Louis Bosshart

7. Januar 1944

Lexikoneintrag von Daniel Beck am 16. Juli 2015

Als Spezialist für Film- und Fernsehunterhaltung ist Louis Bosshart im deutschen Sprachraum ein Pionier. Als langjähriger Professor an der Universität Freiburg (Schweiz) hat er auch in vielen anderen Bereichen des Fachs gelehrt und geforscht und wesentlich zum Aufbau des heutigen Departements für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung beigetragen.

Stationen

Geboren in Heerbrugg (Kanton St. Gallen), Schulen in St. Gallen und Appenzell. Ab 1965 Studium der Germanistik und der Journalistik/Publizistik an der Universität Freiburg mit Auslandsjahr an der Freien Universität Berlin (1967/68). Parallel dazu Redaktionspraktika und freie Mitarbeit als Journalist bei verschiedenen Schweizer Regionalzeitungen. 1972 Promotion an der Universität Freiburg. 1971-74 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Freiburger Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft, anschließend Visiting Fellow am Centre for Mass Communication Research der Universität Leicester in Großbritannien, Research Scholar am Institute for Communication Research an der Stanford University (USA) und Forschungsstipendiat des Schweizerischen Nationalfonds. 1979 Habilitation an der Universität Freiburg (Referenten: Florian H. Fleck und Ulrich Saxer). 1980-81 wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität München, ab 1982 bis zur Emeritierung 2013 ordentlicher Professor am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Freiburg und Leiter des Instituts (heute: Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung). Gastprofessuren an der Baylor University in Waco, Texas (1993), der Stanford University (1993-94 sowie ab 2002 regelmäßig für Sommerkurse) und der Universität Klagenfurt (1996). Lehraufträge an den Universitäten Zürich, St. Gallen, Lugano und Salzburg. Mitglied der Recherchiergruppe für die Expertenkommission für eine Medien-Gesamtkonzeption des schweizerischen Bundesamtes für Justiz (1979-80), der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Kommunikationsleitbildes der Schweizerischen PTT-Betriebe (1980-81), der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (1981-87), der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (1988-91), der Sektion „Kommunikation“ der schweizerischen Unesco-Kommission (1997) und des Verwaltungsrats der Freiburger Nachrichten (1996-2011). 1984-93 Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM). 1990-92 Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg. Verheiratet mit der Historikerin Catherine Bosshart-Pfluger, zwei Söhne.

Publikationen

  • Motive der Vornamengebung im Kanton Schaffhausen von 1960 bis 1970. Freiburg: Universitätsverlag 1972 (Dissertation).
  • Dynamik der Fernseh-Unterhaltung. Eine kommunikationswissenschaftliche Analyse und Synthese. Freiburg: Universitätsverlag 1979 (Habilitation).
  • Frauen und Massenmedien. Eine Bestandesaufnahme. Aarau: Sauerländer 1988 (Herausgeber und Autor).
  • Medienlust und Mediennutz. Unterhaltung als öffentliche Kommunikation. München: Ölschläger 1994 (herausgegeben mit Wolfgang Hoffmann-Riem).
  • Stimulierung und Entlastung durch Medien-Kulturkommunikation. In: Ulrich Saxer (Hrsg.): Medien-Kulturkommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag 1998, S. 299-309.
  • „Lüthi und Blanc“. Das Integrationspotenzial einer „Seifenoper“ (Media Paper Nr. 13). Freiburg: Universitätsverlag 2002 (herausgegeben mit Matthias F. Steinmann).
  • Zur Genese der Unterhaltungsforschung in der deutschsprachigen Medien- und Kommunikationswissenschaft. In: Werner Wirth/Holger Schramm/Volker Gehrau (Hrsg.): Unterhaltung durch Medien. Theorie und Messung. Köln: Herbert von Halem 2006, S. 12-24.
  • Information und/oder Unterhaltung. In: Armin Scholl/Rudi Renger/Bernd Blöbaum (Hrsg.): Journalismus und Unterhaltung. Theoretische Ansätze und empirische Befunde. Wiesbaden: VS Verlag 2007, S. 17-29.
  • Pervasive Entertainment, Ubiquitous Entertainment. In: Communication Research Trends 28. Jg. (2009), Nr. 2, S. 3-19 (mit Lea Hellmüller).
  • Geschichte und Geschichten in US-Spielfilmen. In: Alain-Jacques Czouz-Tornare/Maryse Oeri-von Auw (Hrsg.): Clio dans tous ses états. Prégny-Chambésy: Editions de Penthes 2009, S. 691-701 (mit Catherine Bosshart-Pfluger).

