Ein Beitrag von Michael Meyen
1. Einleitung
Die sächsische Regierung hat am 11. Dezember 1990 beschlossen, an der Karl-Marx-Universität Leipzig insgesamt 16 Einrichtungen abzuwickeln, darunter die Sektion Journalistik. In der Begründung hieß es, dass „dort das Lehrangebot nicht den Anforderungen entspricht, die eine freiheitliche Gesellschaft, ein demokratischer Rechtsstaat und eine soziale Marktwirtschaft an Lehre und Forschung stellen“. Vielleicht noch wichtiger war der nächste Satz, der in die Vergangenheit zielte: „Bereiche, die ideologisch einseitig und auf die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung festgelegt waren, soll es künftig nicht mehr geben“ (Pasternack 1999: 142). Während die meisten anderen „Bereiche“ neu aufgebaut werden sollten („mit veränderten Namen, Zielstellungen und Inhalten“), war so etwas für die Journalistik zunächst nicht vorgesehen. Lediglich das „4. und 5. Studienjahr“ (es gab nur vier) sollte noch zum Abschluss geführt werden. Für alle anderen schlug der Beschluss indirekt einen Wechsel des Studiengangs vor („umimmatrikulieren“, Pasternack 1999: 143).
Der Beschluss vom 11. Dezember 1990 beendete einen Prozess der Selbsterneuerung, zu dem zwei Neuwahlen der Sektionsleitung, mehrere Kommissionen zur Reform des Studiums und zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte sowie zahlreiche Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen aus der DDR und aus dem deutschsprachigen Ausland gehörten. Ein Höhepunkt des fachinternen Gesprächs über Vergangenheit und Zukunft der Einrichtung war das „erste Leipziger Seminar zur akademischen Journalistenausbildung“, das in diesem Feature ebenfalls dokumentiert wird. In diesem Beitrag geht es um das, was unmittelbar vor und nach dem Abwicklungsbeschluss geschah. Damit ist der Zeitraum vom Herbst 1989 bis zur Berufung der ersten Professoren an das neugegründete Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft in den Jahren 1992 und 1993 gemeint. Der Beitrag stützt sich dabei auf drei Quellen: auf die überlieferten Akten im Leipziger Universitätsarchiv (die allerdings aus archivrechtlichen Gründen noch nicht komplett freigegeben sind und zum Teil auch nur eingeschränkt zitiert werden dürfen), auf die zeitgenössische Medienberichterstattung sowie auf Zeitzeugen.
2. Phase I: Herbst 1989
Die Frage nach der Existenzberechtigung der Sektion Journalistik steht nicht erst mit dem Fall der Berliner Mauer auf der Tagesordnung. Als der Rat der Sektion am 9. November 1989 zusammenkommt, berichtet Wolfgang Wittenbecher, stellvertretender Direktor, von einer entsprechenden Diskussion im Konzil der Universität. Das Protokoll der Sitzung, verfasst von Hans Hüttl, dem wissenschaftlichen Sekretär des Sektionsdirektors, zeigt: Die Anwesenden nehmen diese Bedrohung ernst. Es geht um das Ausbildungsmonopol, um die Nähe zur SED und damit um die Zukunft der Einrichtung.
Gut drei Wochen zuvor, am 18. Oktober, ist neben Erich Honecker auch Joachim Herrmann zurückgetreten, im Politbüro für Agitation verantwortlich. Der Rat der Sektion Journalistik hat zwei Tage später „34 Thesen zur Erneuerung des DDR-Journalismus“ veröffentlicht, aber damit weder die eigenen Studierenden beruhigt noch die Öffentlichkeit innerhalb und außerhalb der Universität. Wenige Stunden vor dem Mauerfall sind sich die Mitglieder des Rates einig, dass man kommunizieren müsse, was man könne und warum es eine Sektion Journalistik brauche. Die Antworten auf diese letzte Frage gehen naturgemäß auseinander. Während Wolfgang Wittenbecher auf die Vergangenheit als „Kaderschmiede der SED“ verweist, an die „Bündnispflicht“ erinnert und vorschlägt, „anderen auch gewisse Möglichkeiten“ zu geben (gemeint sind offenbar Mitglieder anderer Parteien und möglicherweise auch Bewerber aus der Bürgerbewegung), und Klaus Preisigke, Leiter des Lehrstuhls für Fernsehjournalistik, ein „Forschungszentrum Massenmedien und Demokratie“ ins Spiel bringt, stellt Wolfgang Tiedke die „Frage nach der Identität“ und wirbt für einen Paradigmenwechsel mit dem Stichwort Öffentlichkeit als vierte Gewalt. Dazu gehöre eine „radikale Veränderung der Lehrstühle“ (1).
Bei der nächsten Ratssitzung am 22. November 1989 gibt es schon einen neuen Sektionsdirektor: Gerhard Fuchs wird verabschiedet und Günter Raue einstimmig gewählt. Wie Wolfgang Wittenbecher und Edmund Schulz wird Fuchs wenig später (am 31. Januar 1990) endgültig entpflichtet (2). An diesem 22. November ist auch sonst nichts mehr, wie es früher war. Wolfgang Tiedke, einer der Hoffnungsträger der Studierenden (vgl. Meyen/Fiedler 2011: 85), ist als Chefredakteur zur Leipziger Volkszeitung gewechselt. In keinem der Studienjahre ist noch reguläre Lehre möglich. Die Prüfungen für den Diplomjahrgang (das vierte Studienjahr) sollen noch bis zum Jahresende durchgezogen werden, und das erste Studienjahr, das erst Mitte Oktober begonnen hat, wird sofort in die Praxis geschickt. Begründung: „keine Identifikation mit der Ausbildung“. Klaus Puder, Dozent für journalistische Methodik, spricht von „Anarchie“. Günter Raue fordert immerhin, dass die Studenten einen Nachweis über ihre Tätigkeiten mitbringen, wenn sie zurückkommen. Die Rückkehr wird auf den 26. März 1990 festgelegt (3). In einer seiner letzten Amtshandlungen begründet Gerhard Fuchs diesen ungewöhnlichen Schritt gegenüber der Universitätsleitung zum einen mit der „prekären Arbeitskräftesituation“ im Land und zum anderen mit dem Wunsch nach einer „grundlegenden konzeptionellen Überarbeitung“ in mehreren Lehrgebieten. Genannt werden von Fuchs die Fächer Geschichte der SED, Dialektischer und Historischer Materialismus, Militärpolitik und Geschichte des DDR-Journalismus (4), das Gebiet, für das sein Nachfolger Günter Raue steht (vgl. Raue 1986).
Heike Schüler, die ihr Volontariat bei der Märkischen Volksstimme absolviert hat und heute als Fernsehjournalistin arbeitet, erinnerte sich im November 2019 bei einer Podiumsdiskussion in Leipzig, die in diesem Feature ebenfalls dokumentiert wird, dass sie sich schon „zwei Tage vor dem Mauerfall“ bereit erklärt hatte, „in die Volkswirtschaft zu gehen“. O-Ton Schüler: „Gerade aus Leipzig sind ja sehr viele Bürger in den Westen abgehauen. Es fehlten vor allem Krankenschwestern, Busfahrer, Straßenbahnfahrer. Es fehlten in vielen Bereichen Menschen. Man ist in die Unis betteln gegangen. Wollt ihr nicht vielleicht Dienst im Krankenhaus machen?“ Heike Schüler hat dann Straßenbahnfahrerin gelernt. „Eigentlich hieß es, wir setzen das erste Semester aus, bis März 1990. Dann haben wir aber nach den Weihnachtsferien wieder angefangen zu studieren. Ich habe meinen Führerschein zu Ende gemacht und bin anderthalb Jahre Straßenbahn gefahren, habe aber weiter studiert.“
Schülers Kommilitone Thomas Datt, heute ebenfalls TV-Journalist, spricht von „einer fluchtartigen Absetzbewegung“: „Die Dozenten haben selbst überlegt, ob sie ihre Sachen weiter so anbieten können wie bisher. Die haben sich auch selbst in Frage gestellt. Deshalb wurde das Studium ausgesetzt“. Datt ging allerdings nicht in die Volkswirtschaft, sondern zur BZ am Abend, wo er vor dem Wehrdienst zwei Monate als Volontär war (5). Er ist pünktlich zurück, als es im Januar 1990 weitergeht, und wird eine der wichtigsten studentischen Stimmen im Prozess des Umbruchs. Schon vorher, noch im Dezember 1989, wird ein Studentenrat gewählt, das erste studentische Gremium, das ohne Einfluss der Kaderplaner an der Sektion Journalistik entsteht (6).
Die Unzufriedenheit vieler Studierender mit dem Journalismus in der DDR und die Spannungen, die sich daraus ganz zwangsläufig wenigstens mit Teilen des Lehrpersonals ergeben, sind schon lange vorher aktenkundig. Nur drei Beispiele mögen das hier illustrieren und belegen. In einer Dienstberatung beim Sektionsdirektor stellt Wolfgang Tiedke am 12. Mai 1988 fest, dass die Lehre oft nicht „mit den Erfahrungen der Studenten als Rezipient und Produzent“ übereinstimmt, und warnt vor Opportunismus nach dem Motto „Ich glaube nicht alles, aber ich lege mich nicht an“ (7). Sieben Monate später, am 20. Dezember 1988, inzwischen ist die Zeitschrift Sputnik von der Postzeitungsliste gestrichen worden, beklagt Klaus Preisigke im gleichen Gremium die Situation in den Medien („Schwarz-Weiß-Malerei“), fordert seine Kollegen aber trotzdem auf, „Flagge“ zu zeigen. Diese Kollegen reagieren unterschiedlich. Während Uwe Boldt sagt, dass die „grundsätzlichen Probleme mit der Politik der Partei noch nie so groß“ gewesen seien, bezweifelt Hans Poerschke, knapp zwei Jahre später Sektionsdirektor, dass es eine „grundsätzliche Kontrastellung“ gebe. Vielmehr habe man es mit „denkenden Studenten“ zu tun und müsse entsprechend reagieren (8). Noch einmal zwei Monate weiter, am 15. Februar 1989, spricht Stilistik-Dozent Wolfgang Böttger von „Nicht-Identifikation“. Und Karl-Heinz Röhr: „Vieles wird so, wie es von uns zurzeit angeboten wird, nicht angenommen“ (9).
3. Phase II: 1990
An der Sektion Journalistik beginnt das Jahr 1990 mit Vollversammlungen. Ein Beobachter von der Universitätsleitung spricht am 5. Januar von „desolaten Zuständen“, vor allem für das erste Studienjahr (also unter anderem für Heike Schüler und Thomas Datt). Diese Studierenden hätten seit November 1989 keine Ausbildung mehr gehabt und würden jetzt hören, dass es „nach neuer Konzeption“ weitergehe. Nur: „Diese in Aussicht gestellte Konzeption existiert bis zum heutigen Tage nicht. Die Studenten erhalten ihre Aufgaben jeweils für drei Tage. Von einer zielgerichteten Ausbildung kann keine Rede sein. Einige Studenten erwägen bereits, das Studium abzubrechen“ (10).
Die Sektion wehrt sich gegen diesen Eindruck und gibt dabei zugleich einen Einblick in die Schwierigkeiten, die jede Reform bei laufendem Betrieb mit sich bringt. Günter Raue schreibt am 11. Januar an Prorektor Dietmar Stübler, dass er nur von Woche zu Woche planen könne (auch wegen der Räume) und dass die Studenten nach wie vor skeptisch seien. Vor allem „im Hinblick auf ein völlig erneuertes Theorieangebot“ halte man „dem großen Erwartungsdruck“ noch nicht stand (11). Der Rat der Sektion berät deshalb am 31. Januar unter dem Tagesordnungspunkt „Berufungs- und Personalfragen“ über eine „Anfrage“ oder ein „Angebot“ (im Protokoll stehen beide Begriffe) von Bernd Okun, Professor an der Sektion Marxismus-Leninismus, mit vier wissenschaftlichen Mitarbeitern den Theoriebereich zu stärken (12). Eine Entscheidung ist nicht überliefert. Der Rat der Sektion kooptiert Bernd Okun allerdings am 27. März als Mitglied (13) und schlägt dem Rektor am 12. April vor, ihn an die Sektion Journalistik umzuberufen. Als Denomination wird „Erkenntnistheoretische Grundlagen der sozialen Kommunikation“ vorgeschlagen (14).
