Frauen in der DDR-Journalistik

Jasmin Franz fragt, wie das Gleichberechtigungspostulat in der Praxis der Leipziger Journalistenausbildung umgesetzt wurde. Sie porträtiert Hedwig Voegt, die einzige Professorin, und zeigt die Hürden, vor denen Akademiker-Frauen auch in der DDR standen.


Ein Vorbild für die Gleichberechtigung? Frauenkarrieren in der DDR-Journalistik

Ein Beitrag von Jasmin Franz

1 Einleitung: „Die Gleichberechtigung der Frau ist in der Deutschen Demokratischen Republik voll verwirklicht“

In der Deutschen Demokratischen Republik wird von 1949 an nach sowjetischem Vorbild die Errichtung eines „sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates“ unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands angestrebt. Ziel der Partei ist es, den Sozialismus im geteilten Deutschland aufzubauen und gleichzeitig auch andere Staaten von ihrem Regierungssystem zu überzeugen. Als Antwort auf den Nationalsozialismus versteht die DDR sich als Friedensstaat, der Krieg und Antifaschismus beseitigt hat und mit der Errichtung eines sozialistischen Staates nun auch den Kapitalismus bezwingen will. Neben der Verstaatlichung allen Eigentums und der Verwaltung sämtlicher Konsumgüter ordnet die SED weitere Gesetze an, die es so in Deutschland zuvor nicht gegeben hat. So enthält 1949 die Verfassung der DDR den Artikel 7 zur grundsätzlichen Gleichstellung von Mann und Frau: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.“ Durch die Neuordnung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse werden wichtige Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Gesellschaft geschaffen. Die Emanzipation der Frau ergibt sich nach marxistischer Theorie zwangsläufig aus der Emanzipation der Arbeit vom Kapital. Die DDR sieht daher die Gleichberechtigung der Frau in einer sozialistischen Gesellschaft immer schon voll verwirklicht (vgl. Gast 1973: 31).

Wie alle Institutionen ist auch die Universität Leipzig von den Umstrukturierungen durch die Parteiführung betroffen und findet ihre aktive Rolle im System unter dem neuen Namen „Karl-Marx-Universität“ (KMU). 1954 wird die Fakultät für Journalistik gegründet – bis zur Wende einzige universitäre Ausbildungseinrichtung für Journalistinnen und Journalisten in der DDR. Da Gesetze allein eine Gesellschaft nicht von Grund auf ändern können, nimmt die Journalistik durch den medialen Einfluss ihrer Absolventinnen und Absolventen eine besondere Rolle an der KMU ein.

Doch wie sieht es mit der Gleichberechtigung an Universitäten der DDR selbst aus? Generell wird in der DDR vor allem von Mitte der 1960er-Jahre an großer Wert darauf gelegt, Frauen gleichberechtigt am gesellschaftlichen und somit auch universitären Leben teilhaben zu lassen. Hierfür gibt es Frauenförderungsprogramme, Frauenausschüsse und Frauenkommissionen, die Studentinnen für das Studium an der Universität begeistern sollen. Tatsächlich lassen sich seit den 1970er-Jahren fast ausgewogene Geschlechterverhältnisse bei den Studenten feststellen. Da erscheint es doch recht merkwürdig, dass in den 45 Jahren Fakultätsgeschichte der Journalistik nur eine einzige Frau als Professorin der Journalistik tätig ist.

Der Diskrepanz von gesetzlichen und politischen Setzungen gegenüber den real existierenden Verhältnissen will die vorliegende Arbeit nachgehen. Wie kann es sein, dass von insgesamt 25 ordentlichen und außerordentlichen ProfessorInnen an der Fakultät bzw. Sektion Journalistik nur eine Frau dieses Amt bekleidet? Oder anders formuliert: Welche Hindernisse lassen sich an der Karl-Marx-Universität (besonders in der Journalistik) identifizieren, die Frauen den Aufstieg in der wissenschaftlichen Karriere erschweren?

Hedwig Voegt, Hermann Budzislawski, Heinrich Bruhn (von links, Quelle: Privatarchiv Michael Meyen)

Zu Beginn steht eine Einführung in die weitreichenden juristischen und politischen Normen, die Gleichberechtigung in der DDR durchsetzen sollen. Der Hauptteil fragt nach der Umsetzung der Vorgaben an der Fakultät/Sektion Journalistik. Die Frage ist bisher in der Forschung nicht aufgeworfen worden. Deshalb hat die vorliegende Studie notwendigerweise einen explorativen Charakter. Ich wähle vier unterschiedliche Zugänge, die sich aber ergänzen. Erstens wird der Lebens- und Karriereweg der einzigen Professorin, Hedwig Voegt, vorgestellt und gefragt, ob ihr Aufstieg in diese Stellung als Ausweis für gelungene Bemühungen um Gleichstellung gelesen werden kann. Zweitens wird das Programm der Frauenförderung an der Karl-Marx-Universität analysiert, woraus sich Hinweise auf die Bemühung um reale Gleichberechtigung ergeben, gleichzeitig aber auch die damit verbundenen Schwierigkeiten in den Fokus rücken. Drittens wird der Anteil der Doktorandinnen bei den Promotionen A und B in der Journalistik erhoben. So kann ermittelt werden, wieweit typischerweise Karrieremöglichkeiten von Frauen an der Sektion reichten. In einem vierten Teil will ich dann die (interne) zeitgenössische Auseinandersetzung mit der offenkundigen Problematik bei der Umsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau beleuchten. Hier wird abschließend deutlich, welchen Einfluss traditionelle Rollenbilder auf eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hatten.

Für die Erschließung dieser Arbeit werden vor allem Akten aus dem Universitätsarchiv Leipzig verwendet. Darunter die Personalakte von Hedwig Voegt, die es ermöglicht, ihren Karriereweges zumindest grob nachzuzeichnen. Außerdem werden Akten analysiert und einbezogen, die Aufschluss über Frauenförderung an der KMU und das Programm der Frauenausschüsse geben. Des Weiteren wird mit Hilfe von universitätseigenen Statistiken aus der Zeit zwischen 1969 und 1991 über die Promotionen A und B der Journalistik an der KMU dem Geschlechterverhältnis nachgegangen. In weiteren Dokumenten werden zudem einzelne Hinweise auf den Stellenbesetzungsprozess entdeckt, die der Beantwortung der Forschungsfrage zu Gute kommen. Die Diplomarbeit einer Studentin der Journalistik aus dem Jahr 1989 verschaffte einen Eindruck über die juristischen und politischen Bemühungen um Gleichberechtigung, die unter anderem so auch an der KMU vermittelt werden (Baginski 1989). Komplettiert wird die Analyse durch Forschungsliteratur, die sich s mit der gesellschaftlichen und politischen Stellung von Frauen in der DDR, speziell auch mit Wissenschaftlerinnen und deren Förderung, beschäftigt. Ein Teil der ausgewählten Werke – entstanden nach der ‚Wende‘ – identifiziert die Doppelbelastung der Frauen (Beruf und Familie) als besonders problematisch. Der andere Teil der Literatur ermöglicht Einblicke, welchen Eindruck von der Gleichberechtigung Autorinnen und Autoren in DDR- Publikationen zu vermitteln versuchten.

2 Die gesetzliche und politische Verankerung von Gleichberechtigung in der DDR

In 40 Jahren DDR-Geschichte kommt es zu zahlreichen Gesetzesänderungen. Zwei der politisch-ideologischen Vorbilder bleiben dabei gleich: Karl Marx und Wladimir Iljitsch Lenin. Während Marx zu seiner Zeit noch auf stark patriarchalen Sprachgebrauch zurückgreift, richtet Lenin 1920 in einem Appell folgende Worte an die Arbeiterinnen: „Gleichheit vor dem Gesetz ist noch nicht Gleichheit im Leben. Die werktätige Frau muss sich nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch im Leben die Gleichberechtigung mit dem Mann erobern. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass die werktätigen Frauen immer stärker an der Verwaltung der öffentlichen Einrichtungen und an der Verwaltung des Staates mitwirken […]. Das ist ein langwieriger Kampf, der eine grundlegende Umgestaltung sowohl der gesellschaftlichen Praxis als auch der Anschauungen erfordert“ (Lenin 1961: 363).

Lenin erkennt mit dieser Aussage den Unterschied zwischen juristischer Gleichberechtigung und sozialer, realer und gesellschaftlicher Gleichstellung an. Gleichzeitig spricht er den Frauen durch die direkte Ansprache Handlungsmacht zu. Dieses Zitat verwendet auch eine Studentin für ihre Diplomarbeit, um die die Bedeutung der Thematik ihrer Arbeit zu untermauern (Baginski 1989). Bis zu dieser Diplomarbeit gibt es an der Sektion Journalistik keine wissenschaftlichen Arbeiten, die sich dem Thema „Massenmedien und die Gleichberechtigung von Mann und Frau“ gewidmet hätten. Bedenkt man die lange Geschichte, auf die die Journalistik an der KMU zu diesem Zeitpunkt bereits zurückblickt, ist es doch zumindest verwunderlich, dass diesem Thema noch keine wissenschaftliche Aufmerksamkeit von Studierenden geschenkt worden war.

