meinung empirisch zu untersuchen (1931: 445). Zu einer solchen Studie kam es aber nicht. Denn nach dem Ende der Weimarer Republik knüpfte Schöne, nun vom Demokraten zum Nationalsozialisten gewandelt, wieder an seine pressehistorischen Qualifikationsarbeiten an. Der Wert dieser Studien liegt in der akribischen Quellenarbeit und Schönes Perspektive, Pressegeschichte im Zusammenhang ökonomischer und politischer Randbedingungen darzustellen und dabei gedruckte und ungedruckte Vorläufer der Zeitungen sowie deren Hilfsgewerbe nicht aus dem Blick zu verlieren.

Literaturangaben

  • Stefanie Averbeck: Kommunikation als Prozeß. Soziologische Perspektiven in der Zeitungswissenschaft 1927-1934. Münster: Lit 1999.
  • Winfried B. Lerg: Das Gespräch. Theorie und Praxis unvermittelter Kommunikation. Düsseldorf: Bertelsmann 1970.
  • Arnulf Kutsch: „Historisch-ethisch“ versus „empirisch-soziologisch“ fundierte Zeitungswissenschaft. Zum Bruch zwischen Walter Schöne und Karl Bücher. In: Michael Haller (Hrsg.): Tatsachen und Meinungen. Festschrift für Klaus Puder. Leipzig: Institut für Kommunikationswissenschaft 1997, S. 18-35.
  • Walter Schöne: Das kommunale Nachrichtenwesen. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 77. Jg. (1923), Nr. 4, S. 507-552.
  • Walter Schöne: Zeitungswesen und Statistik. Eine Untersuchung über den Einfluss der periodischen Presse auf die Entstehung und Entwicklung der staatswissenschaftlichen Literatur, speziell der Journalistik. Jena: Gustav Fischer 1924.
  • Walter Schöne: Die Zeitung und ihre Wissenschaft. Leipzig: H.F.A. Timm 1928.
  • Walter Schöne: Umfang und Gliederung der öffentlichen Meinung. In: Zeitungswissenschaft 6. Jg. (1931), Nr. 6, S. 440-445.
  • Walter Schöne: Das Gerücht. Leipzig: Robert Noske 1936 (= Gestalten und Erscheinungen der politischen Publizistik, Bd. 8).
  • Robert Volz (Hrsg.): Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft. Berlin: Deutscher Wirtschaftsverlag 1931.

Weiterführende Literatur

  • Stefanie Averbeck: W.[alter] Schöne (1928): Die Zeitung und ihre Wissenschaft. In: Christina Holtz-Bacha/Arnulf Kutsch (Hrsg.): Schlüsselwerke für die Kommunikationswissenschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002, S. 406-408.
  • Ute Ehrlich: Das Institut für Zeitungswissenschaft an der Universität Leipzig 1933-1945. Ein Arbeitsbericht. In: Medien & Zeit 6. Jg. (1991), Nr. 1, S. 22-30.
  • Arnulf Kutsch: Zeitungswissenschaftler im Dritten Reich. Sieben biographische Studien. Köln: Hayit 1984.
  • Karl Jaeger/Stefanie Averbeck/Arnulf Kutsch: Mitteilung statt Medium. Probleme, Methoden und Gegenstände der publizistischen Wissenschaft. München: Fischer 2000 (= ex libris kommunikation, Bd. 9).
  • Tobias Liebert: Öffentlichkeitsarbeit, Propaganda und Werbung in der Zeitungs- und Publizistikwissenschaft sowie Propagandasoziologie der 1920er- und 1930er-Jahre. In: Tobias Liebert: Der Take-off von Öffentlichkeitsarbeit. Beiträge zur theoriegestützten Real- und Reflexions-Geschichte öffentlicher Kommunikation und ihre Differenzierung. Leipzig: Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft 2003 (= Leipziger Scripte für PR und Kommunikationsmanagement, Nr. 5).
  • Hainer Michalske: Die Gutenberg-Reichsausstellung 1940. Stuttgart: Steiner 2007 (= Beiträge zur Kommunikationsgeschichte, Bd. 18).

Weblink

Empfohlene Zitierweise

    Thomas Lietz: Walter Schöne. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2013. http://blexkom.halemverlag.de/paul-walter-schone/ (Datum des Zugriffs).