Jürgen Wilke (Foto: privat)
Jürgen Wilke (Foto: privat)

Jürgen Wilke

19. Dezember 1943

Lexikoneintrag von Michael Meyen am 24. März 2015

Jürgen Wilke hat das Fach ein Vierteljahrhundert entscheidend geprägt: als Nachfolger von Elisabeth Noelle-Neumann in Mainz, als DGPuK-Vorsitzender und Organisator von zwei Jahrestagungen und nicht zuletzt durch eine Fülle von Publikationen.

Stationen

Geboren in Goldap (Ostpreußen). Vater Beamter. 1963 Studium in Mainz und Münster (Publizistik, Germanistik, Kunstgeschichte). 1971 Promotion in Mainz (Germanistik). Journalistische Tätigkeit. 1972 Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Universität Mainz. 1983 Habilitation. 1984 Lehrstuhl für Journalistik I, Katholische Universität Eichstätt. 1985 Ruf nach München (abgelehnt), 1988 Institut für Publizistik, Mainz (bis 2012). 1986 bis 1988 DGPuK-Vorsitzender. 1996 bis 2000 Leiter der History Section in der IAMCR. 1998 bis 2003 Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften. 2004 Professor honoris causa, Fakultät für Journalistik, Lomonossow-Universität Moskau. 2005 korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Verheiratet, ein Sohn.

Publikationen

  • Das Zeitgedicht. Seine Herkunft und frühe Ausbildung. Meisenheim: Hain 1974 (Dissertation).
  • Nachrichten und Medienrealität in vier Jahrhunderten. Berlin: de Gruyter 1984 (Habilitation).
  • Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Köln: Böhlau 1999 (Herausgeber).
  • Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. 2. Auflage. Köln: Böhlau 2008.
  • Massenmedien und Journalismus in Geschichte und Gegenwart. Gesammelte Studien. Bremen: edition lumière 2009.
  • Personen, Institutionen, Prozesse. Fachgeschichtliche Beiträge zur Kommunikationswissenschaft und Medienforschung. Köln: Herbert von Halem 2010.
  • Von der frühen Zeitung zur Medialisierung. Gesammelte Studien II. Bremen: edition lumière 2011.
  • Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch (Mitherausgeber ab der 2. Auflage 1989).

Jürgen Wilke war einer der letzten Hochschullehrer, der das Fach in seiner ganzen Breite vertreten und zahlreiche Forschungsgebiete mit eigenen Arbeiten bereichern konnte. Dies gilt für die Mediengeschichte genauso wie für Wahlkämpfe, politische Kommunikation, Nachrichtenagenturen, Mediensysteme oder die international vergleichende Nachrichtenforschung.

Diese enorme Vielfalt ist auch eine Folge der Zeitumstände. Jürgen Wilke hat als Student den Umbruch von einer praxisorientierten Zeitungskunde zur sozialwissenschaftlich ausgerichteten Kommunikationswissenschaft am eigenen Leib gespürt (vgl. Löblich 2010). Als er sich 1963 in Mainz einschrieb, lehrte dort Heinrich Tötter, Chefredakteur der Allgemeinen Zeitung. Die Berufung von Elisabeth Noelle-Neumann ein Jahr später erlebten Studenten wie Wilke, die sich auf den Journalismus vorbereiteten, auch als „Schock“ (Wilke 2015). Von empirischen Methoden hatten sie bis dahin genauso wenig gehört wie von der US-Forschungstradition, an die sich die Publizistik in Mainz jetzt anlehnte. Viele der Gebiete, die sich Jürgen Wilke im Laufe seiner Karriere erschloss, waren einfach „unterforscht“ (Wilke 2015). In einem autobiografischen Interview hat er beschrieben, wie er sich die einzelnen Themen erschloss und dann „systematisch abgearbeitet“ hat – auch in Verbindung mit Lehrveranstaltungen und studentischen Abschlussarbeiten, die in großer Zahl in thematischen Sammelbänden publiziert worden sind (Wilke 2015).

In der „Mainzer Schule“ der Publizistik ist Jürgen Wilke durch seine akademische Herkunft ein Exot (vgl. Meyen/Löblich 2006: 255-276). Der gelernte Philologe und Kunsthistoriker erschloss sich die sozialwissenschaftlichen Methoden erst nach der Promotion, unter anderem in zwei längeren Praktika am Institut für Demoskopie Allensbach. In seiner Habilitationsschrift hat er beide Zugänge dann verbunden und mithilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse und der Nachrichtenwerttheorie untersucht, wie sich die Medienrealität in vier Jahrhunderten verändert hat (vgl. Wilke 1984). Die Studie gilt bis heute als wegweisend für historische Forschung in der Kommunikationswissenschaft.

Dass Jürgen Wilke als Nachfolger von Elisabeth Noelle-Neumann an das Mainzer Institut zurückkehren und diese Einrichtung dann ein Vierteljahrhundert lang entscheidend prägen würde, war Mitte der 1980er-Jahre keineswegs sicher. Bereits kurz nach seiner Habilitation wurde er nach Eichstätt berufen und baute dort als erster Lehrstuhlinhaber mit Unterstützung von Walter Hömberg den Journalistik-Studiengang auf. Außerdem erhielt er 1985 einen Ruf an die Universität München. Die Entscheidung für Mainz begründete Wilke (2015) im Rückblick zum einen mit dem „geordneten Zustand“ des Instituts und zum anderen mit der Reputation Noelle-Neumanns.

Jürgen Wilke war nicht nur drei Jahre Vorsitzender der DGPuK, sondern gehört seit den 1970er-Jahren gewissermaßen zum Inventar der Jahrestagungen der Fachgesellschaft. Zwei dieser Tagungen hat er selbst organisiert (1987 in Eichstätt und 1998 in Mainz). Nachdem in den 1980er-Jahren sein Versuch scheiterte, eine History Division in der ICA zu etablieren, war er Ende der 1990er-Jahre Vorsitzender der History Section in der IAMCR (vgl. Wilke 2015). Wilkes wichtigster Schüler ist Carsten Reinemann.

Literaturangaben

Weiterführende Literatur

Weblinks

 Empfohlene Zitierweise

    Michael Meyen: Jürgen Wilke. In: Michael Meyen/Thomas Wiedemann (Hrsg.): Biografisches Lexikon der Kommunikationswissenschaft. Köln: Herbert von Halem 2015. http://blexkom.halemverlag.de/juergen-wilke/(Datum des Zugriffs).