Heinrich Bruhn (Quelle: Privatarchiv Michael Meyen, Leihgabe von Karl-Heinz Röhr)

Heinrich Bruhn

29. Januar 1913 bis 18. November 1986

Lexikoneintrag von Gabriel Wonn am 19. Juli 2018

Heinrich Bruhn ist ein Paradebeispiel für die erste Professoren-Generation an der Leipziger Fakultät für Journalistik, wo Gesinnung und politische Leistungen Ausgangspunkte für akademische Karrieren waren.

Stationen

Geboren in Lunden. Vater Gustav Bruhn (Tischler), Mutter Elisabeth Bruhn (Arbeiterin). 1928-1935 Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands. 1928 Kaufmännische Lehre. 1931 Anstellung bei der Deutsch-Russischen Transport- und Handels-AG Berlin, hier zeitweise Expedient und Transportkontrolleur in Hamburg. 1934 Heirat mit Edith Cornehl. 1936-1939 Haft wegen Vorbereitung zum Hochverrat (mit Eltern und Ehefrau) im Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel. Anschließend Expedient in Berlin. 1943 Soldat und Kriegsgefangenschaft. 1944 Ermordung der Eltern im Konzentrationslager Neuengamme. 1945 Leiter der Betriebspolizei der Mansfeld-Betriebe Hettstedt. 1946 Landesparteischule der SED Sachsen-Anhalt. 1948 Redakteur bei der Freiheit in Halle. 1950 Parteischullehrer. 1951 Professor für „Geschichte der KPdSU“ an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig. 1953 Professor für „Geschichte der Russischen Publizistik und der Bolschewistischen Presse“ an der Philosophischen Fakultät sowie an der Fakultät für Journalistik (gegründet 1954). 1954 Abgeordneter der Volkskammer. 1956-1959 Studium der Gesellschaftswissenschaften an der Parteihochschule in Moskau. Diplom. Bis 1977 Professor in Leipzig. Eine Tochter. Gestorben in Leipzig.

Publikationen

  • Bibliographie der Periodika der Deutschen Demokratischen Republik 1945-1976. Leipzig: Sektion für Journalistik der Karl-Marx-Universität 1977 (Herausgeber).
  • Die deutsche Presse in der Zeit der faschistischen Diktatur, 1933-45, Leipzig: Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität 1978 (Bearbeiter).

Als Heinrich Bruhn 1951 Professor an der Universität Leipzig wurde, war für jeden offensichtlich, dass dies nicht aufgrund wissenschaftlicher Qualifikation geschah. Der „Professor ohne Abitur“ (Klump 1991: 59) hatte bis dahin etwas hingelegt, was man ohne Übertreibung als Blitzkarriere beschreiben kann. Bruhn war vor seiner Berufung lediglich Lehrer an Parteischulen und Redakteur bei der Freiheit in Halle gewesen.

Der schnelle Aufstieg auf eine Professur war alles andere als ungewöhnlich für die Anfänge der Journalistenausbildung in der DDR. Die Leipziger Einrichtung sollte aus Sicht der Parteiführung vor allem „klassenbewusste Journalisten ausbilden und erziehen“ (Knipping 2017) und weniger wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen. Bruhn war in erster Linie ein verdienter Genosse. So kann man sich vorstellen, dass er tatsächlich im Gespräch mit der Studentin Brigitte Klump äußerte, er habe sich die Professur nicht erschlichen, sondern diese für „Verdienste in der Arbeiterbewegung“ bekommen (Klump 1991: 59). Zudem konnte er aus politischer Sicht einen vorbildlichen Lebenslauf vorweisen: Arbeiterbewegung, Spartakusbund, KPD-Mitgliedschaft, KZ-Inhaftierung (vgl. Meyen 2017; Professorenkatalog der Universität Leipzig 2009).

Den Studenten blieb die fehlende akademische Bildung des Professors nicht verborgen. Um es mit den Worten von Ingeborg Schmidt zu sagen: „Heinrich Bruhn und Wilhelm Eildermann waren verdiente Genossen, die man unterbringen musste. Ich habe dort kein Wort gelernt, aber ich schimpfe heute auch nicht darüber“ (Meyen 2017). Auch der damalige Hilfsassistent Heinz Halbach fällt ein ähnliches Urteil: „Eigentlich waren das keine akademisch ausgebildeten Lehrer. (…) Von systematischer Forschungsarbeit hatten alle keine Ahnung. Sie hatten Lebenserfahrung und waren politisch aktiv gewesen. Mehr nicht“ (Halbach 2017). Und Bruhn selbst? Der wollte eigentlich schnell selbst wieder weg und bereits 1955 zur Kasernierten Volkspolizei wechseln. Er war mit den Aufgaben eines Professors und den Anforderungen der Universität überfordert und als Abgeordneter der Volkskammer auch zeitlich gar nicht in der Lage, sich wissenschaftliche Kenntnisse anzueignen (vgl. Meyen 2017).

Schließlich blieb er doch bis 1977, nachdem er 1956 für drei Jahre zur Parteihochschule nach Moskau delegiert wurde, an deren Ende zwar keine Promotion, aber immerhin ein Diplom als Gesellschaftswissenschaftler stand. Ein wissenschaftliches Werk im Wortsinn hinterließ Heinrich Bruhn zwar nicht, dafür aber ein Musterbeispiel für einen Professor in der Anfangszeit der Leipziger DDR-Journalistik.

Literaturangaben

Weiterführende Literatur

Empfohlene Zitierweise

    Gabriel Wonn: Heinrich Bruhn. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2018. http://blexkom.halemverlag.de/heinrich-bruhn/ (Datum des Zugriffs).