Am 3. März 2015 ist der Leipziger Journalistikwissenschaftler Siegfried Schmidt im Alter von 78 Jahren verstorben. Schmidt ist für das Fachgebiet in Deutschland eine Besonderheit. Er verkörperte als Hochschullehrer in einzigartiger und unikater Weise die Kontinuität der Journalistenausbildung und Journalismusforschung in der DDR an der Leipziger Journalistenfakultät bzw. Sektion Journalistik und dann unter neuen gesellschaftlichen Voraussetzungen am neu gegründeten Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft. Seine Ernennung zum außerordentlichen Professor und damit die Anerkennung seiner jahrzehntelangen erfolgreichen Arbeit in Lehre und Forschung erfolgte ohnehin erst im Jahre 1993, obrigkeitsbedingter Dogmatismus hatte dies in der DDR-Zeit verhindert.
Der 1936 im Vogtland in einfachen Verhältnissen Geborene gehörte zu jener Generation, der die Kindheit durch den Krieg geraubt wurde. So war es folgerichtig, dass er unter den Bedingungen der DDR wie viele Zeitgenossen einen Weg suchte, eine neue gerechte und auf eine friedliche Zukunft gerichtete Gesellschaft auf den Trümmern des Nazireiches zu errichten. Als ab 1954 in Leipzig der Aufbau einer eigenständigen Fakultät für Journalistik begann, gehörte Siegfried Schmidt mit zu den ersten Studenten dieser Fakultät. Professoren wie der bekannte linksliberale Hermann Budzislawski, dessen persönlicher Mitarbeiter er bald werden sollte, oder der antifaschistische Hans Teubner gaben ihm Orientierung, waren wissenschaftlich wie politisch Vorbild. Siegfried Schmidts Steckenpferd wurde zugleich sein wissenschaftliches Spezialgebiet: Kulturjournalismus, feuilletonistische Kultur- und Kunstkritik, Unterhaltung im Dienste journalistischer Kommunikation. Seine Dissertation Zur Unterhaltung als journalistische Kategorie in der imperialistischen und in der sozialistischen Tagespresse verteidigte er im Jahre 1965, die Habilitationsschrift (in der DDR Promotion B genannt) dann 1983. Sie trug der Titel Zur Spezifik der journalistischen Literatur und Kunstkritik. Darin setzte er sich für eine streitbare und faire Auseinandersetzung mit Literatur und Kunst ein, und damit zwischen den Zeilen gegen die noch üblichen dogmatischen Eingriffe.
Seit den 1960er-Jahren engagierte sich Siegfried Schmidt besonders für die Ausbildung von Kulturjournalisten, betreute mit Strenge und Akribie eine Vielzahl von Diplomanden und dann auch Doktoranden. Als Dozent war er zugleich Lehrstuhlleiter. Als nach der Abwicklung der Leipziger Sektion Journalistik die Weiterarbeit von der Teilnahme an einer politischen und fachlichen Evaluation durch Westkollegen abhängig gemacht wurde, nahm Siegfried Schmidt die Herausforderung an. Nunmehr musste er bei weitaus größerer Studentenzahl und wesentlich reduziertem wissenschaftlichen Personal die Journalistik auch als Gesamtfach vertreten. So errang der „neue“ Professor nicht nur die Achtung der früheren Kollegen, denen er weiter freundschaftlich verbunden war, sondern auch hohe Anerkennung durch die jetzigen medienwissenschaftlichen Fachleute. Diese Wertschätzung äußerte sich darin, dass ihm das Leipziger Institut zu seinem 65. Geburtstag eine wissenschaftliche Konferenz und eine Festschrift mit dem Titel Die Kultur der Medien widmete. Darin hob der Herausgeber der Festschrift, Michael Haller, die Verdienste des Jubilars hervor, sich schon in der DDR für eine kommunikativ gefasste Kulturfunktion der Medien stark gemacht zu haben: „Eine Auffassung, die Siegfried Schmidt in Lehre und Forschung auch umgesetzt und nicht nur deklariert haben wollte.“
Mit Siegfried Schmidt hat die deutsche Journalistik-und Medienwissenschaft einen zuverlässigen und feingeistigen Vertreter alter Schule verloren, der über ideologische Grenzen hinweg 50 Jahre mit der Ausbildung von Journalisten befasst war.
Literaturangaben
- Michael Haller (Hrsg.): Die Kultur der Medien. Untersuchungen zum Rollen- und Funktionswandel des Kulturjournalismus in der Mediengesellschaft. Münster: Lit 2002.