Elisabeth Klaus 2008 (Foto: Alois Pluschkowitz)

Elisabeth Klaus

20. September 1955

Lexikoneintrag von Martina Thiele am 5. Januar 2021

Elisabeth Klaus zählt zu den wichtigen Vertreterinnen und Vertretern der Gender Media Studies im deutschsprachigen Raum. Kommunikations- und Medienwissenschaft betreibt sie als kritische Gesellschaftswissenschaft und zeigt, wie produktiv die Verbindung von Cultural Studies und Gender Studies für die Analyse sozialer Ungleichheit in und durch Medien ist.

Stationen

Geboren in Oschersleben, Sachsen-Anhalt, aufgewachsen in Lage bei Bielefeld. Studium der Mathematik und Sozialwissenschaften in Münster. 1985 PhD im Bereich Familiensoziologie an der University of Notre Dame, Indiana. 1986 C1-Stelle am Institut für Journalistik der TU Dοrtmund. 1997 Habilitation. 1995 bis 2001 Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte in Dublin, Wien, Hamburg und Klagenfurt. Ab 1996 Hochschuldozentin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Georg-August-Universität Göttingen. 2003 Ruf auf eine Professur am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg. 2005 bis 2012 Fachbereichsleiterin. Pensionierung im Oktober 2020.

Publikationen

  • A Family of Families: When Family Relations Are Work Relations. Ann Arbor: University Microfilms International 1986, Verbund-ID Nr. AC10686357 (PhD).
  • Der Gegensatz von Information ist Desinformation, der Gegensatz von Unterhaltung ist Langeweile. In: Rundfunk und Fernsehen 44. Jg. (1996), S. 402-417.
  • Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung. Zur Bedeutung der Frauen in den Massenmedien und im Journalismus. Opladen: Westdeutscher Verlag 1998. 2. korrigierte und aktualisierte Auflage Münster: Lit 2005 (Habilitation).
  • Cultural Citizenship. Ein kommunikationswissenschaftliches Konzept zur Bestimmung kultureller Teilhabe in der Mediengesellschaft. In: Medien & Kommunikationswissenschaft 52. Jg. (2004), S. 193-213 (mit Margreth Lünenborg).
  • Von der Beschränktheit unserer Öffentlichkeitstheorien im europäischen Kontext. In: Wolfgang R. Langenbucher, Michael Latzer (Hrsg.): Europäische Öffentlichkeit und medialer Wandel. Eine transdisziplinäre Perspektive. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, S. 93-105.
  • Öffentlichkeiten und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse. Theoretische Perspektiven und empirische Befunde. Bielefeld: transcript 2017 (Herausgeberin, mit Ricarda Drüeke).

2019 wurde die Salzburger Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Klaus mit dem vom österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung vergebenen Gabriele-Possanner-Würdigungspreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Die insbesondere der Frauen- und Geschlechterforschung gewidmete Auszeichnung nahm Klaus zum Anlass zu betonen, dass sie die Geschlechterforschung als ein transdisziplinäres Projekt versteht, insbesondere aber ihr Fach, die Kommunikations- und Medienwissenschaft, als Gesellschaftswissenschaft geradezu verpflichtet sei, Gender Media Studies zu betreiben, und beispielsweise den Journalismus als zweigeschlechtliches System zu untersuchen. Der Anspruch, gängige Dualismen zu hinterfragen, durchzieht Klaus` Publikationen. So forderte ihr in Rundfunk und Fernsehen veröffentlichter programmatischer Aufsatz „Das Gegenteil von Information ist Desinformation, das Gegenteil von Unterhaltung ist Langeweile“ (Klaus 1996) die empirische Kommunikationsforschung theoretisch ebenso heraus wie die Monografie Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung. Zur Bedeutung der Frauen in den Massenmedien und im Journalismus (Klaus 1998), die Überlegungen zu „Cultural Citizenship“ (Klaus/Lünenborg 2004) oder das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit (vgl. Klaus 2006; 2017).

Elisabeth Klaus und Heinrich Schmidinger, Rektor der Salzburger Universität, während der Tagung der DGPuK-Fachgruppe Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht 2008 in Salzburg (Foto: Alois Pluschkowitz)

Elisabeth Klaus wurde am 20. September 1955 als jüngstes von sechs Kindern geboren. Nach dem Studium der Mathematik und Sozialwissenschaften in Münster schloss sie 1985 ihr PhD-Studium an der Universität von Notre Dame/Indiana ab mit der Studie A Family of Families: When Family Relations Are Work Relations (Klaus 1986). Ein Jahr später trat sie eine C1-Stelle am Dortmunder Institut für Journalistik an, ausschlaggebend waren hier insbesondere ihre Kenntnisse in der empirischen Sozialforschung. Geprägt durch die Erfahrungen in den USA entstanden in Lehrforschungsprojekten erste Studien zum gendering im Journalismus. In Dortmund liegen auch die Anfänge der 1990 gegründeten AG Frauenforschung in der DGPuK, aus der die Fachgruppe Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht hervorging (vgl. Klaus/Lünenborg 2011).

