Stationen
Geboren in Gerdauen (Ostpreußen, Mädchenname: Elisabeth Maria Herrmann). Abitur in Halle/Saale. Studium der Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Psychologie an der Universität Halle. 1949 Übersiedlung nach Westberlin und Studium der Publizistik, Psychologie und Germanistik an der Freien Universität. 1952 studentische Hilfskraft (später wissenschaftliche Hilfskraft) am dortigen Institut für Publizistik. 1955 Promotion bei Emil Dovifat (Die propagandistische Funktion der Schule in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands unter besonderer Berücksichtigung des Fachunterrichts an der Grundschule). Bezahlte Mitarbeit in verschiedenen Forschungsprojekten von Emil Dovifat, ab Wintersemester 1956/57 wissenschaftliche Assistentin am Institut für Publizistik. 1957 und 1963 längere Reisen in die Vereinigten Staaten, Besuch zahlreicher Universitäten. Ende der 1950er-Jahre Heirat mit Helmut Löckenhoff und Umzug nach Frankfurt/Main. Rückkehr an die FU im Wintersemester 1959/60. 1963 Akademischer Rat, ab 1971 Oberrat am Berliner Institut. 1972 Professur für Publizistik. Gestorben in Berlin.
Publikationen
(statt E. M. Herrmann wird ab 1966 überwiegend der Autorenname Elisabeth Löckenhoff gewählt)
- Die gegenwärtige Lage der Presse in der Sowjetzone. In: Publizistik 2. Jg. (1957), S. 217-222.
- Die Presse in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag 1957.
- Grundzüge der Presse in der marxistisch-leninistischen Pressetheorie. Text 1: Funktionsbestimmung der Presse in der marxistisch-leninistischen Ideologie. In: Publizistik 5. Jg. (1960), S. 225-242. Text 2: Hauptfunktionen der „Presse neuen Typs“. In: Publizistik 6. Jg. (1961), S. 41-51. Text 3: Grundprinzipien der „Presse neuen Typs“. In: Publizistik 6. Jg. (19619, S. 225-243.
- Wie studiert man in Leipzig Journalistik? In: Publizistik 6. Jg. (1961), S. 267-272.
- Zur Theorie und Praxis der Presse in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Berichte und Dokumente. Berlin: Colloquium Verlag 1963.
- Zur Anleitung und Kontrolle der SED Presse. Rückblick auf die Pressekonferenzen 1950-1964. In: Publizistik 11. Jg. (1966), S. 299-309.
- Zur Bestimmung der Begriffe Agitation und Propaganda am Beispiel des Produktionsaufgebotes (1961/62) in der DDR. In: Peter Christian Ludz (Hrsg.): Studien und Materialien zur Soziologie der DDR. Kölner Zeitschrift für Soziologie, Sonderheft 8, S. 309-325.
- Massenmedien UdSSR. In: Elisabeth Noelle-Neumann (Hrsg.): Fischer Lexikon Publizistik. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuchverlag 1971, S. 132-138.
- Presse – DDR. In: Elisabeth Noelle-Neumann (Hrsg.): Fischer Lexikon Publizistik. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuchverlag 1971, S. 241-245.
Elisabeth Maria Löckenhoff wurde in der Nähe von Königsberg geboren und gelangte mit ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern spät im Jahr 1944 per Eisenbahn aus Ostpreußen nach Halle/Saale. Dort, in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), machte sie Abitur und begann ein Studium mit dem Berufsziel Lehrerin. Den Antifaschismus unterstützte sie und gerne demonstrierte sie am 1. Mai in Halle hinter dem Pädagogikprofessor und Dekan der Philosophischen Fakultät, Gustav Lange, der die rote Fahne trug. Die Unsicherheiten zum Ende der antifaschistisch-demokratischen Periode der SBZ und frühen DDR führten dazu, dass Löckenhoff 1949 in den amerikanischen Sektor von Berlin und an die ein Jahr zuvor gegründete Freie Universität übersiedelte. Wie sie feststellte, arbeitete dort bereits der einstige Hallenser Dekan am Forschungsinstitut für Politische Wissenschaft, und sie studierte fortan im Hauptfach Publizistik.