Die Begründung für diesen Schritt findet sich sowohl in den Akten als auch im kollektiven Gedächtnis der Absolventen. In einer Dienstberatung am 7. Februar berichtet Marianne Kramp, Leiterin des Immatrikulationsjahrgangs 1988, von der Stimmung unter ihren Studenten. Auf den Punkt gebracht: Das Aussetzen des Studiums sei ein Fehler gewesen, es fehle „die Wissenschaftlichkeit“, und Anklang finde vor allem das, was Bernd Okun mache (15). Um stellvertretend für viele hier nur Thomas Datt zu zitieren: „Ich fand ihn damals auch prägend. Ich kam von der Armee und fand faszinierend, dass man offen und kritisch diskutieren konnte, ohne gegen den Sozialismus zu sein“ (16).
Bernd Okun, Jahrgang 1944, stammt aus „sehr einfachen Verhältnissen“ und ist das jüngste von sechs Kindern (17). Sein Vater ist nach dem Krieg im Westen geblieben, und seine Mutter arbeitet bei einer Sozialversicherung (vgl. Okun 1992a). Okun lernt Lokschlosser, macht das Abitur auf der Abendschule, entscheidet sich dann für das Fach Philosophie und wird sehr schnell Forschungsstudent, „ohne Diplomarbeit, gleich in Richtung Dissertation“, getragen von seinem Mentor Dieter Wittich. „Wittichs Maxime: Deine gebildete Großmutter muss verstehen können, was du machst. Es musste logisch korrekt sein, sprachlich sauber, kein Geschwafel und Wissenschaftschinesisch. Du musst immer angeben können, welches offene Problem von Rang du gerade lösen willst. Sonst ist nichts von dem, was du schreibst, nachvollziehbar, nicht mal widerlegbar.“ Okun promoviert zum Thema „Überzeugungen“, zweifellos ein „offenes Problem von Rang“ in der DDR (vgl. Okun 1978), verteidigt wenig später seine Dissertation B (Okun 1984) und bietet dann als Professor Lehrveranstaltungen bei den Juristen, bei den Wirtschaftswissenschaftlern und bei den Journalisten an. Die Studenten dort, sagt er heute, „waren hellwach, bewegte ich mich doch ähnlich wie sie auf ideologisch vermintem Gelände“.
Mit dem Angebot, ganz an die Sektion Journalistik zu wechseln, kommt Bernd Okun einem Beschluss der DDR-Regierung vom 23. Mai 1990 zuvor, mit dem die Berufungsgebiete aller Hochschullehrer an der Sektion Marxismus-Leninismus aufgehoben werden. Als Minister zuständig ist Hans Joachim Meyer, der im Dezember auch die Abwicklung der Sektion Journalistik verfügen wird, dann als Minister in Dresden. Die Proteste gegen den Beschluss vom Mai halten sich in Grenzen und drehen sich in Leipzig neben dem Historiker Klaus Kinner vor allem um Bernd Okun (vgl. Pasternack 1999: 140). Okun hatte sich schon vor 1989 in der Universität bei den regelmäßigen Marxismus-Weiterbildungsveranstaltungen für Hochschullehrer in Rohrbach einen Namen als kritischer und offener Geist gemacht, war im Herbst 1989 in der Stadt zu einer öffentlichen Figur geworden (vgl. Barth 1989, Beer/Herzberg/Krämer 1989, Matte 1990, Seidler 1990, Okun 1992a) und hatte auch deshalb in der Studentenschaft einen starken Rückhalt (vgl. Dornheck 1990). Mit dem Wechsel an die Sektion Journalistik im Frühjahr 1990 (mit Professorentitel, aber auf der Stelle eines Oberassistenten) beginnt für ihn eine Hängepartie, die er heute nicht nur wegen der Halbjahresverträge als „demütigend“ und „desillusionierend“ beschreibt. In der Personalnotiz zu einem Text, der im November 1992 erschienen ist, steht: „im Wartestand für eine Professur am Fachbereich Kommunikations- und Medienwissenschaft in Gründung, die demnächst ausgeschrieben werden soll“ (Okun 1992b: 34). Heute leitet Bernd Okun eine Agentur, die sich auf das Training von Führungskräften spezialisiert hat (vgl. Okun/Hoppe 2017).
Mit einem Abstand von gut drei Jahrzehnten hat Bernd Okun eine Erklärung für die Resonanz, die er damals bei den Studenten auslöste: „Die angehenden Journalisten kamen zum Teil aus der Nomenklatura. Medienleute, andere Eliten. Dem Milieu standen sie kritisch gegenüber, weil sie ja aus nächster Nähe manches mitbekamen. Sie kamen zum Studium, weil sie den Beruf liebten, aber nicht die zugedachte Rolle. Sie steckten in einem Dilemma. Jetzt las ich als Wittich-Schüler Philosophie, reflektierte die Wirklichkeit kritisch, war aber nicht einfach zurückzuweisen. Nicht als Dissident, sondern im Namen der Idee, gestützt auf ihre Quellen. Zum Beispiel mit Engels: Im Sozialismus muss die Wissenschaft frei sein und darf sich nicht nach irgendwelchen Mächten richten. Oder mit einem Kurt Hager unterschobenen Zitat: Wenn wir nicht offen reden, dann macht es der Klassenfeind. Oder mit schwer zurückweisbaren Fragen: So verdienstvoll das Leben des Genossen Honecker auch sein mag, es gibt keinen Parteibeschluss, der es verlängern könnte. Wo bitte sind die Nachwuchspolitiker, die sich den neuen Themen stellen? Diese Muster kritischen Auftretens halfen, den Konflikt zwischen Job und Rolle künftiger Journalisten auszuhalten. Da steckte auch die Botschaft drin: Reizt das doch aus, bevor ihr die Flinte ins Korn werft. Das Angebot an Journalismustheorie war viel zu lau. Da hätte ich mir, sorry, Hans Poerschke, mutiger gewünscht.“
Zurück zu dem Brief, den Sektionsdirektor Günter Raue am 11. Januar 1990 an das Rektorat schickt. Raue wehrt sich dort gegen den Eindruck, dass die Studenten nicht informiert worden seien („unverständlich“), wirbt für eine Mischung aus „bewährten“ und neuen Elementen (unter anderem Vorlesungen zu Journalismus, Öffentlichkeit und Demokratie sowie zu Pressefreiheit und Mediengesetzgebung) und räumt zwei Schwierigkeiten ein. Zum einen sei das Selbststudium schwierig (es fehle an neuer Literatur), und zum anderen gehe ein Riss durch die Studentenschaft – ein Teil, der „neu gewonnene Freiräume intensiv für die individuelle Gestaltung seines Studiums nutzt“, und ein Teil, der „in einer skeptisch-passiven Abwartehaltung“ bleibe (18).
Diese Skepsis schwappt über die Klostermauern nach draußen, zunächst (im Januar 1990) über eine Studentenzeitschrift (Kloster-Panik), die die „stalinistische Geschichte der Lehrstätte“ anprangert, dabei auch Namen nennt und dafür Klagedrohungen von einzelnen Dozenten erntet (19). Die Studenten Jacqueline und Hagen Boßdorf (1990) berichten darüber am 18. April in der taz, nachdem ihr Kommilitone Falk Madeja schon am 19. März vom Tagesspiegel mit dem Satz zitiert wurde, „dass man an dieser Sektion ohnehin nur überleben konnte, wenn man täglich geheuchelt hat“. Boßdorf und Boßdorf (1990): „Auf ihn mag das zutreffen, aber die pauschale Verallgemeinerung trifft besonders diejenigen, die schon früher gegen die Sektionsobrigkeit aufbegehrten“.
Hagen Boßdorf, Jahrgang 1964 und von 2002 bis 2007 ARD-Sportkoordinator, gehört seit Januar 1990 zu einer Kommission, die die Vergangenheit der Sektion Journalistik aufarbeiten soll. Geleitet wird diese Kommission von Jürgen Grubitzsch, Jahrgang 1937, der nach 26 Jahren in der Praxis 1988 als Professor nach Leipzig gekommen ist. Es gibt drei studentische Vertreter (neben Boßdorf Rainer Totzke und Uwe Madel) sowie vier Mittelbauvertreter (Tilo Prase, Jürgen Schlimper, Frank Vorpahl und Helga Romeyke) (20). Außerdem werden zwei Profil-Kommissionen eingesetzt, die Vorschläge für Forschung und Lehre erarbeiten sollen – eine professorale und eine „Alternativgruppe“ (die tatsächlich so heißt), zu der unter anderem die Studenten Andreas Rook und Uwe Madel sowie Sigrid Hoyer und Tobias Liebert gehören, aber keiner der Professoren.
Das Konzeptpapier, das diese Alternativgruppe sehr schnell vorlegt, beruft sich auf Vordenker eines reformierten Sozialismus wie Michael Brie und sieht den Umbruch gleich auf der ersten Seite als Chance, „nach einer neuen, sozial und ökologisch progressiven Lebensweise“ suchen zu können, „die weniger extensiv Ressourcen beansprucht und mehr wirklichen Raum für die freie, universelle Entwicklung der Individuen schafft“. Der Platz der Journalistik bei der „globalen Suche nach einer neuen Entwicklungslogik der menschlichen Gesellschaft“ wird auf die Formel „umfassende demokratische Öffentlichkeit“ gebracht. Hans Poerschke wird diesen Gedanken aufnehmen und damit beim Ost-West-Seminar Ende Mai bei den Kolleginnen und Kollegen aus Österreich und der Bundesrepublik auf Unverständnis und Widerstand stoßen (21). Im Papier der „Alternativgruppe“ atmen auch die Ideen für die Organisation des Studienbetriebs den Geist der Revolution: Die Studenten sollen sich das Studium bei einem minimalen Pflichtanteil selbst organisieren, dabei Fächer beliebig kombinieren können, in den praktischen Übungen druckfähige Manuskripte produzieren und sehr früh in die Forschung einbezogen werden. Passieren soll das Ganze an einer „Fakultät für Massenkommunikation und Journalistik“ (22).
Die Studentenvertreter bringen im Rat der Sektion auch die wichtigste Neuregelung auf den Weg: die Öffnung des Zugangs zum Studium. Verhandelt wird dieser Punkt am 31. Januar. Genauer muss man sagen: Die Anwesenheit der Studentenvertreter verändert die Diskussion in Richtung Öffnung. Folgt man den Aufzeichnungen von Hans Hüttl, schlägt Hagen Boßdorf zunächst vor, für den Aufnahmetest am 21. Februar in Leipzig 30 Plätze frei zu lassen und die Runden Tische zu informieren. Hintergrund: Das Verfahren läuft bereits. Es gibt 160 Bewerber auf die 120 Plätze. Nach einer längeren Debatte, in der offenbar vor allem Frank Vorpahl, Forschungsstudent im Bereich Pressegeschichte, auftrumpft („völlig frei ausschreiben“), wird beschlossen, „allen interessierten DDR-Bürgern einen freien und chancengleichen Zugang zum Studium zu ermöglichen“. Bewerbungsfrist ist der 1. März – und verlangt werden lediglich ein Abiturzeugnis sowie Talentproben (23). Damit ist das alte Verfahren obsolet, das drei Selektionsstufen enthielt:
- erstens die Bewerbung für ein Volontariat, in aller Regel verbunden mit aufwendigen Prüfungen in Sachen Allgemeinwissen, Sprache und Loyalität,
- zweitens die Delegierung zur „Vorbereitungswoche“ im Frühjahr vor der Immatrikulation, eingeführt 1975, zunächst in Rüdersdorf, dann in Bad Saarow, zu der die Redaktionen längst nicht alle Volontäre geschickt haben,
- und drittens die Vorbereitungswoche selbst, bei der die künftigen Studierenden im Wortsinn auf Herz und Nieren geprüft und noch einmal gesiebt wurden (24).