In den offiziellen juristischen und politischen Dokumenten der DDR hingegen wird der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau immer wieder Bedeutung zugemessen. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik hält bereits in ihrem Entstehungsjahr fest: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben“ (Art. 7, Abs. 1).

Leipziger Journalistikstudenten bei einem Ernteeinsatz in den 1950ern (Quelle: Privatarchiv Michael Meyen).

Die Verfassung gibt damit eine wichtige Antwort auf die NS-Politik, die der Frau keineswegs gleiche Rechte einräumen wollte. Dass diese Formulierung offenbar dennoch nicht präzise genug war, wird in der geänderten Fassung von 1974 deutlich: „Mann und Frau sind gleichberechtigt und haben die gleiche Rechtsstellung in allen Bereichen des gesellschaftlichen, staatlichen und persönlichen Lebens. Die Förderung der Frau, besonders in der beruflichen Qualifizierung, ist eine gesellschaftliche und staatliche Aufgabe“ (Art. 20, Abs. 2). Rein sprachlich kommt in dieser Ausführung – ganz im Sinne Lenins – zur Geltung, dass juristische Gleichstellung, also Gleichberechtigung, nicht schon Gleichstellung in allen Lebensbereichen bedeutet. Als Handlungsakteure werden sowohl die Gesellschaft als auch der Staat angeführt, die durch die Förderung der Frau das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern aufheben sollen. Gerade die berufliche Perspektive wird hier klar in den Vordergrund gerückt. In den Artikeln 24 und 25 sind folgerichtig das gleiche Arbeitsrecht für Frauen und Männer, gleicher Lohn für gleiche Ar-beit sowie gleiches Recht auf Bildung verankert. Interessant sind die Ausführungen in Artikel 38, die den Schutz des Staates für Ehe, Familie und Mutterschaft thematisieren. Geht es um Kinderfürsorge, werden hier explizit beide Eltern als Verantwortliche angesprochen.

Ein Auszug aus dem Familiengesetzbuch von 1965 bestätigt diesen Eindruck. So heißt es in Paragraph 2: „Die Gleichberechtigung von Mann und Frau bestimmt entscheidend den Charakter der Familie in der sozialistischen Gesellschaft. Sie verpflichtet die Ehegatten, ihre Beziehungen zueinander so zu gestalten, dass beide das Recht auf Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu eigenem und gesellschaftlichem Nutzen wahrnehmen können“. Auch hier stehen beide Eltern in der Verantwortung, die sozialistische Familie zu gestalten – und zwar indem beiden zugestanden wird, sich „zu gesellschaftlichem Nutzen“ frei zu entfalten. Dass der gesellschaftliche Nutzen sich womöglich geschlechtsspezifisch unterscheidet, soll an anderer Stelle dieser Arbeit nähere Betrachtung finden.

In Paragraph 36 des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem (1965) wird die Frauenförderung noch stärker in den Fokus gerückt: „Das Streben der Frauen und Mädchen nach höherer beruflicher Qualifizierung ist durch vielfältige und differenzierte Formen und Methoden zu fördern. Sie sind zu Facharbeitern auszubilden und für den Einsatz in mittleren und leitenden Funktionen vorzubereiten. Der Ausbildung von Frauen und Mädchen für technische Berufe ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen“. Hier wird zunächst eingeräumt, dass Frauen und Mädchen zu bestimmten Teilen des Arbeitsmarktes bisher kaum oder gar keinen Zugang haben, nämlich zu mittleren und leitenden Funktionen und technischen Berufen. Problematisch wirkt jedoch die im ersten Satz zugrunde gelegte Prämisse, dass nicht etwa Lern- und Arbeitsbedingungen für Frauen und Mädchen attraktiver gemacht werden müssen oder gesellschaftliche Hindernisse vorhanden sind, sondern deren eigene Motivation gefördert werden muss. Weiter sind die Formulierungen hier sehr oberflächlich und die „vielfältigen und differenzierten Formen und Methoden“ werden nicht genauer erläutert. Darauf soll an dieser Stelle nur hingewiesen werden, eine genauere Diskussion des Problems findet sich in Kapitel 4.

Im Arbeitsgesetzbuch werden hingegen staatliche Organe und Betriebsleiter verpflichtet, Voraussetzungen „für die Entwicklung der schöpferischen Fähigkeiten der Frauen im Arbeitsprozess zu schaffen“ (Baginski 1989: 13-15). Hierzu zählen unter anderem kundenfreundliche Öffnungszeiten von Handelseinrichtungen, die die bisherige Verantwortung für häusliche Pflichten klar der nicht werktätigen Frau zuschreiben. In vielen weiteren Gesetzen, Paragraphen und Regelungen wird deutlich, dass die berufstätige Mutter besonders viel Beachtung und Rücksicht erfährt. Hierzu zählen zum Beispiel bezahlter Schwangerschaftsurlaub, das bezahlte Babyjahr nach der Geburt, mehr Urlaubstage für schichtarbeitende Mütter und viele weitere Anordnungen, die der berufstätigen Mutter den Alltag erleichtern sollen. Die Mutter erfährt in der DDR somit eindeutig eine Sonderrolle, vor allem was ihren rechtlichen Schutz in der Arbeitswelt betrifft. Bis heute sticht ein Gesetz als besonders fortschrittlich hervor: Das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft vom 9. März 1972. Trotz des hohen Stellenwertes der sozialistischen Familie überlässt das Gesetz der Schwangeren bis zur zwölften Schwangerschaftswoche die Entscheidung, ob sie das Kind austragen möchte oder nicht. Diese Spannung zwischen der grundsätzlichen Entscheidungsfreiheit und der Verpflichtung gegenüber der sozialistischen Gesellschaft schlägt sich schon in der Präambel des Gesetzes nieder: „Die Verwirklichung dieses Rechts ist untrennbar mit der wachsenden Verantwortung des sozialistischen Staates und aller seiner Bürger für die ständige Verbesserung des Gesundheitsschutzes der Frau, für die Förderung der Familie und der Liebe zum Kind verbunden.“ Im Zuge des Gesetzes gleichzeitig auf bestehende Werte hinzuweisen, ist jedoch sicherlich notwendig, um Willkür in dem Prozess des Abbruchs auszuschließen.

Dieser erste Einblick in die gesetzlichen und politischen Bestimmungen belegt zunächst recht anschaulich, dass eine intensive Reflexion über die Problematik um die Gleichstellung der Geschlechter auf theoretischer Ebene stattfindet. Das Wertekonstrukt, welches die sozialistische Familie und die Rolle der Mutter oft in den Vordergrund stellt, ist nur solange dogmatisch, bis es die Entscheidungsfreiheit einer Schwangeren einzuschränken droht. Die besonderen Gesetze für die Mutter bedeuten gleichzeitig auch Anerkennung für den Umstand, dass die berufstätige Mutter eine andere Lebensrealität bewältigt und daher besondere Entlastung im Arbeitsumfeld erfahren muss. Problematisch ist allerdings, dass der Eindruck entsteht, die Mutter wäre alleine mit den häuslichen und familiären Problemen. Vom Vater und einer geteilten Verantwortung ist nur an wenigen Stellen die Rede. Bei aller Differenziertheit, die juristische und politische Gesetze und Forderungen mit sich bringen können, bleibt zudem zunächst unklar, inwieweit die gesetzten Ziele auch real erreicht werden.

3 Hedwig Voegt – Einzige Professorin an der Fakultät für Journalistik

Der Karriereweg einer Professorin an der Fakultät für Journalistik an der Karl-Marx-Universität kann hier Einblicke geben, welche Voraussetzungen mitzubringen waren, um sich in der DDR auf einer solch herausgehobenen Position zu etablieren, und inwieweit das grundsätzliche Bekenntnis zur Gleichberechtigung zum Aufstieg von Frauen in der Gesellschaft beitrug. Eine Auseinsetzung mit Hedwig Voegt und ihrem besonderen Lebensweg ist besonders vielversprechend, weil sie zu DDR-Zeiten die einzige Frau blieb, die eine ordentliche Professur in der Journalistik bekleidete (wenn auch nur für wenige Jahre).

Der Lebensweg von Hedwig Voegt war sicherlich kein einfacher, in den Augen der SED aber vor allen Dingen vorbildlich. Ihrer Personalakte (Universitätsarchiv Leipzig, PA. 4214) können einige Details entnommen werden, die ihr Leben und ihren beruflichen Werdegang nachvollziehbar machen: Als Kind einer sozial eher schlecht situierten Familie wird sie 1903 in Hamburg geboren. Voegts Vater ist Klempner-Meister, sie hat drei Geschwister und besucht lediglich bis zur 8. Klasse die Seminarschule. Wegen Geldnot der Familie beginnt sie im Alter von 15 Jahren eine kaufmännische Lehre. Im Lebenslauf, den Voegt ihrer Bewerbung an der Karl-Marx-Universität beifügt, berichtet sie später, sie habe von ihrem ersten Gehalt ein Lexikon gekauft, welches sie als Autodidaktin nutzte, um sich Wissen anzueignen. Mit 17 wird sie als Beamtin bei der Reichspost aufgrund des §2a, dem sogenannten Kommunisten Paragraphen, entlassen.