Schon als Studentin arbeitete Elisabeth Löckenhoff am Aufbau des Instituts für Publizistik (Direktor Emil Dovifat) mit und übernahm bald eine Stelle als Hilfskraft. Im Gutachten zu ihrer 1954 eingereichten Dissertation über „die propagandistische Funktion der Schule in der Sowjetischen Besatzungszone“ hob Dovifat hervor, eine intensive Materialsammlung habe die Auswertung erst ermöglicht. Die Autorin gehe auch Widersprüchen in der Propaganda zur Formung des Sowjetmenschen nach und suche das Wirkungspotenzial abzuschätzen. Vergleiche zur nationalsozialistischen Zeit würden aber nicht einmal angedeutet, was die Analyse aus dem Material betont und den seinerzeit vom Doktorvater hervorgehobenen Ähnlichkeiten beider politischer Systeme offenbar entgegenlief. Da der Druckzwang für Dissertationen noch nicht wieder eingeführt war, blieb die Arbeit (Urteil der Prüfer: magna cum laude) ungedruckt.
Auch nach ihrer Promotion arbeitete Löckenhoff am Institut in verschiedenen Forschungsprojekten von Dovifat, bis sie im Wintersemester 1956/57 zur wissenschaftlichen Assistentin ernannt wurde – ein Zeichen dafür, dass er sie zum Nachwuchs des Fachs rechnete. Schon kurz darauf erschien die Monografie Die Presse in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands in der Schriftenreihe der Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland des Gesamtdeutschen Ministeriums (Herrmann 1957) und die DDR-Publizistik sollte dann auch einen deutlichen Schwerpunkt im Werk von Elisabeth Löckenhoff bilden. Darin arbeitete sie die politischen Vorgaben für die Medien aus den Schriften der Klassiker (Karl Marx, Lenin, Stalin) und deren Weiterentwicklung durch die SED-Parteitage und die Parteikonferenzen heraus. Mit diesem Forschungsthema hatte sie im Fach der 1950er- und 1960er-Jahren fast ein Alleinstellungsmerkmal.
Elisabeth Löckenhoff lehrte gerne (auch wenn das nicht alle von ihr aktivierten studentischen Teilnehmer im Seminar zu würdigen wussten) und verhandelte kritisch anhand der DDR-Thematik die Grundlagen der Medienverfassung in der Bundesrepublik. Dabei schwebte ihr eine demokratisierte Publizistik mit freiem Raum für Journalisten vor, was sie in der von ihr gelesenen Frankfurter Rundschau in den 1970er-Jahren realisiert sah, nicht aber in der FAZ und auch nicht in der Süddeutschen Zeitung oder den Springer-Blättern Westberlins. In Seminaren gab sie die Schriften des Münchner Soziologen Horst Holzer (exemplarisch 1973) oft als Referenz an.
Nach der Heirat mit Helmut Löckenhoff, einem Studienfreund von der FU, der 1958 bei dem Soziologen Otto Stammer promoviert hatte, zog Elisabeth Löckenhoff Ende der 1950-Jahre nach Frankfurt/Main. Dort erfüllte sie sich einen lang gehegten Wunsch und setzte sich intensiv mit der Pressetheorie der DDR auseinander. Doch nachdem Friedrich Medebach an der FU nicht habilitiert worden war, schrieb Emil Dovifat bereits im Juli 1959 einen Bittbrief, ob sie geneigt sei, „Frankfurt wenigstens (für) das Semester (1959/60) zu verlassen und die gute Tradition aufrecht zu erhalten, an deren Werden Sie selbst beteiligt waren“. So kam Elisabeth Löckenhoff erneut an die FU – und hatte eine Lebensaufgabe gefunden, insbesondere als sie nach dem Scheitern von Günter Kieslichs Habilitation ab März 1963 auf dessen Akademische Ratsstelle eingewiesen wurde. In dieser Funktion wirkte sie mehr noch als zuvor als Geschäftsführerin des inzwischen ein wenig ausgebauten Instituts und war die erwünschte Hilfe für Fritz Eberhard, der als Honorarprofessor seit Januar 1960 und als Institutsdirektor seit April 1961 zunächst lediglich mit der Leitung des Instituts beauftragt war.