Es gib tatsächlich neue Bewerber: Getestet werden 292 in zwei Runden (25) und immatrikuliert dann 128 (26). So gut sich die Idee auf dem Papier ausnimmt, Menschen für das Studium zu interessieren, die kein Volontariat in einem der DDR-Medienbetriebe durchlaufen hatten, weil sie die auch politisch konnotierten Prüfungen in der Vergangenheit gemieden oder nicht bestanden haben – in der Praxis stößt diese Idee auf Schwierigkeiten, weil der Test wenigstens zum Teil Vorkenntnisse in der Medienpraxis voraussetzt. Tilo Gräser, seit 2017 Redakteur bei Sputniknews, ist damals Briefträger in Gotha und sieht die Anzeige der Sektion Journalistik im Neuen Deutschland. Er bewirbt sich mit Texten, die er für die Gothaer Neue Zeitung geschrieben hat, eine Neugründung aus dem Westen, und kann darauf verweisen, im Bürgerkomitee der Stadt die Arbeitsgruppe Zeitung angeschoben zu haben. Gräser sagt heute, dass er im Herbst 1990 mit seiner Vergangenheit in der kirchlich inspirierten Bürgerbewegung eine absolute Ausnahme unter den Erstsemestern war. „Es gab ein Eignungsgespräch und eine Prüfung. Bestanden habe ich mithilfe meiner Mitbewerber. Sie haben zum Beispiel nach Korrekturzeichen gefragt. Das kannte ich gar nicht. Ich wusste, dass es das gibt, hatte aber keine Praxis in einer Redaktion. Meine Nachbarin hat mir geholfen. Beim Gespräch war Grit Friedrich dabei, als Studentenvertreterin“ (27).
Das Zusammenspiel von inhaltlicher Neuausrichtung und internen Kämpfen mit dem Legitimationsverlust in Wissenschaft und Öffentlichkeit lässt sich gut nachvollziehen in den drei Vorträgen, die Hans Poerschke, Klaus Preisigke und Frank Stader beim „ersten Leipziger Seminar zur akademischen Journalistenausbildung“ gehalten haben, sowie in den dort geführten Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Westen (vgl. Poerschke 1990a). Der Personalbestand wird schon im Sommersemester bei laufendem Betrieb reduziert (durch Vorruhestand und „Überleitungsverträge in die Praxis“), es gibt eine „Karl-Bücher-Vortragsreihe“ mit Fachprominenz aus der Bundesrepublik (Reinhart Ricker, Claudia Mast, Klaus Schönbach, Walter J. Schütz) sowie eine Gastprofessur für Mediensoziologie, besetzt mit Wilfried Ferchhoff aus Bielefeld (28). Man bittet die Hochschulleitung, wieder Fakultäts-Status zu bekommen (was im April abgelehnt wird) (29), schreibt im Juli drei Lehrstühle aus (Psychologie der Massenkommunikation, journalistischer Sprachgebrauch, Soziologie der Massenkommunikation) (30), und lässt an jedem Lehrstuhl eine neue Konzeption entwickeln, die zu Beginn des Wintersemesters vorliegen soll (31).
Parallel wird an der Außendarstellung gearbeitet. Wichtigste Bezugspunkte sind dabei eine Traditionslinie, die mit der Gründung des ersten Instituts für Zeitungskunde durch Karl Bücher 1916 an der Universität Leipzig beginnt, sowie das „sächsische Medienzentrum Leipzig“, dessen Konturen allerdings erst am Horizont zu sehen sind. Auch das Ost-West-Seminar vom Mai 1990 und die erwähnten Gastauftritte stehen auf der Habenseite – als Beleg für den „kritischen Zuspruch“ und die „Unterstützung bei unseren Kollegen im gesamten deutschsprachigen Raum“ (32). Die Zitate stammen aus einer Erklärung des Rates der Sektion vom Juli 1990, geschickt an das Rektorat, um den Willen zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit zu dokumentieren und für den Fortbestand der Einrichtung zu werben. In seinem Anschreiben verweist Günter Raue auch auf die Fachentwicklung im Westen. „An nahezu allen bundesdeutschen und österreichischen Universitäten“ (was eine ziemliche Übertreibung ist) seien „in den vergangenen Jahren entsprechende Ausbildungsgänge aufgebaut worden“, weil die „moderne, demokratisch konstituierte Kommunikationsgesellschaft“ den „hochgebildeten moralisch integren Journalisten braucht“ (33). Damit übergeht der Direktor der Leipziger Sektion zwar sowohl die Hintergründe des kleinen Journalistik-Booms in den 1970er und 1980er Jahren als auch die prekäre Situation vieler Einrichtungen des Fachs im Westen (vgl. Meyen/Höfler 2008), aber das Bedrohungsszenario für die eigene Einrichtung rechtfertigt die Rhetorik. Noch drei Monate zuvor, im April 1990, stand neben Karl Bücher auch Hermann Budzislawski in der Traditionslinie, auf die sich die Sektion berief – die „erste Fakultät für Journalistik“ in Deutschland überhaupt, entstanden auf „antifaschistischer Grundlage“ (34). Das lässt das gesellschaftliche Klima im Juli 1990 offenbar nicht mehr zu.
Die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen ist im Sommersemester durchwachsen. Schon vor dem Start des Programms fragen nicht wenige Studenten, wozu das Studium gut sei, kritisieren die Westkontakte als „wild“ und „unbesonnen“ und sprechen von „Lückenfüllern“ ohne erkennbare Linie (35). Viele Studenten nutzen die neuen Möglichkeiten, knüpfen Kontakte zu den Redaktionen, auch im Westen, und lassen das Studium auf Sparflamme weiterlaufen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Michael Seidel, damals im zweiten Studienjahr und seit 2012 Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung, ist schon im Februar 1990 auf Einladung des Deutschen Journalistenverbandes eine Woche in Haus Busch in Hagen und besucht dabei auch eine Lokalredaktion in Esslingen. Seidel weiter: „Später gab es dann eine Sommerakademie für ostdeutsche Nachwuchsjournalisten, auch wieder über den DJV, gemeinsam mit der Uni Hohenheim. Vier Wochen. Was an der Sektion in dieser Zeit passiert ist, habe ich gar nicht so mitbekommen“ (36). Und Thomas Datt, bei dem das Studium ja gerade erst losgehen soll, erinnert sich an eine lange Tramptour mit mehreren Kommilitonen durch die Türkei (37).
Am 9. Oktober gibt es eine Sektionsversammlung mit einer Vertrauensabstimmung für das dreiköpfige Direktorat, bei der nur Hans Poerschke die nötige Stimmenzahl erhält. Günter Raue und Klaus Preisigke bitten den Rektor am nächsten Tag um Entpflichtung (38). Die Debatte um das Personal hat an der Universität Leipzig gerade erst Fahrt aufgenommen. Noch im Juni bezweifelt Peer Pasternack, ein Schüler von Bernd Okun und der profilierteste Kopf des Studentenrates, der seine Erfahrungen später in einer Dissertation systematisieren wird (vgl. Pasternack 1999), in einem Interview den Sinn von „Überprüfungen der Professoren im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich“. Pasternack spricht von einer „sehr heiklen Angelegenheit“, verweist auf Naturwissenschaftler, die manchmal noch stärker verstrickt gewesen seien, und sagt: „Wer soll überprüfen? Man kann nur über etwas urteilen, wenn man darüber steht, aber alle, die in diesem Land gelebt haben, waren in diese Verhältnisse eingebunden und haben sie mitgetragen in irgendeiner Weise, durch Opportunismus oder durch aktives Mitmachen“ (Ramirez 1990). Das Konzil der Universität beschließt am 2. Oktober, einen „Vertrauensausschuss“ zu bilden, in dem es vor allem um die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gehen wird. Am 13. November legt der Akademische Senat dann fest, dass auch ein Wehrdienst beim Wachregiment des MfS künftig jedes Amt an der Universität ausschließt (Pasternack 1999: 157, 169).
An der Sektion Journalistik wird zu Beginn des Wintersemesters die Seminargruppenstruktur aufgehoben (39). Gab es bisher für jede Gruppe einen Stundenplan, der für die Mitglieder mehr oder weniger verbindlich war und dazu führte, dass diese Gruppen relativ geschlossen durch das Studium gegangen sind, kann sich jetzt jeder aus dem „Kommentierten Vorlesungsverzeichnis der Studienrichtung Journalistik“ das heraussuchen, was in die eigenen Pläne passt, und dafür auch das Angebot anderer Einrichtungen an der Universität nutzen. Im Personalverzeichnis stehen 24 Hochschullehrer (davon drei Frauen: Marianne Kramp, Karin Räuscher und Helga Wagner), 46 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie eine ganze Reihe von Lehrbeauftragten und Gastdozenten, von denen neun aus der Bundesrepublik kommen: die Professoren Günter Bentele, Jürgen Heinrich, Günther Rager und Beate Schneider sowie die Praktiker Michael Haas, Peter von Rüden, Rainer Sütfeld, Peter Widlok und Dieter Wild (40). Die Hauszeitschrift Diskurs (früher: Theorie und Praxis des sozialistischen Journalismus) hat noch 350 Abonnenten. Tendenz: „Schwund, aber Hoffnung“ (41).
Die Zukunftsplanungen, die schon Ende Mai beim „ersten Leipziger Seminar zur akademischen Journalistenausbildung“ relativ weit gediehen waren, nehmen parallel weiter Gestalt an. Hans Poerschke, der Sektionsdirektor, beantragt am 5. November bei der Hochschulleitung, einen „Fachbereich Journalistik und Kommunikationswissenschaft“ zu bilden, und berichtet dort auch von dem Wunsch, ab 1992 einen Magisterstudiengang Kommunikationswissenschaft einzuführen (42). In der letzten Sitzung des Rates der Sektion am 6. Dezember (fünf Tage vor dem Abwicklungsbeschluss) wird darüber diskutiert, die neue Lehrstuhlstruktur von der DGPuK begutachten zu lassen. Für eine Evaluierungskommission ist Max Kaase im Gespräch, damals Professor für Politologie und international vergleichende Sozialforschung an der Universität Mannheim. Zugleich sind die Schatten der Vergangenheit und hier vor allem die MfS-Diskussion unübersehbar im Raum. Die ersten Dozenten haben die Sektion Journalistik bereits freiwillig verlassen (43).
Die hausinterne Kommission zur Aufarbeitung der Vergangenheit hat schon am 23. Oktober insistiert, dass niemand mehr in Leitungsfunktionen gewählt wird, der vorher nicht schriftlich bestätigt hat, kein Stasi-Mitarbeiter gewesen zu sein (egal, ob offiziell oder als IM). Weiter im Text: „Allen anderen Mitarbeitern ist es freigestellt, sich in ähnlicher Weise vor der Sektionsöffentlichkeit zu erklären“. Mit dieser Formulierung wird Freiwilligkeit erheblich erschwert. Hans Poerschke, der Rektor Leutert noch am gleichen Tag über diese Initiative informiert, hält es für nötig, einen doppelten „moralischen Appell“ zu ergänzen. Bei der Stasi-Debatte müsse es um „strukturelle Verbindungen“ gehen und nicht um „Verdächtigungen und anklägerische Gesten“. Und: Das Thema MfS dürfe den Blick auf „andere Probleme“ nicht vernebeln. Auch „Wissenschaftler ohne Stasi-Kontakte sind von kritischer Selbstbefragung nicht befreit“ (44).
