Wolfgang Donsbach

(1949 bis 2015)

Eine Erinnerung von Hans-Bernd Brosius am 6. August 2015

Wolfgang Donsbach ist am 26. Juli 2015 völlig unerwartet gestorben. Hans-Bernd Brosius erinnert sich an den auch international herausragenden Kommunikationswissenschaftler.

Nach dem ersten Schock über Wolfgangs plötzlichen Tod, der einen sprachlos, ratlos und orientierungslos werden lässt, die Frage, die zwar paradox erscheint, aber sich wohl viele stellen: Wer war dieser Wolfgang Donsbach, der so selbstverständlich in meinem Leben war, dass ich immer noch nicht fassen mag, dass er nicht mehr da ist? Ich meine nicht die klassischen Lebenslaufinformationen, die sich in den vielen Medienberichten über seinen Tod finden und die umfassend hier nachzulesen sind. Was war er für ein Mensch, warum war er so wertvoll, warum bin ich so unfassbar traurig?

Die Eigenschaft, die mir zu ihm als Wissenschaftler sicherlich zuerst einfällt, ist seine unendliche Energie und Tatkraft. Was er sich vorgenommen hatte, wurde umgesetzt, und wenn es bis in die Nachtstunden dauerte. Ich erinnere mich an gemeinsame Arbeit an Manuskripten. Wenn ich ermüdet und genervt aufgeben und verschieben wollte, hat er mich mitgenommen und vorangetrieben. Mit dieser Energie wurden Projekte wie die International Encyclopedia of Communication vollendet, die andere vermutlich nicht mal in den entferntesten Träumen überhaupt für realisierbar gehalten hätten. Die Tatkraft schien nie versiegen zu wollen. Und sie war ansteckend: Mit seiner Begeisterungsfähigkeit konnte er andere mitnehmen, vor allem die Jüngeren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Studentinnen und Studenten. Er wurde so zum Manager von Projekten, an denen andere mit Elan und Enthusiasmus mitarbeiteten. So entstanden häufig aus Seminar- und Abschlussarbeiten Publikationen, internationale Kooperationen und in die Praxis reichende Initiativen. Da er immer an der Sache und dem Produkt orientiert arbeitete, konnte er andere fordern, vielleicht auch manchmal überfordern, sie an die Grenzen der Belastung bringen, die er scheinbar selbst nie spürte.

Die Tatkraft war auch mit einer manchmal irritierenden Rastlosigkeit verbunden. Wolfgang schien sich zuweilen selbst überholen zu wollen. Manchmal haben wir uns kurzfristig zwischen zwei von seinen Terminen beispielsweise in New York und Tel Aviv getroffen. Wolfgang schien immer eine halbe Stunde vorweg zu leben. Er nahm sich schon Zeit, wir haben auch ganze Abende miteinander verbracht. Aber spätestens am nächsten Morgen ging es weiter. Und wieder, Müdigkeit schien er nicht zu kennen.

Im Ergebnis hat er dadurch sehr viel zuwege gebracht. Leistung war für ihn wichtig, bei sich und bei anderen. Er hat alles gegeben, um einmal gesetzte Ziele zu erreichen, hat dies aber auch von anderen erwartet. Wenn diese dann ihre Zusagen nicht einhielten, hat ihn das enttäuscht. Oft hat er dies mit der ihm eigenen feinen Ironie quittiert. Ich habe Situationen erlebt, in denen diese Ironie so sichtbar war und trotzdem nicht von allen Beteiligten wahrgenommen wurde. Man musste ihn aber auch schon etwas besser kennen, um das leichte Zwinkern in den Augenwinkeln zu bemerken. Die Leistung forderte er für sich und andere auch außerhalb der Wissenschaft, beispielsweise in seinem geliebten Sport. Ich erinnere mich an ein Fußballspiel in Mainz, wo wir Dozenten gegen die Studierenden spielten und ich einen frei vor dem Tor liegenden Ball erst beim dritten Versuch überhaupt traf und ins Tor beförderte. Zum Glück, denn seine feine Ironie wurde schon so zum beißenden Spott.

Wolfgang Donsbach auf der DGPuK-Jahrestagung 2002

Wolfgang Donsbach auf der DGPuK-Jahrestagung 2002 (Foto: Michael Meyen)

Opera Magna wie die oben erwähnte Enzyklopädie oder Onera Magna wie der Aufbau des Dresdner Instituts erforderten aber neben Tatkraft und Leistungsbereitschaft noch eine dritte Tugend, die Wolfgang besessen hat: Organisationstalent. Bei der Enzyklopädie waren es ca. 1300 Autoren, die unter einen Hut gebracht und auf das Ziel eingeschworen werden wollten. Er konnte mit Menschen umgehen, für gemeinsame Vorhaben begeistern. Er knüpfte Kontakte und nutzte sie. Dadurch vernetzte er dann unter anderem die Wissenschaft mit den örtlichen Unternehmen und Organisationen in Dresden und konnte damit häufig Engpässe am Institut, Personal oder Material, überbrücken. Dies vor allem, weil zum Organisationstalent auch noch gesellschaftliche Gewandtheit hinzukam. Er war im lokalen Raum wie auf dem internationalen Parkett vertraut, er konnte im Fußballverein wie in der Oper stilsicher auftreten. Er wusste auch zu leben, gutes Essen und guter Wein gehörten ebenso dazu wie schnelle Autos und Motorräder: vermutlich seine Art der Kompensation von zu viel Arbeit.

Was hat das alles mit seiner wissenschaftlichen Arbeit zu tun? Seine Persönlichkeit mit den skizzierten Eigenschaften hat auch seinen Zugang zum Feld und seine Position im Wissenschaftssystem geprägt. Er war nicht der bibliophile Forscher, der Ideen am Schreibtisch generiert, er war der Vernetzer und Organisator. Er hat Journalisten untersucht, nicht den Journalismus als System. Er war zwangsläufig empirisch und hat die Menschen befragt. Er hat aktuelle Probleme behandelt und sich und seine Einstellungen auch in den Medien präsentiert. Er hat den internationalen Vergleich betrieben und gleichzeitig die Lokalzeitung beraten. Seine Tatkraft ermöglichte es, die dicken Bretter zu bohren. Letztlich folgte er dem Bekenntnis des von ihm geliebten Frank Sinatra „I did it my way“. Dass er das nicht mehr resümierend selbst sagen konnte, erfüllt mich immer wieder mit Trauer.