1925, im Alter von 22 Jahren, folgt der Beitritt in die KPD, der sie nach eigenen Angaben ihre „ganze intellektuelle Existenz“ verdanke. Zwar strebt sie in den folgenden Jahren ein Diplom als Volkswirtin an, doch „12 Jahre Hitler-Terror und drei Jahre Nachkriegszeit“ zerstören ihre Pläne von der Aus- und Weiterbildung. In dieser Zeit wird sie drei Mal verhaftet. Ihre Anklagepunkte lauten „Vorbereitung zum Hochverrat“, wofür sie zwei Jahre Zwangsaufenthalt im Zuchthaus erduldet, und „Flüsterpropaganda“, für die sie sechs Monate im Konzentrationslager Fuhlsbüttel büßen soll. Weiter hält die Gestapo sie mit anderen Genossen in mehrtägiger Geiselhaft. Nach dem offiziellen Wiedereintritt in die Partei 1945 arbeitet sie als Funktionärin der Propaganda-Abteilung und als freie Mitarbeiterin der kommunistischen Presse, und sie engagiert sich in der Kulturpolitik. Außerdem ist sie anerkannte Verfolgte des Naziregimes.

Sie kann sich nun endlich – mit über 40 Jahren – wieder ihrer universitären Weiterbildung widmen. So nimmt Voegt 1949 auf Vorschlag der Partei nach drei Semestern Verwaltungsakademie eine wissenschaftliche Aspirantur unter Leitung von Gerhard Scholz im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar an. Ihre Dissertation schreibt sie zum Thema „Der demokratische Patriotismus in der deutschen jakobinischen Literatur (1790-1800)“, promoviert damit 1952 („cum laude“) und findet in dieser Arbeit das Thema, dem sie fortan ihre Forschung widmet (vgl. Suhling 2007: 38). Zum 1. September 1953 wird sie mit der Wahrnehmung einer Dozentur mit dem Titel „Geschichte der deutschen Literatur“ am Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaften an der Philosophischen Fakultät der KMU betraut. Zwei Jahre später wird daraus eine eigene Dozentur. Mit Beginn des Jahres 1959 wird Voegt vom Staatsekretär Wilhelm Girnus zum „Professor mit Lehrauftrag für das Fachgebiet Literarische Publizistik an der Fakultät für Journalistik“ ernannt. Im Zuge der Gründung des Institutes für Literarische Publizistik und Stilistik setzt sie Rektor Georg Mayer als Direktorin und Leiterin der Abteilung für Literarische Publizistik ein. 1961 wird sie „Prodekan für wissenschaftlichen Nachwuchs”.

Hedwig Voegt wird für ihr Engagement für die Partei und für die Wissenschaft mit Medaillen und Anerkennungen ausgezeichnet. In diversen Briefwechseln, etwa zwischen Hermann Budzislawski (1954-1962 Dekan der Fakultät für Journalistik) und der Kaderabteilung oder dem Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen Berlin, wird Voegt „als vielseitig gebildet und mit tiefem Wissen ausgestattet anerkannt“ (Personalakte). Neben ihren fachlichen Leistungen sei sie darüber hinaus eine sehr aktive Genossin, der es gelang, ihrem Fach stets eine parteilich marxistische Grundlage zu geben. In einem Gutachten von 1958 über die Dozentin Voegt heißt es weiter: „Die glückliche Kombination von journalistischer Begabung, dem Erfassen publizistischer Aufgaben und der wissenschaftlich exakten Darstellung ist für die Fakultät für Journalistik von besonderem Wert“ (Personalakte). Nach etwa zehn Jahren praktischer und theoretischer Arbeit sowie der Bekleidung zahlreicher zusätzlicher Ämter, auch als Mitglied der Parteileitung der Fakultät für Journalistik und als Institutsdirektorin, nach mehrfachen Auszeichnungen wird Voegt zum 1. Mai 1963 zum „Professor mit vollem Lehrauftrag“ ernannt.

In einem persönlichen Briefverkehr mit ihrer Freundin Käthe Jacob beschreibt Voegt am 27. Februar 1962 ihre Situation: „Vorlesungen sind das schönste Kapitel aus meiner Arbeit überhaupt. Doch es wird mir einfach zu viel, es ist kaum zu leisten, von Woche zu Woche muss ich eine neue Vorlesung ausarbeiten, und zwar zur literarischen Publizistik […]. Neben dieser Arbeit habe ich die Verpflichtungen, die mir die Funktion des Institutsdirektors und die des Prodekans für den wissenschaftlichen Nachwuchs auferlegen. Ihr könnt nicht ahnen, was das heißt! Zu alledem war es in den letzten Monaten an der Fakultät sehr unruhig, Pläne usw. wurden neu diskutiert […]. Im Juli gehe ich ja in das sechzigste Lebensjahr und damit werde ich de jure in einem Jahr pensioniert. Ob ich dennoch im Amt bleibe, weiß ich noch nicht, da ich wieder Publikationsgedanken habe, einen Vorvertrag habe ich in Händen […]. In diesem Jahre feiere ich mein zehnjähriges Doktorjubiläum. Junge Menschen, die ihr Studium ordentlich der Reihe nach absolvieren konnten, fangen nach solchen zehn Jahren erst an, Luft zu holen und zu größerer wissenschaftlicher Leistung auszuholen. Über das Erreichte bin ich sehr dankbar, gemischt mit leichter Wehmut darüber, dass ich nicht zu denjenigen gehöre, die – in Bezug auf wissenschaftliche Leistungen – noch einmal tief Luft holen können. Ich gehöre also zu den ‚Entsagenden‘, doch nicht ganz im Sinne Goethes. (Lächeln erlaubt!)“ (Suhling 2007: 53).

Aus diesen Zeilen geht deutlich hervor, unter welchem Druck Voegt bei der Bekleidung ihrer Ämter steht, die Leidenschaft für ihre Arbeit bleibt dabei jedoch präsent. Ihrer Unsicherheit über ihre Emeritierung wird bereits einen Monat nach ihrer Ernennung zum „Professor mit vollem Lehrauftrag“ offiziell abgeholfen. Am 31. Mai 1963 sendet Prof. Dr. habil. Gießmann die Nachricht über die Entbindung vom Lehrauftrag zum 1. September 1963 aufgrund ihres 60. Geburtstages (Männer wurden erst mit 65 in Rente entlassen, Suhling 2007: 53). Er stellt ihr in Aussicht, dass das Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen ihre Wünsche zum weiteren wissenschaftlichen Arbeiten nach Möglichkeit erfüllen werde (ebd.). Tatsächlich veröffentlicht Voegt nach ihrer Emeritierung zahlreiche Werke, überwiegend im Aufbau-Verlag. Diese Publikationen verdankt sie dabei aber wohl vor allem ihrer eigenen Disziplin und ihrer Hingabe an ihren Forschungsgegenstand. Hedwig Voegt bleibt unverheiratet und kinderlos und stirbt am 14. März 1988 in Leipzig.

Sigrid Hoyer in einem Seminar, um 1975 (Quelle: Privatarchiv Michael Meyen)

Aus den Briefen, die ihrer Akte beigelegt sind, geht vor allem eines hervor: Ihr beispielloser Lebensweg als Antifaschistin findet mindestens gleichwertige Erwähnung wie ihre wissenschaftlichen Qualifikationen. Auffällig ist außerdem, dass Voegts Familienstand und ihre Kinderlosigkeit an keiner Stelle Aufmerksamkeit erfahren. Die Ausübung der zahlreichen Ämter, die sie bekleidet und die nicht immer leicht zu bewältigen sind, wie sie im Briefverkehr zugibt, wären als Mutter wohl auch kaum möglich gewesen. Bei all dem Lob und all den Auszeichnungen, welche Voegt erhält, hinterlässt vor allem die nüchterne Mitteilung über ihre Emeritierung ein uneindeutiges Bild. Offen bleibt an dieser Stelle die Frage, wieso sich keine weitere Frau für eine Professur qualifizieren konnte. Mit Voegts antifaschistischem Engagement mitzuhalten ist schwierig. Den Nationalsozialismus als bekennende Kommunistin zu überleben, stellt in der DDR eine kaum zu überbietende Lebensleistung dar. Ob sie hier für weitere Frauen ungewollt einen unerreichbaren Maßstab vorgibt, muss Spekulation bleiben; in jedem Fall findet sie keine Nachfolgerin. Auf wissenschaftlicher und fachlicher Ebene beweist Voegt außerordentliches Engagement. Aus ihren Schilderungen wird deutlich, dass ihr Alltag unvereinbar mit Familie und Kind ist. An dieser Stelle muss daher festgehalten werden, dass der propagierte hohe Stellenwert der sozialistischen Familie und der Mutter in der Gesellschaft möglicherweise unvereinbar ist mit dem Maß an beruflicher Aufopferung, welches für eine Professorenstelle aufzuwenden ist.