Als Louis Bosshart Anfang 1982 auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Freiburg berufen wurde, war er „der erste und noch lange der einzige Ordinarius für Kommunikations- und Medienwissenschaft in der Schweiz, der im Fach selbst groß geworden war“ (Blum 2013). An der Universität Freiburg gab es zwar bereits seit 1926 erste Lehraufträge in Journalistik, 1942 wurde das Fach „Zeitungskunde und Publizistik“ eingeführt, und 1966 entstand das Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft. Dieses Institut wurde allerdings noch nicht von Kommunikationswissenschaftlern geleitet: Der erste Direktor, Florian H. Fleck, war Volkswirt, die fachbezogene Ausbildung war stark praxisorientiert und wurde überwiegend von Journalisten bestritten. Louis Bosshart hatte an diesem Institut studiert und promoviert, danach in Großbritannien, den USA und Deutschland geforscht und gelehrt und mit einer Arbeit über die „Dynamik der Fernseh-Unterhaltung“ habilitiert (vgl. Bosshart 1979). Gleichzeitig konnte er umfangreiche Praxiserfahrung als Korrespondent, Redaktor und Pressechef vorweisen. Als Professor und Institutsleiter war er in den folgenden Jahrzehnten maßgeblich verantwortlich für die Ausweitung des Lehrprogramms und den strukturellen Ausbau des Instituts, aus dem das heutige Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung mit sechs Professuren, zahlreichen Doktoranden- und mehreren Lektoren- und Oberassistenzstellen hervorgegangen ist.

Als Forscher hat Louis Bosshart wiederholt Pionierarbeit geleistet. Mit der Bearbeitung einer geisteswissenschaftlichen Fragestellung mit sozial-empirischen Methoden beschritt er bereits in seiner namenskundlichen Dissertation Anfang der 1970er-Jahre neue Wege (vgl. Bosshart 1972), und im deutschsprachigen Raum war er der Erste, der sich mit einer umfassenden Publikation zum Thema „Frauen und Massenmedien“ geäußert hat (vgl. Bosshart 1988). Zu seinem wichtigsten Forschungsfeld wurde jedoch die Medienunterhaltung: Mit seiner Habilitation und zahlreichen weiteren Arbeiten trug er dazu bei, dass die Bedeutung von Unterhaltungsaspekten im Journalismus und in der PR gerade auch im deutschen Sprachraum von der Fachgemeinschaft besser anerkannt wurde und sich die Forschung darüber etablieren konnte (vgl. Ganz-Blättler/Ingenhoff 2013: 18). Daneben beschäftigte sich Louis Bosshart auch mit zahlreichen anderen Themen, unter anderem mit dem Berufsfeld Journalismus, mit Fragen der journalistischen Ethik, dem lokalen Rundfunk, der Pressekonzentration und der Rezeption von Wahlberichterstattung.

Neben seiner Tätigkeit in Freiburg nahm Louis Bosshart an verschiedenen Universitäten Lehraufträge und Gastprofessuren wahr, namentlich an der Stanford University in Kalifornien, wo er 1993 und 1994 als Visiting Professor wirkte und seither regelmäßig Sommerkurse auf dem Gebiet der Medienunterhaltung gibt. Auch außerhalb der Universität übernahm er vielseitige Aufgaben, etwa als Mitglied von Expertengruppen und Fachkommissionen, als Leiter der Hauptpressestelle beim Besuch von Papst Johannes Paul II. in Freiburg im Jahr 1984, als Pressechef der „Triennale Internationale de la Photographie“ in Freiburg von 1985 bis 1991 oder als Jurymitglied für verschiedene Journalismuspreise.

Literaturangaben

  • Roger Blum: Der „Unterhaltungspapst“ Louis Bosshart geht. In: Klein Report, 27.5.2013.
  • Louis Bosshart: Motive der Vornamengebung im Kanton Schaffhausen von 1960 bis 1970. Freiburg: Universitätsverlag 1972.
  • Louis Bosshart: Dynamik der Fernseh-Unterhaltung. Eine kommunikationswissenschaftliche Analyse und Synthese. Freiburg: Universitätsverlag 1979.
  • Louis Bosshart: Frauen und Massenmedien. Eine Bestandesaufnahme. Aarau: Sauerländer 1988.
  • Ursula Ganz-Blättler/Diana Ingenhoff: Einleitung. Forscher und Lehrer. Motivator. Türöffner. Erste Schritte ins Louistainment. In: Ursula Ganz-Blättler/Diana Ingenhoff (Hrsg.): Man kann nicht nicht unterhalten. Beiträge zur Unterhaltungspublizistik. Münster: Lit 2013, S. 15-20.

Weiterführende Literatur

  • Louis Bosshart/Florian H. Fleck: Zur Geschichte des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaft. In: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät (Hrsg.): Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Entwicklung und Perspektiven. Freiburg: Universitätsverlag 1990, S. 39-50.
  • Ursula Ganz-Blättler/Diana Ingenhoff (Hrsg.): Man kann nicht nicht unterhalten. Beiträge zur Unterhaltungspublizistik. Münster: Lit 2013 (Festschrift zur Emeritierung).
  • Ulrich Saxer: Louis Bosshart 60 Jahre. In: Publizistik 49. Jg. (2004), S. 342-343.

Weblinks

Empfohlene Zitierweise

    Daniel Beck: Louis Bosshart. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015. http://blexkom.halemverlag.de/louis-bosshart/ ‎(Datum des Zugriffs).