Lutz Erbring

Lutz Erbring

26. Mai 1938 bis 20. September 2021

Lexikoneintrag von Michael Meyen am 4. November 2016

Lutz Erbring war in den USA auf dem Weg zu einer glänzenden akademischen Karriere, als er gebeten wurde, an der Freien Universität Berlin die Basis für eine sozialwissenschaftlich orientierte Publizistikwissenschaft zu legen.

Stationen

Geboren in Leipzig. Vater Chemiker. 1957 Studium der Rechtswissenschaften in München, 1958 in Berlin. 1958/59 Politikwissenschaften in Princeton. 1961 bis 1965 Rechts- und Sozialwissenschaften in Köln. 1964 Erstes juristisches Staatsexamen in Köln. 1966 bis 1975 Studium der Politischen Wissenschaft an der University of Michigan. Parallel dazu Dozent und Studienleiter am Institute for Social Research (ISR). 1969 bis 1971 Dozent an der Summer School der University of Essex. 1972 bis 1978 Direktor des Ausbildungsprogramms für quantitative Methoden des Inter-University Consortium for Political and Social Research (ICPSR). 1975 PhD. 1975 Assistant Professor, Department of Political Science der University of Michigan. 1979 Associate Professor, Department of Political Science der University of Chicago und Senior Study Director am National Opinion Research Center (NORC). 1986 bis 2005 Lehrstuhl für Publizistik mit dem Schwerpunkt Theorie und Methoden der empirischen Kommunikationsforschung an der Freien Universität Berlin, in dieser Zeit mehrfach Visiting Professor an der University of Chicago und an der Stanford University.

Publikationen

  • The Impact of Political Events on Mass Publics. University of Michigan 1975 (Dissertation).
  • Front-Page News and Real World Cues: Another Look at Agenda-Setting by the Media. In: American Journal of Political Science Vol. 24 (1980), S. 16-49 (mit Edie Goldenberg und Arthur Miller).
  • Kommunikationsraum Europa. Konstanz: UVK 1995 (Herausgeber).

In der Generation der „Jungtürken“ in der Kommunikationswissenschaft ist Lutz Erbring ein Exot (vgl. Meyen/Löblich 2007) – nicht nur weil sein Vater Naturwissenschaftler war (ein habilitierter Chemiker, der während des Krieges an der TH München lehrte und später dann als Honorarprofessor in Köln) und er selbst sehr früh Auslandserfahrungen sammeln durfte, sondern vor allem durch die Umstände seiner Berufung an die Freie Universität Berlin. Erbring hat zwar in Deutschland studiert und in seinem „Zweitstudium“ (neben einem juristischen Staatsexamen) auch Anschluss an die Gruppe um den Kölner Sozialwissenschaftler Erwin K. Scheuch bekommen (unter anderem Hans-Dieter Klingemann, Max Kaase und Burkhard Strümpel), war dann aber in die USA gegangen und hatte dort als Medienwirkungsforscher in der Politikwissenschaft akademische Karriere gemacht (vgl. Erbring 2007: 251-254).

Lutz Erbring mit Hans-Bernd Brosius, Günter Bentele und Romy Fröhlich auf der DGPuK-Jahrestagung 2002 in Dresden (Foto: Michael Meyen)

Lutz Erbring mit Hans-Bernd Brosius, Günter Bentele und Romy Fröhlich auf der DGPuK-Jahrestagung 2002 in Dresden (Foto: Michael Meyen)

Der Weg zurück führte über Erbrings Engagement in der Methodenausbildung. Dort lernte er zahlreiche Gäste aus Deutschland kennen und bekam so auch Kontakt zur Mainzer Schule der Publizistikwissenschaft. Elisabeth Noelle-Neumann forderte ihn schließlich auf, sich um den Lehrstuhl in Berlin zu bewerben (Erbring 2007: 255). Sie war damals neben Ulrich Saxer und dem FAZ-Herausgeber Joachim Fest Mitglied einer Expertenkommission, die für das Berliner Institut eine Blockberufung mit „drei Eckprofessuren“ empfohlen hatte (Empirie, Journalistik und Geschichte, vgl. Erbring 2007: 256-257). Neben Erbring wurden Stefan Ruß-Mohl und Bernd Sösemann geholt.

Die Idee der Blockberufung ging allerdings nur bedingt auf. Im Rückblick sprach Erbring von „absoluter Ablehnung“ gegenüber „dem Empiriker“ (sowohl bei den Professorenkollegen als auch im „linken Mittelbau“, Erbring 2007: 257-258). So dauerte es fast ein Jahrzehnt, bis der zweite Empirie-Lehrstuhl besetzt werden konnte (mit Hans-Jürgen Weiß). In der Methodenausbildung dieser „Berliner Schule“ wurden zahlreiche empirisch-quantitativ ausgerichtete Fachvertreter akademisch sozialisiert (unter anderem Volker Gehrau, Jens Wolling, Jens Woelke, Jens Vogelgesang und Benjamin Fretwurst).

Literaturangaben

Weiterführende Literatur

  • Birgit Krause/Benjamin Fretwurst/Jens Vogelgesang (Hrsg.): Fortschritte der politischen Kommunikationsforschung. Festschrift für Lutz Erbring. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007.

Weblink

Empfohlene Zitierweise

        Michael Meyen: Lutz Erbring In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2016. http://blexkom.halemverlag.de/lutz-erbring/ (Datum des Zugriffs).