4 Frauenförderung an der Karl-Marx-Universität Leipzig: ambitionierte Pläne, problematische Umsetzung

Um diesem Zustand entgegenzuwirken, entwirft die DDR zahlreiche Frauenförderungsprogramme, die natürlich auch für die Karl-Marx-Universität gelten und mit speziellen Plänen umgesetzt werden sollen. Bereits 1959 enthält der Frauenförderungsplan der KMU folgendes Vorwort: „Der V. Parteitag der Sozialistischen-Einheitspartei-Deutschlands zeigte allen Bürgern der Deutschen-Demokratischen-Republik eine große gesicherte Perspektive auf. Er wies den Weg zum allseitigen Aufbau des Sozialismus, zur Erhaltung des Friedens und zur nationalen Wiedergeburt. Diese umfangreichen Ziele können jedoch nur dann in der hierfür vorgesehenen historisch kurzen Frist erreicht werden, wenn alle Kräfte aktiviert und für die zu lösenden Aufgaben qualifiziert werden. Eine noch nicht in vollem Umfange genutzte Kraftreserve stellen unsere Frauen dar, die von unserem Arbeiter-und-Bauernstaat erstmalig ihre volle Selbständigkeit er-hielten und demgemäß die Möglichkeit haben, sich allseitig zu entwickeln“ (Universitätsarchiv Leipzig, R. 265). Die Formulierungen machen deutlich, dass aus Sicht der Partei die Notwendigkeit zur Gleichberechtigung der Frauen nicht nur aus der sozialistischen Idee erwächst, sondern auch als ökonomische Notwendigkeit erscheint.

Einen weiteren Anstoß, sich mit der Frage der Gleichberechtigung auseinanderzusetzen, gibt das sogenannte Frauenkommuniqué von 1961, das das Politbüro des Zentralkomitees der SED verkündet. Unter dem Titel „Die Frau, der Frieden – und der Sozialismus“ werden die Forderungen medienwirksam durch Presse und Rundfunk verbreitet (Budde 2003). Gunilla-Friederike Budde bewertet in ihrer Studie „Frauen der Intelligenz. Akademikerinnen in der DDR 1945 bis 1975“ das Frauenkommuniqué recht kritisch als „Aktionismus der guten Vorsätze“. In der Anfangszeit seien einige Vorkehrungen getroffen worden, um die Frauenförderung voranzutreiben, diese können jedoch bald nur noch als „Lippenbekenntnisse“ verstanden werden. Laut Budde beweisen vor allem die Universitäten ein „hartnäckiges Eigenleben, das sich äußerst resistent gegenüber den Forderungen des Frauenkommuniqués zeigte“ (Budde 2003: 62).

Auch innerhalb der KMU wiegelt man eher ab. Anfang 1962 schreibt der Staatssekretär für Hochschulwesen, Wilhelm Girnus, an alle Rektoren der Universitäten und Hoch-schulen und bittet um Rückmeldung, welche Maßnahmen die jeweiligen Institutionen festgelegt haben, um die Ziele des Frauenkommuniqués zu erreichen. Er habe festgestellt, dass auch an Universitäten und Hochschulen der Besetzung leitender Funktionen durch Frauen Widerstand entgegengebracht werde (Universitätsarchiv Leipzig, R. 265). In seinem Antwortschreiben erkennt Rektor Georg Mayer (im Amt von 1950 bis 1964) die Missstände an. Eine „feindliche Tendenz zur Unterstützung der Frau an der Karl-Marx-Universität“ (Universitätsarchiv Leipzig, R. 265) sei jedoch nicht festzustellen. Allerdings gebe es an der Medizinischen Fakultät bei einigen Professoren die Einstellung, dass Frauen zwar für eine ärztliche, nicht jedoch für eine wissenschaftliche Karriere geeignet seien. Wie diese Tendenz nicht als feindlich zu bewerten ist, bleibt rätselhaft, und lässt die Rückmeldung insgesamt eher als Versuch der Beschönigung erscheinen.

Etwa ein Jahr später teilt der Rektor in einem ausführlichen Bericht mit, wie es um die Realisierung der Forderungen des Frauenkommuniqués an der KMU bestellt ist. Bei den Studierenden sieht man sich auf einem guten Weg. Aus dem Bericht geht allerdings hervor, dass die Journalistik im Studienjahr 1962/63 mit etwa 30 Prozent weiblicher Neuzulassungen neben der Theologie und Arabistik die einzige nicht mathematisch-naturwissenschaftliche Fachrichtung ist, an der nicht etwa die Hälfte der Studierenden weiblich ist. Sorge bereitete offenbar die Abbruchquote, auch weil 67,3 Prozent der weiblichen Abbrecher angeben, dass sie ihr Studium aus „persönlichen/familiären Gründen“ vorzeitig beenden. Beim wissenschaftlichen Personal führt man Gespräche mit Mitarbeiterinnen, in denen konkrete Festlegungen getroffen werden, die die Promotion und Habilitation zum Ziel haben. Darüber hinaus werden Weiterbildungen angeboten, und ein „politisch-ideologischer Erziehungsprozess“ soll helfen, parteilose Kolleginnen für die Teilnahme am Parteilehrjahr zu begeistern (Universitätsarchiv Leipzig, R. 265).

Aber es bleibt nicht bei Gesprächen und ideologischer Ertüchtigung, die Karl-Marx-Universität entwirft auch Rahmenfrauenförderungspläne. Auf der ersten Seite des Plans für die Jahre 1961 bis 1965 wird allerdings nicht einmal das Wort „Frau“ erwähnt. Stattdessen handelt die Einleitung davon, den Kapitalismus überwinden zu müssen und die sozialistische Revolution weltweit anzustreben. Um diese Ziele zu erreichen, müsse die Arbeitsproduktivität allumfassend gesteigert und somit auch der Lehrkörper der Universität erweitert werden. Auf der zweiten Seite wird dann aber anerkannt, dass diese Aufgaben ohne das Einbeziehen von Frauen nicht lösbar sind. Weiter heißt es, 1960 seien 44,5 Prozent der Direktstudenten weiblich, der Anteil an Frauen in der wissenschaftlichen Assistenz, an Aspiranturen und Promotionen sei hingegen rückläufig. Der weibliche wissenschaftliche Nachwuchs mache nur noch 21 Prozent aus, der Anteil an Hochschullehrerinnen – zu denen großzügig auch Lektorinnen gezählt werden – betrage 20 Prozent. Leider kann aufgrund der Quellenlage für dieses Jahr nicht der tatsächliche Anteil an Hochschullehrerinnen an der KMU ermittelt werden. Eine Grafik in „Die Frau in der DDR – Fakten und Zahlen“, herausgegeben von der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik 1975, macht diesbezüglich jedoch skeptisch. 1949 sind republikweit nur 2 Prozent aller Hochschullehrer weiblich, bis 1974 ist diese Zahl lediglich auf 7 Prozent angestiegen. Es kann also durchaus vermutet werden, dass 1960 ein sehr großer Teil dieser „Hochschullehrerinnen“ tatsächlich nur Lektorinnen sind.

Als Ursache für den Mangel an Frauen im universitären Betrieb wird zunächst die „unzureichende Sorge um spezielle Belange der Frauen“ identifiziert. Weiter heißt es, die Entwicklung und Förderung der Frauen sei daher unerlässlich und „keine zeitbedingte Angelegenheit, sondern Prinzip der sozialistischen Gesellschaftsordnung“ (Universitätsarchiv Leipzig, R. 265). Unklar bleibt an dieser Stelle vorerst, welche „speziellen Belange“ die Frau im universitären Kontext hat und inwieweit die Frau hier möglicherweise selbstverständlich auch als Mutter gesehen wird. Eher widersprüchlich wirkt demnach die Feststellung, dass in der DDR die völlige Gleichstellung der Frau mit dem Mann bereits eine Selbstverständlichkeit sei und durch Gesetze garantiert werde. Im Anschluss wird die vermeintlich völlige Gleichstellung wieder infrage gestellt: „Alle Voreingenommenheiten gegenüber der Befähigung und Eignung der Frauen für bestimmte wissenschaftliche Berufe und Fachdisziplinen […] müssen mit Hilfe der staatlichen Leitung und der gesellschaftlichen Organisation überwunden werden.“ Dieser Widerspruch zieht sich durch sämtliche Dokumente zur Frauenförderung und zur Auseinandersetzung mit der Gleichstellung: Auf der einen Seite wird die Verwirklichung der Gleichstellung in der DDR gepriesen, auf der anderen werden stetig Mängel und Ungleichheiten identifiziert, die beseitigt werden sollen.

Für alle Studiengänge werden bestimmte Zielstellungen und Richtzahlen festgelegt, die innerhalb des 5-Jahres-Planes erfüllt werden sollen. Wie schon bei den Studierenden sind die Aufgaben der Fakultät für Journalistik hier besonders groß. Sie soll den Frauenanteil im wissenschaftlichen Nachwuchs von 6,5 auf 20 Prozent erhöhen, womit man dann zumindest den offiziell ausgegebenen Durchschnittswert der KMU erreicht hätte. Von diesen Frauen sollen vier ihre Promotion abschließen. Im Gegensatz zu anderen Fakultäten werden geplante Habilitationen innerhalb der Journalistik aber nicht einmal erwähnt. Insgesamt weist die Journalistik von allen Fakultäten in diesem Jahr den niedrigsten Frauenanteil beim wissenschaftlichen Nachwuchs auf (Universitätsarchiv Leipzig, R. 265).