Vermutlich ahnt Hans Poerschke, dass es für diesen Appell bereits zu spät ist. Nachdem das MfS beim Blick auf die Vergangenheit der Universität im ersten Halbjahr 1990 noch ein Thema unter vielen war, fuhr der Zug seit dem Sommer in Richtung Ehrenerklärung, obwohl es noch keine Rechtsgrundlage für entsprechende Überprüfungen gab (vgl. Pasternack 1999: 162-171). Beschleunigt wurde diese Fahrt zum einen durch öffentliche Stellungnahmen einzelner Hochschullehrer (vgl. exemplarisch Terz/Zeidler 1990) und zum anderen durch Berichte in den Leitmedien, die der Universität Leipzig vorwarfen, eine Kaderschmiede der SED gewesen zu sein, und deshalb jetzt die Erneuerung zu verschleppen (vgl. exemplarisch Wurlitzer 1990, Isenberg/Jahn 1990 sowie Heinrich 1990, der in der FAZ auch die Sektion Journalistik und die „hier herrschende marxistisch-leninistische Zucht“ erwähnt). Hans Poerschke wehrt sich zwar auch öffentlich gegen vorschnelle Urteile und mahnt allzu selbstgerechte Kollegen, sich nicht zu schnell selbst freizusprechen (vgl. Poerschke 1990b), das Sächsische Hochschulerneuerungsgesetz vom 25. Juli 1991 wird dann aber „eine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit“ als Beispiel für Verstöße „gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit“ nennen und den Personalkommissionen ins Pflichtenheft schreiben, sofort abzuberufen oder zu entlassen, wenn eine Tätigkeit für das MfS bekannt werden sollte (Pasternack 1999: 174).
Am 6. Dezember 1990 liefert Thomas Rietzschel, Jahrgang 1951, ein gebürtiger Sachse, der in Leipzig promoviert hatte und die DDR dann verließ, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine öffentliche Legitimation für den Abwicklungsbeschluss. Der lange Text mit der Überschrift „Die Kader denken nicht an Flucht“ spricht von „intellektueller Deformation“ in den Geisteswissenschaften sowie von „existenzieller Abhängigkeit von der Partei“ und alten Netzwerken, zweifelt grundsätzlich an der „Fähigkeit zur Selbstreinigung“ und fordert unmissverständlich „Hilfe von außen“ (Rietzschel 1990).
4. Zwischenspiel: Kampf gegen die Abwicklung
Der Abwicklungsbeschluss der sächsischen Regierung vom 11. Dezember 1990 löst wochenlange Proteste aus, bei denen die Studenten der Sektion Journalistik schon deshalb den Ton angeben, weil es für fast alle anderen betroffenen Bereiche bereits Neugründungspläne gibt. Am Anfang steht eine Großdemonstration vor dem Landtag in Dresden. An die Frühzüge aus Leipzig mussten an diesem 14. Dezember zusätzliche Waggons gehängt werden (vgl. Lehn/Macht/Stopka 2018: 541). Anschließend wird die Rektoratsetage in Leipzig besetzt (mit Schlafsäcken und zahlreichen Diskussionsveranstaltungen) und der Universitätsbetrieb zum Teil blockiert. Höhepunkt ist ein Hungerstreik, an dem sich zwar nur eine Minderheit der Studierenden unter maßgeblicher Beteiligung von Jürgen Schlimper, Dozent im Bereich Pressegeschichte, beteiligt (insgesamt etwa ein Dutzend), der aber weit über Sachsen hinaus Aufsehen erregt. Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer kommt zweimal zu vierstündigen Podiumsdiskussionen nach Leipzig und besucht die Streikenden außerdem medienwirksam an Heiligabend.
Peer Pasternack, Zeitzeuge und zugleich Historiker des Umbruchs, hat vermutet, dass „Meyer die Abwicklungsmaßnahme nicht frei von Skrupeln“ betrachtet hat. Pasternack stützt sich dabei auf ein Meyer-Zitat von 1992: „Ich wusste, es war ein harter Schritt, ein Urteil über Gerechte und Ungerechte, über Kompetente und Inkompetente. (…) Auf die Ansätze zur Selbstheilung zu vertrauen, schien vermessen, sie scheinbar zu ignorieren, war gleichwohl hart und für den Einzelnen wohl ungerecht“ (Pasternack 1999: 143f.). Ein paar Zeilen weiter finden sich die beiden wichtigsten Argumente von Meyer für die Abwicklung: die Chance für „einen völligen Neuaufbau“ und das Wissen um die „Zustimmung der breiten Öffentlichkeit“. Für das Aufbegehren der Studenten hatte der Minister offenbar Verständnis. Folgt man Pasternack (1999: 144), dann hat er Demos, Besetzung und Hungerstreik nicht als Ablehnung der Reform an sich gedeutet, sondern lediglich als Protest gegen ihre Durchsetzung von oben. Dazu passt ein Brief, den Hans Poerschke am 12. Dezember an Ministerpräsident Kurt Biedenkopf schickt und in dem das Wort „undemokratisch“ steht. Er, Poerschke, habe aus dem Radio erfahren, dass die Sektion Journalistik abgewickelt wird (45).
Die zwölf Zeitzeugen, die damals als Studierende an den Protesten beteiligt waren und von mir um die Jahreswende 2019/20 befragt wurden, differenzieren dieses Bild. Tilo Gräser zum Beispiel, der aus dem Bürgerkomitee Gotha im Herbst 1990 nach Leipzig kam, ging sogar vor das Bundesverfassungsgericht, um die Abwicklung zu stoppen. An den Tag, an dem der Beschluss verkündet wurde, erinnert er sich noch genau: „Wir hatten gerade Russischkurs. Da ging die Tür auf und ein Kommilitone rief, im Radio sei gesagt worden, dass die Ausbildung abgeschafft wird. Ich dachte, ich höre nicht richtig. Ich durfte in der DDR aus politischen Gründen nicht studieren. Jetzt habe ich endlich angefangen, und es heißt schon wieder, dass das aus politischen Gründen nicht mehr geht“ (46).
Auch Thomas Datt, seit 1989 Student an der Sektion Journalistik, fand „die Abwicklung grundsätzlich ungerecht. Das war eine Entscheidung von oben und sehr pauschal. Es gab Leute, bei denen das echt Spaß gemacht hat. Poerschke. Bernd Okun. Da gab es immer lebhafte Diskussionen. Die Abwicklung war für mich ein kolonialer Akt. Ich war der Meinung, dass man sich das nicht gefallen lassen darf, und gehörte zu denen, die auch kämpfen wollten“ (47). Und Uwe Madel, noch ein Jahr länger dabei und ab Herbst 1989 in vielen der Gremien aktiv: „Ich fand das fatal wie alle, die sich in die Reform eingebracht hatten. Wir haben ja auch den Daumen gehoben oder gesenkt, wenn es um Lehrkräfte ging. Wer soll bleiben. Auf der Professorenebene habe ich mich für Poerschke und Okun stark gemacht“.
Uwe Madel ist dabei, als Hans Poerschke und Günther Rager am 21. Dezember zum Minister nach Dresden fahren. „In meiner Erinnerung waren wir drei Studenten und fanden das spannend. Wir hatten eine Vision für die Sektion. Neu gründen, etwas mit den Dortmundern machen. Wir hatten eine Struktur im Gepäck und wollten Rager als Gründungsdekan haben. Wir dachten, dass wir ohnehin keinen Ossi durchbekommen. Unsere Botschaft war: Bei allen politischen Debatten und bei aller Kritik an der alten Ausbildung wäre es töricht, den Medienstandort Leipzig aufzugeben, mit Karl Bücher, mit dem Funkhaus“ (48).
Günther Rager, Jahrgang 1943 und seit 1984 Professor für Journalistik an der TU Dortmund, ist ziemlich bald nach der Grenzöffnung zum ersten Mal an die Sektion Journalistik nach Leipzig gefahren, „ganz ohne Anmeldung“. Heute sagt er, dass Hans Poerschke schnell gemerkt habe, „dass ich nicht zu denen gehörte, die alles als Ideologie abtun, was dort gemacht worden war“. Rager ist beim Ost-West-Seminar Ende Mai 1990 dabei, bewirbt sich anschließend beim DAAD für eine Gastdozentur im Rahmen eines Programms für die Noch-DDR und kommt dann im Herbst tatsächlich nach Leipzig, obwohl der Antrag abgelehnt wurde, vermutlich schon im Wissen um die bevorstehende Abwicklung. Rager bietet Hans Poerschke, inzwischen Direktor der Sektion Journalistik, an, auf jedes Honorar zu verzichten und sich auch in Sachen Reisekosten etwas zu überlegen, wenn es dafür keinen Topf geben sollte (49).
Dass Günther Rager am 21. Dezember 1990 beim Minister sitzt, ist folglich kein Zufall. Beate Schneider und Klaus Schönbach aus Hannover, die eigentlich mitkommen sollten, sagen kurz vorher ab. Der weite Weg, die schlechte Bahnverbindung, das Wetter. Da scheint es „wenig sinnvoll, auf gut Glück und ohne Konzept zu einem kurzen Treffen beim Minister zu erscheinen“ (50). In diesem Moment ist die Leipziger Journalistik mausetot. Seit dem Abwicklungsbeschluss vom 11. Dezember hat es überhaupt nur drei Proteste aus dem Westen gegeben. Zumindest liegt nicht mehr im Universitätsarchiv. Ein Telegramm aus Hannover, auch im Namen von Schneider und Schönbach, ein Schreiben von der IG Medien direkt an Kurt Biedenkopf und eins aus Dortmund, mit der Unterschrift von Rager neben den Unterschriften seiner sieben Professorenkollegen (51).
Nicht mitgerechnet sind dabei allerdings die Medienberichte, die von aktuellen oder ehemaligen Studierenden organisiert werden. Heike Schüler, immatrikuliert 1989, auf dem Krikowi-Podium im November 2019: „Wir waren alle fassungslos und konnten das nicht glauben, weil wir uns doch selbst erneuert haben. Von uns aus erneuert. Dann gab es den großen Streik. Ich habe auch im Rektoratsgebäude genächtigt. Das haben wir besetzt und gesagt: Wir machen das nicht mit. Wir konnten ja eine breite Öffentlichkeit herstellen. Wir kamen alle aus den Medien. Ich habe für die Märkische Volksstimme, die jetzt Märkische Allgemeine heißt, einen Artikel geschrieben über diesen Protest der Studenten in Leipzig. Das haben alle anderen auch gemacht. Die Volontäre von der Jungen Welt, die Radioleute. Wir haben Interviews gegeben. Wir haben das in die Welt hinausgetragen. Wir haben unsere Mündigkeit genutzt“.
Ohne die Hilfe aus Dortmund wäre das möglicherweise trotzdem verpufft. O-Ton Günther Rager (2015): „Dank Noelle-Neumann war die Abwicklung beschlossen worden und ein Neuaufbau in Dresden. Plötzlich rief ein Student an und fragte, ob ich mit zum Minister komme. Vorher hatte er schon mit Klaus Schönbach gesprochen. Der wollte aber nicht. Vielleicht hat er auch noch andere gefragt. Das weiß ich nicht. Ich hatte eine Bedingung. Ich wollte angemeldet sein. Hans Joachim Meyer sollte wissen, dass ich mitkomme. Ich bin dann nach Leipzig gefahren und von dort sind wir in Poerschkes Trabi nach Dresden, mit zwei oder drei Studierenden. Meyer hat uns freundlich begrüßt, mir aber gleich unmissverständlich seine Meinung gesagt. Er freue sich, dass ich gekommen sei, und wir könnten uns auch gern unterhalten, ich solle mir aber keine Illusionen machen. Die Staatsregierung habe beschlossen, Leipzig aufzulösen. Was dann passiert ist, habe ich weder vorher noch nachher so erlebt. Nach dem Gespräch schickte er Poerschke und die Studenten hinaus und sagte zu mir: Sie haben mich überzeugt. Ich weiß nicht, ob er mich meinte oder die ganze Gruppe. Das ist auch egal. Meyer wollte nichts versprechen, sich aber für uns einsetzen. Ein Minister, der nach anderthalb Stunden sagt, ich akzeptiere Ihre Argumente, und dann das Nötige macht – das war eine Weihnachtsüberraschung. Er hatte aber auch eine Bedingung. Er wollte, dass ich die Gründungskommission übernehme“.
