Lehrmethoden und Lehrinhalte

Annett Sofie Schug vergleicht Journalistik-Lehrhefte aus drei Epochen und zeigt so, wie sich die Inhalte der Ausbildung in Leipzig verändert haben – weg von der Pressegeschichte, hin zu Praxis und wissenschaftlichen Methoden.


Die Leipziger Journalistik-Lehrhefte 1955/56, 1969/70 und 1984/1985

Ein Beitrag von Annett Sofie Schug

1 Einleitung

„Auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Abwicklungsbeschluss der sächsischen Staatsregierung vom 11. Dezember 1990 gibt es noch immer keine Geschichte der Journalistenausbildung in der DDR“ (Meyen/Wiedemann 2016: 214). Diese Geschichte ist deshalb besonders interessant, weil die Karl-Marx-Universität in Leipzig die einzige universitäre Journalistenausbildung der DDR anbot (Jedraszczyk 2016: 185). Für die DDR hatte dieses Studienangebot einen hohen, auch politisch wichtigen Stellenwert.

Daraus lässt sich das Forschungsinteresse der vorliegenden Arbeit ableiten: Da bis heute nahezu keine Forschung zu den Lehrinhalten des Journalistik-Studiums betrieben wurde, möchte diese Arbeit an diesem Punkt anknüpfen. Die zentrale Quelle für die Studie werden dabei die Lehrhefte der Sektion Journalistik der Karl-Marx- Universität sein. Diese Arbeit geht zuerst der Frage nach, welche grundsätzliche Bedeutung die Lehrhefte für die Journalistenausbildung hatten, und wendet sich dann einigen Lehrheften im Detail zu. Die ausgewählten Lehrhefte werden anhand der Kategorien Pressegeschichte, journalistische Praxis sowie Theorie und Methodik des Journalismus ausgewertet. Es wird folgende Frage geklärt: Wie haben sich die Inhalte und Methoden in den Lehrheften im Laufe der Zeit und angesichts personeller und struktureller Änderungen innerhalb der Sektion verändert?

2 Die Lehrhefte der Journalistik als Quelle

1946 wurde das erste Institut für Publizistik in Leipzig gegründet, 1951 wurde es nach interner Umstrukturierung und mit neuer Ausrichtung in Institut für Publizistik- und Zeitungswissenschaft umbenannt. Ziel des neugegründeten Instituts war die „Ausbildung von Diplom-Journalisten auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Pressetheorie“ (Jedraszczyk 2016: 206). 1954 wurde das Institut für Publizistik- und Zeitungswissenschaft in die neu gegründete Fakultät für Journalistik überführt. An der Fakultät war von diesem Zeitpunkt an ein vierjähriges Studium möglich, das mit dem Diplom abschloss. Im Zuge einer Reorganisation 1969 wurde die Fakultät in „Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig“ umbenannt.

Während des Bestehens der Fakultät und der Sektion Journalistik waren die Journalistik-Lehrhefte das zentrale Ausbildungsmaterial für die Studenten. Insgesamt sind zwischen 1954 und 1990 708 Lehrhefte erschienen. Diese sind heute im Studienarchiv Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig einzusehen und laden aus verschiedenen Gründen zur genaueren Betrachtung ein:

  • 1. Die Lehrmaterialien befinden sich in gutem Zustand, so dass eine Forschungsarbeit durchführbar ist.
  • 2. Die Lehrhefte stellten das zentrale Studienmaterial der Sektion Journalistik dar und sind somit von besonderer Bedeutung. Bisher wurden sie in der Forschung aber nicht untersucht.
  • 3. Bis heute gibt es „anhaltende Diskussionen um das Ausbildungskonzept“ der Leipziger Journalistik in der DDR (Meyen/Wiedemann 2016: 230). Mit einer detaillierten Analyse der Lehrmaterialien kann diese andauernde Diskussion kritisch unterfüttert werden.

Grundsätzlich sind Lehrhefte zu einer Vielzahl verschiedener Kategorien vorzufinden. Meyen spricht bei der Journalistenausbildung von einem „Dauerbasteln am Lehrprogramm“ (Meyen 2017), was ein Grund für die hohe Anzahl der herausgegebenen Lehrhefte sein mag. Als zentrale Studienschwerpunkte benennt Meyen (2017) die vier Themenbereiche „Marxismus-Leninismus, Pressegeschichte, deutsche Sprache und Literatur, Praxis“.

Wolfgang Rödel (ganz links), Karl-Heinz Röhr (dritter von links), Peter Hamann, Dieter Weihrauch (beide neben Röhr), Siegfried Schmidt (zwischen Hamann und Weihrauch). (Quelle: Privatarchiv Michael Meyen)

Ein Gespräch mit dem Zeitzeugen Karl-Heinz Röhr unterstreicht die zentrale Bedeutung der Quelle. So bezeichnet Röhr die Lehrhefte als „eigentlichen Schatz all unserer Inhalte in Lehre und Forschung“ (E-Mail vom 20. Februar 2018). Des Weiteren bestätigt er, dass die Lehrhefte die Lehrbücher, die zu dieser Zeit kaum bzw. nicht vorhanden waren, ersetzt haben. Durch die Etablierung des Fernstudiums und die vielen journalistischen Quereinsteiger waren die Lehrhefte als Ausbildungsmaterial besonders wichtig. Röhr verweist dabei auf die Studienpläne der Journalistik, in denen jeweils Angaben zu den entsprechenden Lehrheften gemacht wurden. Das Selbststudium der Hefte war für die Studenten somit obligatorisch.

3 Untersuchungsdesign

Um die Forschungsfrage zu beantworten, werden ausgewählte Lehrhefte in unterschiedlichen Zeiträumen genauer analysiert. Eine Gesamtbetrachtung aller 708 Hefte kann nur eine größer angelegte Forschung in den kommenden Jahren leisten. In dieser Arbeit sind für die Analyse folgende Zeiträume ausgewählt worden: 1955 bis 1956, 1969 bis 1970 und 1984 bis 1985. Für die Auswahl lassen sich folgende strukturelle und personelle Gründe nennen: Die Jahre 1955 und 1956 stellen die Anfangsjahre der neugegründeten Fakultät für Journalistik unter Dekan Hermann Budzislawski dar. Personell gesehen kann diese Phase als Professorengeneration der „Gründer“ (Meyen und Wiedemann 2016: 229) betrachtet werden. Charakteristisch für diese Professorengeneration ist ihre fehlende akademische Ausbildung, die jedoch durch „Fähigkeiten und das Ansehen in der Praxis“ ersetzt wurde (ebd.: 225). Strukturell bzw. auf die Lehrinhalte bezogen stand zu dieser Zeit „weniger die Vermittlung von journalistischen Praxiskenntnissen oder die wissenschaftliche Reflexion darüber, sondern vielmehr die Ausbildung von vielseitig verwendbaren und umfassend im Sinne der Staatsideologie geschulten Kadern“ im Vordergrund (Siemens/Schemmert 2014).