Für die Realisierung des Perspektivplans werden einige „Strategien“ festgelegt (ebd.). Dies meint vor allem die stärkere Einbeziehung von Frauen in Forschungskollektive, Arbeitsgemeinschaften und weiteren wissenschaftliche Gruppierungen. Dabei sollen stets ihre „besonderen Bedingungen“ berücksichtigt werden. Auch hier ist nicht ersichtlich, ob damit mütterliche Verpflichtungen gemeint sind oder, ob nicht doch auch rein häusliche Pflichten der Frau eher als Aufgabenfelder zugeschrieben werden, die für männliche Kollegen kein Hindernis darzustellen scheinen. Bei der Themenwahl der Promotionsarbeiten sollte „die Belastung der Frauen und Mütter Berücksichtigung finden“, ohne dabei den wissenschaftlichen Wert der Arbeit zu beeinträchtigen. Auch dieser Vorschlag wird leider nicht genauer ausgeführt. Für Mütter wird jedoch die Halbtagsarbeit nach Geburten empfohlen, damit sie „häusliche Schwierigkeiten“ noch bewäl-tigen können. Auch hier spielt die Bedeutung der Elternschaft und der geteilten Verantwortung beider Elternteile keine Rolle.

Männerwelt. Von Rechts: Georg Mayer, Hermann Budzislawski, Rudi Singer, Rektor Georg Müller (Quelle: Privatarchiv Michael Meyen)

Stattdessen werden einige Vorträge und Lehrgänge vorgeschlagen, „die die Probleme der Frau berühren und ihr die Möglichkeit geben, für die Haushaltführung, Erziehung ihrer Kinder, Gesunderhaltung und Arbeitserleichterung viel dazu zu lernen.“ Während die Hälfte dieser Vorträge sinnvoll erscheint und sich mit den Rechten der Frau, Familienrecht, Aufklärung über Krankheiten, prophylaktischen Maßnahmen und auch Kindererziehung beschäftigt, wirken einige Themen doch eher bedenklich und scheinen auf den ersten Blick nicht darauf abzuzielen, die Gleichstellung der Frau zu befürworten: „Anwendung und richtiger Einsatz elektrischer Haushaltsmaschinen“, „Kleiden wir uns immer richtig und zweckgemäß?“, „Koche ich immer richtig?“, „Kosmetische Pflege – Schönheitspflege“. An diesem stark auf häusliche Pflichten und Schönheitsideale ausgerichteten Programm lässt sich das stereotype Rollenbild der Frau in den 1960er-Jahren gut erkennen. Trotz theoretischer Überlegungen und der Erkenntnis, dass Gleichstellung ein unabdingbarer Wert des Sozialismus ist, kommt in diesen Feinheiten zum Ausdruck, dass herrschende Geschlechterbilder nicht ohne weiteres überwunden werden können. Es entsteht der Eindruck, dass Verantwortliche, in diesem Fall der Rektor der Universität, schlichtweg überfordert sind mit der Umsetzung des Prinzips von Gleichstellung, wenn er es auch womöglich theoretisch akzeptieren kann.

Weitere Bemühungen zeigen sich in den Maßnahmen zur sozialen Unterstützung. Diese beinhalten Zuschüsse wie Büchergeld, die Ermäßigung oder Erstattung von Gebühren und „Arbeitszeitbegünstigung bei Fern- oder Abendstudium“ (Universitätsarchiv Leipzig, R. 265). Andererseits werden in diesem Zusammenhang auch Wäschereien ge-nannt, die den Frauen zur Verfügung gestellt werden. Separate Frauenruheräume, Nähstuben und ausleihbare Staubsauger sollen den Frauen zusätzlich das Leben erleichtern. Auch hier zeigt sich, wie sehr der Verantwortungsbereich „Haushalt“ allein der Frau zugeschrieben wird. Positiv zu verbuchen ist in diesem Zusammenhang der Ausbau von Kindergärten und Kinderkrippen sowie Wochenvollheimen: eine unabdingbare Voraussetzung, damit Eltern möglichst uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen können.

In den Schlussbestimmungen des Rahmenfrauenförderungsplanes sticht positiv die Erkenntnis hervor, dass die Bildung von Frauenausschüssen gestärkt werden muss. Deren Zusammenarbeit mit der staatlichen Leitung und der Parteileitung sowie der Gewerkschaftsleitung müsse verbessert werden, damit spezielle Forderungen kommuniziert und durch gebündelte Kraft zur Auseinandersetzung auch umgesetzt werden können. Alle Fakultäten werden angewiesen, jährlich Frauenförderungspläne zu verabschieden und diese mindestens halbjährlich zu überprüfen und zu vervollständigen. Gunilla-Friederike Budde merkt jedoch kritisch an, dass die Frauenausschüsse auf wenig Resonanz stoßen, wenn sie für ihre Klientinnen akademische Qualifizierung durchsetzen wollen (Budde 2003: 55).

Die Frauenförderung bleibt nicht nur auf Wissenschaftlerinnen beschränkt, sondern erstreckte sich auch auf die Verwaltungsstellen. Es wird ein Qualifizierungsverfahren entwickelt, welches Frauen an ihrem Arbeitsplatz fördern soll. Demnach werden mit allen Frauen Kadergespräche geführt, in denen ermittelt wird, in welchem Umfang eine Weiterbildung erfolgen muss und welche Möglichkeiten dafür zur Verfügung stehen. Die Qualifizierung soll erreichen, dass sich Aufgaben am eigenen Arbeitsplatz besser lösen lassen, dass sich die Mitarbeiterinnen gegenseitig ersetzen können und sie soll für den Einsatz in einer höheren Funktion vorbereiten (Universitätsarchiv Leipzig, VD 88). Eine quartalsmäßige Kontrolle über die Erfüllung dieser Festlegungen sei dabei für die Leiter der Abteilungen verpflichtend. Für neu zu besetzende Planstellen sollen möglichst Kolleginnen qualifiziert werden, die bereits in der Verwaltung tätig sind. Bei einer Ver-setzung oder Beförderung seien Qualifizierungsverträge aufzusetzen, die mit einer Patenschaft einhergehen. Bei geplanten Veränderungen wird eine Vertreterin des Frauenausschusses zum Prozess hinzugezogen. Die aktuelle Lage von Frauen, die sich bereits im universitären Betrieb befinden, wird also geprüft. In Gesprächen wird weiter analysiert, welche weiterbildenden Maßnahmen für die Frauen in Betracht kommen, um sie im besten Fall auf einer höheren Position einsetzen zu können. Allerdings scheint das für einige Frauen auch zu bedeuten, dass sie Weiterbildungen lediglich „für besseres Lösen der Aufgaben am eigenen Arbeitsplatz“ besuchen, also um effizienter arbeiten zu kön-nen. Diese Förderungsmaßnahmen betreffen vor allem die Frauen, die in der Verwaltung tätig sind und an der Universität den größten Anteil der weiblichen Angestellten ausmachen (Universitätsarchiv Leipzig, R. 0821).

Es gibt also durchaus eine Vielzahl von Programmen zur Gleichberechtigung von Frau und Mann. Generell vermelden die Leitungsgremien, dass sie sich des Problems bewusst seien, wenn sie auch dazu neigen abzuwiegeln. Aber schon in den 1960er-Jahren zeigte man sich intern doch irritiert darüber, dass kaum eine Wirkung zu verzeichnen ist. Aus einem Dokument des Prorektorats für den wissenschaftlichen Nachwuchs geht hervor, dass zwar alle „staatlichen Leiter mehr oder weniger fest“ anerkennen, dass es einer besonderen Frauenförderung bedarf, die praktische Umsetzung dabei jedoch Schwierigkeiten bereite (Universitätsarchiv Leipzig, R. 265). Dies hänge vor allem mit der fehlenden Initiative der Leiter zusammen, denn wenige Einrichtungen der Universität hätten die Frauenförderung als ständiges Anliegen verstanden (ebd.). Diesen Eindruck bestätige der stagnierende Frauenanteil an der Karl-Marx-Universität zwischen 1962 und 1967 (ebd.). Unter dem universitären Durchschnitt von 21,6 Prozent liegt dabei zum Beispiel auch die Journalistik mit einem Frauenanteil von 18,6 Prozent. Der Anteil der Hochschullehrerinnen ist in diesem Zeitraum sogar leicht zurückgegangen, während sich die Zahl der männlichen Kollegen fast verdoppelt hat.

