Karsten Renckstorf (Quelle: Communications 39. Jg.)

Karsten Renckstorf

2. April 1944 bis 3. August 2013

Lexikoneintrag von Simon Wastian am 15. August 2018

Der Soziologe Karsten Renckstorf entwickelte in Abgrenzung zu dem damals vorherrschenden Bild passiver Medienrezipienten einen Ansatz, der von aktiver Mediennutzung auf der Basis individueller Bedürfnisse ausging. Im Fach gilt er außerdem als Wegbereiter von „Mixed Methods“.

Stationen

Geboren in Timmendorfer Strand. Studium der Soziologie an der Universität Hamburg. 1970 wissenschaftlicher Referent am Hans-Bredow-Institut in Hamburg und Redakteur der Fachzeitschrift Rundfunk und Fernsehen. Dissertation. 1986 an die Universität Njimegen berufen. 1996 bis 2008 Herausgeber der Fachzeitschrift Communications. 2009 emeritiert. Verheiratet, eine Tochter und ein Sohn. Gestorben in Nijmengen.

Publikationen

  • Neue Perspektiven in der Massenkommunikationsforschung. Beiträge zur Begründung eines alternativen Forschungsansatzes. Berlin: Volker Spiess 1977.
  • Menschen und Medien in der postindustriellen Gesellschaft. Neuere Beiträge zur Begründung eines alternativen Forschungsansatzes. Berlin: Volker Spiess 1983.
  • Mediennutzung als soziales Handeln. Zur Entwicklung einer handlungstheoretischen Perspektive der empirischen (Massen-)Kommunikationsforschung. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 41. Jg. (1989), Sonderheft 30, S. 314-336.

Karsten Renckstorf steht für einen ungewöhnlichen Werdegang, das Infragestellen von Grundannahmen zur Mediennutzung sowie für die Etablierung des Nutzenansatzes in der Kommunikationswissenschaft (vgl. Hans-Bredow-Institut 2013). In Hamburg forschte er zur Nachrichtenberichterstattung und schrieb eine Dissertation zur Wirkung von Darstellungsformen in Fernsehnachrichten (vgl. Krotz 2014: 1). Dabei war der Soziologe zunehmend unzufrieden mit der kommunikationswissenschaftlichen Wirkungsforschung (vgl. Hemels 2015).

Anders als etablierte Modelle, welche von passiven Subjekten ausgingen, sah Renckstorf in der Mediennutzung eine Form sozialen Handelns (vgl. Hemels 2015; Renckstorf 1989: 314-315). In seinem Nutzenansatz reagieren Individuen nicht einfach auf Medien, sondern nutzen und rezipieren diese entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen (Renckstorf 1989: 319). Diese Weiterentwicklung des „Uses-and-Gratifications“-Modells entstand in enger Zusammenarbeit mit seinem Hamburger Kollegen Will Teichert und wurzelt in der Tradition des symbolischen Interaktionismus (vgl. Krotz 2008: 34). Renckstorf geht davon aus, dass wir uns Medien-Bedeutungen erst über die Interaktion mit anderen Individuen erschließen. In einem eher psychologisch ausgerichteten Fach war dies ein ausdrücklich soziologischer Fokus und folglich für die Kommunikationswissenschaft eine Hilfe, sich als Sozialwissenschaft zu etablieren (vgl. Hemels 2015). Darüber hinaus gilt Renckstorf als ein Wegbereiter von „Mixed Methods“ im Fach – für die Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden (vgl. Krotz 2014: 1).

Renckstorfs Berufung an die Radboud-Universität Nijmegen (damals: Katholische Universität Nijmegen) in den Niederlanden ist ungewöhnlich, da die Forschung dort hauptsächlich angelsächsisch ausgerichtet war (vgl. Hemels 2015). Möglicherweise war hier ein Brückenschlag zur deutschsprachigen Forschung geplant (vgl. Hemels 2015). Als Professor in Nijmegen entwickelte Renckstorf seinen Ansatz zur Mediennutzung über empirische Untersuchungen weiter (vgl. Hans-Bredow-Institut 2013).

Neben seinen wissenschaftlichen Beiträgen hat Karsten Renckstorf zwei Fachzeitschriften geprägt – am Hans-Bredow-Institut zunächst als Redakteur die hauseigene Zeitschrift Rundfunk und Fernsehen und schließlich als Herausgeber Communications (Krotz 2014: 1).

Literaturangaben

  • Hans-Bredow-Institut: Wir trauern um Karsten Renckstorf. 2013.
  • Joan Hemels: Die Entwicklung in Nijmegen. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015.
  • Friedrich Krotz: Handlungstheorien und Symbolischer Interaktionismus als Grundlage kommunikationswissenschaftlicher Forschung. In: Carsten Winter/Andreas Hepp/Friedrich Krotz (Hrsg.): Theorien der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Grundlegende Diskussionen, Forschungsfelder und Theorieentwicklungen. Wiesbaden: VS Verlag 2008, S. 29-48.
  • Friedrich Krotz: Obituary of Karsten Renckstorf. In: Communications 39. Jg (2014), S. 1-2.
  • Karsten Renckstorf: Mediennutzung als soziales Handeln. Zur Entwicklung einer handlungstheoretischen Perspektive der empirischen (Massen-)Kommunikationsforschung. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 41. Jg. (1989), Sonderheft 30, S. 314-336.

Weiterführende Literatur

  • Ruben Konig/Paul Nelissen/Frank Huysmans (Hrsg.): Meaningful Media. Communication research on the social construction of reality. Nijmegen: Uitgeverij Tandem Felix 2009.

Empfohlene Zitierweise

    Simon Wastian: Karsten Renckstorf. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2018. http://blexkom.halemverlag.de/karsten-renckstorf/ ‎(Datum des Zugriffs).