Hanno Hardt (Foto: Rüdiger Scheidges)
Hanno Hardt (Foto: Rüdiger Scheidges)

Hanno Hardt

4. Dezember 1934 bis 11. Oktober 2011

Lexikoneintrag von Michael Meyen am 28. Januar 2015

Der Name Hanno Hardt steht für eine marxistisch geprägte kritische Kommunikationswissenschaft. Er lehrte in Iowa und Ljubljana und war in den 1970er- und 1980er-Jahren auch in Deutschland mehrfach Kandidat für eine Professur.

Stationen

Geboren am 4. Dezember 1934 in Stettin. Aufgewachsen in Schleswig-Holstein. 1956 Abitur in Kiel. Freier Journalist (Kieler Nachrichten). Sechs Semester Jurastudium in Kiel und Heidelberg. 1960 Auswanderung in die USA. Nachrichtenredakteur in Hudson, New York. 1962 Studium am Department of Journalism der Southern Illinois Universität in Carbondale, Illinois (Journalismus, Politikwissenschaft und Geschichte). 1963 Magister. 1965 bis 1968 Assistant Professor an der Universität von North Dakota. 1967 PhD. 1968 Wechsel an die University of Iowa. 1969 Associate Professor, School of Journalism. 1974 Full Professor, 1977 Director of Graduate Studies. 1981 John F. Murray Professor of Journalism and Mass Communication der School of Journalism, seit 1997 auch Professor am Department of Communication Studies der University of Iowa. 2002 Emeritierung und Rückkehr nach Europa. 1986 Fulbright-Stipendium für Jugoslawien, Gastprofessor, seit 1994 Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Ljubljana. In den 1970er- und 1980er-Jahren Gastprofessuren und Lehrstuhlvertretungen in Münster, Mainz, München, Berlin, Göttingen, Wien und Salzburg, Njimegen, London und Dublin. Rufe an die Technische Universität Dortmund und an die Freie Universität Berlin (abgelehnt). 1988 Austritt aus der DGPuK. Verheiratet, drei Töchter.

Publikationen

  • Social Theories of the Press. Early German and American Perspectives. Beverly Hills: Sage 1979.
  • Critical Communication Studies. Communication, History & Theory in America. New York: Routledge 1992.
  • Am Vergessen scheitern. Essay zur historischen Identität der Publizistikwissenschaft, 1945–68. In: Medien & Zeit 17. Jg. (2002), Nr. 2/3, S. 34-39.

Der Flirt der deutschen Fachgemeinschaft mit Hanno Hardt war kurz, aber heftig. Und er endete für beide Seiten unbefriedigend. Hardt lehnte Rufe auf Lehrstühle an der TU Dortmund (Journalistik, 1977) und an der Freien Universität Berlin ab und kam in München 1984 beim neuen Journalistik-Lehrstuhl nicht zum Zuge, obwohl er vorher am Institut gelehrt hatte, der Erstplatzierte (Kurt Koszyk) absagte und er selbst auf Platz zwei stand. Das Verfahren wurde schließlich abgebrochen, und die Neuausschreibung gewann Heinz Pürer. Während Hardt seine Bewerbung hier im Rückblick als „chancenlos“ bezeichnete, führte er für die anderen beiden Entscheidungen „persönliche Gründe“ und ein wenig attraktives Angebot an (Berlin) sowie „die organisatorische Nähe zu den Medienorganisationen“ (Dortmund). „Meiner Meinung nach hatte die Praxis Einspruchsrechte in die pädagogische Arbeit“ (Hardt 2015).

Hanno Hardt gehört zwar zur Generation der Jungtürken in der Kommunikationswissenschaft, die das Fach institutionell ausgebaut und als empirische Sozialwissenschaft definiert haben (vgl. Meyen/Löblich 2007), und wollte ursprünglich auch Journalist werden, sonst aber unterscheidet sich sein Lebensweg erheblich von dem seiner Altersgenossen. Hardt brach sein Jurastudium nach sechs Semestern ohne Staatsexamen ab und wanderte aus, weil er „den Eindruck“ hatte, „dass Deutschland in zwei oder drei Jahren umkippt und wieder konservativ-braun sein würde“ (Hardt 2015). In den USA lernte er dann nicht nur einen anderen Journalismus kennen, sondern über den Umweg Herbert Marcuse auch die Theoretiker der Frankfurter Schule und hier vor allem Jürgen Habermas. Als Professor in Iowa stand er sowohl für eine moderne Journalistenausbildung als auch für eine kritische Kommunikationswissenschaft. Das Buch Critical Communication Studies (Hardt 1992) ist genau wie Social Theories of the Press (Hardt 1979, 2001) als Ruf nach einem Paradigmenwechsel zu verstehen und als Kritik an der datengetriebenen Medienwirkungsforschung (vgl. Meyen/Löblich 2006: 14). Dass er Arbeiten von deutschen Soziologen und Nationalökonomen zusammengefasst und ins Englische übersetzt hat, die sich schon vor der Institutionalisierung des Fachs mit den Zusammenhängen zwischen Massenkommunikation und Gesellschaft beschäftigt hatten, begründete er auch mit seinem Interesse am Ideentransfer, vor allem aber mit der Krise, in der er die US-amerikanische Massenkommunikationsforschung sah (Hardt 1979: 15-39).

In der internationalen Fachgemeinschaft gilt Hanno Hardt heute als Ikone einer kritischen (und marxistisch unterfütterten) Kommunikationsforschung (vgl. McLuskie et al. 2004). Nicht erst in seinen letzten Arbeitsjahren in Ljubljana hat er sich dabei auch als Künstler betätigt (vor allem über dokumentarische Fotografien, unter anderem im Osten Deutschlands und in Irland; vgl. Bohrmann 2004, 2012).

Literaturangaben

  • Hans Bohrmann: Hanno Hardt 70 Jahre. In: Publizistik 49. Jg. (2004), S. 479.
  • Hans Bohrmann: Hanno Hardt. In: Publizistik 57. Jg. (2012), S. 106-107.
  • Ed McLuskie/Maria Hegbloom/Fabiana Woodfin (Eds.): In the Company of Hanno Hardt. A Festschrift on the Future of Critical Communication Studies. In: Journalism Vol. 5 (2004), S. 227-241.
  • Hanno Hardt: Social Theories of the Press. Early German and American Perspectives. Beverly Hills: Sage 1979.
  • Hanno Hardt: Critical Communication Studies. Communication, History & Theory in America. New York: Routledge 1992.
  • Hanno Hardt: Social Theories of the Press. Constituents of Communication Research, 1840s to 1920s. Lanham: Rowman & Littlefield 2001.
  • Hanno Hardt: Ein Gegenpol zum Mainstream. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015.
  • Michael Meyen/Maria Löblich: Klassiker der Kommunikationswissenschaft in Deutschland. Fach- und Theoriegeschichte. Konstanz: UVK 2006.
  • Michael Meyen/Maria Löblich: „Ich habe dieses Fach erfunden”. Wie die Kommunikationswissenschaft an die deutschsprachigen Universitäten kam. 19 biografische Interviews. Köln: Herbert von Halem 2007.

Weblinks

Empfohlene Zitierweise

    Michael Meyen: Hanno Hardt. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015. http://blexkom.halemverlag.de/hanno-hardt/ ‎(Datum des Zugriffs).