Als zweiter Zeitraum wurden die Jahre 1969 bis 1970 ausgewählt. Der wichtigste Grund für ist die Reorganisation. Nicht nur die Umbenennung in „Sektion Journalistik“, sondern auch einige personelle und strukturelle Veränderungen prägen diese Zeit. Als erster Sektionsdirektor wurde Emil Dusiska berufen, der nach Meyen und Wiedemann (2016: 229) ebenfalls der Gründergeneration zugeordnet wird. Ein weiterer struktureller Grund ist die Einführung des Übungssystems 1969, das unter einer neuen Professorenschaft und Dekan Emil Dusiska entstanden ist (ebd.: 231). Zu dieser neuen Form der Lehre sind einige Lehrhefte bzw. Übungshefte erschienen.

Die Auswahl des letzten Zeitraums 1984 bis 1985 lässt sich personell mit der dritten Professorengeneration der „Eigengewächse“ begründen und der Zeitraum steht stellvertretend für die letzten Jahre des Journalistik-Studiums (ebd.: 229). Als besonderes Merkmal dieser Professorengeneration halten Meyen und Wiedemann die formale Qualifikation für die Professoren-Position fest, was bei vorherigen Professoren zumeist nicht gegeben war. Michael Meyen stellt diesen Zeitraum trotz der wissenschaftlichen Qualifikation der neuen Generation unter die Überschrift „Isolation der DDR-Journalistik“ (Meyen 2017), da sie sich in den 1980er-Jahren von internationalen Entwicklungen in der Wissenschaft abkoppelte.

Nach Eingrenzung der Zeiträume ergibt sich eine Gesamtanzahl von 122 Heften, die sich wie folgt verteilen: 37 Hefte (1955), 29 (1956), 16 (1969), 7 (1970), 14 (1984) und 19 Hefte von 1985.

Analysegegenstand
Es war notwendig, aus diesen 122 Heften eine weitere Auswahl zu bilden. Dazu wurden die Hefte zunächst kategorisiert. Die Auswahl der inhaltlichen Kategorien orientiert sich dabei an der allgemeinen Organisationsstruktur der Fakultät wie sie von Koenen (2016: 281) beschrieben wird: „Pressegeschichte, Theorie und Praxis der Pressearbeit, Literarische Publizistik und Stilistik sowie Rundfunk- und Fernsehjournalistik“. Daraus abgeleitet wurden für die Lehrhefte folgende Kategorien gebildet:

  • 1. Pressegeschichte: Im Lehrheft wird die deutsche Geschichte sowie die Geschichte der deutschen Presse bis zur Gründung der DDR im Jahr 1949 bzw. der Zeit danach behandelt. Es werden dabei verschiedene historisch bedeutende Epochen und die Entwicklung der Presse in diesen Zeiträumen, dargestellt.
  • 2. Praxis der journalistischen Arbeit: Im Lehrheft werden praktische Anleitungen zur journalistischen Arbeit gegeben. Einzelne journalistische Textsorten werden dabei anhand von Beispielen für die praktische Arbeit erläutert.
  • 3. Theorie und Methodik des Journalismus: Im Lehrheft werden theoretische und methodische Grundlagen des Journalismus erläutert. Ebenso werden hierbei stilistische und sprachliche Mittel theoretisch erläutert. In Abgrenzung zur Kategorie der Praxis werden hierbei Methoden des Journalismus als Ganzes vermittelt.

Wendet man diese Kategorien auf die 122 ausgewählten Lehrhefte an, ergibt sich folgende Aufteilung:

  • 1955/56: 31 Hefte zur Pressegeschichte, 7 zur Praxis der journalistischen Arbeit, 25 zur Theorie und Methodik des Journalismus
  • 1955/56: 1969/70: 7 Hefte zur Pressegeschichte, 10 zur Praxis der journalistischen Arbeit, 8 zur Theorie und Methodik des Journalismus
  • 1984/85: 3 Hefte zur Pressegeschichte, 20 zur Praxis der journalistischen Arbeit, 11 zur Theorie und Methodik des Journalismus.

Um eine weitergehende Auswahl bilden zu können, wurde aus jedem Bereich und für jedes Jahr je ein exemplarisches, inhaltlich prägnantes Lehrheft ausgewählt. Somit ergibt sich insgesamt eine Zahl von neun Heften, die im genauer analysiert werden:

  • Pressegeschichte 1955/56: Die deutsche Presse von der Zerschlagung des Naziregimes bis zur 2. Parteikonferenz der SED (1945 bis 1952)
  • Praxis 1955/56: Die Reportage in der demokratischen Presse
  • Theorie und Methodik 1955/56: Die Partei und Fragen der Literatursprache
  • Pressegeschichte 1969/70: Karl Marx und Friedrich Engels als Journalisten
  • Praxis 1969/70: Fernsehjournalistische Gestaltungsmittel
  • Theorie und Methodik 1969/70: Methodik der journalistischen Arbeit
  • Pressegeschichte 1984/85: Zeittafel zur Geschichte des DDR-Journalismus 1961-1981
  • Praxis 1984/85: Bildjournalistische Genres der Tageszeitung
  • Theorie und Methodik 1984/85: Journalismus in arabischen Ländern

Hypothesen

  • Hypothese 1: Die Lehrhefte haben sich parallel zu den personellen und strukturellen Veränderungen innerhalb der Sektion entwickelt.
  • Hypothese 2: Neue Professorengenerationen bzw. Sektionsleiter bedingen Veränderungen in den Lehrheften.
  • Hypothese 3: Im Laufe der Jahre ist eine stärkere Praxisorientierung der Lehrhefte erkennbar.
  • Hypothese 4: Pressegeschichte nimmt im Laufe der Jahre als Schwerpunkt ab, wohingegen journalistische Praxis und Methodik als Schwerpunkte zunehmen.
4 Lehrhefte von 1955 und 1956

Wie bereits beschrieben, ergibt sich für die Jahre 1955 und 1956 folgende Verteilung der Lehrinhalte: 31 Hefte zur Pressegeschichte, sieben Hefte zur Praxis der journalistischen Arbeit, 25 Hefte zur Theorie und Methodik des Journalismus. Ein Großteil der Lehrhefte entfällt also auf den Bereich der Pressegeschichte. Besonders der Vergleich mit der sehr geringen Anzahl an Heften zur Praxis der journalistischen Arbeit zeigt, welcher Schwerpunkt zu dieser Zeit dominierte. Dies stimmt auch mit den Aussagen Karl-Heinz Röhrs überein, der beschreibt, dass es „unter Budzislawski eine Dominanz der Pressegeschichte gab“ (E-Mail vom 20. Februar 2018). Auch Klaus Preisigke, der 1961 sein Studium begann, gibt an, dass das Studium „mit Pressegeschichte überfrachtet“ war (Meyen/Wiedemann 2016: 231).

