Klaus Arnold

(1968 bis 2017)

Ein Nachruf von Walter Hömberg am 13. Juni 2017

Klaus Arnold ist am 29. Mai 2017 im Alter von 48 Jahren an den Folgen einer schweren Krankheit gestorben. Walter Hömberg erinnert an seine beruflichen Stationen und würdigt seine Leistungen.

Zu den wenigen Zeitungsrubriken, die nicht vom Inseraten- und Leserschwund betroffen sind, gehören die Todesanzeigen. Und irgendwann muss der regelmäßige Leser in Bezug auf die mitgeteilten Altersangaben der Verstorbenen feststellen, dass die „Einschläge“ näher rücken. Diese Metapher aus dem militärischen Bereich trifft mit zunehmendem Lebensalter immer häufiger zu und erinnert an die sprichwörtlichen letzten Dinge. Ein solches Memento mori macht nachdenklich und ist insofern ein wertvoller Impuls zur Besinnung. Erschreckend freilich ist die Todesnachricht von deutlich jüngeren Kollegen, wie sie in den letzten Jahren häufiger kam.

Am 29. Mai 2017 ist Klaus Arnold gestorben, erst 48 Jahre alt. „Plötzlich und unerwartet“ – diese gängige Formel trifft in diesem Fall nicht zu. Es war sozusagen ein Tod mit Ansage: Bei einer Routineuntersuchung Anfang November letzten Jahres wurde ein bösartiger Hirntumor entdeckt. Es folgten Operation, Bestrahlung, Chemotherapie – das volle Programm. Glioblastom – die gleiche Diagnose wie bei dem Schriftsteller Wolfgang Herrndorf, der über sein Leben unter diesem Damoklesschwert in einem eigenen Blog eindrucksvoll berichtet hat. Auch Klaus Arnold ist mit seiner Krankheit offen umgegangen, in sozialen Netzwerken und im persönlichen Kontakt mit Kollegen und Freunden. „Mein Tumor ist echt übel – aber ich gebe die Hoffnung nicht auf!“ schrieb er in seiner Antwort auf meinen Weihnachtsbrief im vergangenen Dezember.

Der frühe Tod setzte den Schlusspunkt unter ein aktives und produktives Leben. Die Stationen können hier nur kurz skizziert werden: Geboren am 30. September 1968 in Nürnberg, arbeitete er nach dem Abitur zunächst als Volontär, später als Redakteur bei einem privaten Radiosender in seiner Heimatstadt. Im Alter von 21 Jahren dann Beginn eines Studiums der Journalistik in München mit dem Nebenfach Slawistik (1993 Auslandssemester in Moskau). 1995 Abschluss als Diplom-Journalist mit einer Arbeit über Das Deutschlandradio und seine zwei Programme und Beginn der Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Ursula E. Koch an der Ludwig-Maximilians-Universität. Dort 2001 Promotion. Anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter von Jan Tonnemacher am Lehrstuhl für Journalistik II der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Nach der Habilitation dort 2010 Ernennung zum Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Trier.

Das wissenschaftliche Werk umfasst ein beachtliches Spektrum von theoretischen, empirischen und historischen Arbeiten. Die Dissertation galt einem Thema der Zeitgeschichte (Kalter Krieg im Äther. Der Deutschlandsender und die Westpropaganda der DDR. Buchausgabe Münster: Lit 2002). Die ziegelsteindicke Studie überzeugt nicht nur durch eine in akribischer Archivarbeit ermittelte Programmanalyse, sondern auch durch die gründliche Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart der Propaganda im Allgemeinen und der Medienpolitik der DDR im Besonderen. Der Autor kommt zum Ergebnis, dass der untersuchte Sender ein fiktives Weltbild im Sinne einer Partei- und Staatsideologie konstruiert und verbreitet hat. In postfaktischen Zeiten, in denen Fake-News-Vorwürfe Konjunktur haben, lohnt es sich, diese Studie erneut zu lesen.

Als Sprecher der Fachgruppe Kommunikationsgeschichte in der DGPuK (2006-2010) und als Mitbegründer und Chair der Sektion Communication History in der ECREA (2009-2012) hat sich Arnold auch fachpolitisch engagiert. Aus den einschlägigen Tagungen sind einige Sammelbände hervorgegangen. Besonders gern erinnere ich mich an eine gemeinsam konzipierte Tagung zum Geschichtsjournalismus, die 2009 an der Universität Eichstätt stattfand. Klaus Arnold stellte dort die Ergebnisse einer Umfrage bei leitenden Redakteuren vor. Sie zeigte unter anderem, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit in den Redaktionen nur teilweise institutionalisiert ist und dass für die Themenfindung insbesondere die Kopplung zur Gegenwart durch Gedenktage relevant ist. Zur Etablierung des Begriffs „Geschichtsjournalismus“ haben diese Tagung und die anschließende Buchveröffentlichung maßgeblich beigetragen (Geschichtsjournalismus. Zwischen Information und Inszenierung. Berlin: Lit 2010; 2. Aufl. 2012).

Das wichtigste Werk Arnolds ist seine Habilitationsschrift – wieder ein Ziegelstein mit 599 eng bedruckten Seiten (Qualitätsjournalismus. Die Zeitung und ihr Publikum. Konstanz: UVK 2009). Der Autor verbindet in seiner Studie zwei Themenstränge: die Debatte um die Qualität der Medienangebote und die Diskussion um die Zukunft der Zeitung. Und er verknüpft eine eingehende historisch-systematische Literaturanalyse mit den Resultaten eigener qualitativer und quantitativer Umfragen bei Zeitungslesern. Als Destillat werden Handlungsempfehlungen formuliert, „auf welche Qualitäten die Zeitungen setzen müssen, um den Erwartungen ihres Publikums zu entsprechen“.

Der Transfer zwischen wissenschaftlichen Einsichten und ihrer praktischen Umsetzung war für Klaus Arnold seit Beginn seines Journalistik-Studiums bedeutsam. Keine Forschung für die Forschung, sondern Erkenntnisgewinn für die Praxis! Mit dieser Intention hat er auch ein großes von der DFG gefördertes Projekt zum Lokaljournalismus auf den Weg gebracht und geleitet, das er nun leider nicht selbst zu Ende führen kann.

Dieser Autor hat nicht nur dicke Bücher geschrieben und herausgegeben, sondern auch die kleine Form gepflegt. Seine feuilletonistischen Kurzessays nehmen insbesondere die seltsamen Riten und auch die Skurrilitäten des akademischen Betriebs aufs Korn. Der letzte Beitrag aus dieser Reihe ist im „Jahrbuch für Marginalistik IV“ erschienen: Unter dem Titel Auf Bildungsreise lässt der Verfasser seine langjährigen Er-Fahrungen und Erlebnisse als Wissenschaftler in der Bahn Revue passieren. Am Ende steht ein ultimativer Vorschlag zur Mobilisierung der Hochschulreform.

Humor, Optimismus, Fröhlichkeit, Bescheidenheit – diese Eigenschaften haben Klaus Arnold ausgezeichnet. Mit seiner Frau Antje sowie seinen Kindern Hannah, Niklas und Charlotte betrauern viele Freunde und Kollegen seinen frühen Tod. Auf dem Münchner Waldfriedhof ist er begraben. Die Traueranzeige der Kollegen und Freunde war von 41 Personen unterzeichnet. Am Beginn stand dort ein Satz von Thomas Pynchon – ein Schriftsteller, den der Verstorbene besonders schätzte: „Why should things be easy to understand?“