Es ist bekannt, dass daraus nichts geworden ist, obwohl Rager nicht untätig bleibt und dem Minister gleich nach den Feiertagen schreibt. Er schlägt Kollegen vor, die bei der Neugestaltung hilfreich sein könnten (Klaus Schönbach, Reinhart Ricker, Günter Bentele, Jürgen Heinrich, Winfried Schulz), regt an, einen Beirat mit Praxisvertretern zu bilden (Verlage, Rundfunkanstalten, Journalistenverbände), um den Neuanfang glaubwürdig zu machen und den Absolventen zugleich Kontakte ins Berufsfeld zu ermöglichen, und erwähnt außerdem, dass von der alten Professoren-Mannschaft nur Hans Poerschke Rückhalt bei den Studenten habe (52).
Am 20. Februar 1991 geht ein Berufungsangebot nach München, zu Karl Friedrich Reimers, Jahrgang 1935 und seit 1975 Inhaber eines Lehrstuhls an der Hochschule für Fernsehen und Film (53). Am 1. März akzeptiert Reimers, als Gründungsdekan nach Leipzig zu gehen, und schreibt Hans Poerschke am nächsten Tag, dass sich für Kollegen Rager sicher „ein Weg finden lassen“ werde, „um seine Bemühungen in puncto Teilbereich Journalistik angemessen zu würdigen“ (54). Günther Rager sah Leipzig als Standort für die akademische Ausbildung von Journalisten und war bereit, dafür sein Know-how einzubringen. Dass er nicht Gründungsdekan wurde, erklärt er mit der Geografie der politischen Landschaft. „Das Ministerium hat mich dann nicht freigestellt. Sachsen gehörte zu Bayern und nicht zu Nordrhein-Westfalen. Nach Frankfurt (Oder) hätte ich gehen können. Das hatte zwar nichts mit meinem Fach zu tun, aber das war offenbar egal. Ich weiß natürlich nicht, ob ich das dann in Leipzig überhaupt geworden wäre. Als ich Meyer absagte, meinte er, ich müsse jetzt wenigstens Mitglied der Kommission sein“. Die Arbeit in dieser Gründungskommission war für ihn offenbar nicht einfach. „Ich war der Einzige, der Journalistik wollte. Karl Friedrich Reimers hatte ja eher einen breiten Ansatz. Geschichte, Kommunikationswissenschaft, Medienpädagogik, PR. Journalistik höchstens als Teilgebiet.“ Auf eine Bewerbung auf den entsprechenden Lehrstuhl verzichtet Rager, weil das in der Gründungskommission so abgesprochen ist (obwohl sich am Ende nicht alle an diese Absprache halten werden). Auch die Berufungskommissionen in der Journalistik arbeiten ohne ihn. „Ich bin nicht gefragt worden, obwohl ich die Journalistik-Szene gut kannte“ (Rager 2015).
5. Phase III: Neugründung ab 1991
Die Zeitzeugen sind sich einig, dass Karl Friedrich Reimers menschlich ein Glücksfall war für den Prozess der Umgestaltung, der nicht nur wegen des skizzierten Meinungsklimas, sondern auch aus Budgetgründen mit Entlassungen verbunden sein musste und damit mit dem Ende von zahlreichen Wissenschaftskarrieren, die längst noch nicht ihren Zenit erreicht hatten. Anstelle von vielen sei hier nur Sigrid Hoyer zitiert, 1940 in Demmin geboren und seit 1965 Mitarbeiterin zunächst an der Fakultät für Journalistik und dann an der Sektion. Hoyer fährt im Februar 1991 mit Hans Poerschke und Thomas Datt zu Reimers nach München und ist beeindruckt, weil der künftige Gründungsdekan nicht nur gut vorbereitet ist, sondern „auch nach persönlichen Dingen“ fragt. Sigrid Hoyer wird dann von ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Mittelbau in einer Vollversammlung in die Gründungskommission gewählt (neben Ursula Wächter und Gerhard Piskol, der im April 1991 nachrückt, nachdem Barbara Lenhart ausgeschieden ist) (55), verlässt die Universität aber kurz nach dem Evaluierungsgespräch zum 1. September für einen Abstecher in die „Gesellschaft für Kultursoziologie“, um wenig später zurückzukehren und auch über ihren Ruhestand hinaus in Leipzig Journalistik zu lehren.
Mit einem Abstand von fast 30 Jahren beschreibt sie ihre Zusammenarbeit mit Karl Friedrich Reimers so: „Ich habe mich immer gehört gefühlt in der Gründungskommission. Herr Reimers hat mich auch oft beiseite genommen und nachgefragt, ob ich Vorbehalte hätte oder es noch etwas zu bedenken gäbe. Wenn ich vieles auch nur schwer und manches gar nicht wegstecken konnte und kann, was in den Wendejahren geschehen ist und uns zugemutet wurde, so muss und kann ich die ehrliche, immer geradlinige Zuwendung von Herrn Reimers hoch anerkennen. Wir Ostkollegen spürten sein Verständnis für unsere Lage und immer wieder auch seine Fürsorge. Bis zuletzt hat er versucht, Hans Poerschke ein Bleiben, wenigstens aber ein längeres Bleiben zu ermöglichen. Mit ihm war hier in der Gründungskommission eine starke Persönlichkeit am Werk, mit viel Kraft und Weitsicht, einem nahezu untrüglichen Gefühl dafür, was unter den Bedingungen damals ging und was nicht ging, und dem Talent, den Spielraum zwischen den Polen geschickt zu nutzen. Eine Leipziger Journalistik, wie wir sie uns vorstellten, konnten wir von ihm jedoch nicht erwarten“ (56).
Die „starke Persönlichkeit“ Karl Friedrich Reimers war wahrscheinlich auch für den Fachstandort Leipzig ein Glücksfall. Das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der dortigen Universität zählt heute zu den größten und erfolgreichsten im deutschsprachigen Raum. Der Universitätshistoriker Peer Pasternack (1999: 155) erinnert in seiner Dissertation an die „besondere öffentliche Aufmerksamkeit“, die das Wirken von Reimers in Leipzig bekam (wegen der „Konkursmasse“, die er da zu verwalten hatte), und hat für das Ergebnis mehr Lob als Tadel übrig: „Reimers brillierte als ausgesprochen umtriebiger Macher und zeichnete sich durch Sinn für öffentliche Wirksamkeit seines Tuns aus. Er wollte ursprünglich eine medien- und kommunikationswissenschaftliche Fakultät aufbauen, musste sich dann jedoch mit einem Institut bescheiden“. Liest man die haarsträubenden Geschichten, die Pasternack (1999: 150-155) allein für diese Universität von anderen Gründungsdekanen überliefert hat, erhärtet sich das Urteil „Glücksfall“. Reimers war in Leipzig sehr präsent, verstand es, seine Interessen gegenüber dem Minister sowie anderen Landes- und den Leipziger Lokalpolitikern zu artikulieren und durchzusetzen, und trat dabei anders als offenbar viele seiner Kollegen ohne die Arroganz eines Siegers aus dem Westen auf.
Andreas Rook, einer der drei studentischen Vertreter in der Gründungskommission, hat Reimers als „absolut prägende Persönlichkeit“ beschrieben, sich an die „feindliche“ Atmosphäre in den Universitätsgremien erinnert („Für einige waren wir da nicht tragbar“) und Karl Friedrich Reimers nicht nur für steten Zuspruch gelobt („Sie sind hier studentischer Vertreter. Sie haben etwas zu sagen. Nutzen Sie das“), sondern auch für die Weitung des eigenen Blickwinkels. „Wir wollten ja Journalisten werden. Die Universität war für uns dieser Weisheitszahn. Und er hat abends mit dem Oberbürgermeister gegessen und kam mit Medienwissenschaft und mit Öffentlichkeitsarbeit“. Das „ganze Berufungssystem“ war für Andreas Rook trotzdem eine „Fremdsprache“. „Als Student denkt man ja nicht darüber nach, wie jemand Professor wird. Was ist eine C2-Professur? All diese Dinge. Ich habe mich zunächst unwohl gefühlt. Ich sollte eine Aufgabe übernehmen in einem Fachbereich, den ich überhaupt nicht beherrsche. Ich glaube, das ging den anderen nicht anders. Auch Leuten wie Sigrid Hoyer, obwohl sie immerhin im Mittelbau war. Ich habe sehr stark meine Grenzen gesehen. Reimers hat uns ermutigt. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Er brauchte natürlich zwingend Studentenvertreter und er brauchte zwingend Leute von der Sektion, die möglichst unbelastet waren. Sonst wäre das ja eine reine Westveranstaltung gewesen“ (57).
Karl Friedrich Reimers (2013) selbst hat ausdrücklich auf die besondere Rolle hingewiesen, die Personen in Phasen der Neuorientierung wie im Leipzig der frühen 1990er Jahre zukommt, und den radikalen Bruch mit der DDR-Tradition auch damit begründet, dass alternative Modelle (etwa „nur Journalistik“) in Leipzig keine Chance gehabt hätten (Reimers 2003). Im Rückblick ist trotzdem danach zu fragen, ob ein anderer Gründungsdekan überhaupt auf die Idee hätte kommen können, die Sektion Journalistik durch ein „integriertes Fünf-Säulen-Modell“ zu ersetzen (etwas verknappt: Kommunikationstheorie und Kommunikationsgeschichte, Medienwirkungsforschung, Journalistik, Medienwissenschaft, PR, vgl. Meyen 2016). Reimers hat in diesem Modell die drei Trends zusammengeführt, die die akademische Beschäftigung mit Fragen medial vermittelter Kommunikation in der Bundesrepublik der 1970er und 1980er Jahre geprägt hatten und die allesamt als Reaktion auf den Medienboom und die daraus resultierende Nachfrage der Studierenden gedeutet werden können: die Neugründungen für die akademische Journalistenausbildung, die Ausdifferenzierung der bestehenden Fachinstitute um einen sozialwissenschaftlichen Kern und die Entstehung einer explizit geisteswissenschaftlich ausgerichteten Medienwissenschaft außerhalb der institutionellen Strukturen der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (vgl. Meyen 2016).
Karl Friedrich Reimers hat diese drei Trends in seiner Person vereint und – das ist eine Spekulation – aus seinem Lebenslauf auch die Idee der Ökumene mitgebracht. Der Protestant Reimers weist im Rückblick immer wieder darauf hin, wie gut er sich mit Hans Joachim Meyer, Jahrgang 1936 und damit nur ein Jahr jünger als der Leipziger Gründungsdekan, verstanden hat, der bis 2002 Sächsischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst blieb und 1997 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken wurde. In seiner Zeit als Ordinarius an der Hochschule für Fernsehen und Film in München bildete Reimers mit dem Lehrstuhlinhaber am Institut für Kommunikationswissenschaft (Zeitungswissenschaft), dem Katholiken Otto B. Roegele, eine „christliche Basisfraktion“ (Reimers 2004: 242). Reimers hatte sich in seiner Dissertation mit dem Kirchenkampf im Dritten Reich beschäftigt und festgestellt, dass sich „evangelische und katholische Christen“ in dieser Zeit „Schritt um Schritt näher gekommen“ seien (ebd., vgl. Reimers 1965). Warum sollte da nicht auch eine Ökumene der akademischen Disziplinen möglich sein, die sich mit den Gegenständen Massenmedien und öffentliche Kommunikation beschäftigen?