Siegfried Schmidt, Harry Grannich, Heinrich Bruhn (von links). (Quelle: Privatarchiv Michael Meyen)

Als eine Begründung für diesen Schwerpunkt kann die fehlende akademische Ausbildung der Professorengeneration der Gründer genannt werden. Auffällig ist ebenfalls, dass die Lehrhefte aus dem Bereich Theorie und Methodik nicht Methodentheorie, wie sie auch heute gelehrt wird, behandelten. Vielmehr standen bei diesen Heften die deutsche Sprach- und Stillehre oder die Darstellung einzelner Wortgruppen im Vordergrund. Diese Schwerpunktsetzung und das Fehlen von Anleitungen zum wissenschaftlichen Arbeiten können durch die fehlende akademische Ausbildung der Professoren erklärt werden, die zu dieser Zeit als „Persönlichkeiten mit einer bestimmten Lebensleistung“ in ihr Amt gekommen waren (ebd.: 228). Zudem ist offensichtlich, dass die Hefte zur Methode und Theorie in einigen Fällen stark der Ideologie der SED verpflichtet waren. Dies zeigen exemplarisch Titel wie „Die Arbeit der sozialistischen Presse mit den Massen“ oder „Die Partei und Fragen der Literatursprache“. Siemens und Schemmert (2014) betonen ebenfalls die Praxisferne in den 1950er-Jahren. So stand damals „weniger die Vermittlung von journalistischen Praxiskenntnissen oder die wissenschaftliche Reflexion darüber“ im Vordergrund, sondern vielmehr „die Ausbildung von vielseitig verwendbaren und umfassend im Sinne der Staatsideologie geschulten Kadern“.

Exemplarisches Lehrheft zur Pressegeschichte
Da insgesamt 31 Lehrhefte auf den Schwerpunkt Pressegeschichte entfallen, war eine weitere Materialeingrenzung notwendig. Als exemplarisches Lehrheft aus diesem Bereich wurde das Lehrheft mit dem Titel „Die deutsche Presse von der Zerschlagung des Naziregimes bis zur 2. Parteikonferenz der SED (1945 bis 1952)“ gewählt. Es wird als „Abschluss des gesamten Studiums der Pressegeschichte“ (S. 101) bezeichnet und hatte somit einen besonderen Stellenwert inne. Das Lehrheft, das 1956 erschienen ist, wird als sogenannter „Lehrbrief“ bezeichnet.

Die Wahl des Jahres 1952 als Schlusspunkt wird im Vorwort ausführlich begründet, wohl nicht zuletzt, weil sich ein solcher Einschnitt nicht sofort und schon gar nicht mit Blick auf die Bundesrepublik Deutschland oder auf die Mediengeschichte begründen ließ. Die Autoren argumentieren, das Jahr 1952 stelle einen „historischen Einschnitt dar“ (S. 3), da in diesem Jahr mit der zweiten Parteikonferenz der SED der Aufbau des Sozialismus in der DDR festgesetzt wurde. Die Bedeutung des Jahres 1952 für die Verfasser wird nochmals in der Aussage, dass dieses Jahr „als Abschluss der gesamten deutschen Pressegeschichte“ (S. 3) gilt, deutlich.

Das Lehrheft gliedert sich in drei Kapitel, von denen sich das erste Kapitel mit den Grundlagen der neuen deutschen Presse befasst, das zweite Kapitel mit der Entwicklung der Presse in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR sowie das dritte Kapitel mit der Entwicklung der Presse in Westdeutschland. Auffällig ist hierbei die Gewichtung der Inhalte. Während auf das zweite Kapitel 49 Seiten entfallen, fällt das dritte Kapitel mit einem Umfang von 23 Seiten deutlich knapper aus. Es zeigt sich somit bereits an dieser Stelle, dass der Pressegeschichte in der DDR ein großer Stellenwert für die Geschichte der gesamtdeutschen Presse eingeräumt wird. Der allgemein gehaltene Titel „Geschichte der deutschen Presse“ lässt diese Gewichtung zunächst nicht vermuten. Besonders auffällig ist dabei die Darstellung des DDR-Pressewesens im Kapitel „Überblick über die Tagespresse der Deutschen Demokratischen Republik“ im Vergleich zur Darstellung des Pressewesens der Bundesrepublik „Die Entwicklung der westdeutschen Presse in den Jahren 1951 und 1952“. So wird das damalige Pressewesen der DDR als besonders vielseitig beschrieben, was an der Anzahl an 39 Tageszeitungen und 33 Wochenzeitungen und zahlreichen Betriebszeitungen festgemacht wird.

In den anschließenden Kapiteln zur DDR-Presse wird in einzelnen Abschnitten die Presse der SED, die Presse der Massenorganisationen, die parteilose Tagespresse sowie die Presse der bürgerlich-demokratischen Parteien und der Bauernpartei beschrieben. Interessant ist auch die Tatsache, dass zu dieser Zeit nur insgesamt zwei parteilose Zeitungen in der DDR erschienen, was verdeutlicht, wie stark das damalige Pressewesen mit der Partei verbunden war. Des Weiteren wird auch erwähnt, dass „Mitglieder und Funktionäre [der Partei] aktive Mitarbeiter der Presse sind“ (S. 51). In der Zusammenfassung des Kapitels wird die Presse der DDR nochmals in allen vermeintlichen Vorzügen dargestellt. So unterscheide sich die DDR-Presse in ihrem grundsätzlichen Charakter von der Presse, die in Westdeutschland vorzufinden sei. In Bezug auf die Pressegeschichte wird festgehalten, dass „sich in der Deutschen Demokratischen Republik eine Presse entwickelt hat, die auf der Grundlage der materiellen Pressefreiheit die wirklichen Interessen des Volkes wahrnimmt“ (S. 62).