Gefördert durch ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft habilitierte sich Klaus und erhielt 1997 die venia legendi für das Fachgebiet Journalistik. Mit der Habilitationsschrift Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung (Klaus 1998) etablierten sich die Gender Media Studies im deutschsprachigen Raum. Diese Studie zählt zu den vielzitierten Grundlagenwerken in der Geschlechterforschung hierzulande. In einer Forschungssynopse prüfte Klaus kritisch die vorliegenden Daten zu Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, Medieninhalten sowie Rezeptions- und Aneignungsweisen. Die theoretischen Grundlagen einer feministischen Medienforschung legte sie durch die Unterscheidung von Gleichheitsansatz, Differenzansatz und Dekonstruktion, die Kennzeichnung von Journalismus als zweigeschlechtlichem System sowie die Definition von Öffentlichkeit als gesellschaftlichem Selbstverständigungsprozess.

Abteilung „Kommunikationstheorien und Mediensysteme“ 2006, von links nach rechts: Thomas Steinmaurer, Elisabeth Klaus, Michaela Waldmann, Martina Thiele, Margit Böck, Boris Romahn, Susanne Kirchhoff (Foto: Alois Pluschkowitz)

1996 trat Klaus die Stelle einer Hochschuldozentin am Göttinger Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an und befand sich bald mittendrin in der Debatte über die Neustrukturierung der dortigen Sozialwissenschaftlichen Fakultät und die Überführung des Instituts in ein Zentrum für Interdisziplinäre Medienwissenschaft. 2003 erfolgte der Wechsel nach Salzburg an den Fachbereich Kommunikationswissenschaft, wo sie als Nachfolgerin von Michael Schmolke die Abteilung „Allgemeine Kommunikationswissenschaft“ übernahm und sie 2004 in Abteilung „Kommunikationstheorien und Mediensysteme“ sowie 2013 in Abteilung „Kommunikationstheorien und Öffentlichkeiten“ umbenannte.

Vorlesung im Kinosaal 2009 (Foto veröffentlicht in der Kronen Zeitung, Salzburger Ausgabe)

Den Fachbereich Kommunikationswissenschaft an der Paris-Lodron-Universität Salzburg hat Klaus als dessen Leiterin von 2005 bis 2012 entscheidend geprägt. Mit zeitweise über 1300 Studierenden im BA- und Master-Studiengang zählt er bis heute zu den größten an der Universität Salzburg und ist nach dem Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft die zweitgrößte universitäre Ausbildungsstätte für Kommunikations- und Medienberufe in Österreich. In Klaus‘ Zeit als Fachbereichsleiterin erfolgten ein personeller Ausbau, eine Qualitätsoffensive in der Lehre mit mehreren Studienplanänderungen und eine deutlich höhere Forschungsleistung trotz kontinuierlich steigender Studierenzahlen. 2009 hatten über 500 Erstsemester inskribiert, die Vorlesung „Einführung in die Kommunikationswissenschaft“ musste in einem angemieteten Kinosaal stattfinden, um allen Studierwilligen einen Sitzplatz anbieten zu können. Klaus setzte sich erfolgreich für eine Studieneingangsprüfung sowie eine Studienplatzreduzierung im Fach Kommunikationswissenschaft ein.

Zu Klaus‘ Schwerpunkten in Forschung und Lehre zählten vor allem Gender Media Studies, Cultural Studies und Populärkultur, Qualitative Methoden, Kommunikationstheorien und die Theoretisierung von Öffentlichkeiten. Klaus betreute zahlreiche Bachelor- und Master-Arbeiten, Dissertationen und Habilitationen. Sie war Mitglied des Senats, Vorsitzende des Interdisziplinären Expertinnen- und Expertenrats Gender Studies und Leiterin des Programmbereichs „Zeitgenössische Kunst und Kulturelle Produktion“ im Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst, einer Kooperation von Universität Salzburg und Universität Mozarteum.