Wichtiger als der religiöse scheint an dieser Stelle natürlich der akademische Hintergrund. Karl Friedrich Reimers hat historisch und pädagogisch gearbeitet. In München hatte er neben angehenden Künstlern auch Journalisten und Sozialwissenschaftler in seinen Lehrveranstaltungen und dort außerdem Kontakt zum Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, das unter dem Dach des Bayerischen Rundfunks entstanden war, zum Vorläufer des Instituts für Medienpädagogik sowie zum Universitätsinstitut, wo Reimers prüfungsberechtigt war und unter anderem gemeinsame Vorlesungen mit Otto B. Roegele anbot (vgl. Roegele 1995). Ganz folgerichtig hat er dafür gesorgt, dass sein Lehrstuhl, der schon bei der Berufung 1975 verschiedene Facetten vereinte, 1990 für „Kommunikations- und Medienwissenschaft“ gewidmet wurde. Auch Jahre nach seinem Leipziger Engagement warb Reimers weiter für seine Ideen – etwa für die Verknüpfung von erziehungs- und kommunikationswissenschaftlichen Erkenntnisinteressen. Auf einer Tagung zum Thema Medienhochschulen sprach er 1999 zum Beispiel vom „Viel-Felder-Prozess der mediengebundenen wie der personalen Kommunikation“ (Reimers 2001: 22).
Mit der Auftragsvergabe an Karl Friedrich Reimers war die Richtung der Leipziger Neugründung klar: Dieser Dekan würde „alle beteiligten Disziplinen und Theorie-Praxis-Felder hochschulkonsequent aneinander“ binden (ebd.). Die vorher getrennt verlaufenden Entwicklungen wurden dabei von Reimers nicht nur in den institutionellen Strukturen des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft zusammengeführt, sondern auch auf der Professorenebene. Berufen wurden Hochschullehrer mit denkbar heterogener fachlicher Herkunft: die Geisteswissenschaftler Rüdiger Steinmetz, Bernd Schorb, Michael Haller und Dietrich Kerlen, die Kommunikationswissenschaftler Arnulf Kutsch, Werner Früh, Günter Bentele (der allerdings Germanistik studiert hat) und Bernhard Debatin (der lange zwischen Kommunikationswissenschaft und Philosophie pendelte) sowie die Sozialwissenschaftler Gertraud Linz-Abich und Hans-Jörg Stiehler (vgl. Meyen 2016: 257-262).
Mit der Ernennung von Karl Friedrich Reimers zum Gründungsdekan war allerdings – und das ist eine erhebliche Einschränkung der Diagnose „Glücksfall“, die mit dem wachsenden historischen Abstand und den anhaltenden Verwerfungen im deutsch-deutschen Verhältnis immer deutlicher wird – das Aus für alle internen Reformbemühungen an der Sektion Journalistik sowie das Ende der ostdeutschen Selbstbestimmung verbunden. Um nicht falsch verstanden zu werden: Das Verdienst von Karl Friedrich Reimers, vielen (wenn nicht sogar allen) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Übergang von Sozialismus und Sektion Journalistik zu Kapitalismus und irgendeinem Auskommen außerhalb der Universität menschlich erträglich gemacht zu haben, bleibt unbestritten. Genauso wenig kann ihm vorgeworfen werden, die alte Ideologie einfach durch eine neue mit umgekehrten Vorzeichen ersetzt zu haben. Schon kurz nach seiner Ernennung versichert er Hans Poerschke in einem Brief: „Niemand, der den Schreiber kennt, wird von ihm erwarten, dass er nach Leipzig geht, um aus dem ‚roten’ Kloster ein ‚schwarzes’ zu machen“ (58).
Nur: Was die Kolleginnen und Kollegen an der Sektion Journalistik wollen, was in Kommissionen und Arbeitsgruppen in mehr als einem Jahr intensiver Arbeit gedacht, geschrieben und zum Teil auch schon auf den Weg gebracht worden ist, was die Studierenden an Wünschen und Hoffnungen einbringen – all das interessiert den neuen starken Mann aus München schlichtweg nicht. Schon im Herbst 1990, als an einen Gründungsdekan Reimers noch nicht einmal zu denken ist, schreibt er Hans Poerschke, gerade als Sektionsdirektor gewählt, nach einem persönlichen Gespräch: „Jedenfalls wird es im Sinne einer Wissenschaft für die Allgemeinheit nicht zu verantworten sein, denke ich (mit viel Sinn für Wider-Sprüche), ein weitestgehend SED-Langzeit-fixiertes Kollegium ‚einfach so‘ vor sich hin wurschteln zu lassen: Das ginge vor allem zu Lasten der heute Studierenden, die sich mit einem – fast ausschließlich – bei ‚Parteiprofessoren’ erworbenen (‚Universitäts’-)Diplom nirgendwo im fortgeschrittenen Europa sehen lassen könnten“ (59).
Damit trifft Reimers die vorherrschende Stimmung bei den Studierenden, die Thomas Datt drei Jahrzehnte später so zusammenfasst: „Unser Ansatz war: Ohne Hilfe geht es nicht. Da lag auch Konfliktstoff, weil das letztlich ein öffentlich vorgetragenes Misstrauensvotum gegen Poerschke war. Ich glaube zumindest, dass er das so verstanden hat, obwohl sich das gar nicht auf ihn persönlich bezog. Wir waren der Meinung: Nur Leute aus dem Westen können uns retten, weil die nicht unter Verdacht stehen und auch wissen, wie dieses Mediensystem funktioniert“ (60).
Datt war im Frühjahr 1991 studentischer Vertreter in einer Studienprogrammkommission, die am 14. April (einen Tag, bevor Reimers erstmals für eine ganze Woche nach Leipzig kommt) ein Papier mit dem Titel „Journalistenausbildung in Leipzig“ vorlegt und dort ein klares Bekenntnis zur Fortführung des Bewährten abgibt: „Die Leipziger Ausbildung steht – wie konsequent auch immer – in der Tradition, gute handwerkliche Ausbildung mit theoretischer zu verknüpfen.“ Für dieses Konzept spreche zum einen der Erfolg vieler Absolventen im Beruf (gerade jetzt) und zum anderen das Ausharren der meisten Studierenden, die längst „gegenüber Vereinnahmungsversuchen – ganz gleich ob aus Richtung Markt oder Politik – sensibilisiert“ seien und so eine „besondere Chance“ bieten würden, „in Zukunft systemkritisch und staatsfern zu forschen“ (61). Schon einen Monat zuvor hatte Bernd Okun mit dem Studenten Steffen Przybyl, Mitglied der Gründungskommission, ein ganz ähnliches Papier veröffentlicht (62). Wenn man will, kann man hier eine Linie ziehen zum oben skizzierten ersten Aufschlag der „Alternativgruppe“ von Anfang 1990, der auch mit Blick auf den heutigen Universitätsbetrieb geradezu revolutionär anmutet, oder zu den „Gedanken für die Gründungskommission“, die Hans Poerschke im Mai 1991 formuliert. Poerschke sieht dabei drei Arbeitsfelder vor, die Tradition, geografische Position und Leipziger Stärken bündeln: Kommunikationstheorie, Theoriegeschichte sowie Medien in Osteuropa (63).
Der Vorschlag, Bernd Okun in die Gründungskommission aufzunehmen, behagt Karl Friedrich Reimers schon nicht, bevor er nach Leipzig kommt. Ein Mann aus der Sektion Marxismus-Leninismus, die sich zunächst in „Sektion Gesellschaftstheorien“ umbenannt habe und nun aufgelöst worden sei, ein Hochschullehrer für Dialektischen und Historischen Materialismus, einer Disziplin, die man im „differenzierten Gesamtbezug einer neuen Fakultät Kommunikations- und Medienwissenschaft aber doch wohl nur begrenzt“ gebrauchen könne (64). Die Fragezeichen sind in diesem Brief an Hans Poerschke vom 18. März 1991 unübersehbar. Im Vorlesungsverzeichnis des Studienprogramms Journalistik für das Sommersemester steht Bernd Okun mit Veranstaltungen zu Erkenntnistheorie und Sozialphilosophie (65). Thomas Datt: „Wir Studenten wollten Okun unbedingt behalten. Reimers hat uns das dann auch versprochen. Ich war sehr enttäuscht, als Okun gehen musste. Reimers war für mich damit erledigt. Keine Glaubwürdigkeit mehr“ (66).
Karl Friedrich Reimers verteidigt das, was damals gelaufen ist. Er sagt, dass er unter anderem von der Bild-Zeitung angegriffen wurde (Tenor: Münchner Professor rettet den roten Poerschke) und dass er bei Minister Meyer und Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ein Jahr „Sabbatical“ für Bernd Okun und Hans Poerschke erkämpft hat. Das sei eine Frage des „Anstands“ gewesen und eine „Charakterfrage“. Poerschke und Okun hätten Zeit gebraucht, auch in der Bibliothek, „um sich mit ihrer Linie entfalten zu können“. Biedenkopf habe das zwar für „Luxus“ gehalten und der Minister für etwas, das er, der Katholik Hans Joachim Meyer, in der DDR nie bekommen hätte, am Ende aber sei ihm, Reimers, dieser Wunsch vom „Imperium“ Biedenkopf-Meyer gewährt worden, als „persönliches Entgegenkommen“ (67). Hans Poerschke hat auf dem Krikowi-Podium vom November 2019 berichtet, warum ihm dieses Angebot nicht geholfen hat. Bernd Okun erinnert sich nur noch an die vielen Gespräche mit dem Studentenrat und sagt, dass er persönlich zu Reimers keinen Zugang gehabt und deshalb wenig Kontakt gesucht habe (68).
Jenseits solcher Personalentscheidungen: Das Modell für die künftige Fakultät, die dann im klammen Sachsen auf ein vergleichsweise immer noch großes Institut schrumpft, bringt Karl Friedrich Reimers aus München mit. Nach seinen ersten „fünf Vollpräsenztagen“ in Leipzig vom 15. bis 19. April 1991 lobt er in einem Brief an die Mitglieder der Gründungskommission die Resonanz, die er auf die „fünf Baumustersäulen“ bekommen habe, und macht klar, dass er diesen Plan schon länger mit sich herumträgt. Wer ihn etwas besser kenne, schreibt Reimers und erwähnt dabei auch Kontakte zum Wissenschaftsrat, der wisse das auch (69). Andrea Brunnen (1991), die die Fernseh-Informationen herausgibt, beschreibt die „Vision“ des Gründungsdekans mit den „fünf Säulen“ dort schon im März 1991 im Detail. Man kann das so interpretieren: Der Ordinarius aus München, der an der HFF gewissermaßen zwischen den Stühlen sitzt oder, etwas weniger prosaisch, am Rand einer Fachgemeinschaft, die sich in der DGPuK trifft, nutzt seine Position in Leipzig, um sein eigenes disziplinäres Ideal und damit sich selbst in das Zentrum zu rücken. Es kann gut sein, dass alternative Modell tatsächlich keine Chance gehabt hätten. Mit der Person Reimers gibt es diese Alternativen allerdings auch nicht. Er will in Leipzig etwas schaffen, was es so im deutschsprachigen Raum noch nicht gibt, und hat damit Erfolg. Das erklärt, warum er die Kritik nicht nachvollziehen kann, die im Titel und im Untertitel der Krikowi-Veranstaltung vom November 2019 transportiert worden ist („Abriss“ und „Verwestlichung“).
Wie stark der Einfluss von Karl Friedrich Reimers in den ersten Leipziger Jahren tatsächlich war, spiegelt sich in den Aussagen von Zeitzeugen. Reimers selbst sagt, dass er die drei Kollegen für die Evaluierungsgespräche allein ausgesucht habe – „nach Charakter“. Kurt Koszyk, Manfred Rühl und Dieter Roß seien abwägende Köpfe gewesen, die ihm am ehesten geeignet schienen, im Gespräch DDR-Leistungen einzuschätzen (70). Auch die Besetzung der Gründungskommission wirkt zumindest ungewöhnlich, wenn man die Kräfteverhältnisse im akademischen Feld der Bundesrepublik Ende der 1980er Jahre kennt. Neben Günther Rager, der offenbar auf Wunsch des Ministers dabei war, holte Reimers Barbara Baerns, die gerade auf eine C3-Professur an der FU Berlin berufen worden war, Franz Stuke, ebenfalls ganz frisch berufen auf einen Lehrstuhl für Medienpädagogik in Bochum und als Wissenschaftler kaum ausgewiesen, sowie Winfried Schulz aus Nürnberg, der zwar aus der Mainzer Schule von Elisabeth Noelle-Neumann stammte, die das Feld dominierte, aber sich mit seiner Chefin und Doktormutter immer wieder Kämpfe geliefert hatte (vgl. Schulz 2007). Günther Rager (2015) hat Franz Stuke als „Erfüllungsgehilfen“ beschrieben: „Irgendwie waren die beiden miteinander verbandelt. Was auch immer von Reimers kam: Stuke war dafür“. Und Andreas Rook, der nicht nur in der Gründungskommission war, sondern auch in den Berufungskommissionen, erinnert sich, dass dort „benannt“ wurde, wenn sich jemand aus dem Mainzer Umfeld bewarb. „Zugleich hat Reimers immer gesagt: Wir müssen verhindern, dass Veröffentlichungen bei den Ausschreibungen das wichtigste Kriterium sind. Das, was im Westen selbstverständlich ist, wenn man eine Professur haben möchte. Dann haben die DDR-Wissenschaftler keine Chance“ (71).