Selbststudium auf der Leipziger Terrasse, früher 1950er (Quelle: Privatarchiv Michael Meyen)

Aus einem Brief des KMU-Direktorates für Kader und Qualifizierung vom 1. Dezember 1971 geht hervor, wie es um den Einsatz von Frauen in leitenden Funktionen bestellt ist. Demnach bekleiden an der KMU Leipzig zu diesem Zeitpunkt 83 Wissenschaftler Leitungsfunktionen, von denen etwa 10 Prozent weiblich sind. Im Rektorat beziehungsweise Prorektorat befindet sich unter den vier eingesetzten Personen keine Frau. Von sieben Universitätsdirektoren ist nur eine weiblich, und alle 24 Sektionsdirektoren und Direktoren der dem Rektor direkt unterstellten Einrichtungen sind männlich. Von 41 Stellvertretern sind fünf Frauen und von sechs Dekanen zwei. Das Rektorat stellt fest, dass der Frauenanteil in Leitungsfunktionen „in keiner Weise die Zusammensetzung des Lehr-körpers der KMU widerspiegelt.“ Positiv hervorgehoben wird der „relativ hohe Frauenanteil“ in den Leitungsfunktionen des Wissenschaftlichen Rates – eine Strategie, die bei der Durchsicht der Akten häufig ins Auge fällt: Speziell betonte Angaben über hohe Anteile, wie im Beispiel bei den Dekanen, täuschen leicht über die tatsächlich ungenügenden Zustände hinweg. Angemerkt wird weiter, dass alle Frauen in Leitungsfunktionen Mitglied der SED sind (Universitätsarchiv Leipzig, R. 0821). In diesem Schreiben bleibt allerdings unerwähnt, wie sich der Lehrköper, der sich angeblich stark von der vorgestellten Statistik unterscheidet, tatsächlich zusammensetzt.

5 Geschlechterverhältnisse in der Leipziger Journalistik

Angesichts solcher Probleme (und auch Verschleierungsversuche) stellt sich die Frage, wie sich die Lage in der Leipziger Journalistik gestaltet – umso mehr, weil auch interne Erhebungen immer wieder Probleme feststellen: Aus einer Halbjahresanalyse zum Frauenförderungsplan 1973 geht hervor, dass der Perspektivplan der KMU 36 Promotionen A und sieben Promotionen B von Frauen vorsieht. Im ersten Halbjahr schließen lediglich sieben Frauen die Promotion A ab. Die Promotion B kann von keiner Frau abgeschlossen werden. Die angestrebten Zielsetzungen, heißt es weiter, seien „unrealistisch“ gewesen. Man zeigt sich aber hoffnungsfroh, dass die meisten Frauen noch im zweiten Halbjahr ihre Promotion beenden, die Zahlen sich also deutlich verbessern würden (Universitätsarchiv Leipzig, R. 0821).

Tabelle 1: Geschlechterverhältnissen bei den Promotionen A und B an der Sektion Journalistik

Im Universitätsarchiv lagern zahlreiche Akten, die Hochschulstatistiken der KMU enthalten. Die Durchsicht dieser Dokumente gestaltete sich zum Teil problematisch, da sich die Beschaffenheit und der Aufbau der Statistiken mehrfach ändert. So werden von 1979 an für die Sektion Journalistik auch „Forschungsstudenten“ gelistet. Um eine bessere Vergleichbarkeit innerhalb des gesamten Zeitraums zu gewährleisten, bezieht sich die folgende Tabelle daher nicht auf „Forschungsstudenten“, zumal dort häufig geschlechtsspezifische Angaben fehlen. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Promotionen A und B, wobei hier weitere Untergliederungen angegeben werden: „planmäßige Aspirantur“, „außerplanmäßige Aspirantur“, „Industrieaspirantur“, „Promotion durch Mitarbeiter der Hochschule oder des Instituts“, „Externe Promotion“ und „planmäßige“ sowie „außerplanmäßige Aspirantur für Ausländer“. Diese Unterteilungen sind jeweils mit Zahlencodes versehen und einzeln gelistet (Universitätsarchiv Leipzig, Wiss. Rat 115). Da sich nicht für alle Jahrgänge alle Positionen wiederfinden, werden diese zusammengefasst. Diese Zahlen können nur als Richtwert dienen, da sich die erfassten Daten in mehreren Dokumenten mit gleichen Jahreszahlen zum Teil unterscheiden beziehungsweise Unterschiede nicht logisch nachvollzogen werden können. An mehreren Stellen wird der weibliche Studierendenanteil prozentual erfasst, in anderen Dokumenten werden jedoch männliche und weibliche Studierende unterschieden und die Gesamtzahl separat erfasst. In einigen Jahrgängen unterliegen die Statistiken zu Promotion A und Promotion B unterschiedlichen Erfassungsdesigns. Neben den Zahlen zu abgeschlossenen Promotionen lassen sich zudem immer wieder Erfüllungspläne finden, die zusätzlich den gewünschten Anteil an weiblichen Aspiranten enthalten. Insgesamt sind die vorliegenden Dokumente unstrukturiert und in Teilen nicht komplett miteinander vergleichbar, obwohl die in vielen Jahren verwendeten Formblätter darauf hindeuten, dass die Hochschulen normierte Vorgaben vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen erhalten, die mangelnde Vergleichbarkeit vermeiden sollen.

Tabelle 2: Abgeschlossene Promotionen A und B in der Leipziger Journalistik

Tabelle 1 zeigt die Geschlechterverhältnisse im Zeitraum 1969 bis 1991. Für die Zeit davor konnten keine Daten ermittelt werden. Die Zahlen beziehen sich dabei auf alle Beschäftigten unabhängig vom Stadium ihrer Promotion. Bereits die Unterschiede bei den Promotionen A sind sehr deutlich. In allen Jahren, für die Nachweise vorliegen, sind mindestens zwei Doktoranden zu verzeichnen, während es 1969, 1970 und 1981 keine Doktorandinnen gibt. 1973 und 1975 erreicht die Zahl der Doktoranden mit 15 ihr Höchstmaß, wohingegen maximal sechs Doktorandinnen gleichzeitig an ihrer Promotion arbeiten. Der durchschnittliche Anteil an weiblichen Promovierenden in dieser Gruppe liegt bei knapp 28 Prozent. Für die Promotion B lässt sich ein noch größerer Unterschied feststellen. Der weibliche Durchschnitt liegt insgesamt bei nur 14,3 Prozent. Generell muss festgehalten werden, dass natürlich viel weniger Personen die Promotion B anstreben können und dass sich auch in der Gruppe der Männer für einige Jahre keine Nachweise finden. Trotzdem bleibt bemerkenswert, dass lediglich relativ spät, 1983, 1985 und 1989, jeweils eine Habilitandin verzeichnet ist. Gerade in den Jahren, in denen die Habilitanden das Maximum erreichen (drei), sticht ins Auge, dass es keine Frauen mit dem gleichen Ziel gibt.

Tabelle 3: Erteilte Facultas Docendi in der Leipziger Journalistik

Auch bei den tatsächlich abgeschlossenen Promotionen lassen sich geschlechtsspezifisch betrachtet starke Unterschiede feststellen (Tabelle 2), die dem Bild in Tabelle 1 stark ähneln. Bei den Dissertationen beträgt der Frauenanteil gut ein Drittel, und bei den Habilitationen sprechen die absoluten Zahlen eine noch deutlichere Sprache. Tabelle 3 erfasst sowohl interne als auch externe Lehrbeauftragte. Der Anteil an Frauen liegt insgesamt bei knapp 27 Prozent. Insgesamt neun der 41 erteilten Facultas Docendi gehen an Externe, davon zwei an Frauen. Es lässt sich also kein Bemühen erkennen, den Frauenanteil im Lehrkörper zumindest durch externe Bewerberinnen zu erhöhen. Allerdings sind mit Sicherheit auch die anderen Universitäten von dem niedrigen Anteil an Frauen, die die Hochschulkarriere anstreben, betroffen, was die Rekrutierung möglicherweise erschwert.

6 Zeitgenössische Reflexionen

Trotz dieser ernüchternden Zahlen erscheinen die Bemühungen um die Fortbildung der Frauen auf den ersten Blick löblich. Gerade Anfang der 1960er-Jahre sind viele Frauen beschäftigt, die vor Gründung der DDR wenige bis keine Bildungschancen hatten und somit nur schwer einen Platz im Arbeitsmarkt fanden. Aber in der Diskussion innerhalb der Universität, die sich an den wenig zufriedenstellenden Zahlen aufhängt, zeigen sich immer wieder hartnäckige Rollenklischees, die ein weiteres Hindernis für die Karriere von Frauen dargestellt haben dürften.

Die Belastung, die durch familiäre Pflichten entsteht, scheint einer der Hauptgründe zu sein, weswegen sich die Frau in der DDR beruflich weniger entfalten kann. In den allermeisten Dokumenten, die Probleme bei der Verwirklichung der Frauenförderung reflektieren, kommt dieser Aspekt zur Sprache und wird als Problem benannt. Viele Frau-en geben sich nach einem berufsqualifizierenden Abschluss offenbar mit Industrie- und Produktionsarbeit zufrieden. Wenn die Teilzeitarbeit auch im Vergleich zur Vollzeitarbeit weniger anerkannt ist und staatlich weniger gefördert wird, nutzen Frauen diese Möglichkeit nicht selten, um die Betreuung der eigenen Kinder besser zu gewährleisten (vgl. Trappe 1995). Im universitären Betrieb der KMU belegen die oben dargestellten Zahlen, dass eher weniger Frauen den Schritt zur Promotion A wagen. Die Promotion B streben dabei, wie das Beispiel der Journalistik an der KMU belegt, wenige bis gar keine Frauen an. Bei den wenigen Frauen, die sich für eine Promotion B entscheiden, fällt den Zeitgenossen besonders die Zeitspanne zwischen dem Abschluss der Promotion A und dem der Promotion B im Vergleich zu männlichen Kollegen negativ auf (Universitätsarchiv Leipzig, R. 0821).