Die Ära des bereits im Ruhestand befindlichen Eberhard, der ungeachtet dessen das volle Programm eines damaligen Hochschullehrers übernahm, war von Beginn an eine Zeit des Übergangs. Für die beiden wissenschaftlichen Assistenten des Instituts, Elisabeth Löckenhoff und Peter Heilmann, war klar, dass mit einer deutlichen Neubestimmung des Fachs im Verhältnis zu den die Fakultät bestimmenden Disziplinen Germanistik, Geschichte und Sozialwissenschaften unverzüglich begonnen und auf eine Anhebung der Qualität des akademischen Unterrichts hingezielt werden musste (intensive Vorbereitung der Seminare und Übungen, Steigerung der Studienabschlussquote gemäß der Magister-Prüfungsordnung von 1957 und Reduzierung der Doktorprüfungen wie von der Fakultät gewünscht). All das schien unabweisbar, um das Fach Publizistik an der FU auf Dauer zu sichern und die Atempause der Ernennung von Fritz Eberhard zu nutzen. Hinzu kam, dass die 1960er-Jahre eine deutliche Zunahme der Studentenzahlen im Hauptfach Publizistik mit sich brachten. Auch dafür war der qualitative Ausbau der Institutsbibliothek und des Archivs notwendig, wenn die von Eberhard angekündigte empirische Wende Erfolg haben sollte. All diese Projekte brauchten Anstrengungen in der Verwaltung und stets ging Elisabeth Löckenhoff als geschäftsführende Assistentin Fritz Eberhard werktäglich zur Hand (ihre Hauptaufgabe, abgesehen von der Mitgestaltung von Ober- und vor allem Doktorandenseminaren). Sie war an der Betreuung der zahlenmäßig ansteigenden Magisterverfahren genauso beteiligt wie bei der Beratung der Promotionsthemen. Die Arbeit im Institut hat Eberhard (auch als dieser nicht mehr Institutsleiter war) und Löckenhoff verbunden. Beider Interesse war die Stärkung des Fachs an der FU, vor allem der Studenten willen.
Als Emil Dovifat an der Jahreswende 1960/61 aus der Arbeit am Institut ausschied, war die FU in Westberlin stadtweit anerkannt, umstritten war sie aber in manchen Hochschulen Westdeutschlands. Dort galt sie teilweise als Newcomer, die überdurchschnittlich viele Hausberufungen durchführe und (unerfahrene) Privatdozenten auf wichtige Ordinariate berufe. Elisabeth Löckenhoff half Fritz Eberhard in den 1960er-Jahren, das am Rand stehende Fach mehr in die Mitte der Philosophischen Fakultät zu bringen, und die Bemühungen führten 1968 zu einer ersten Habilitation (Kurt Koszyk). Gleichzeitig entwickelte sich an der FU auch, früher als in Westdeutschland, die Studentenbewegung, die alle Formen des Umgangs von Dozenten und Studenten auf den Prüfstand stellte und für früher einfache Verwaltungsvollzüge oder Lehraufgaben höheren Aufwand erforderte. Unter den geschilderten Belastungen habilitieren zu wollen, war auch für einen Akademischen Rat praktisch unmöglich – insbesondere dann, wenn das Institut eben nicht problemlos lief, sondern primär von Elisabeth Löckenhoff in Schwung gehalten werden musste. So war es unzweifelhaft richtig, was Dovifat in seinem letzten Zeugnis für Löckenhoff im Februar 1967 nachträglich aussprach: „Trotz starker Zurückhaltung in allen Öffentlichkeitsbeziehungen unserer Disziplin“ habe sie ein „fachliches und persönliches Ansehen“ erworben. Die deutliche Kritik im Folgesatz, denkbarerweise auch auf Fritz Eberhard gemünzt, „Man kann nur hoffen, dass es ihr (Löckenhoff) endlich gelingt, aus der Routinearbeit sich zu lösen und auf ihrem Fachgebiet weiter zu forschen, wo große Aufgaben anstehen“, wird gerechterweise auch auf die Jahre seines eigenen Direktorats zu beziehen sein.
Als Elisabeth Löckenhoff aufgrund des neuen Berliner Universitätsgesetzes die Möglichkeit einer sogenannten „Schnellhabilitation“ eröffnet wurde, die im Wesentlichen auf das Erfordernis einer neuen Monografie verzichtete, und sie am 7. März 1972 zum Professor für Publizistik ernannt wurde, nutzte sie die neuen Möglichkeiten, eigene Studentinnen und Studenten nicht nur zu unterrichten und im Examen zu beraten, sondern auch zu begutachten und zu prüfen. Natürlich stand ihre Expertise für die DDR-Publizistik nach wie vor außer Frage, sie wandte sich in Lehrveranstaltungen aber auch der Medienpädagogik und der Publizistik des Nationalsozialismus zu. Löckenhoff publizierte nun nur noch spärlich.