Das Kapitel zur Presse in Westdeutschland behandelt dann auch eine ganze „Reihe weiterer Probleme“ (ebd.). So wird beispielsweise die Süddeutsche Zeitung stark kritisiert. Die erschienenen Korrespondenzartikel seien „nicht besonders tief, aber befriedigen das Unterhaltungsbedürfnis des Lesers“ (S. 92). Der starke Einfluss auf die westdeutsche Bevölkerung, der der Zeitung zugeschrieben wird, werde „dazu missbraucht, die Bevölkerung […] mit antisowjetischen Hetzartikeln zu füttern“ (ebd.). Ebenfalls stark kritisiert wird der Generalanzeiger der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Die Zeitung sei „noch niveauärmer geworden als in der Weimarer Republik“ (S. 93). In der Zusammenfassung wird dann noch einmal das Thema der „Probleme“ der westdeutschen Presse aufgenommen und den Errungenschaften der DDR-Presse gegenübergestellt. So sei im Gegensatz zur DDR die materielle Pressefreiheit nicht geschaffen worden, Zeitungen seien unterdrückt durch die Regierung und handelten insgesamt gegen die Interessen des Volkes (S. 101).

Die aufgeführten Aspekte stellen nur einen Ausschnitt der starken Kritik, die am gesamten westdeutschen Pressewesen und dessen Entwicklung geübt wird, dar. Die Analyse des Vergleichs der beiden Pressewesen hat gezeigt, dass das Lehrheft nach Meinung der Verfasserin grundsätzlich kritisch angesehen werden muss. Denn es ist fraglich, welchen Mehrwert die scharfe Kritik im Lehrheft den Studenten der Journalistik bringt. Eine eigene Meinungsbildung über das deutsche Pressewesen scheint durch solche Schriften nahezu unmöglich.

Exemplarisches Lehrheft zur Praxis der journalistischen Arbeit
Die Verteilung der Lehrhefte von 1955/56 zeigt bereits, dass der Bereich der journalistischen Praxis mit lediglich sieben Lehrheften den kleinsten Teilbereich darstellt. Als exemplarisches Lehrheft wurde das Heft mit dem Titel „Theorie und Praxis der Pressearbeit. Die Reportage in der demokratischen Presse“ ausgewählt. Im Vergleich zum vorher beschriebenen Lehrheft der Pressegeschichte zeigt bereits der Gesamtumfang der beiden Hefte ihren unterschiedlichen Stellenwert. Während das Heft zur Pressegeschichte insgesamt 108 Seiten umfasst, fällt der Umfang des Praxisheftes mit 53 Seiten deutlich geringer aus.

Generell kann festgehalten werden, dass die Verfasser der künstlerisch-literarischen Reportage eine hohe Bedeutung zuschreiben, da sich das Genre „einen festen Platz erobert“ habe und sich nun auch „in den Bezirksorganen der demokratischen Presse stärker durchsetze“ (S. 3). Diese Aussage zeigt die starke Orientierung an der Partei, der im gesamten Lehrheft vorhanden ist. Weitere deutliche Beispiele finden sich auch im Kapitel zu den Merkmalen der Reportage. So sei es für den Autor einer Reportage wichtig, „alle Erscheinungen vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus zu betrachten“ und Zusammenhänge und Tatsachen „parteilich zu erklären“ (S. 15). Ein weiteres Indiz für die ausgeprägte Orientierung an politischen Vorgaben sind die Praxisbeispiele, die im Lehrheft gegeben werden. Diese stammen in einigen Fällen aus der Sowjetpresse und dort erschienenen Heften. Auch die Ausführungen zur Sprache und Stilistik der Reportage haben stets Parteibezug, wie die Aussage verdeutlicht, dass eine Reportage neben „Kürze und Prägnanz, kämpferische Parteilichkeit und gleichzeitig Schlichtheit“ benötige (S. 23).

Eine weitere Auffälligkeit, die besonders im Praxisheft ins Auge fällt, ist die unübersichtliche Gestaltung des Lehrheftes sowie die fehlende Vermittlung der Inhalte und deren Übertragung auf die Praxis. So werden im gesamten Heft keine konkreten Anleitungen zum Reportage-Schreiben gegeben, sondern in langen Abhandlungen theoretische Grundlagen und historische Entwicklungen der Reportage erläutert. Diese werden mit Beispielen, die meist aus der Sowjetpresse stammen, unterlegt. Besonders die Zusammenfassung auf den letzten beiden Seiten erinnert mehr an ein Schulbuch als an ein Praxisheft für angehende Journalisten. Denn hier werden zu jedem Abschnitt des Lehrhefts Kontrollfragen gestellt und konkrete Anweisungen zum Studieren des Heftes gegeben. Einige Kontrollfragen, wie beispielsweise die Frage „Auf welche Art kann die Reportage zur Verwirklichung der Rolle der Presse als kollektiver Organisator, Agitator und Propagandist beitragen?“ (S. 51), zeigen nochmals die starke politische Orientierung des Heftes.

Exemplarisches Lehrheft zur Theorie und Methodik des Journalismus
Als exemplarisches Lehrheft zur Theorie und Methodik wurde das Heft mit dem Titel „Deutsche Sprach- und Stillehre. Die Partei und Fragen der Literatursprache“ gewählt. Grund dafür ist die allgemeine Dominanz der Sprach- und Stillehre im Bereich der journalistischen Theorie und Methodik. So entfällt ein Großteil der Hefte dieser Kategorie auf den Bereich der Stilistik der deutschen Sprache.

Während das Praxisheft nur 53 Seiten umfasst, fällt dieses Heft mit 80 Seiten wieder deutlich umfangreicher aus. Es handelt sich bei diesem exemplarischen Lehrheft um kein gewöhnliches, sondern um eine Übersetzung einer Arbeit von Dementjew, die in der sowjetischen Zeitschrift Neue Welt im Jahr 1954 erschienen ist. Als Begründung wird im Vorwort angegeben, dass Dementjews Ausführungen „einen wertvollen Beitrag zur Klärung der Fragen über Sprache und Stil“ leisten (S. 3). Zudem zeige die Arbeit „den beharrlichen Kampf der Kommunistischen Partei der Sowjetunion um Reinheit, Klarheit und Volkstümlichkeit der russischen Literatursprache“ (ebd.).