Gerne wird in der Reflexion über diese Probleme die Mutterrolle als Grund angeführt, gleichzeitig aber als unumgängliche Tatsache gesehen. Elterliche Pflichten werden stets der Frau zugeschrieben, die Vaterrolle dabei nicht ins Spiel gebracht oder in Frage ge-stellt. Haben beide Ehepartner einen ähnlich belastenden Beruf, wird dies lediglich als Problem der Frau erfasst, welches es zu berücksichtigen gilt (Universitätsarchiv Leipzig, R. 0821). Die Rolle der Frau wird dabei nahezu als schizophren wahrgenommen. Zum einen sei die Mutterschaft die höchste Pflicht der Frau, um den Aufbau des Sozialismus voranzutreiben. Andererseits gelte es, die Arbeitskraft der Frau in möglichst großem Umfang zu erschließen. Wissenschaftlerinnen werden dazu angehalten, sich eigenen Publikationen zu widmen oder in Fachkreisen präsent zu sein. Auch die Teilnahme an Konferenzen, die teilweise im Ausland oder außerhalb des Wohnortes stattfinden, erscheint angesichts der vielfältigen Verpflichtungen der Frau im Sozialismus als nahezu unmöglich. Intern kritisierte man, dass gerade „staatlichen Leitern von Struktureinheiten und Lehrstuhlleitern“ häufig jedes Verständnis für die Doppelbelastung der Wissenschaftlerinnen fehle (ebd.), und vielfach mangele es an Möglichkeiten zur Unterbringung von Kindern, vor allem von Kleinstkindern (Universitätsarchiv Leipzig, VD. 88). Viele Frauen seien unter diesen Umständen einfach nicht bereit, die Belastungen einer Qualifikation auf sich zu nehmen, um sich auf eine Berufung vorzubereiten (Universitätsarchiv Leipzig, R. 0821). Diese Kapitulation wird teilweise aber auch gegen die Frauen gewendet, denen „ideologische Probleme“ unterstellt werden, die die fehlende Bereitschaft für ein Engagement bewirkten (ebd.).

Weiter begründet werden die Missstände, die den Frauenanteil betreffen, zunächst dadurch, dass die Frauenperspektivpläne nicht umgesetzt werden. Dies zeigt auch ein Blick in die Akten zum wissenschaftlichen Nachwuchs, in denen sich fast ausschließlich Perspektivpläne für männliche Studierende finden lassen (Universitätsarchiv Leipzig, Journ. Fak. 45 bis 54). Einzig die Wirtschaftsfakultät kommt dem Anliegen nach und reicht regelmäßig Perspektivpläne ein. Zwar ist die Frauenförderung ein fester Bestandteil der Fakultäts- beziehungsweise Institutspläne, ohne konkret festgelegte Maßnahmen sind diese jedoch nicht kontrollierbar und können nur als allgemeine Forderungen verstanden werden. Vereinzelt besteht sogar die Auffassung, dass Frauen ein „unsicheres Element“ im universitären Betrieb seien. Folgen seien das Abdrängen der Frauen in Routinearbeiten sowie der wachsende Zweifel am eigenen Leistungsvermögen der Frauen. Kritisiert werden darüber hinaus auch die Einstellung und das Verhalten der weiblichen Angestellten: Sie seien unentschlossen, es mangele ihnen an Vertrauen in die staatliche Leitung. Weiter bestehe ein Unvermögen, die durch Entlastung entstandene Zeit für wissenschaftliche Arbeit zu nutzen. Es zeige sich bei den Frauen eine „ungenügende oder fehlerhafte Erziehung“, die zu „psychischen Hemmungen“ führe. Mut, Zuversicht, Ausdauer und Selbstdisziplin seien ihnen nicht genügend anerzogen. Solche negativen Einschätzungen führten dann sogar zu der Meinung, dass die Frauenförderung um jeden Preis vermieden werden solle (Universitätsarchiv Leipzig, R. 265).

7 Fazit: Rollenbilder und Gleichberechtigung im Widerspruch

Diese Arbeit hat einige der vielversprechenden politischen Vorhaben und gesetzlichen Normierungen, die die DDR für die Gleichberechtigung von Mann und Frau entwickelt, vorgestellt. Der fortschrittliche Charakter dieser Initiativen sticht dabei besonders im Zeitkontext hervor. Mit der Verabschiedung der Verfassung von 1949 ist die Frau erstmals in der deutschen Geschichte vor dem Gesetz gleichberechtigt. Positiv zu bewerten sind die Entwicklungen, die sich durch die veränderten Fassungen im Laufe der Jahre zeigen. Hier wird das Ziel sozialer Gleichberechtigung immer weiter konkretisiert und durch zusätzliche Gesetze gesichert.

Selbstverständlich ist es nötig, Schwangeren und Müttern in gewissem Maße gesonderte Arbeitsrechte zuzusprechen. Aus emanzipatorischer Perspektive bleibt aber problematisch, dass dabei die Rolle der Mutter und die Zuständigkeit für die Familie in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufgaben der Frau gerückt werden. Im Familiengesetzbuch der DDR von 1965 ist zwar auch von Elternschaft die Rede, diese Formulierung entspricht aber nicht der tatsächlichen Verteilung von Verantwortung in der Familie, die weiterhin vor allem Frauen und Mütter zufällt. Gleichzeitig wird als sozialistischer Grundsatz aber die Teilhabe der Frau am Arbeitsleben eingefordert. Statt der abstrakten Forderung nach einer Emanzipation der Frau gewinnt deshalb immer mehr die Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf an Bedeutung. Dieser Wandel zeigt sich beispielsweise in Petra Dunskus Beitrag „Zur Verwirklichung des Rechts auf Arbeit“ von 1979. Eine neue Stellung der Frau im gesellschaftlichen Arbeitsprozess werde „im Leben nur dann Wirklichkeit, wenn der Frau die Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit ihren Aufgaben aus Mutterschaft und Familie immer besser ermöglicht wird“ (Dunskus 1979: 87).

Die Frauen- und Familienpolitik in der DDR scheint an vielen Stellen die individuellen Bedürfnisse von Frauen aus den Augen zu verlieren und praktiziert durch ihre paternalistische Fürsorgepolitik eher eine „Emanzipation von oben“ (Trappe 1995: 83). Heike Trappe verwendet diesen Begriff, um auf eine grundlegende Problematik hinzuweisen: Die Bedürfnisse der Frauen werden nicht ernst genug genommen, ihnen wird eine Identität auferlegt, die zwar den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen der DDR zugutekommt, aber weniger auf ein selbstbestimmtes Leben der Individuen abzielt. Dies zeige sich auch darin, dass Entscheidungen meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen werden und nicht in einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess entstehen (Trappe 1995: 83). Bedürfnisse werden hier vorformuliert, wie auch schon die zeitgenössische Analyse der sowjetischen Soziologin Soja Jankowa hervorhebt: „Spannt man die Frau in den engen Rahmen von Heim und Familie, so führt das zur Deformation der Struktur ihrer Persönlichkeit; wollte sie andererseits den gesellschaftlichen Funktionen zuliebe auf ihre Mutterrolle verzichten, so erhielten wir das gleiche Ergebnis“ (Dunskus 1979: 88).

Aus dem Rollenbild, welches für die Frau geprägt und vorausgesetzt wird, entsteht die Problematik der „Sonderrolle der Frau“. Dies zeigt sich auch in der auf Frauen bezogenen Sozialpolitik, die nach Trappe eher korrektiv stattfindet und zwar „im Sinne der nachträglichen Behebung bzw. Abfederung von besonderen Problemlagen und Belastungssituationen“ (Trappe 1995: 85). Sie zielt darauf ab, das bestehende „Vereinbarkeitsdilemma“ für Frauen erträglicher zu machen. Eine strukturelle Umgestaltung von Familie und Gesellschaft wird dabei zum Nachteil der Frauen nicht in Erwägung gezogen. Die Errichtung von Kinderkrippen, Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen war so sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Befragung der Humboldt-Universität Berlin von 1972 belegt in diesem Kontext jedoch, dass die Verantwortung außerhalb des Krippenaufenthaltes für die Kinder weiterhin bei der Mutter lag: Auf die Frage, wer zum Beispiel bei der Erkrankung ihrer Kinder die Pflege übernimmt, antworten 78 Prozent von etwa tausend befragten Frauen, dass sie selbst dafür zuständig seien (Grandke 1979: 245).

Gerade für die berufliche Entwicklung von Müttern bedeutete dies insgesamt massive Einschränkungen, wie sich auch am Beispiel der Journalistik in Leipzig gezeigt haben. Trotz des Ausbaus von Krippen können zahlreiche Kinder, vor allem Kleinstkinder, nicht ausreichend untergebracht werden. Besonders für Studentinnen mit Kind oder studierende Ehepaare gibt es nicht genügend Wohnraum. Wissenschaftlerinnen, die auf Konferenzen im Um- und Ausland Präsenz zeigen und sich weiterbilden wollen, scheitern meist an der Unterbringung ihrer Kinder in Konferenznähe. Lernkollektive und Forschungsgruppen treffen sich meist am Abend und machen es Müttern unmöglich teilzunehmen (Universitätsarchiv Leipzig, R. 0821).

