Wolfgang R. Langenbucher

Wolfgang R. Langenbucher

24. April 1938

Lexikoneintrag von Bernd Semrad am 2. Mai 2018

Wolfgang Rudolf Langenbucher hat in München und Wien Nachhaltiges geschaffen. Als Institutionenbauer steht er für den Journalistik-Diplomstudiengang in München und für die Bewältigung des Massenbetriebs in Wien. Als Impulsgeber trieb er die Kanonisierung des Hochkulturjournalismus voran und steht für die Unverzichtbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Stationen

Geboren in Pforzheim (Baden-Württemberg). Studium der Volkswirtschaftslehre, Philosophie, Germanistik und Zeitungswissenschaft in Stuttgart und München. Während des Studiums freiberufliche journalistische Tätigkeit (vor allem für Radioredaktionen). 1963 Promotion bei Hanns Braun. Assistent bei Otto B. Roegele am Institut für Zeitungswissenschaft der Universität München. Zahlreiche gemeinsame Veröffentlichungen mit Peter Glotz (vgl. Glotz 2014). 1972 Mitherausgeber der Fachzeitschrift Publizistik (bis 2006). 1973 Habilitation. Mitinitiator des Münchner Modellversuch für einen berufsbezogenen Studienganges (ab 1979 Diplom-Journalistik). 1975 Professor in München. 1984 Ordinariat für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Bis 2006 mit kurzer Unterbrechung dort Institutsvorstand. 1993 Gründung des Vereins Freunde und Förderer des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (Club Kommunikation) und über viele Jahre Vorsitzender. 1998 Initiative Öffentlicher Rundfunk. 2000 Start der Theodor-Herzl-Dozentur für Poetik des Journalismus. 2008 Ehrenmitglied der DGPuK. 2008 Gründungsmitglied und Vorsitzender des PR-Ethikrats (bis 2015).

Publikationen

  • Der aktuelle Unterhaltungsroman. Beiträge zu Geschichte und Theorie der massenhaft verbreiteten Literatur. Bonn: Bouvier 1964 (Dissertation).
  • Versäumte Lektionen. Entwurf eines Lesebuches. Gütersloh: Mohn 1965 (Herausgeber, mit Peter Glotz, zahlreiche Auflagen).
  • Der mißachtete Leser. Zur Kritik der deutschen Presse. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1969 (Neuauflage München: Fischer 1993) (mit Peter Glotz).
  • Kommunikation als Beruf. Ansätze kommunikationswissenschaftlicher Berufsforschung. München 1973 (Habilitationsschrift, Kurzfassung: Langenbucher 1974/75).
  • Pressekonzentration und Journalistenfreiheit. Zur Entwicklung der Arbeits- und Beschäftigungssituation von Journalisten der Tageszeitungen in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: Spiess 1976 (mit Otto B. Roegele und Frank Schumacher).
  • Paul F. Lazarsfeld. Die Wiener Tradition der empirischen Sozial- und Kommunikationsforschung. München: Ölschläger 1990 (Herausgeber).
  • Das Gewissen ihrer Zeit. Fünfzig Vorbilder des Journalismus. Wien: Picus 2004 (Herausgeber, mit Hans-Jürgen Jakobs).

Wolfgang R. Langenbucher hat im Fach und an seinen Wirkungsstätten viele Spuren hinterlassen. Am Beginn stand Der mißachtete Leser (Glotz/Langenbucher 1969). Zuerst 1969 erschienen, erlebte die Streitschrift zur Kritik der deutschen Presse mehrere Auflagen und gilt auch heute noch als Schlüsselwerk der Kommunikationswissenschaft.

Peter Glotz und Wolfgang R. Langenbucher waren damals Assistenten am Institut für Zeitungswissenschaft der Universität München. Während Glotz sich als Vordenker der SPD ins Feld der Politik verabschiedete (vgl. Meyen 2014), blieb Langenbucher der Wissenschaft treu, ohne im Elfenbeinturm zu verschwinden.

Kommunikation als Beruf, seine Münchner Habilitationsschrift zur kommunikationswissenschaftlichen Berufsforschung, kann als theoretische Grundlegung seiner Bemühungen zur Reform der Journalistenausbildung gesehen werden und gab maßgebliche Impulse zur hochschulgebundenen Journalistenausbildung, die im Münchner Modellversuch eines berufsbezogenen Studienganges (seit 1979 Diplomstudiengang Journalistik) ihren institutionellen Niederschlag fanden (vgl. Meyen/Höfler 2008).