Zuerst wird das Wesen der Sprache definiert und dabei auf Lenin verwiesen. So sei es notwendig, eine allgemeingültige Nationalsprache zu entwickeln, die „allen Mitgliedern der Gesellschaft, unabhängig von ihrer Klassenlage, dient“ (S. 5). Im Verlauf der weiteren Kapitel werden alle Wortarten und Stilmittel auf Basis des Marxismus-Leninismus definiert und ihre Anwendung beschrieben. Über allen Ausführungen steht die Sorge um den Verlust der Sprache. Hierbei fällt besonders stark die Orientierung an der Ideologie des Marxismus-Leninismus aus. Als Grund für den starken Parteibezug kann, hier und zuvor, die allgemeine Situation der Wissenschaft in der DDR genannt werden. So sei die Wissenschaft in der DDR zu keinem Zeitpunkt autonom gewesen, sondern „immer dem Primat der Politik untergeordnet“ (Meyen/Wiedemann 2016: 224).

Insgesamt muss jedoch festgehalten werden, dass das Lehrheft aus heutiger Sicht kaum noch analysierbar ist, da es eine bloße Aneinanderreihung von Fakten und Zitaten darstellt. Welchen Mehrwert ein solches Lehrheft den angehenden Journalisten für ihre spätere Praxisarbeit bringen soll, ist nach Meinung der Verfasserin kaum zu erkennen. Dieses Beispiel kann exemplarisch für die fehlende Ausbildung des journalistischen Handwerks stehen, an deren Stelle die Vermittlung politischer Inhalte tritt.

Thesen zu den Lehrheften aus den Jahren 1955/56
Die Analyse exemplarischer Lehrhefte von 1955/56 hat folgende Ergebnisse erbracht:
1. In den Jahren 1955/56 ist in allen Lehrheften eine starke Orientierung an den politischen Vorgaben der SED erkennbar. Die Ausbildung journalistischer Kenntnisse und Fähigkeiten rückt in den Hintergrund.
2. Die Gestaltung der Lehrhefte erinnert an Schulbücher. Wie die Übertragung der Inhalte auf die spätere journalistische Arbeit gelingen soll, ist oftmals nicht ersichtlich.
3. Pressegeschichte nimmt den größten Lehrbereich dieser Jahre ein.
4. Der Umfang der Lehrhefte zur Pressegeschichte und Theorie und Methodik unterscheidet sich deutlich vom Umfang der Praxishefte.

5 Lehrhefte von 1969 und 1970

Für den zweiten Zeitraum ergibt sich folgende Verteilung: 7 Hefte zur Pressegeschichte, 10 Hefte zur Praxis der journalistischen Arbeit, 8 Hefte zur Theorie und Methodik des Journalismus. Zunächst wird ersichtlich, dass in den beiden Jahren mit insgesamt 25 vergleichsweise wenige Lehrhefte erschienen sind. In den 1950er-Jahren sind allein mehr Hefte zur Pressegeschichte erschienen als insgesamt in den Jahren 1969/70. Als Grund könnte die Reorganisation der Fakultät genannt werden. Durch die Reorganisation sollte ein neues System entwickelt werden, das sogenannte „journalistische Übungssystem“. Meyen und Wiedemann (2016) betonen, dass die Entwicklung einige Zeit gebraucht habe.

Exemplarisches Lehrheft zur Pressegeschichte
Insgesamt sind im Jahr 1969/70 nur sieben Hefte zur Pressegeschichte erschienen, was einen deutlichen Unterschied zu 1955/56 mit 31 Heften darstellt. Als exemplarisches Lehrheft wurde das Heft mit dem Titel „Karl Marx und Friedrich Engels als Journalisten“ gewählt. Dieses Lehrheft, das 1970 erschienen ist, erinnert anlässlich des 150. Geburtstag von Karl Marx an das journalistisches Schaffe von Marx und Engels. Interessant und neuartig ist die Erarbeitung der Inhalte. Sie geht auf Diplomarbeiten oder Analysen von Studenten des zweiten Studienjahres zurück. Die Beiträge im Heft sind namentlich gekennzeichnet. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund hervorzuheben, dass in den oben betrachteten Lehrheften Arbeiten der Studenten keine Rolle spielten. Jedes der vier umfangreichen Kapitel behandelt einen anderen Aspekt der journalistischen Tätigkeit von Karl Marx und Friedrich Engels. Nach welchen Kriterien die Diplomarbeiten für den Sammelband ausgewählt wurden, ist allerdings nicht ersichtlich. Möglicherweise kann die neue Art des Lehrheftes mit der neuen Professorengeneration und der generellen Umstrukturierung der Sektion begründet werden. Erwähnt werden muss außerdem der Aufbau des Lehrheftes, der deutlich übersichtlicher gestaltet ist als es noch in den vorherigen Heften der Fall war. Zitate wurden in den Fließtext eingebaut und einzelne Kapitel sind deutlich voneinander abgegrenzt. Es lässt sich somit sowohl in der Art des Lehrhefts als auch in seiner Gestaltung eine deutliche Veränderung zum Lehrheft der Pressegeschichte von 1955/56 wahrnehmen. Hypothese 2 („Neue Professorengenerationen bzw. Sektionsleiter bedingen Veränderungen in den Lehrheften“) trifft somit in dieser Hinsicht zu.

Exemplarisches Lehrheft zur Praxis der journalistischen Arbeit
Insgesamt können 10 Hefte von 1969/70 der Kategorie „Praxis der journalistischen Arbeit“ zugeordnet werden. Bemerkenswert ist dabei, dass dieser Kategorie mehr Hefte gewidmet werden als der Kategorie „Pressegeschichte“. Dies war im Zeitraum 1955/56 umgekehrt. Die Hypothesen 3 („Im Laufe der Jahre ist eine stärkere Praxisorientierung der Lehrhefte erkennbar“) und 4 („Pressegeschichte nimmt im Laufe der Jahre als Schwerpunkt ab, wohingegen journalistische Praxis und Methodik als Schwerpunkte zunehmen“) können somit vorerst bestätigt werden.

Als exemplarisches Lehrheft wurde das Heft mit dem Titel „Fernsehjournalistische Gestaltungsmittel. Gesprochenes Wort/Geräusch/Musik“ von 1969 ausgewählt (Autor: Robert Michel). Hervorzuheben ist dabei die Thematik des Fernsehjournalismus, die im vorherigen Zeitraum nicht vorzufinden ist. Dies hat sicher mit dem Siegeszug des Fernsehen zu tun und mit der Einführung eines zweiten Programms in der DDR zum 20. Republikgeburtstag. In der Einleitung des Lehrhefts wird angegeben, dass dieses in Vorbereitung auf ein Lehrbuch der sozialistischen Fernsehjournalistik erschienen sei und noch „Experimentalcharakter“ trage (S. 3).