Am Institut für Publizistik kümmerte sich kaum einer ernsthaft um ihre wissenschaftliche Arbeit, man war offenbar froh, dass sich jemand des ungeliebten Gegenstandes DDR annahm. Die Behauptung ihres Kollegen Alexander von Hoffmann (1997: 175), Löckenhoff müsse „natürlich Kontakte in die DDR gehabt haben, denn sie hat ja da ernsthaft geforscht“, ist bestenfalls ahnungslos, denn auch damals war für einen „Republikflüchtling“, der sich kritisch mit der DDR–Publizistik einließ, kein „Kontakt“ denkbar. Es mussten die Zeitungen und Fachzeitschriften aus der DDR gründlich studiert werden, und über allgemeine Befindlichkeiten im zweiten deutschen Staat erhielt Elisabeth Löckenhoff auch Mitteilungen durch den Briefwechsel mit ihren Brüdern und ihrer Mutter, die längere Besuche bei der Tochter gemacht hat, als das im Rentenalter möglich war. Als Elisabeth Löckenhoff 1986 nach längerer Krankheit starb, hielt Peter Heilmann, mit dem sie seit Mitte der 1950er-Jahre eine persönliche Freundschaft verband, im Krematorium Wilmersdorf die Trauerrede. An der Urnenbeisetzung einige Wochen später in Berlin-Tempelhof nahmen nur ein halbes Dutzend Menschen teil (darunter der Verfasser und Dirk Sager, einer von Löckenhoffs Studenten). Eine akademische Gedenkfeier gab es nicht. 1988 gaben Rolf Geserick und Arnulf Kutsch eine Gedenkschrift Publizistik und Journalismus in der DDR in der von Elisabeth Löckenhoff (1971) mitgegründeten Schriftenreihe „Politik und Kommunikation“ (Band 20) heraus. Elisabeth Löckenhoff hat die ersten 16 Bände (bis 1983) mitbetreut.
Anmerkung des Verfassers zu den Quellen
- Bei der Abfassung der Biografie konnte ich mich auf meine persönlichen Erfahrungen als Mitarbeiter des Instituts für Publizistik der FU Berlin stützen, die von 1960 bis 1972 reichen, mit geringen Unterbrechungen. Der Nachlass Elisabeth Löckenhoffs ist im Institut für Zeitungsforschung in Dortmund überliefert, der die wissenschaftlichen Arbeiten und auch Teile der geschäftsführenden Tätigkeit, aber kaum etwas über die Person überliefert. Der Briefwechsel zwischen Emil Dovifat und Elisabeth Löckenhoff im Nachlass Dovifat im ehemals Preußischen Geheimen Staatarchiv in Berlin-Dahlem wirft Licht vor allem auf die Jahre bis 1960 (für den Zugang danke ich Angela Dovifat). Der Nachlass Fritz Eberhard in der Friedrich-Ebert-Stiftung ist in Bezug auf Elisabeth Löckenhoff unergiebig. Die Registratur des Instituts für Publizistik ist bedauerlicherweise im Zuge des Umzugs vom Roseneck an den Rüdesheimer Platz (in der Ära Harry Pross) entsorgt worden.
Literaturangaben
- Rolf Geserick/Arnulf Kutsch (Hrsg): Publizistik und Journalismus in der DDR. Acht Beiträge zum Gedenken an Elisabeth Löckenhoff. München: Saur 1988.
- Elisabeth M. Herrmann: Die Presse in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Bonn: Deutscher Bundes-Verlag 1957.
- Alexander von Hoffmann: Ausbildung zur wissenschaftlichen Journalistenausbildung. Alexander von Hoffmann über seine Tätigkeit an der Freien Universität Berlin im Gespräch mit Horst Pöttker. In: Arnulf Kutsch/Horst Pöttker (Hrsg.): Kommunikationswissenschaft – autobiographisch. Zur Entwicklung einer Wissenschaft in Deutschland. Opladen: Westdeutscher Verlag 1997, S. 161-183.
- Horst Holzer: Kommunikationssoziologie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1973.
Weiterführende Literatur
- Hans Bohrmann: Nachruf auf Elisabeth Löckenhoff. In: Publizistik 30. Jg. (1985), S. 547-548.
- Hans Bohrmann: Elisabeth Löckenhoff am Institut für Publizistik der FU Berlin (1952-1985). In: Rolf Geserick/Arnulf Kutsch (Hrsg.): Publizistik und Journalismus in der DDR. München: Saur 1988, S. 17-35.
- Michael Meyen/Maria Löblich: „Ich habe dieses Fach erfunden“. Wie die Kommunikationswissenschaft an die deutschsprachigen Universitäten kam. 19 biografische Interviews. Köln: Herbert von Halem 2007.
Weblink
Empfohlene Zitierweise
- Hans Bohrmann: Elisabeth Löckenhoff. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2016. http://blexkom.halemverlag.de/elisabeth-loeckenhoff/ (Datum des Zugriffs).