Durch die Verantwortung, die eine Familie mit sich bringt, können Frauen ihre beruflichen Ziele oft nicht im gleichen Ausmaß wie Männer erreichen, sofern sie es überhaupt wagen, sich gleiche oder ähnliche Ziele zu setzen. Die Universitäten der DDR werben mit dem nahezu ausgeglichenen Geschlechterverhältnis an ihren Institutionen. Zumindest trifft dies auf den Bereich der Studierenden in gewissem Ausmaß auch zu. Als Problem erweist sich aber der weitere Weg in die Wissenschaft. Susanne Diemer kritisiert in ihrer Studie „Patriarchalismus in der DDR“ entsprechend, dass Frauen zwar Zugang zu Bildung erhalten, der Zugriff auf entsprechende Ressourcen wie Status und Einkommen Frauen aber weniger zugänglich bleibt als Männern (Diemer 1994: 196).

Durch die Frauenförderungspläne und Qualifizierungsprogramme entsteht der Eindruck, dass Frauen geradezu unter Qualifizierungszwang gestellt werden beziehungsweise dass die Qualifikation als Hauptmechanismus zur aktiven Förderung der Frau angesehen wird. In der Realität bedeuten diese Maßnahmen für angehende Journalistinnen, dass zusätzlich zum Studium, zusätzlich zur journalistischen Tätigkeit und in vielen Fällen zusätzlich zur Familie, Abendkurse und Sonderklassen besucht werden müssen. Auch für diejenigen Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben, bedeuten die Qualifizierungsverträge zusätzlichen Druck, da sie regelmäßig überprüft werden. Sicherlich ist das per se kein schlechter Mechanismus, um Menschen zu konsequentem Arbeiten zu motivieren; die Sonderrolle, die die Frauen dabei einnehmen müssen, weil sie Frauen sind, erscheint jedoch bedenklich in Bezug auf einen gleichgestellten Umgang mit männlichen und weiblichen Studierenden.

Die Forderungen der Frauenausschüsse, die konkrete Pläne für einzelne Wissenschaftlerinnen liefern wollten, werden oft nicht ausreichend respektiert und verfolgt. Dass die Qualifikationsmaßnahmen zusätzlich zu Familie und Beruf eine dritte Belastung darstellen, wird den Frauen sogar negativ ausgelegt, im Sinne von fehlender Motivation und Disziplin oder mangelndem Vertrauen in die staatliche Leitung. Die Fähigkeiten der Frauen wird häufig in Frage gestellt und überprüft und erzeugen dadurch immensen Druck und bestätigen den Eindruck, dass Frauen eine Sonderförderung benötigen. Daraus erwuchs wiederum eine Ablehnung gegenüber den Frauen, auch weil ihre „Sonderrechte“ für einige gleichbedeutend waren mit der Abwertung von Männern. So arbeiteten Frauen häufiger unterhalb ihres Qualifikationsniveaus oder brachen ihre geplante Ausbildung ab, vor allem aus Rücksicht auf den Partner, die Kinder, die Familie (Diemer 1994).

Diese genannten Hürden machten wissenschaftliche Karrieren von Frauen in der DDR sehr schwierig. Gerade das Beispiel der einzigen Journalistik-Professorin Hedwig Voegt zeigt, dass nur einzigartige Konstellationen überhaupt einen solchen Aufstieg ermöglichen. Aus ihrem persönlichen Briefverkehr geht hervor, dass ihre Ämter sie stark fordern und zum Teil an ihre Grenzen bringen. Sehr wahrscheinlich hätte sie mit Familie und Kindern ihrer Forschungs- und Parteiarbeit nicht in diesem Umfang nachgehen können. Ihr antifaschistisches Engagement, der Widerstand im Nationalsozialismus und die starke Einbindung in die KPD bzw. SED zeichnen sie einem so besonderen Maße aus, das für sie der Sprung möglich ist, für eine nachfolgende Generation von Frauen aber ganz offensichtlich nicht mehr offen steht.

Wieso die Journalistik beim Frauenanteil regelmäßig unter dem universitären Durchschnitt liegt, kann an dieser Stelle aber nur teilweise beantwortet werden. Klar ist, dass die Bemühungen, den Frauenanteil an den Instituten zu erhöhen und Frauen für leitende Positionen vorzubereiten, meist nur leere Worte in den Perspektivplänen bleiben und dass bis weit über die Nachkriegszeit hinaus trotz der offiziellen Linie eine stark abwehrende Haltung gegenüber Frauen in der Wissenschaft fortbesteht. Konkrete Förderungspläne für einzelne weibliche Wissenschaftlerinnen ließen sich kaum bis gar nicht in den vorliegenden Akten der Universität Leipzig auffinden.

Anteil der weiblichen Hochschullehrer (Quelle: Staatliche Zentralverwaltung für Statistik)

Vielmehr entstand der Eindruck, dass mithilfe der Statistiken oft „das Beste“ aus den vorhandenen Daten gemacht wird, indem zum Beispiel auf hohe Frauenanteile in sehr kleinen Abteilungen verwiesen wird. Den Umgang mit Zahlen und dem Aufbau von Statistiken in der DDR soll stellvertretend die folgende Abbildung veranschaulichen (vgl. Staatliche Zentralverwaltung für Statistik 1975: 51). Die Grafik zeigt eine sehr wohlwollende Darstellung, die den minimalen Anstieg an Hochschullehrerinnen von zwei auf sieben Prozent in einem sehr langen Zeitraum von 25 Jahren „abbildet“. Durch die Anordnung der Balken wird die Wirkung der Ergebnisse stark verzerrt. Die Journalistik liegt sogar noch unter dem sehr geringen Anteil in der der gesamten DDR.

Zumindest abschließend sei darauf hingewiesen, dass diese Problematik natürlich über die Systemgrenzen hinweg bestand. Laut statistischem Bundesamt lag der Frauenanteil in der Professorenschaft selbst im Jahr 2015 bei gerade einmal 23 Prozent. Viele der diskutierten Hürden für Frauen in der Karriere halten sich bis heute. Die weiter fortschreitende Auflösung von stereotypen Rollenbildern und diskriminierenden Ressentiments, die allen Menschen gleiche Chancen einräumen würde, bleibt daher ein Ziel unserer Gesellschaft.

Quellenverzeichnis

  • Universitätsarchiv Leipzig (UAL), Fakultät für Journalistik 34, 54; PA 4214; R 821 (Qualifizierung und Frauenförderung, 1970 bis 1980); R. 265 (Frauenförderung), VD 88, Bd. 4; Wiss. Rat 115.

Literaturangaben

  • Grit Baginski: Die Behandlung des Themenfeldes Gleichberechtigung von Mann und Frau in den Massenmedien der DDR – untersucht an ausgewählten Presseorganen. Dip-lomarbeit. Leipzig: Sektion Journalistik 1989.
  • Gunilla-Friederike Budde: Frauen der Intelligenz. Akademikerinnen in der DDR 1945 bis 1975. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2003.
    Gabriele Gast: Die politische Rolle der Frau in der DDR. Düsseldorf: Bertelsmann 1973.
  • Susanne Diemer: Patriarchalismus in der DDR. Opladen: Westdeutscher Verlag 1994.
  • Petra Dunskus: Zur Verwirklichung des Rechts auf Arbeit. In: Herta Kuhrig/Wulfram Speigner (Hrsg.): Wie emanzipiert sind die Frauen in der DDR? Köln: Pahl-Rugenstein 1979, S. 86-144.
  • Anita Grandke: Zur Entwicklung von Ehe und Familie. In: Herta Kuhrig/Wulfram Speigner (Hrsg.): Wie emanzipiert sind die Frauen in der DDR? Köln: Pahl-Rugenstein 1979, S. 229-253.
  • Wladimir Iljitsch Lenin: An die Arbeiterinnen. Werke, Band 30. Berlin: Dietz 1961.
  • Staatliche Zentralverwaltung für Statistik: Die Frau in der DDR – Fakten und Zahlen. Berlin: Dietz 1975.
  • Statistisches Bundesamt: Frauenanteil in Professorenschaft 2015 auf 23 % gestiegen. Pressemitteilung Nr. 245 vom 14.07.2016. https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/07/PD16_245_213.html (11.04.2018).
  • Ursula Suhling: Rebellische Literatur – Quelle moralischer Kraft. Hedwig Voegt (1903 bis 1988). Hamburg: Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt 2007.
  • Heike Trappe: Emanzipation oder Zwang? Frauen in der DDR zwischen Beruf, Familie und Sozialpolitik. Berlin: Akademie-Verlag 1995.

Empfohlene Zitierweise

Jasmin Franz: Ein Vorbild für die Gleichberechtigung? Frauenkarrieren in der DDR-Journalistik. In: Patrick Merziger (Hrsg.): Sozialisten – Journalisten – Wissenschaftler? Die Geschichte der Leipziger Journalistik in der DDR. Feature. Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2020. http://blexkom.halemverlag.de/jasmin_franz/ (Datum des Zugriffs).

Titelfoto: Budzislwaski 1966