Erwähnenswert ist auch die Gestaltung des Lehrhefts, die sich deutlich von den vorherigen Lehrheften abhebt. So erscheint das gesamte Layout moderner, was bereits die farbliche und typografische Gestaltung der Vorderseite zeigt. Vorherige Hefte erschienen durchwegs in schlechterer Qualität und ohne farbliche Akzente. Auch der Umfang des Lehrhefts von 166 Seiten – im Vergleich zu 53 Seiten von 1955/56 – kann als ein Indiz für die Bedeutungszunahme des praktischen Bereichs gesehen werden.

Im Inhalt kann ebenfalls ein Unterschied zum älteren Praxisheft festgestellt werden. Während beim Praxisheft von 1955/56 weniger praktische Anleitungen, sondern historische Entwicklungen und theoretische Grundlagen erläutert wurden, erfahren Studenten im Lehrheft von 1969 konkrete Anweisungen für die Praxis der Fernsehjournalistik. Am Ende der einzelnen Kapitel findet sich eine übersichtliche Zusammenfassung oder eine Zusammenstellung der wichtigsten Regeln. Auch in diesem Lehrheft ist eine Orientierung an der Politik erkennbar, wenn auch in geringerem Maße als im vorherigen Heft. So wird beispielsweise die Musik als fernsehjournalistisches Gestaltungsmittel angepriesen, das „ein wertvolles Mittel parteilicher Wertung und Stellungnahme im Kampf für den gesellschaftlichen Fortschritt“ sei (S. 42). Ähnliche Beispiele, die wenig zur journalistischen Ausbildung beitragen, aber den Parteistandpunkt mitteilen, lassen sich über das gesamte Lehrheft verteilt finden.

Exemplarisches Lehrheft zur Theorie und Methodik des Journalismus
Als Beispiel für die Vermittlung der Theorie und Methodik des Journalismus wurde das 1970 erschienene Heft „Methodik der journalistischen Arbeit“ gewählt. Grund dafür ist die Beschreibung des Heftes als „Übungsbuch“, welches begleitend zum seit 1969 bestehenden Übungssystem erschienen ist. Herausgeber des Heftes ist Emil Dusiska, die Gesamtleitung hatte Karl-Heinz Röhr. Das Heft ist in verschiedene Übungsteile untergliedert, an die sich einzelne Aufgaben anschließen. Thematisch schließen sich die Übungsteile an die theoretische Behandlung des Stoffes, wie sie in den Lehrveranstaltungen stattfindet, an. Zu Beginn werden konkrete Benutzungshinweise gegeben sowie ein Punktesystem, an dem sich die Notenvergabe orientiert. Insgesamt erinnern der Aufbau und die einzelnen Übungseinheiten stark an ein Schulbuch. Zwar stellt die Übungsform des Lehrhefts eine Neuerung dar, die Vermittlung des Stoffes sowie die Gestaltung des Lehrheftes erinnern jedoch an das Schulungskonzept, wie es sie schon 1955/56 finden ließ. Somit kann Hypothese 1 („Die Lehrhefte haben sich parallel zu den personellen und strukturellen Veränderungen innerhalb der Sektion entwickelt“) zwar angenommen werden, da es sich um eine grundlegende Veränderung des Lehrsystems handelt. Hypothese 2 („Neue Professorengenerationen bzw. Sektionsleiter bedingen Veränderungen in den Lehrheften“) kann jedoch nur bedingt angenommen werden, da sich zwar das System verändert hat, die Vermittlung der Inhalte, die immer noch stark an ein Schulbuch erinnert, jedoch nicht.

Thesen zu den Lehrheften der Jahre 1969/70
1. Pressegeschichte rückt als Schwerpunkt in den Hintergrund, hingegen erscheinen 1969/70 vermehrt Hefte zur journalistischen Praxis.
2. Die Lehrhefte haben sich in ihrer Gestaltungsform verändert.
3. Es kommen neue Schwerpunkte der Lehre, wie beispielsweise die Fernsehjournalistik, hinzu. Erstmals lassen sich in den Heften damit auch methodische Einführungen finden.
4. Das Übungssystem von 1969 bedingt zwar einen Wandel der Lehrhefte, jedoch erinnert die Vermittlung der Inhalte weiterhin stark an die bekannten Konzepte.
5. Es ist weiterhin, wenn auch in abgeschwächter Form, eine Orientierung an den politischen Vorgaben in den Lehrheften erkennbar.

6 Lehrhefte von 1984 und 1985

Die Lehrhefte dieser Zeit verteilen sich wie folgt: 3 Hefte zur Pressegeschichte, 20 Hefte zur Praxis der journalistischen Arbeit, 11 Hefte zur Theorie und Methodik des Journalismus. Mit insgesamt 34 Heften liegt dieser Zeitraum zwischen der großen Anzahl von Lehrheften in den Jahren 1955/56 und der geringen Anzahl 1969/70. Der ausgewählte Zeitraum steht exemplarisch für die letzten Jahre der Sektion Journalistik sowie die Professorengeneration der „Eigengewächse“ nach Meyen/Wiedemann (2016: 231), die als erste Generation die formalen Voraussetzungen für die Professorenposition besitzen. Auf den „Parteisoldaten“ Dusiska folgte Gerhard Fuchs, der ein weniger hartes Regiment geführt haben soll. Meyen und Wiedemann (2016: 235) sprechen von einer Isolation, die in den 1980er-Jahren eingetreten sei.

Exemplarisches Lehrheft zur Pressegeschichte

Siegfried Schmidt, Frank Stader und Werner Bramke (von links) 2009 am Grab von Bruno Schoenlank (Foto: Jürgen Schlimper)

Die Verteilung der Lehrhefte zeigt bereits, dass nur wenige Hefte zum Thema „Pressegeschichte“ erschienen sind. Somit kann die Hypothese 4 („Pressegeschichte nimmt im Laufe der Jahre als Schwerpunkt ab, wohingegen journalistische Praxis und Methodik als Schwerpunkte zunehmen“) bestätigt werden, da der Großteil der Lehrhefte auf den Bereich der journalistischen Praxis entfällt. Als exemplarisches Lehrheft zur Pressegeschichte wurde das Heft mit dem Titel „Zeittafel zur Geschichte des DDR-Journalismus 1961-1981“ gewählt. Das 1985 erschienene Heft knüpft an eine frühere Zeittafel an und stellt die erste geschlossene Chronik aller journalistischen Entwicklungen in der DDR dar. Sie soll den Studenten der Journalistik als Nachschlagewerk und als Ergänzung zum gesamten Gegenstand der Pressegeschichte dienen. Auffällig ist die reine Aneinanderreihung von stichpunktartigen Fakten, die chronologisch geordnet sind. Eine solche Darstellung ließ sich zuvor nicht finden und stellt somit eine Neuerung dar. Inhaltlich erscheint das vorliegende wenig bemerkenswert, da es sich um eine reine Aufzählung handelt.