Es ist bekannt, dass nur ein Wissenschaftler mit DDR-Hintergrund zum Zuge kam. Hans-Jörg Stiehler, Jahrgang 1951, hatte am Zentralinstitut für Jugendforschung gearbeitet und brachte von dort alles mit, um sich aussichtsreich auf die Professur für empirische Kommunikations- und Medienforschung bewerben und dann mithilfe des Kriterienkatalogs von Karl Friedrich Reimers auch Konkurrenten wie Hans-Bernd Brosius ausstechen zu können, die deutlich mehr und vor allem international hochrangige Publikationen vorweisen konnten (vgl. Stiehler 2014). Wie bei Berufungen fast üblich, sind auch viele der Leipziger Entscheidungen im Detail kritisiert worden. Andreas Rook erinnert sich an Rüdiger Steinmetz „aus dem Umfeld von Reimers“ (72) (Steinmetz war Mitarbeiter an der HFF und bekam in Leipzig den Lehrstuhl für Medienwissenschaft), und Thomas Datt spricht mit Blick auf Gertraud Linz von „Dankesschulden“, die der Gründungsdekan offenbar abzutragen hatte: „Die kam als Professorin, und ich war entsetzt. Vielleicht ist das ungerecht, aber mir kam die damals extrem inkompetent vor. Wir hatten ja hohe Erwartungen. Und jetzt war das ein deutlicher Niveauabfall gegenüber dem alten Personal, zumindest im Durchschnitt. Das war schon ernüchternd. Man hat als junger Heißsporn mitbekommen, dass da ganz andere Sachen eine Rolle spielen“ (73).
Rüdiger Steinmetz und Gertraud Linz-Abich werden 1992 berufen. Was ab dem Sommersemester 1991 im Lehrbetrieb gelaufen ist, kann man kaum besser zusammenfassen als Tilo Gräser, der Briefträger aus Gotha, der im Herbst 1990 an die Sektion Journalistik kam: „Ich fand die Mischung aus praktischer und theoretischer Ausbildung gut. Das war damals noch so, in den frühen 1990ern. Kameratraining, Mikrofontraining, Stilistik. Dazu die Seminarreihen. Staats- und Verfassungsrecht, Erkenntnistheorie, Sozialphilosophie, Filmtheorie. Auch Persönlichkeitspsychologie, bei Klaus Peschel. Zum Teil habe ich die Hefter noch. Da ist Grundwissen vermittelt worden. Ich fand damals phänomenal, welche Möglichkeiten ich hatte. Ich habe keine Veranstaltung in Erinnerung, bei der ich gesagt habe: Das hättest du dir sparen können. Die Leute von der alten Sektion waren auf der Suche, und aus dem Westen kamen Leute wie Michael Haller oder Günter Bentele, der in Richtung PR ging. Ich habe einen Blockkurs bei Jürg Leipziger gemacht, damals einer der Gurus in Deutschland. Davon habe ich Jahre gezehrt“ (74).
Die „Suche“ des DDR-Personals, die Tilo Gräser hier beschreibt, ist mit erheblicher ökonomischer und persönlicher Unsicherheit verbunden. Anfang Februar 1991 hat niemand eine bezahlte Perspektive, die über den 31. März hinausgeht (vgl. Seidler 1991). Die Arbeitsverträge werden dann sehr spät und zunächst nur so weit verlängert, dass der Studienbetrieb nicht in Gefahr ist – am 20. März 1991 zum Beispiel bis zum 31. Juli 1991 (75). Selbst wer einen Vertrag hat, bekommt weniger Urlaubsgeld. Hans Poerschke spricht in einem Schreiben an den Kanzler im Juli 1991 vom „Warteschleifenfestbetrag von 70 Prozent“ (76), und Karl Friedrich Reimers formuliert in seiner Einladung für eine Personalversammlung, die am 16. Juli 1991 stattfinden soll, einen bemerkenswerten Einstiegssatz: „Die Würde des Menschen wird in diesen Tagen verschiedenen Belastungen ausgesetzt, die auf unterschiedliche Art schmerzen“ (77). Da das Thema Evaluierung einen eigenen Aufsatz erfordern würde, sei hier nur auf die Aussagen von Hans Poerschke und Sigrid Hoyer in diesem Feature verwiesen. Nicht wenige hochrangige Sektionsvertreter lehnten die Gesprächseinladung ab (aus ganz unterschiedlichen Gründen, vgl. Röhr 2015, Preisigke 2015, Skaun 2015). Heinz Halbach (2017), der 1951 zum Studium nach Leipzig kam, dort eine Art Mädchen für alles wurde und von Kurt Koszyk evaluiert wurde, den er schon aus der Zeit vor 1989 kannte, war sich hinterher mit Blick auf die Führungsebene sicher: „Es stand schon vorher fest: Alle sind ausnahmslos rauszuschmeißen“.
Zur Realität des Leipziger Umbruchs gehören die vielen Lehrveranstaltungen, die von Kolleginnen und Kollegen aus der Bundesrepublik und aus Österreich angeboten werden. Im Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1991 gibt es zum Beispiel einen Theorie-Block, in dem Günter Bentele, Walter Hömberg, Manfred Rühl, Siegfried Weischenberg und Lutz Hachmeister auftreten. Dazu kommen eine Einführung in die Medienwirkungsforschung von Klaus Schönbach, ein Projektseminar von Winfried Schulz sowie Veranstaltungen von Heinz Pürer (Mediensysteme), Beate Schneider, Barbara Mettler-Meibom, Manfred Knoche (Medienökonomie), Barbara Baerns, Peter Szyszka (PR) und Renate Damm, Justiziarin beim Springer-Verlag.
Diese lange Gästeliste darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass den Plänen von Karl Friedrich Reimers nach wie vor ein scharfer Wind entgegenbläst – vor allem aus Mainz. Nachdem schon Die Welt im Oktober 1991 den „Ruf des Roten Klosters“ beschworen und dem Gründungsdekan indirekt unterstellt hat, in Leipzig jetzt nach einem „dritten Weg“ zwischen Sozialismus und Kapitalismus zu suchen (Reich 1991), nimmt Kurt Reumann (1991), Schüler von Emil Dovifat und dann einige Jahre Mitarbeiter von Elisabeth Noelle-Neumann, diesen Ball in der FAZ auf und fordert im Dezember 1991 in einem dreispaltigen Artikel „mehr Bescheidenheit“. Genug an Ausschreibungen, genug mit dem Tamtam um Karl Bücher. Wenn es nach Kurt Reumann geht, wäre zunächst „Trauerarbeit“ angesagt. Fast die Hälfte seines Textes dreht sich um Brigitte Klump und das MfS.
6. Fazit
Dieser chronologisch angelegte Beitrag zu den Veränderungen an der Leipziger Sektion Journalistik zwischen 1989 und 1991 kann eine Geschichte von Umbruch, Abwicklung und Neugründung nicht ersetzen. Er trägt zusammen, was im Moment (Anfang 2020) an Material verfügbar ist, und geht davon aus, dass der wachsende zeitliche Abstand und vor allem die dann verfügbaren Akten das Bild weiter differenzieren werden. Das gilt zum Beispiel für die Rolle von Elisabeth Noelle-Neumann, die hier nur angedeutet werden konnte und auch in der Autobiografie von Noelle-Neumann (2006) nicht weiter erhellt wird, für das Zusammenspiel von Gründungsdekan und Ministerium oder für die Bewertung der Institutsstruktur, die Karl Friedrich Reimers in Leipzig geschaffen hat.
Wie die Plattform BlexKom generell ist deshalb auch dieser Beitrag vor allem als Basis für die künftige Geschichtsschreibung in der Kommunikationswissenschaft zu sehen. Mir schien es wichtig, 30 Jahre nach dem Ende der DDR eine Stimmung festzuhalten, die quer durch alle Geburtskohorten mehr ostdeutsches Selbstbewusstsein anmahnt (vgl. Schönian 2020) und dabei auch nach den Verlusten fragt, die der Prozess der Wiedervereinigung schon deshalb mitgebracht hat, weil er aus dem Westen gesteuert und dominiert worden ist.
Der Beitrag zeigt, dass der Rücktritt von Erich Honecker und Joachim Herrmann am 18. Oktober 1989 an der Sektion Journalistik eine Reformdiskussion beschleunigt, deren Notwendigkeit für nicht wenige der Beteiligten schon vorher außer Frage steht. In relativ kurzer Zeit werden Konzepte entwickelt, die die akademischen Standards der Bundesrepublik adaptieren und mit einer Leipziger Tradition verbinden, die auf eine starke Verknüpfung von handwerklicher Unterweisung und wissenschaftlicher Begleitung und Durchdringung der Ausbildung setzt. In den entsprechenden Debatten spielen Studenten eine zentrale Rolle, was genau wie die (noch) fehlenden Fesseln der westdeutschen Hochschulgesetzgebung den hohen Innovationsgrad erklären könnte. Die Leistung, den Lehrbetrieb aufrecht zu halten, mit attraktiven Angeboten aus der Bundesrepublik zu ergänzen und parallel an der Neuausrichtung zu arbeiten, ist auch deshalb hoch einzuschätzen, weil sie in einer Situation erbracht werden musste, in der die persönliche Zukunft aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ebenso hochgradig ungewiss war wie die Zukunft ihrer Einrichtung. Der Beschluss der sächsischen Staatsregierung, diesen Prozess per Dekret zu stoppen, und der Import der Idee, die Leipziger Journalistik durch ein Modell zu ersetzen, das zwar auch für den Westen neu, aber in München gewachsen war, dürfte neben den offenkundigen institutionellen Folgen (vgl. Meyen 2016) bei den mittelbar und unmittelbar Beteiligten auch langfristige Auswirkungen auf die Akzeptanz eines Gesellschaftssystems gehabt haben, das nicht auf die Erfahrungen der DDR-Bürger angewiesen war und diese Erfahrungen durch seine Deutungshoheit im öffentlichen Raum auch delegitimieren konnte.
Anmerkungen
- 1 Rat der Sektion Journalistik, 9. November 1989. In: Universitätsarchiv Leipzig (UAL), Sektion Journalistik (SJ) 23 (Dienstberatungen 1989), Bl. 2-4.
- 2 Raue an Leutert, 13. Juli 1990. Im Anhang dieses Schreibens gibt es eine „Chronik der Schritte zur Erneuerung“. In: UAL, Pror. Gewi 188, Bl. 6-9.
- 3 Rat der Sektion Journalistik, 22. November 1989. In: UAL, SJ 23, Bl. 6-8.
- 4 Fuchs an Prorektor Stübler, 23. November 1989. In: UAL, Pror. Gewi 188, Bl. 25.
- 5 Interview mit Thomas Datt am 16. Januar 2020 in Leipzig.
- 6 Raue an Leutert (wie Anmerkung 2).
- 7 Beratung der Lehrstuhlleiter, 12. Mai 1988. In: UAL, SJ 25 (Dienstberatungen beim Sektionsdirektor), Bl. 75f.
- 8 Beratung der Lehrstuhlleiter, 20. Dezember 1988. Ebd., Bl. 86f.
- 9 Beratung der Lehrstuhlleiter, 15. Februar 1989. Ebd., Bl. 89-91.