2018 starb Elisabeth Klaus‘ Lebensgefährte, der Mathematiker Thomas Fischer. Mit ihm war sie über vier Jahrzehnte zusammen. Die beiden hatten ihre Studienzeit gemeinsam in den USA verbracht, waren mit ihrer Tochter Johanna viele Male umgezogen, bis ab 2003 Salzburg der gemeinsame Lebensmittelpunkt wurde. Mann und Tochter, so Klaus im Vorwort zur 2. Auflage ihrer Habilitationsschrift, zeigten ihr, „dass Arbeit und Leben eine Einheit sein können, ohne dass zugleich Arbeit, Familie und Freizeit ununterscheidbar verschwimmen müssen“ (Klaus 2005: 11). Die Idee der Einheit von Arbeit und Leben und die Überlegungen, die Frigga Haug (2008) dazu angestellt hat, griff Klaus in der E-Mail auf, die sie im Corona-Jahr 2020 zum Abschied an die Kolleginnen und Kollegen am Fachbereich schrieb, traurig, sich nicht direkt von allen mit einer großen Party verabschieden zu können. Ist es nicht möglich, so fragt Klaus mit Haug, „in der Arbeit zu Hause zu sein, also zugleich die oft unmenschlichen Bedingungen von Erwerbsarbeit zu verändern und ihre Dominanz gegenüber der häuslichen Arbeit zu entkräften, die ‚Liebe‘ zurück in die Arbeit zu bringen?“ Klaus antwortete selbst: „Das geht wohl unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen nur sehr begrenzt (da sind wir viel zu oft zu Hause an der Arbeit), aber ich fand es eine wunderbare Utopie, die doch manchmal, bruchstückhaft und individuell zu realisieren ist.“

Abteilung „Kommunikationstheorien und Öffentlichkeiten“ 2018, von links nach rechts: Ricarda Drüeke, Elisabeth Klaus, Gabriele Hacker, Martina Thiele, Julia Goldmann, Liesa Herbst, Sophia Reiterer (Foto: Patrick Daxenbichler)

Elisabeth Klaus trat zwar zum 1. Oktober 2020 in den Ruhestand, doch nicht so ganz. Der Abschied von der Universität erfolgt wie von ihr gewünscht – allmählich. Zum 1. November 2020 übernahm sie die Leitung der Interuniversitären Einrichtung Wissenschaft und Kunst, ist seitdem einige Stunden pro Woche weiterhin in dem Bereich tätig, der ihr in den letzten Jahren ein zweites Zuhause war neben dem Fachbereich Kommunikationswissenschaft. Diverse Publikationsprojekte zu Ende zu bringen und neue zu starten, die Mitherausgeberschaft der Feministischen Studien sowie der transcript-Reihe Critical Studies in Media and Communication, vor allem aber die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses bleiben wichtige Projekte, und so ist sie weiterhin „in der Arbeit zu Hause“.

Literaturangaben

  • Frigga Haug: In der Arbeit zu Hause sein? In: Frigga Haug: Die Vier-in-einem-Perspektive. Politik von Frauen für eine neue Linke. Hamburg: Argument 2008, S. 27-45.
  • Elisabeth Klaus: A Family of Families: When Family Relations Are Work Relations. Ann Arbor: University Microfilms International 1986, Verbund-ID Nr. AC10686357.
  • Elisabeth Klaus: Der Gegensatz von Information ist Desinformation, der Gegensatz von Unterhaltung ist Langeweile. In: Rundfunk und Fernsehen, 44. Jg. (1996), S. 402-417.
  • Elisabeth Klaus: Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung. Zur Bedeutung der Frauen in den Massenmedien und im Journalismus. Opladen: Westdeutscher Verlag 1998. 2. korrigierte und aktualisierte Auflage Münster: Lit 2005.
  • Elisabeth Klaus: Von der Beschränktheit unserer Öffentlichkeitstheorien im europäischen Kontext. In: Wolfang R. Langenbucher/Michael Latzer (Hrsg.): Europäische Öffentlichkeit und medialer Wandel. Eine transdisziplinäre Perspektive. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, S. 93-105.
  • Elisabeth Klaus: Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Selbstverständigungsprozess und das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit. Rückblick und Ausblick. In: Elisabeth Klaus/Ricarda Drüeke (Hrsg.): Öffentlichkeiten und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse. Theoretische Perspektiven und empirische Befunde. Bielefeld: transcript 2017, S. 17-38.
  • Elisabeth Klaus/Margreth Lünenborg: Cultural Citizenship. Ein kommunikationswissenschaftliches Konzept zur Bestimmung kultureller Teilhabe in der Mediengesellschaft. In: Medien & Kommunikationswissenschaft 52. Jg. (2004), S. 193-213.
  • Elisabeth Klaus/Margreth Lünenborg: Zwanzig Jahre Gender- und Queertheorien in der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Ein Zwischenruf. In: Studies in Communication and Media 1. Jg. (2011), S. 95-118.

Weiterführende Literatur

Weblinks

Empfohlene Zitierweise

Martina Thiele: Elisabeth Klaus. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2021. http://blexkom.halemverlag.de/elisabeth-klaus/ (Datum des Zugriffs).