Exemplarisches Lehrheft zur Praxis der journalistischen Arbeit
Wie sich bereits 1969/1970 andeutete, beansprucht in den 1980er-Jahren in der Vermittlung nicht mehr die Pressegeschichte, sondern die journalistische Praxis die größte Aufmerksamkeit. Als exemplarisches Lehrheft wurde der Titel „Bildjournalistische Genres der Tageszeitung. Bildnachricht, Bildbetrachtung, Bildbericht“ gewählt. Erwähnenswert ist die Thematik des Bildjournalismus, die 1984/85 zum ersten Mal auftritt. Bei diesem Heft handelt es sich um ein journalistisches Übungsbuch. Solche Übungsbücher waren seit der oben erwähnten Reorganisation der Fakultät Ende der 1960er-Jahre Teil des Übungssystems. Die Einführung galt als Erfolg; aus Sicht der Autoren hatten sich „die vorliegenden Übungsmodelle seit einigen Jahren gut bewährt“ (S. 5).

Hervorzuheben ist bei diesem Heft der starke Praxisbezug, der sich in zahlreichen Bildbeispielen zeigt. Anhand dieser können die Studenten selbstständig Beispielaufgaben bearbeiten, die anschließend anhand eines Punktesystems bewertet werden. Dieses Bewertungssystem fand bereits im oben beschriebenen Praxisheft von 1969/70 Verwendung, scheint sich also wie überhaupt der starke Praxisbezug bewährt zu haben. Im Übungsheft finden sich außerdem konkrete Anweisungen für die praktische Arbeit, die in dieser ausführlichen Form in früheren Heften nicht zu finden sind. Dieser Aspekt bestätigt nochmals Hypothese 3. Die teils neue Ausrichtung der Lehrhefte hinsichtlich Thematik und Vermittlungsweise der Inhalte kann personell gesehen auch auf die Professorengeneration der „Eigengewächse“ zurückgeführt werden und auf die Leitung der Sektion unter Gerhard Fuchs (Hypothese 2)

Exemplarisches Lehrheft zur Theorie und Methodik des Journalismus
Als exemplarisches Lehrheft für diesen Bereich wurde das Heft mit dem Titel „Journalismus in arabischen Ländern“ ausgewählt. Bei diesem Heft sind mehrere Aspekte neu: zum einen der Blick in die arabischen Länder, zum anderen die Arbeit mit vergleichenden Analysen von Veröffentlichungen in kapitalistischen und sozialistischen Ländern. Damit eröffnet dieser Band neue Horizonte, da er nicht in der binären Gegenüberstellung mit dem Journalismus der Bundesrepublik Deutschland verhaftet bleibt, sondern auch andere Weltgegenden miteinbezieht, wobei aber natürlich auch hier der Systemkonflikt im Mittelpunkt steht. Methodisch kann der Band zumindest einen Akzent setzen, da der Vergleich als mögliches Verfahren beispielhaft angewendet wird. Zuletzt ist auch noch hervorzuheben, dass es sich bei dem Lehrheft um einen Sammelband handelt, dessen Autoren meist aus der Praxis kommen. Ein Beispiel hierfür ist der Beitrag von Regina Mai, die als Diplomjournalistin arbeitet.

Thesen zu den Lehrheften der Jahre 1984/85
1. Pressegeschichte nimmt nur noch einen sehr kleinen Bereich ein, besonders die journalistische Praxis nimmt an Bedeutung zu.
2. Die Lehrhefte unterscheiden sich in ihrer methodischen Herangehensweise sowie in ihrer Publikationsform (z.B. Sammelband).
3. Es kommen neue Schwerpunkte der Lehre hinzu, wie beispielsweise Bildjournalismus oder der Journalismus in anderen Ländern.
4. Lehrhefte zur Pressegeschichte dienen nur noch als Nachschlagewerk und zeigen eine reine Faktendarstellung.

7 Zusammenfassung

Die Analyse der Lehrhefte in verschiedenen Zeiträumen hat einige Veränderungen gezeigt. Grundsätzlich kann von einem Wandel innerhalb der Lehrhefte, ihren Methoden und Inhalten gesprochen werden. Die Forschungsfrage, wie sich die Inhalte und Methoden in den Lehrheften im Laufe der Zeit und angesichts personeller und struktureller Änderungen innerhalb der Sektion verändert haben, konnte beantwortet werden. Bei den Inhalten lässt sich eine deutliche Entwicklung feststellen: Während 1955/56 Pressegeschichte den größten Lehrbereich darstellt, ändert sich dies im Laufe der Jahre und die historische Perspektive auf den Gegenstand „Presse“ rückt schließlich im Zeitraum 1984/85 gänzlich in den Hintergrund der Lehre. Dafür kommen einige neue Lehrbereiche hinzu wie der Bildjournalismus. Wo 1955/56 die meisten Inhalte nicht mit der praktischen, journalistischen Arbeit in Verbindung zu bringen waren, so wird auf diesen Aspekt immer größeren Wert gelegt. Mit konkreten Beispielen, Anweisungen und Aufgaben können die Studenten in späteren Jahren aus den Lehrheften einen Mehrwert für ihre spätere journalistische Tätigkeit ziehen. Auch hinsichtlich der Gestaltung der Lehrhefte tritt ein Wandel ein. Während die Gestaltung in den Anfangsjahren stark an Schulbücher erinnert, wird diese im Laufe der Jahre zum Großteil übersichtlicher und mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis unterlegt.

Eine weitere Veränderung kann bei der Vermittlung wissenschaftlicher oder journalistischer Methoden festgestellt werden. Im Zeitraum 1955/56 beschränkten sich die Lehrhefte auf die Darstellung von Wissen. In den folgen Jahren sind zumindest in einzelnen Bereichen Beispiele für eine methodengestützte Erschließung von Gegenständen zu finden, wie etwas in einem studentischen Sammelband 1969/70 oder in einem Sammelband 1984/85, in dem auch Beiträge von Praktikern enthalten sind.