Langenbucher in einem Lehrfilm, der 1976 im Dritten Programm ausgestrahlt wurde (Screenshot: Christoph Hage)

Als Mitglied in zahlreichen Kommissionen, Expertengremien, Fachgesellschaften und Arbeitskreisen hat sich Langenbucher seit den 1970er-Jahren immer wieder über die Grenzen des Fachs hinaus engagiert, so als Mitglied der Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems (KtK) und des Projektteams Lokaljournalisten, als Leiter der Wissenschaftlichen Kommission Lesen, als Berater beim Feldversuch Bildschirmtext in Düsseldorf/Neuss und schließlich als Beauftragter des Landes Berlin für ein Projektdesign Kabelkommunikation Berlin. Mit diesen Aktivitäten sorgte er dafür, dass die zukunftsorientierte Telekommunikationspolitik zu einem Gegenstand der Disziplin wurde.

Walter Hömberg (langjähriger Wegbegleiter, nicht nur als Bibliograf, vgl. Hömberg 2007, 2013) umschrieb dies einmal so: Langenbucher war schon wieder fort, wenn die anderen erst an diese Orte kamen. Namentlich waren etwa die oben genannten Pionierprojekte gemeint, vor allem aber die akademische Journalistenausbildung. Dazu gehört die Schriftenreihe Praktischer Journalismus (erschienen in München bei Ölschläger ab 1979). So wurde der Kommunikationswissenschafter Langenbucher für die Kommunikationspolitik und die Medienpraxis wichtiger Impulsgeber (vgl. Hömberg 2018). Dies setzte sich bis zuletzt fort. Erwähnt seien etwa die Bemühungen, den Stellenwert des öffentlichen Rundfunks in eine Charta zu gießen oder mit dem PR-Ethikrat eine (Selbst-)Kontrollinstanz zu etablieren.

Wolfgang R. Langenbucher mit Absolventen des Diplomstudiengangs an der LMU (Quelle: Privatarchiv Michael Meyen)

Journalismuskritik, journalistische Qualität und der Werkcharakter von Journalismus standen im Zentrum von Langenbuchers Werk und Wirken – dies stets in „Äquidistanz“ zur journalistischen Praxis, wie er selbst zu formulieren pflegt. In den Wiener Jahren galt seine Aufmerksamkeit immer mehr dem sogenannten Hochkulturjournalismus. Eine der von ihm herausgegebenen Anthologien enthält Porträts von 50 Vorbildern des Journalismus. Darunter findet sich unter anderem Theodor Herzl (vgl. Jakobs/Langenbucher 2004). Nach Herzl ist die „Dozentur für Poetik des Journalismus“ am Wiener Institut benannt, von Langenbucher initiiert und bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2006 betreut. Die Vorträge der Gastdozentinnen und -dozenten aus der journalistischen Praxis wurden ediert und sind im Wiener Verlag Picus erschienen.

In der Wiener Zeit Langenbuchers entwickelte sich das von ihm geleitete Institut mit der Umstellung auf die Diplomstudienordnung 1984 „zu einem der größten und angesehensten dieser Disziplin weltweit“ (Prantl 2018) mit über 4000 Studierenden. Spätestens in Wien war er also der „Institutionenbauer“ (Langenbucher 2007), als der er sich auch selbst sieht (vgl. auch Langenbucher 2015). Um den „Massenbetrieb“ zu bewältigen, wurde zum Zweck des studentischen Selbststudiums unter anderem die mehrbändige Reihe Studienbücher zur Publizistik- und Kommunikationswissenschaft begründet (erschienen in Wien bei Braumüller ab 1986). Das publizistische Werk Langenbuchers entwickelte sich analog zur Funktion des Institutionenbauers. Im Vordergrund standen Editionen und programmatische Aufsätze genauso wie Beiträge und Kommentare zu wissenschafts- und kommunikationspolitischen Themen (vgl. Hömberg 2007, 2013).

Last but not least sei ein wichtiges Fundament seiner Arbeit hervorgehoben: Wissenschafts- und Kommunikationsgeschichte. Die wegweisende Wiener DGPuK-Jahrestagung „Wege zur Kommunikationsgeschichte“ 1986 ragt auch heute noch als Leuchtturm dieser „Teildisziplin“, des „Denkfachs“ der Kommunikations- und Medienwissenschaft, heraus (vgl. Bobrowsky/Langenbucher 1987). Seine Affinität zur – seit 1986 – in Wien erscheinenden Fachzeitschrift medien & zeit dokumentiert sich nicht zuletzt anhand zahlreicher Beiträge und Rezensionen in dieser bis heute am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien angesiedelten Institution. Die Wiener Tradition der Sozialwissenschaften und deren Protagonisten waren stets Thema des Wahl-Wieners Langenbucher. Zwei Bände über Paul F. Lazarsfeld unterstreichen dies (vgl. Langenbucher 1990, 2008).