- 10 Aktennotiz von J. Billhardt, wissenschaftlicher Sekretär, nach einem Gespräch mit Vertretern des Studentenrates, 5. Januar 1990. In: UAL, Pror. Gewi 188, Bl. 24.
- 11 Günter Raue an Dietmar Stübler, 11. Januar 1990. Ebd., Bl. 20f.
- 12 Rat der Sektion Journalistik, 31. Januar 1990. In: UAL, SJ 23, Bl. 13.
- 13 Rat der Sektion Journalistik, 27. März 1990. Ebd., Bl. 22.
- 14 Sektion Journalistik (vermutlich Günter Raue im Namen des Rates der Sektion) an Rektor Hennig, 12. April 1990. In: UAL, Pror. Gewi 188, Bl. 10-12.
- 15 Dienstberatung am 7. Februar 1990. In: UAL, SJ 23, Bl. 17-19, hier 19.
- 16 Interview mit Thomas Datt am 16. Januar 2020 in Leipzig.
- 17 Interview mit Bernd Okun am 7. Januar 2020 in Leipzig.
- 18 Raue an Stübler, 11. Januar 1990. Ebd., Bl. 20-23.
- 19 Rat der Sektion Journalistik, 31. Januar 1990. In: UAL, SJ 23, Bl. 10.
- 20 Rat der Sektion Journalistik, 31. Januar 1990. Ebd., SJ 70, Bl. 1.
- 21 Vgl. die Seminardokumentation in diesem Feature.
- 22 Akademische Einrichtung oder/und „Journalistenschule“? Überlegungen der Alternativgruppe zu einer Sektionsreform, 25. Januar 1990. In: UAL, SJ 23, Bl. 101-126, Zitate 101f., 119.
- 23 Rat der Sektion Journalistik, 31. Januar 1990. Ebd., Bl. 15; Resümee, Rat der Sektion, 31. Januar 1990. Ebd., SJ 70, Bl. 4.
- 24 Abschlussbericht über die erste „Vorbereitungswoche“ zur Auswahl von J-Studienbewerbern vom 9. bis 21. März 1975 in Strausberg. Universität Leipzig, Sektion Journalistik, 19. April 1975. In: Ebd., SJ 40, Bl. 8-13.
- 25 Dienstberatung am 14. März 1990. In: Ebd., SJ 23, Bl. 22
- 26 Raue an Leutert (wie Anmerkung 2), Bl. 8
- 27 Interview mit Tilo Gräser am 9. Januar 2020 in Berlin
- 28 Raue an Leutert (wie Anmerkung 2), Bl. 7f.
- 29 Sektion Journalistik (wie Anmerkung 14), Bl. 10
- 30 Raue an Leutert (wie Anmerkung 2), Bl. 9
- 31 Lehrstuhlkonzepte, in aller Regel datiert auf den 8. Oktober 1990. In: UAL, SJ 39, Bl. 1-24
- 32 Erklärung des Rates der Sektion Journalistik, 12. Juli 1990. Ebd., Pror. Gewi 188, Bl. 3-5, hier 5
- 33 Raue an Leutert, 13. Juli 1990. Ebd., Bl. 2
- 34 Sektion Journalistik: Konzeption für die Entwicklung von Ausbildung, Forschung und Struktur, April 1990. In: UAL, SJ 39, Bl. 25-28, hier 25
- 35 Dienstberatung am 7. Februar 1990. In: UAL, SJ 23, Bl. 17
- 36 Interview mit Michael Seidel am 20. November 2019 in Schwerin
- 37 Interview mit Thomas Datt am 16. Januar 2020 in Leipzig.
- 38 Rat der Sektion vom 23. Oktober 1990. In: UAL, SJ 23, Bl. 48
- 39 Dienstberatung am 7. September 1990. Ebd., Bl. 41
- 40 Karl-Marx-Universität Leipzig, Sektion Journalistik: Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis der Studienrichtung Journalistik, Wintersemester 1990/91. Leipzig 1990. In: Privatarchiv Michael Meyen.
- 41 Dienstberatung am 7. September 1990. In: UAL, SJ 23, Bl. 42
- 42 Hans Poerschke: Antrag vom 5. November 1990. Ebd., SJ 24, Bl. 4-10
- 43 Rat der Sektion vom 6. Dezember 1990. Ebd., SJ 23, Bl. 53-56
- 44 Poerschke an Leutert, 23. Oktober 1990. Ebd., SJ 24, Bl. 11-14, hier 13
- 45 Poerschke an Biedenkopf, 12. Dezember 1990. In: UAL, Pror. Gewi 188, Bl. 109f.
- 46 Interview mit Tilo Gräser am 9. Januar 2020 in Berlin
- 47 Interview mit Thomas Datt am 16. Januar 2020 in Leipzig
- 48 Interview mit Uwe Madel am 5. Februar 2020 in Berlin
- 49 Rager an Poerschke, 28. September 1990. In: UAL, SJ 26, Bl. 117
- 50 Schönbach an Poerschke, 20. Dezember 1990. Ebd., SJ 25, Bl. 102
- 51 Ebd., Bl. 98-100, 103-105
- 52 Rager an Meyer, 7. Januar 1991. Ebd., Bl. 76-78
- 53 Berufungsangebot an Karl Friedrich Reimers, 20. Februar 1991. Ebd., Bl. 8
- 54 Reimers an Poerschke, 2. März 1991. Ebd., Bl. 54
- 55 Gerhard Piskol bekommt hier 18 Stimmen und Jürgen Schlimper zwölf. Vgl. Nachwahl zur Gründungskommission am 10. April 1991. In: UAL, SJ 25, Bl. 19
- 56 Interview mit Sigrid Hoyer am 4. November 2019 in Leipzig
- 57 Interview mit Andreas Rook am 7. November 2019 in Dresden
- 58 Reimers an Poerschke, 18. März 1991. In: UAL, SJ 25, Bl. 43-46, hier 44
- 59 Reimers an Poerschke, 22. Oktober 1990. Ebd., Bl. 92-95, hier 93
- 60 Interview mit Thomas Datt am 16. Januar 2020 in Leipzig
- 61 Studienprogrammkommission: Journalistenausbildung in Leipzig, 14. April 1991. In: UAL, SJ 25, Bl. 30-32, hier 30
- 62 Bernd Okun, Steffen Przybyl: Journalistenausbildung in Leipzig, 17. März 1991. Ebd., Bl. 56-61
- 63 Hans Poerschke: Gedanken für die Gründungskommission, Mai 1991. Ebd., Bl. 71-75
- 64 Reimers an Poerschke, 18. März 1991. In: UAL, SJ 25, Bl. 43-46, hier 45
- 65 UAL, SJ 26, Bl. 1
- 66 Interview mit Thomas Datt am 16. Januar 2020 in Leipzig
- 67 Telefonat mit Karl Friedrich Reimers am 16. Dezember 2019, Gedächtnisprotokoll
- 68 Interview mit Bernd Okun am 7. Januar 2020 in Leipzig
- 69 Begrüßungsschreiben an die Mitglieder der Gründungskommission, die dann am 31. Mai 1991 erstmals tagt. Ohne Datum (Ende April 1991). Ebd., Bl. 11-13, hier 12
- 70 Telefonat mit Karl Friedrich Reimers am 16. Dezember 2019, Gedächtnisprotokoll
- 71 Interview mit Andreas Rook am 7. November 2019 in Dresden
- 72 Ebd.
- 73 Interview mit Thomas Datt am 16. Januar 2020 in Leipzig
- 74 Interview mit Tilo Gräser am 9. Januar 2020 in Berlin
- 75 Hans Poerschke: Information, 20. März 1991. In: UAL, SJ 25, Bl. 39
- 76 Poerschke an Gutjahr-Löser, 19. Juli 1991. Ebd., Bl. 1
- 77 Schreiben von Reimers, 2. Juli 1991. Ebd., Bl. 5
Literatur
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- Elisabeth Noelle-Neumann: Die Erinnerungen. München: Herbig 2006.
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- Bernd Okun: Allgemeine Merkmale weltanschaulicher Propaganda in ihrer Bedeutung für die Vermittlung des Marxismus-Leninismus. Eine erkenntnistheoretische Studie. Dissertation B. Leipzig: Karl-Marx-Universität 1984.
- Bernd Okun: Abwicklung und Überprüfung. Vorschlag von fünf Kriterien für persönliche Integrität und Leistungsfähigkeit. In: Universitätszeitung vom 21. Januar 1991, S. 3.
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- Bernd Okun: Thesen zur DT 64-Sendung „Veto“ am 28.10.1992 in Zwickau: Sächsische Hochschulerneuerung und gesamtdeutsche Hochschulkrise. In: Hochschule Ost, November 1992b, S. 32-34.
- Bernd Okun/Hans Joachim Hoppe: Die große Führungskrise: Ein Manifest neuer Führung. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler 2017.
- Peer Pasternack: Demokratische Erneuerung. Eine universitätsgeschichtliche Untersuchung des ostdeutschen Hochschulumbaus 1989-1995. Mit zwei Fallstudien: Universität Leipzig und Humboldt-Universität zu Berlin. Weinheim: Beltz 1999.
- Hans Poerschke: Nützliches Kennenlernen und hoffnungsvoller Auftakt. In: Diskurs 1. Jg. (1990a), Nr. 3, S. 173-177.
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- Klaus Preisigke: Wir waren ein Hort des Opportunismus. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015.
- Günther Rager: Journalisten brauchen Forschung und Statistik. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015.
- Anibal Ramirez: Der StuRa über das Konzil – Gespräch mit Peer Pasternak (sic!), Mitglied des Stura. In: ISK-Info Nr. 5 vom 13. Juni 199.0
- Günter Raue: Geschichte des Journalismus in der DDR (1945-1961). Leipzig: VEB Bibliographisches Institut 1986.
- Anja Reich: Der Ruf des Roten Klosters hallt heute noch nach. In: Die Welt vom 25. Oktober 1991.
- Karl Friedrich Reimers: Lübeck im Kirchenkampf des Dritten Reiches. Nationalsozialistisches Führerprinzip und evangelisch-lutherische Landeskirche von 1933 bis 1945. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 196.5
- Karl Friedrich Reimers: Einleitung. In: Karl Friedrich Reimers/Gabriele Mehling (Hrsg.): Medienhochschulen und Wissenschaft. Konstanz: UVK 2001, S. 21-39.
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- Karl-Heinz Röhr: Um Qualität geht es immer und überall. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015.
- Valerie Schönian: Ostbewusstsein. München: Piper 2020.
- Winfried Schulz: Man spekuliert nicht, sondern orientiert sich an Fakten. In: Michael Meyen/Maria Löblich: „Ich habe dieses Fach erfunden“. Wie die Kommunikationswissenschaft an die deutschsprachigen Universitäten kam. 19 biografische Interviews. Köln: Herbert von Halem 2007, S. 227-245.
- Tom Seidler: Differenzieren statt Pauschalisieren. Abberufungsbeschluss in der Diskussion. In: Leipziger Volkszeitung vom 3. August 1990, S. 7.
- Tom Seidler: Sektion Journalistik: Das tote Kloster? In: Leipziger Volkszeitung vom 12. Februar 1991.
- Wulf Skaun: Es gibt keine unpolitische Wissenschaft. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015.
- Hans-Jörg Stiehler: Ich bin ein Teamarbeiter. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2014.
- Panos Terz, Eberhard Zeidler: Erklärung. In: Universitätszeitung, Sonderbeilage vom 13. August 1990, S. 6.
- Manfred Wurlitzer: „Ein demokratisches Mäntelchen ist schnell übergezogen“. Die neue Wortschöpfung an der Leipziger Universität lautet „Umberufung“. Ein Bericht zur Lage. In: Frankfurter Rundschau vom 18. Oktober 1990, S. 15.
Empfohlene Zitierweise
Michael Meyen: Abwicklung und Neustart. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2020. http://blexkom.halemverlag.de/abwicklung/ (Datum des Zugriffs).