Obwohl einige Veränderungen festgemacht werden konnten, gibt es jedoch mehrere Aspekte, die sich über die Jahre hinweg kaum bzw. nur wenig verändert haben. Dies betrifft zunächst die Orientierung an den politischen Vorgaben, der in allen Heften unabhängig von den Zeiträumen erkennbar ist. Zwar ist dieser in den Jahren 1955/56 deutlich stärker ausgeprägt, vorhanden ist der Bezug jedoch auch noch in den späteren Jahren. Hinsichtlich der Vermittlung der Inhalte muss außerdem angemerkt werden, dass diese über die Jahre hinweg eher Schulcharakter trägt und mit strikten Vorgaben wie dem Punktesystem das Erlernen gegenüber dem Verstehen oder gar Hinterfragen des Vermittelten ganz offensichtlich bevorzugt.

Der Mehrwert, den Studenten aus den Lehrheften für ihre spätere journalistische Arbeit entnehmen, muss hier auch kritisch hinterfragt werden. Wenn wir nur von den Lehrheften und den dort eingesetzten Vermittlungsmethoden ausgehen, bleibt es doch fraglich, wie die angehenden Journalisten zuerst ohne Kenntnisse der wissenschaftlichen Methoden ihre Diplomarbeit anfertigen und wie sie danach in den Arbeitsalltag der DDR-Medien einsteigen sollten. Gerade an diesem Punkt wäre es sicherlich wichtig, eine Befragung von Studierenden der DDR-Journalistik anzuschließen. So könnte ermittelt werden, wie zentral diese Lehrhefte im Studium waren, mit welchen Materialien sie ergänzt wurden, wie die Prüfungen aussahen und wieweit die Dozenten dazu anregten, sich über die hier vermittelten Inhalte Themen selbst mit journalistischer Recherche oder kritischer Analyse zu erarbeiten.

Quellenverzeichnis

    Lehrhefte der Fakultät/Sektion Journalistik, Studienarchiv Medien und Kommunikationswissenschaft, Universität Leipzig:

  • KMU Leipzig (1956): Geschichte der deutschen Presse. Die deutsche Presse von der Zerschlagung des Naziregimes bis zur II. Parteikonferenz der SED (1945 bis 1952). Arbeitsnummer 10311/14. Standort: Pressearchiv Leipzig, Komm L 55-12.
  • KMU Leipzig (1955): Theorie und Praxis der Pressearbeit. Die Reportage in der demokratischen Presse. Arbeitsnummer 10301/12. Standort: Pressearchiv Leipzig, Komm L 55-32.
  • KMU Leipzig (1955): Deutsche Sprach- und Stillehre. Die Partei und Fragen der Literatursprache. Arbeitsnummer 10307/5. Standort: Pressearchiv Leipzig, Komm L 55-13.
  • Heinrich Bruhn/Günter Bialowons (1970): Karl Marx und Friedrich Engels als Journalisten. Arbeitsnummer 10312/19. Standort: Pressearchiv Leipzig, Komm L 70-03.
  • Robert Michel (1969): Fernsehjournalistische Gestaltungsmittel. Gesprochenes Wort/Geräusch/Musik. Standort: Pressearchiv Leipzig, Komm L 69-08.
  • Emil Dusiska (Hrsg.) (1970): Methodik der journalistischen Arbeit. Übungsbuch Teil I. Übungen 1-12. Arbeitsnummer 10301/3. Standort: Pressearchiv Leipzig, Komm L 70-08.
  • KMU Leipzig (1985): Zeittafel zur Geschichte des DDR-Journalismus 1961-1981. Standort: Pressearchiv Leipzig, Komm L 85-20.
  • KMU Leipzig (1985): Bildjournalistische Genres der Tageszeitung (Bildnachricht, Bildbetrachtung, Bildbericht). Journalistisches Übungsbuch. Standort: Pressearchiv Leipzig, Komm L 85-03.
  • KMU Leipzig (1984): Journalismus in arabischen Ländern. Standort: Pressearchiv Leipzig, Komm L 84-06.

Literaturangaben

  • Jochen Jedraszczyk: Entideologisierung – Rekonstruktion – Re-Ideologisierung. Leipziger publizistik- und zeitungswissenschaftliche Einrichtungen 1945 bis 1952. In: Erik Koenen (Hrsg.): Die Entdeckung der Kommunikationswissenschaft. 100 Jahre kommunikationswissenschaftliche Fachtradition in Leipzig: Von der Zeitungskunde zur Kommunikations- und Medienwissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2016, S. 155-184.
  • Erik Koenen: 100 Jahre Fach- und Institutsgeschichte in Leipzig: Eine Chronik. In: Erik Kowenen (Hrsg.): Die Entdeckung der Kommunikationswissenschaft. 100 Jahre kommunikationswissenschaftliche Fachtradition in Leipzig: Von der Zeitungskunde zur Kommunikations- und Medienwissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2016, S. 275-284.
  • Michael Meyen: Studieren im Roten Kloster. Die Anfänge der Journalistenausbildung in der DDR. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2017.
  • Michael Meyen/Thomas Wiedemann: Journalistik-Professoren in der DDR. Eine Kollektivbiografie. In: Erik Koenen (Hrsg.): Die Entdeckung der Kommunikationswissenschaft. 100 Jahre kommunikationswissenschaftliche Fachtradition in Leipzig: Von der Zeitungskunde zur Kommunikations- und Medienwissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2016, S. 214-245.
  • Christian Schemmert/Daniel Siemens: Die Leipziger Journalistenausbildung in der Ära Ulbricht. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61. Jg. (2013), Nr. 2, S. 201-237.
  • Christian Schemmert/Daniel Siemens: Die Leipziger Journalistenausbildung im „Roten Kloster“ in der Ära Ulbricht. In: Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (Hrsg.): Presse in der DDR. Beiträge und Materialien, 15. Juli 2014.

Empfohlene Zitierweise

Annett Sofie Schug: Die Leipziger Journalistik-Lehrhefte 1955/56, 1969/70 und 1984/1985. In: Patrick Merziger (Hrsg.): Sozialisten – Journalisten – Wissenschaftler? Die Geschichte der Leipziger Journalistik in der DDR. Feature. Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2020. http://blexkom.halemverlag.de/annett_schug/ (Datum des Zugriffs).

Titelfoto: Budzislawski 1966