Literaturangaben

  • Manfred Bobrowksy/Wolfgang R. Langenbucher: Wege zur Kommunikationsgeschichte. München: Ölschläger 1987.
  • Peter Glotz: Das Gespräch ist die Seele der Demokratie. Beiträge zur Kommunikations-, Medien- und Kulturpolitik. Mit einer Einführung von Michael Meyen. Herausgegeben von Wolfgang R. Langenbucher und Hans Wagner. Baden-Baden: Nomos 2014.
  • Peter Glotz/Wolfgang R. Langenbucher: Der mißachtete Leser. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1969.
  • Walter Hömberg: Bibliographie Wolfgang R. Langenbucher 1964–2006. Ein Schriftenverzeichnis zur Emeritierung. In: medien & zeit 22. Jg. (2007), Heft 3, S. 33–54.
  • Walter Hömberg: Auswahlbibliographie Wolfgang R. Langenbucher 2008–2013. Ein Schriftenverzeichnis zum 75. Geburtstag. In: Publizistik 58. Jg. (2013), S. 221-226.
  • Walter Hömberg: Impulsgeber und Bücherfreund. In: Der Standard vom 24. April 2018, S. 25.
  • Hans-Jürgen Jakobs/Wolfgang R. Langenbucher (Hrsg.): Das Gewissen ihrer Zeit. Fünfzig Vorbilder des Journalismus. Wien: Picus 2004.
  • Wolfgang R. Langenbucher: Kommunikation als Beruf. Ansätze und Konsequenzen kommunikationswissenschaftlicher Berufsforschung. In: Publizistik 19./20. Jg. (1974/75), S. 256-277.
  • Wolfgang R. Langenbucher (Hrsg.): Paul F. Lazarsfeld. Die Wiener Tradition der empirischen Sozial- und Kommunikationsforschung. München: Ölschläger 1990.
  • Wolfgang R. Langenbucher: Ich sehe mich als Institutionenbauer. In: Michael Meyen/Maria Löblich: „Ich habe dieses Fach erfunden“. Wie die Kommunikationswissenschaft an die deutschsprachigen Universitäten kam. 19 biografische Interviews. Köln: Herbert von Halem 2007, S. 201-226.
  • Wolfgang R. Langenbucher (Hrsg.): Paul Felix Lazarsfeld – Leben und Werk. Anstatt einer Biographie. Wien: Braumüller 2008.
  • Wolfgang R. Langenbucher: Von der Manufaktur zum Massenbetrieb. Institutspolitik für die Studentinnen und Studenten. Eine Collage zu 20 Jahren Institutsgeschichte. In: medien & zeit 30 (2015), Heft 3, S. 40-56.
  • Michael Meyen: Peter Glotz – Leben und Werk. In: Peter Glotz: Das Gespräch ist die Seele der Demokratie. Beiträge zur Kommunikations-, Medien- und Kulturpolitik. Mit einer Einführung von Michael Meyen. Herausgegeben von Wolfgang R. Langenbucher und Hans Wagner. Baden-Baden: Nomos 2014, S. 15-.42
  • Michael Meyen/Maria Löblich: „Ich habe dieses Fach erfunden“. Wie die Kommunikationswissenschaft an die deutschsprachigen Universitäten kam. 19 biografische Interviews. Köln: Herbert von Halem 2007.
  • Michael Meyen/Barbara Höfler: Ende des Studiengangs, Ende der Debatte? Das „Münchener Modell“ zur Ausbildung von Journalisten. In: Michael Meyen/Manuel Wendelin (Hrsg.): Journalistenausbildung, Empirie und Auftragsforschung. Köln: Herbert von Halem 2008, S. 28-84.
  • Heribert Prantl: Stil in jeder Hinsicht. In: Süddeutsche Zeitung vom 24. April 2018.

Weiterführende Literatur

Weblink

Empfohlene Zitierweise

Bernd Semrad: Wolfgang R. Langenbucher. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2018. http://blexkom.halemverlag.de/wolfgang-langenbucher/ (Datum des Zugriffs).